DAS FINSTERE MITTELALTER
von Leon Bloy
Ehedem, es ist kaum fünfzig Jahre her, gehörte die Finsternis des Mittelalters zum eisernen Bestand der Lehrbücher und war Prüfungsgegenstand. Kein jugendlicher Bürger hätte es wagen dürfen, an der Tiefe dieser Finsternis zu zweifeln. Heute schwärmt die bürgerliche Gesellschaft für das Mittelalterliche, ein Erfolg der Propaganda des industriellen Kunstgewerbes. Es gibt nun Butzenscheiben, Chorgestühl, Kommoden, Wandteppiche, Truhen, Fayencen und Schmiedeeisen. Alles ohne Schutt und schmerzlos. Jeder Branchenkundige muß, wenn er kein Tölpel ist, eine stilechte Garnitur innerhalb vierundzwanzig Stunden improvisieren können. Von nun an wetteifern die Lampen- und Kleidermacher mit den Künstlern. Es ist wahr, daß trotz der Gaslaternen die berühmte Finsternis nicht gewichen ist. Man schätzt die Kunst, wohl verstanden, diese Art Kunst, weil sie das Geschäft und den Handel belebt. Sonst aber läßt sich die Finsternis doch wohl nicht wegdenken aus einem Zeitalter, in dem jedermann an Gott glaubte. |