Hart, aber fair - ein Briefwechsel zur aktuellen kirchlichen Situation
Einleitung:
Besonders durch die Präsenz im Internet stoßen immer mehr Gläubige auf Themen, die wir in der EINSICHT abgehandelt haben, die dabei Zustimmung oder Ablehnung erfahren haben. Bei Anfragen - via E-Mail oder auch am Telefon - stellt sich häufiger heraus, daß unsere Ausgangsposition unbekannt ist. In einem solchen Fall versuche ich, die jeweilige Person in großen Argumentationslinien aufzuzeigen, wie wir unsere heutige Position rechtfertigen, wie wir unsere Einstellung theologisch begründen können. Man müßte gleichsam mit dem ersten erschienenen Heft beginnen. (Die Präsentation im Internet läßt in der Tat einen solchen Verweis als sinnvoll erscheinen und er ist sogar nachvollziehbar.) Bei solchen Disputen stelle ich vermehrt fest, daß viele Gläubige - gerade auch junge Leute - schon einen langen Weg des Suchens gegangen sind, um bis zu den Themen vorzudringen, die wir in unseren Veröffentlichungen abgehandelt haben. Ihnen ist erst nach und nach klar geworden, daß der Weg, den die Konzils-Kirche gewählt hat, nicht mehr mit dem übereinstimmt, den Christus vorgezeichnet hat, auch wenn Benedikt XVI./Ratzinger diese Abweichungen geschickt verschleiert. Irgendwann setzt dann die Erkenntnis ein, daß man das wahre Christentum mit seiner Liturgie bei denen suchen muß, die die vorkonziliare Tradition bewahrt haben. Also wendet man sich den Ecônern oder der Petrus-Bruderschaft zu, bis man auch dort auf eklatante Widersprüche trifft, die wiederum eine Neuorientierung erfordern. Schließlich überzeugen dann die von uns vorgetragenen Argumente oder man zollt ihnen zumindest Respekt. Das Dilemma, welches notwendigerweise angesprochen werden muß und in dem wir uns befinden, ist die Tatsache, daß wir zwar eine argumentative Festung anbieten können, in der es aber an bestellten Verteidigern fehlt, die unsere Position nach außen offensiv vertreten. So muß ich auf die immer wiederkehrende Frage, wo denn unsere Priester aktiv seien, antworten - für die Anfragenden enttäuschend! -, daß es solche Zentren nur ganz, ganz vereinzelt, flächendeckend leider nicht gibt.
In diesem Jahr habe ich über einen längeren Zeitraum einen Briefwechsel via E-Mail mit einer Dame geführt, die im konservativen Lager beheimatet ist, dessen Problematik ihr sehr wohl bewußt ist. Die Korrespondenz mit ihr deckt exemplarisch auf, in welchem kirchlich-religiösen Dilemma wir insgesamt stecken und dem wir uns ohne Beschönigung stellen müssen, wenn wir unsere religiöse Haltung bewahren wollen.
Ich bin der Korrespondentin sehr dankbar, daß sie der Veröffentlichung unseres brieflichen Dialogs zugestimmt hat. Der Abdruck in der EINSICHT geschieht in der Hoffnung, daß sich auch andere Personen durch die vorgetragenen Probleme und Antworten angesprochen fühlen.
Eberhard Heller
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5.7.2012
Sehr geehrter Herr Heller,
nach Lektüre einiger Artikel Ihrer (hochinteressanten) Zeitschrift Einsicht, auf die ich per Zufall im Laufe meiner Recherchen auf Internet gestossen bin, stelle ich mir jetzt die Frage, welcher Priester heute noch wirklich Priester ist. Insbesondere denke ich jetzt an die Priester der Pius- und der Petrus-Priesterbruderschaft.
Bis jetzt war ich davon ausgegangen, dass wenigstens die von Mgr. Lefebvre geweihten Priester und die vier Bischöfe in der apostolischen Tradition stehen. Die Frage, ob die Priester der Petrus-Bruderschaft, die von nicht in der Tradition stehenden Bischöfen geweiht worden sind, wirklich sacerdos ad aeternum sind, habe ich mir selbst auch schon gestellt. Ich denke da auch an Bischöfe, die der charismatischen Bewegung angehören und per Handauflegen vielleicht auch noch ihre “Charismen” an die Ordinanden weitergeben...
So mancher Priester der Petrus-Priestergemeinschaft ist hier in Frankreich zum Diözesanpriester geworden, der beide Riten zelebriert, woran man erkennen kann, dass entweder bestenfalls keine wahre Überzeugung für die Notwendigkeit der tridentinischen Messe bestand, und die Berufung nicht stark genug war, oder, schlimmstenfalls, Verrat mit im Spiel war (Eintritt ins Seminar mit Blick auf Zerstörung von innen).
Der “Spaltpilz” ist überall am Werk. Ein Ende ist wohl nicht abzusehen. Wie kann man sich nun als Laie im Dickicht der Verwirrung zurecht finden? Auf Virgo-Maria gab es ei-ne Seite mit “wahren” und “falschen” Priestern. Leider wurde sie nie aktualisiert. Wie ist das mit all den jüngeren Priestern, die in Wigratzbad von Diözesanbischöfen geweiht werden? Alle “falsch” und wenn ja, ab wann?
Gibt es eine Liste mit den “echten” Bischöfen, die wirklich noch Priester weihen können? Oder gibt es da nur noch Mgr. Thuc?
Für Ihre Antwort danke ich Ihnen von Herzen. Viele Grüsse.
Frau M. H.
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12.7.2012
Sehr verehrte Frau M. H.,
leider komme ich erst jetzt dazu, Ihren Brief vom 5.7. zu beantworten. Grundsätzlich gibt es zur Frage der Gültigkeit von Priester- und Bischofsweihen folgendes zu sagen:
1. Nach unseren Recherchen sind die neuen Riten für beide Weihen ungültig. D.h. ab der Inkrafttretung der neuen Weihen im Jahr 1969 wurden keine gültigen Weihen mehr gespendet. Selbst Mgr. Lefebvre hielt die neue Priesterweihe für zweifelhaft, die neue Konsekrationsform für ungültig. Das führte dazu, daß er Priester, die von der Amtskirche zu ihm kamen, sub conditione nachweihte. (Diese Position haben aber seine Nachfolger aufgegeben. Sie anerkennen beide Riten für gültig.)
2. Unsere Recherchen haben weiterhin ergeben, daß an der Gültigkeit von Lefèbvre selbst Zweifel erlaubt sind (sowohl an der Priester- als auch der Bischofsweihe durch den Freimaurer Liénart, der aber auch Satanist war), weswegen wir wegen der Sicherheit der Sakramentenspendung auf einer Nach-Weihe sub conditione für Priester aus Ecône bestehen. Es gilt das Prinzip: tutior (sicherer).
Die Lage wird aber noch durch folgenden Umstand verkompliziert: Auch wenn ein Priester eine gültige Weihe erhalten hat, ist er dennoch abzulehnen, wenn er sich nicht als Priester der kath. Kirche zu erkennen gibt, d.h. er muß seine fehlende Beauftragung durch die Kirche (mandatum) dadurch kompensieren, daß er nachweisbar am Wiederaufbau der Kirche als Heilsinstitution arbeitet. Wenn er das nicht tut, d.h. nur seine Klientel mit Sakramenten versorgt, begibt er sich in Gefahr, seine priesterlichen Vollmachten als seine eigenen zu betrachten, um so schließlich im Sektierertum zu landen. Um das zu beurteilen, muß man jeweils den Einzelfall untersuchen. Aus dem Grund haben wir es auch seit Jahren unterlassen, Hinweise auf Kleriker zu geben, die wir noch als Priester der kath. Kirche bezeichnen können.
Soviel zunächst einmal zur allgemeinen Übersicht. Was nun Ihre Einzelfragen betrifft, so dürfen Sie von Ecône-Priestern nicht zu viel verlangen. Mgr. Lefèbvre hat z.B. nie gesagt, daß der N.O.M. per se ungültig sei. Er hat sogar die Position gelten lassen, daß ein Priester, der bei der Konsekration des Kelches sagen würde: "Das ist mein Blut, das für den Teufel vergossen wird" gültig konsekrieren würde, weil seiner Meinung nach es für die Gültigkeit genügen würde zu sagen: "Das ist mein Blut", wobei der Nebensatz ohne Bedeutung sei.
Was nun die Petrusbrüder betrifft, so sind die vom Regen in die berüchtigte "Traufe" geraten. Sie sind kritiklos gegenüber den neunen Riten, weswegen sie auch Bischöfe akzeptieren, die nach 1969 geweiht bzw. "geweiht" wurden.
Die Frage nach den "echten" Bischöfen ist, wenn Sie die entsprechenden Listen aufrufen, so deprimierend, daß Sie sie sofort wieder schließen. Da gibt es inzwischen mehr (angebliche) Kleriker als Laien, d.h. man müßte jeden einzelnen überprüfen hinsichtlich der Gültigkeit und seiner kirchlichen Einstellung bzw. seiner Aktivitäten zur Rettung der Kirche als Heilsinstitution.
Aus all diesen Gründen rate ich seit ein paar Jahren, daß die Gläubigen ihr religiöses Leben eigenverantwortlich gestalten sollen… und wir geben immer auch Hinweise, wie man das machen kann. Woran erkennen Sie am besten, ob es ein Priester mit seinen Gläubigen ernst meint? Daran, daß er ihnen sagt, wie sie ohne ihn religiös leben sollen.
Ihnen einstweilen alles Gute und Gottes Barmherzigkeit. Eberhard Heller
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18.7.2012
Sehr geehrter Herr Heller,
vielen Dank für die Zeit, die Sie sich für Ihre ausführliche Antwort auf meine Fragen genommen haben. Danke auch für die schöne Aufnahme, ich weiss, dass Fotografieren für Sie mehr als nur ein Zeitvertreib ist! (...) Ich sende Ihnen ein Foto, das weniger erfreulich ist, das Sie vielleicht aber schon kennen und welches (leider!) die schlimmsten Befürchtungen bestätigt (falls es sich nicht um eine Fotomontage handelt, man weiss ja nie). Aber auf alle Fälle ein Grund mehr, den Exorzismus von Papst Leo XIII regelmässig zu beten.
Auf die Messe, auch wenn es eine Una–cum ist, kann ich leider nicht verzichten. Sie mögen mir verzeihen!
Dass Lefebvre umstritten ist bzw. war, habe ich erst seit kurzem gelesen, man weiss wirklich nicht mehr, wem man vertrauen kann. Da bleibt tatsächlich nur noch das Gebet. Ich möchte Ihnen für Ihre weitere Aufklärungsarbeit viel Energie und Erfolg wünschen!
Viele Grüsse. Frau M. H.
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21.7./22.8.2012
Sehr verehrte Frau M. H.,
ich habe lange überlegt, ob ich die Antwort auf Ihren Brief an Sie abschicken soll oder nicht. Der Blick ausschließlich auf die Messe verdirbt selbst das Eintreten für sie im Rahmen einer gesamtkirchlichen Lösung. Nun hier meine Antwort. (abgeschickt am 22.8.2012)
Mit der Feststellung, "auf die Messe, auch wenn es eine Una–cum ist, kann ich leider nicht verzichten. Sie mögen mir verzeihen!" machen Sie sich erpressbar, akzeptieren eine Kirche als Auftraggeber für diese Messe, die den Willen Gottes prinzipiell verraten hat - im speziellen Fall die Verfälschung des Opfers Christi in eine Mahlfeier - und verhindern so auch den Wiederaufbau der wahren Kirche, in dem Sie ihre Zerstörer unterstützen. Sie müssen sich selbst fragen, ob Sie sich das verzeihen können.
Denn was heißt es, die hl. Messe - ich gehe davon aus, daß Sie die von Pius V. kodifizierte Messe meinen - una cum Papa (aktuell Ratzinger/Benedikt XVI.) zu lesen?
Die hl. Messe ist der Kirche von Christus geschenkt worden zur Erneuerung seines Kreuzesopfers, um so sein Opfer weiter wirken zu lassen zur Entsühnung der Gläubigen und um ihnen die Möglichkeit zu geben, sich in dieses Opfer einzuschließen, um so an Seiner Sühne, aber auch an den Früchten (Kommunion) teilhaben zu können. Wohlgemerkt: die Kirche war/ist der Adressat dieses Geschenkes und nicht irgend eine x-beliebige Person. Die Messe darf deshalb auch nur im Auftrag der Kirche und in Einheit mit ihr gefeiert werden, da nur sie berechtigt ist, die Vollmacht dazu und die konkrete Erlaubnis per Mandat (Auftrag) an Kleriker, die dieser Kirche angehören, weiterzugeben.
Diese Dependenz von Kirche und dem Zelebranten der hl. Messe kommt in dem "una cum" (Papa) zum Ausdruck. Das heißt nicht bloß Einheit mit der Kirche in formaler Hinsicht, sondern meint auch die innere Verbundenheit mit der kirchlichen Autorität, was man auch frei übersetzen könnte mit "im Auftrag" des jeweiligen Papstes und Bischofs. Wenn nun ein Priester das Opfer Christi in der hl. Messe erneuert, in dem er als den Auftraggeber jemand nennt, der genau dieses Opfer abgeschafft und als Surrogat eine Feier installiert hat, die dieses in ein Mahl umfunktioniert, so kann dieses Opfer im Namen des Zerstörers Gott sicherlich nicht wohlgefällig sein. Ein solches Handeln wäre zutiefst widersinnig, der Zelebrant müßte schizophren sein. D.h. man muß davon ausgehen, daß Gott solche Opfer, die eindeutig blasphemisch sind, zurückweist, sie nicht annimmt, auch wenn sie als Opfer vollzogen würden. Der verstorbene Bischof Guérard des Lauriers war nahe dran zu sagen, sie seien sogar ungültig.
Das Resultat ist, daß ein solches Opfer ohne Gnaden für den Priester als auch für den mitfeiernden Gläubigen bliebe. Um es lapidar zu sagen: Ein solches Opfer wäre gnadenlos. Die Teilnahme suggeriert nur noch, an einem gnadenhaften Geschehen teilzunehmen, während sie, wenn sie im vollen Wissen um die inneren Geschehnisse vollzogen würde, nur noch Ausdruck einer lieb gewordenen Gewohnheit beinhalten würde. Das Mitfeiern eines solchen Opfers "una cum" Ratzinger/Benedikt XVI. entartete in bloß metaphysische Spekulationen.
Es gibt nun Gläubige, die den Besuch einer "Una-cum-Messe" damit zu rechtfertigen versuchen, indem sie auf die Erfüllung der Sonntagspflicht hinweisen. Als wenn Gott nicht wüßte, daß eine Pflicht, die normalerweise gelten würde, sich aber nicht mehr erfüllen ließe, daß sie dann auch nicht unerlaubterweise erfüllt werden darf! Für alle Gläubigen, die dieser Pflicht erlaubterweise nicht nachkommen können - das dürfte heute für die meisten Diaspora-Christen gelten - können sich doch geistigerweise mit der Zelebration eines opfernden Priesters verbinden und die Texte der hl. Messe zu Hause mitbeten.
Um ein krasses Beispiel zu bringen, das den Sachverhalt auf einer anderen Ebene verdeutlichen soll. Wenn einer der Eheleute gestorben ist - Frau oder Mann -, geht der Witwer bzw. die Witwe ja auch nicht in ein entsprechendes Etablissement, um den gewohnten intimen Verkehr weiter zu pflegen. Denn so würde das gegenseitige Schenken, die gegenseitige Hingabe zur bloßen Befriedigung sexueller Bedürfnisse verkommen.
Es macht keinen Sinn, sich über Skandale in der Amtskirche aufzuregen, die eigenen aber zu übersehen! Sie wiegen viel schwerer! Man denke nur an den Leidensweg Jesu Christi, auf dem er den weinenden Frauen begegnet. Und was antwortet er ihnen? "Es folgte ihm auch eine große Menge Volkes und Frauen, die ihn beklagten und beweinten. Jesus wandte sich zu ihnen um und sagte: Ihr Töchter Jerusalems, weint nicht über mich; weint über euch und eure Kinder! (Lk. 23,27-28)
Mit freundlichen Grüßen Eberhard Heller
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24.8.2012
Sehr geehrter Herr Heller,
ich danke Ihnen für Ihre Zeilen. Sie haben von Ihrem Standpunkt aus gewiss recht. Viele stellen sich die Frage nach der Gültigkeit der Una-cum Messen weil sie aufgrund ihres Bildungsniveaus einer Tatsache bewusst sind, die vielen Kirchgängern gar nicht erst in den Sinn kommen würde.
Was ist nun aber mit all den Familienvätern, die als gute Katholiken, der alten Messe treu bleibend, ihre Familien in gutem Gewissen und in Erfüllung der sonntäglichen Pflicht zu den Ecclesia-Dei Messen führen? Man kann ihnen doch nicht vorwerfen, schlecht zu handeln, nur weil für den Papst gebetet wird? Die meisten wissen noch nicht einmal, welche Gebete zum Kanon gehören... (…)
Viele Grüsse. Frau M. H.
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17.9.2012
Sehr verehrte Frau M. H.,
vielen Dank für Ihre Zeilen, die ich doch noch beantworten möchte, weil Sie ein Problem aufgreifen, welches sich viele nicht (mehr) bewußt machen, eben den Besuch "der alten Messe". Ihre Argumente zugunsten der gutwilligen, aber unwissenden Katholiken sind mir bekannt. Als am 1. Fastensonntag 1976 diese "alte Messe" offiziell von der Kirche verboten und der N.O.M. Pauls VI. verpflichtend eingeführt wurde, gab es zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren:
1. Man fand die liturgische Form des N.O.M. gegenüber dem "altehrwürdigen Ritus" unangemessen, es fehlte ihm an Spiritualität, es fehlte das Latein als universelle Kirchensprache, aber man sagte nicht, daß dieser neue Ritus theologisch-dogmatische Defekte aufwies, auch nicht, daß deren Promulgator Paul VI. Häretiker sei, weswegen seine Verordnung nicht rechtskräftig sein könne. Man ignorierte das Verbot, die "alte Messe" fürderhin lesen bzw. besuchen zu dürfen. Insofern war man sich schon bewußt, daß mit diesem Handeln ein Ungehorsam gegen die Autorität der Kirche verbunden war. Weil die Ecôner vom sog. N.O.M. nie sagten, er sei in sich ungültig, hatten sie gegenüber der Reform-Kirche - der von ihnen als legitim anerkannten Kirchenorganisation! - keine wirklichen Argumente, um die Ablehnung der Zelebration des neuen Ritus zu begründen.
2. Man wies nach, daß der sog. N.O.M. in sich theolgisch-dogmatische Defekte aufwies, weswegen er in sich ungültig und sein Promulgator Paul VI. ipso facto Häretiker sei, eine Position, die wir von Anfang an vertreten haben. Damit war die Ablehnung des N.O.M. nicht nur legitim, sondern der Besuch der "alten Messe" direkt geboten, wo immer sie gefeiert wurde.
Die meisten der Traditionalisten jedoch, die überwiegend zu denen gehörten, die den N.O.M. zwar als gültig anerkannten, aber den Besuch der "alten Messe" aus ästhetischen Überlegungen bevorzugten, wo ein Priester sie zelebrierte, taten das anfangs immer im Bewusstsein, sich gegen die Kirche als legitime Autorität zu stellen. Das gleiche galt für die meisten der Kleriker. Also niemand, der die "alte Messe" verbotenerweise besuchte, konnte sagen, daß er sich nicht im Konflikt mit der Kirche als verpflichtender Autorität befand.
Was ich hier ausgeführt habe, galt zumindest für die Anfangszeit nach Einführung der Liturgiereform, sagen wir: bis ca. 1985. Wegen allgemeiner Disziplinlosigkeit, die sich auch in der Reform-Kirche breit machte, und sowohl wegen der mangelnden Aufklärung der Gläubigen durch die konservativen Kleriker als auch wegen deren weitestgehendem Desinteresse die ja nur die "alte Messe" haben wollten (ich sage: aus purem Heilsegoismus) kam es zu einem sich auf allen Ebenen durchziehenden Autoritätsverlust, der durch die perfiden Aktionen der sog. Kirchenführer (z.B. Assisi 1986) auch immer neue Nahrung fand. Mit dieser Entwicklung schwand auch das Bewußtsein, sich ungehorsam gegenüber der als legitim anerkannten Kirche zu verhalten.
Einer der wenigen Kleriker, der den Gläubigen den Besuch seiner hl. Messe nur gestattete, wenn sie sich darüber im Klaren waren, daß der sog. N.O.M. ungültig sei, worüber er immer aufklärte, war H.H. Dr. Otto Katzer, der leider allzu früh verstarb. Gläubige, die nur aus Gründen der Ästhetik der "alten Messe" beiwohnen wollten, wies er ab.
Im Gegensatz dazu mißbrauchten die Ecôner diese traditionalistischen Vorlieben für die "alte Messe", um einmal die Kirchenkrise weitgehend auf das Niveau eines Ritenstreites zu reduzieren, und zum anderen, um die kirchlichen Autoritätsstrukturen zu verfälschen. Wem diese Einschätzung zu rigoros erscheint, denke nur daran, daß die Führung von Econe ihrem Klientel empfiehlt, "für die Bekehrung des Hl. Vaters" zu beten. Daß aber von diesen Gläubigen eine solche Forderung nicht als theologischer Schwachsinn durchschaut und zurückgewiesen wird, zeigt schlaglichtartig, auf welchem theologischen und religiösen Niveau diese Leute stehen. Durch die sog. "Wiederzulassung der alten Messe" (von 1962!) bewegt sich das Problembewusstsein der traditionalistischen Kleriker und Gläubigen inzwischen gegen Null. Und weil kein wirklicher Widerstand von Seiten der sog. Traditionalisten (Kleriker und Gläubigen) geleistet wurde, hat sich diese religiöse Gruppierung dort festgesetzt, wo sie sich selbst hinkatapultiert hat: in einem religiös-kulturell verkrustenden Nischendasein.
Ich hoffe, sehr verehrte Frau M. H., daß Sie durch diese Ausführungen angeregt werden, Ihre Position noch einmal zu überprüfen. Mit freundlichen Grüßen Eberhard Heller
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2.10.2012
Sehr geehrter Herr Dr. Heller,
Ihre Antworten sind es ohne Zweifel wert, veröffentlicht zu werden. Sie haben ja von Ihrer Warte aus ganz recht. Die Ecclesia-Dei-Bruderschaften und Gläubigen sind in der Hand der Diözesen und den Entscheidungen des Vatikans unterworfen. Bis jetzt gab es damit keine grösseren Probleme. Natürlich sind mittlerweile nicht wenige davon Biritualisten, sowohl Priester als auch Gläubige. Viele wollen glauben, dass es zwischen der Messe von Pius V. und Paul VI. keinen Unterschied gibt, weil es der Papst so sagt. Deshalb haben Sie recht. Theologisch-dogmatisch gesehen ist Otto-Normalverbraucher auf dem absoluten Tiefststand. Der nächste Lackmustest kommt in Kürze, dann nämlich, wenn der Vatikan die Katze aus dem Sack lässt, und ein neues “traditionelles” Messbuch herausbringt.
Es ist Ihnen ja bekannt, dass sich schon jetzt Priester von der Piusbruderschaft abgespalten haben (Saint Pie X, stricte observance). Ich gehe davon aus, dass sich auch Priester der Petrusbruderschaft vor diese Entscheidung gestellt sehen werden. Gehorsam oder Ungehorsam? Für die Gläubigen, dasselbe Dilemma. (…)
Herzlichst, und noch immer eine Kirchgängerin. Viele Grüsse. Frau M. H. |