Buchbesprechung:
Lorenz Jäger „Fromme Übungen“
Die in den Gesellschaften des Westens vorherrschenden Entchristlichungstendenzen werden heute nicht einmal mehr von den hartnäckigsten und borniertesten Modernisten geleugnet. Allerdings ist Deutschland bei der Profanierung und Infantilisierung der katholischen Lehre und des Mysteriums wohl am weitesten fortgeschritten. In einem ungenehmen und zunehmend häretischer daherkommenden „Christus-hat-uns-alle-lieb“-Gestus wurde das Fundament der Liturgie aufgeweicht und jene taumelnde Formlosigkeit zum Prinzip erhoben, die der römisch-katholische Romancier Martin Mosebach vor über zehn Jahren in seinem inzwischen bereits mehrfach neu aufgelegten Buch „Häresie der Formlosigkeit. Die römische Liturgie und ihr Feind“ so trefflich geißelte. Seitdem mehren sich die kritischen Stimmen, die die große Liturgiereform – die eher einer Revolution gleichkam -, die vor 50 Jahren auf dem II. Vatikanischen Konzil grundgelegt wurde, als völlig mißlungen ansehen und die Rückkehr zur tridentinischen Messe fordern. Eine dieser Stimmen gehört dem 1951 geborenen Soziologen und Germanisten Lorenz Jäger, der als Redakteur im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung manchem Leser bekannt sein dürfte. Jäger, der vor einigen Jahren zur römisch-katholischen Kirche konvertierte, steht der Tradition nahe, doch läßt er sich bei seinem Urteil – dies unterscheidet ihn ein wenig von seinem Freund Mosebach -, nicht ausschließlich von ästhetischen Kriterien leiten. Zwar sieht auch er, daß das nachkonziliare Reformwerk der heiligen Messe alle Schönheit ausgetrieben hat, doch geht seine Kritik durchaus ein Stück weiter. Wie schon in seinem Band „Hauptsachen“ (2010) läßt Jäger sich vor allem von den kleinen und großen Spuren, Bildern und Geschichten des Glaubens inspirieren und bringt diese dem Leser in einer gleichsam intellektuellen wie von frommer Einfachheit geprägten Sprache nahe. In zwölf Kapiteln erzählt der Autor u.a. von „Gebeten und Gebärden“, beschreibt „Die sichtbare und die unsichtbare Welt“ und läßt uns teilhaben an jenem großen Erbe der „einen, heiligen katholischen und apostolischen Kirche“. So beschreibt er in dem kleinen Lesestück „Schütze uns vor Fastfood“ die unguten Späße der immer zahlreicher werdenden „Western-, Narren- und Straßenbahnmessen“ und die sogenannten „Erlebnisgottesdienste“ mit Gegrilltem und Bier, um zu dem Schluß zu kommen, daß das Heilige – und die katholische Messe ist, wenn man sie denn ernst nimmt, natürlich eine heilige Handlung -, in direktem Gegensatz zur profanen Sphäre steht. Die Vorstellung eines Christentums ohne Mystik ist Jäger ein Greuel, so fehle denn auch im Sachregister modernistischer theologischer Werke das Wort Wunder, das auf einem Vernunftaltar geopfert wurde. Wie bei dem erfolgreichen Benediktiner-Autor Anselm Grün der Ritus zum Ritual und die Spiritualität zur Psychotherapie verkam, so verwische die neue, in ihren Umrissen noch kaum erkannte individualisierte Religion die Grenzen zwischen esoterischem Tinneff und christlichem Glauben und degeneriere zu einer „Religion des Subjekts“. Die Umcodierung der gesamten katholischen Spiritualität werde dadurch zu einer „schmerzlosen Selbstsuche“, deren Leerstellen gänzlich auf Bequemlichkeit und reine Infantilisierung bauen. Doch während die irdischen Paradiese mehr und mehr verblassen, setzt Jäger diesem menschlichen „Autonomiestolz“ den Glauben an den einen Gott, den Vater, den Allmächtigen, der alles geschaffen hat und an den einen Herrn Jesus Christus entgegen. Seinen „Frommen Übungen“ sind viele Leser zu wünschen.
Werner Olles
Lorenz Jäger: Fromme Übungen: fe-medienverlags GmbH. Kißlegg 2013. 183 S., 5.- € |