54. Jahrgang Nr. 6 / September 2024
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1. 9. Oktober 2012 – ein beklemmender Jahrestag
2. 30 Jahre Sedisvakanz-Erklärung
3. MACHT UND OHNMACHT DER KIRCHE
4. DAS FINSTERE MITTELALTER
5. Erneut auf dem Prüfstand
6. Von Abbas Agathon
7. Glaubensstarke Kämpferin für Wahrheit und Recht
8. Das Ankupplungsmanöver
9. In memoriam H.H. Pfr. Paul Schoonbroodt
10. Mitteilungen der Redaktion, Hinweise
11. October 9th, 2012 – an Oppressing Anniversary
MACHT UND OHNMACHT DER KIRCHE
 
Macht und Ohnmacht der Kirche

– Gedanken zu einem verdunkelten Sachverhalt
im geschichtlichen Heilsprozeß der Gegenwart –


von
+ Prof. Dr. Diether Wendland
1993

1. Fortsetzung


Die Macht, eine primordial "geistige Realität"

Die "geistige Realität" der Macht schwebt nicht (bildlich gesprochen) über den Wolken oder in einem luftleeren Raum und kommt auch nicht sozusagen "von außen" in das konkrete Dasein des Menschen hinein, sondern ist vielmehr ganz eng mit dem Sein der menschlichen Wesens-Natur (natura humana universalis) verbunden, die bei allen gleich ist, sofern sie in sich betrachtet wird. Sicherlich sind manche Menschen viel menschlicher als andere, dadurch aber nicht "mehr Mensch" als die anderen, sondern eben Menschen (homines) – im Gegensatz zu Nicht-menschen, wie die Tiere oder die reinen (immateriellen) Geistwesen, von denen viele Leute gar nichts wissen und deshalb auch nicht deren eigentümliche Macht kennen. In diesem Zusammenhang lehrt der hl. Paulus die Christen: "Wir (alle) haben ja nicht zu kämpfen gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die (bösen) Mächte und gegen die (bösen) Gewalten, gegen die Weltbeherrscher dieser Finsternis und gegen die bösen Geister im Überirdischen" (Eph 6,12). Wie aber sollte wohl ein Christ kämpfen können, den die Ohnmacht ergriffen hat oder der keine geeigneten Waffen besitzt?! Menschlicher Kampf hinwiederum ist geistiger und physischer Gebrauch der Macht, sei es zum Guten oder zum Bösen, zum Wohle oder zum Schaden, zum Ehrenhaften oder zum Ehrlosen und Schändlichen. Diesem Entweder-Oder entkommt niemand, auch wenn man sich auf den Weg der Flucht begibt. Die sog "schweigende Mehrheit" der angeblich "Guten", auch die der Christen, befindet sich bereits auf der Flucht vor den "Mächtigen der Erde". Wo sind denn die Frontsoldaten und die Partisanen im Rücken der Feinde Christi und Seiner Kirche? Ein Ironiker und Sarkast könnte den "lieben Christen" von heute das "Kampfliedchen" empfehlen: In den (siebten)Himmel hebt die Fahnen, denn hoch im Himmel stehn sie gut...! Die Macht ist im Gegensatz zur Gewalttätigkeit (oder brutalen Gewalt) des Menschen keineswegs irrational (wie sogar manche Wissenschaftler und Theologen behaupten), dumpf, widerwärtig und abstoßend, sondern das reine Gegenteil von alledem. Darum wohl die Verwirrung der Begriffe und die Chaotik der Meinungen, was wiederum den "Mächtigen der Erde" mit ihrer verlogenen Parole "keine Gewalt!" zum Vorteil gereicht, die eine Friedhofsruhe zum Ziel hat. Der angeblich Gewaltlose, der sich nicht selten sogar als Gewaltverzichtler aufspielt und ständig von seiner Friedfertigkeit redet, bereitet den Weg für Gewalttätigkeit jeglicher Art vor und ist absolut kein Friedensstifter; denn dazu gehört und ist nötig der Vollzug der Macht in concreto und ihr legitimer Gebrauch von Fall zu Fall, der sich bis zur Gewaltanwendung erstreckt. "Der Mensch in seinem dunklen Drange" (Goethe) ist sich aber keineswegs "des reichten Weges wohl bewußt", wie nicht erst der Fanatismus beweist.

Die Macht des Menschen, die bereits mit seinem bloßen Dasein gegeben ist und dadurch auch in Erscheinung tritt, geht weder aus einer abstrakten Freiheit (oder Idee der Freiheit) noch, wie manche meinen, aus dem freien Willen hervor, sondern aus einem überlegten Wollen (voluntarium consiliativum) im Hinblick auf ein zu erreichendes Ziel-Gut, insofern dieses einen geistigen Wert darstellt, den es für das spezifisch menschliche Leben auch Nutzen bringend zu verwirklichen gilt. Das hat mit einem "Nützlichkeitsdenken" und seinen perversen und destruktiven Auswirkungen nicht das mindeste zu tun. Es ist in der Tat das Überlegte und zielgerichtete Wollen der "springende Punkt" beim Gebrauch oder auch Mißbrauch menschlicher Macht, die in ihrem Wesen eine geistige Realität ist. Dies alles wird von vielen entweder gar nicht erkannt oder nicht zureichend klar erfaßt, da sie im privaten und öffentlichen Leben ständig auf ein Gemisch von gewaltsamen und gewalttätigen Vorgängen und Handlungen treffen, ja sogar ständig darauf fixiert werden, insbesondere von denen, die im Trüben fischen wollen und nach persönlicher Macht gieren oder ihren Einfluß in der Gesellschaft auszuweiten bestrebt sind. Naive Leute halten diese Zeitgenossen für "die Prominenz" in Staat, Gesellschaft und "Kirchen", da sie viel, vor allem aber Nichtssagendes, reden oder dauern von sich reden machen, um nicht "vergessen" zu werden, wohl wissend, daß der einfache Bürger autoritäsgläubig ist und kein selbstständiges politisches Urteil besitzt, ganz zu schweigen von der Manipulierbarkeit seines kurzen Gedächnisses. Auch darin kommt seine Ohnmacht zum Ausdruck. Nichtsdestotrotz aber glaubt er an den ihm von "schlauen Füchsen" eingeredeten Mythos, daß alle Macht vom Volke ausgeht, obwohl schon die geistige Erfahrung das Gegenteil lehrt, wenn man die Wirkungen des Bösen und des Unrechts zu spüren bekommt. Es können sogar ganze Völker wehrlos gemacht und versklavt werden. – (Nebenbei bemerkt: persönlicher Reichtum ist sicherlich nützlich, aber keineswegs notwendig von Nutzen, weil er kein geistiger Wert ist; persönliche Armut hingegen ist keine Schande, sondern ein physisches Übel, das allerdings nicht willenlos und apathisch hingenommen werden darf. Indes ist "freiwillige Armut" etwas ganz anderes, da sie eine geistige und religiöse Wertkomponente hat; darum halten die Reichen bzw. die am Reichtum hängenden Leute diese Armen bestenfalls für "tumbe Tore" und verachten zugleich die an materiellen Gütern Armen. Es ist auch typisch für die "Mächtigen der Erde", daß sie in ihrer wohlüberlegten Schläue eine sogenannte "arme Kirche" propagieren und auch nicht bloß den "lieben Christen" schmackhaft machen wollen. Der Machtmißbrauch der Mächtigen hat viele Gesichter und nicht immer nur eine fratzenhafte "Gewalt"-Physiognomie.

Das o.g. überlegte Wollen des Menschen, das sich immer rational und zielgerichtet vollzieht (es ist kein spontaner Antrieb oder Impuls), ist die reale Wurzel (radix) menschlicher Macht, nicht jedoch deren ontologischer Ursprung (origo). Denn der Mensch existiert nicht und hat kein Sein aus sich selbst, so daß ihn schon dieses erkennbare Faktum als ein Geschöpf (creatura) kennzeichnet, das allein durch die Allmacht Gottes ins Dasein gesetzt wurde, im Sein erhalten wird und sich somit auch als schlechthin abhängig ausweist. Darum ist die menschliche Macht immer nur eine relative, bedingte und nie grenzenlose. Sie reicht jedoch an sich dafür aus, daß sich der Mensch durch ihren Mißbrauch selbst zerstören könnte. Anzeichen dafür gibt es bereits. Zu diesen gehört auch die weit verbreitete "apokalyptische Stimmung" sowie die Abkehr vom "Fortschrittsglauben", der ein Bastard des Liberalismus ist. Der Mensch im allgemeinen verspürt wenig Neigung zu einem beständigen überlegten Wollen, sondern viel eher zu dessen Gegenteil; es ist ja auch viel leichter, sich gehen und treiben zu lassen oder primitiven Gelüsten zu frönen, die sogar für eine "höhere Lebensqualität" gehalten werden, obwohl es sich dabei um einen pervertierten Machtvollzug handelt, der in Selbstentmachtung endet.

Das überlegte und von geistigen Werten her zielgerichtete Wollen erzeugt beim Menschen den wahrhaft Mächtigen, dem es auch eigentümlich ist, sich der Wahrheit bedingungslos zu unterwerfen, weil er weiß, daß nur die Wahrheit, wenn sie erkannt und ergriffen wird, wirklich frei macht und befreiend wirkt. Alle "Mächtigen der Erde" verdunkeln das Licht der Wahrheit oder lenken davon ab, damit es niemandem leuchte. Es gibt eine Menge Methoden, wie man so etwas erreicht. Und die Lüge ist dabei keineswegs das einzige Mittel, auch wenn viele eine Lüge oft nicht zu durchschauen vermögen, insbesondere wenn sie mit dem objektiv Unwahren in Beziehung steht. So ist es z.B. objektiv unwahr, zu behaupten und den Leuten zu suggerieren, daß von seiten des Menschen die Wahrheit nicht erkennbar und die Gerechtigkeit nicht verwirklichbar sei oder daß das Sittengesetz gegen die Freiheit gerichtet wäre. Auch Christi Gebote seien keine eigentlichen Gebote, sondern nur "Angebote" und "Ermunterungen". So wird eben auf verschiedene Weise die o.g. Wurzel menschlicher Macht abgetötet, so daß die geistige Realität der Macht nicht mehr in den Vollzug kommt. Was dann übrig bleibt, das sind vernunftwidrige, geistig ziellose und dumpfe Wollungen (velleitates obscurae), die das Leben einzelner und vieler nachhaltig prägen. Immer dann, wenn im gesellschaftlichen Leben die geistige Realität menschlicher Macht auf irgendeine Weise verschwindet oder verdrängt wird, tritt die unmenschliche Gewalttätigkeit auf und diskriminiert zugleich die physische Gewalt des Menschen, ohne die er sein konkretes Leben als Leib-Geist-Wesen gar nicht meistern kann. Dies zeigt sich bereits in der mühseligen Arbeit der Selbstdisziplin, die kein gewaltloses Zuckerschlecken ist. Der undisziplinierte oder zuchtlose Mensch ist gewalttätig bis zum Exzeß und hinterläßt auf seinem Lebenswege eine blutige Spur, sowohl im eigentlichen als auch im metaphorischen Sinne. Sein Weg ist mit Leichen gepflastert, angefangen mit dem Millionenmord der Abreibung am Anfang menschlichen Lebens. Millionen Morde jedoch erwecken bei amoralischen Menschen den Eindruck, daß sie kein Mord sind, und so verhält es sich auch bei allen anderen Verbrechen, die täglich begangen werden und sogar straffrei bleiben, d.h. sie werden nicht mehr als Verbrechen begriffen. Der gewalttätige Mensch ist nicht auf die Erwachsenen beschränkt; vielmehr zeigt er sich bereits bei den Jugendlichen, ja sogar bei Kindern. Die Psychologen in ihrer verengten Perspektive reden hier von einem angeborenen "Agressionstrieb", aber verstehen nicht seine anthropologische Bedeutung. Dabei ist ein sich steigernder Gewalt-Mißbrauch des Menschen doch offenkundig. Es ist kein Zufall, daß sich die menschliche Gesellschaft, wie schon gesagt, zwischen Gewalt und Gewalttätigkeit bewegt. Die Kirche Jesu-Christi aber lebt nicht außerhalb der menschlichen Gesellschaft, sondern in ihr, auch wenn sie nicht "von dieser Welt" ist. Sind sich alle ihre religionsmündigen Glieder dieser schwerwiegenden Problematik wirklich bewußt? Oder gehen sie bereits in ihrer Mehrzahl im biblischen Sinne den "Weg des Fleisches" und zelebrieren einen "Kult des Fleisches"? Christus hat alle Christen davor gewarnt, sich "der Welt anzupassen", und geboten, dies nicht zu tun, um nicht ins Verderben zu rennen. Im übrigen hindert Christus niemanden mit Gewalt daran, sich selbst einen Strick um den Hals zu legen, und greift auch nicht gewaltsam in die Freiheit des Menschen ein, was jedoch nicht mit Gewaltlosigkeit oder gar mit Ohnmacht zu tun hat.

Nicht auf Christus den HERRN, dem "alle Macht gegeben ist im Himmel und auf Erden" (Mt 28,18) bezieht sich unsere These, daß sich Seine Kirche immer zwischen Macht und Ohnmacht bewegt, sondern auf alle ihre mündigen Glieder mit ihrem Taufsiegel, das sie doch nicht umsonst oder überflüssigerweise empfangen haben. Menschen, die Glieder der Kirche Jesu-Christi geworden sind, können nicht mehr aus ihr "austreten" oder sie wieder verlassen, wohl aber von ihr abfallen (apostasieren) oder auch zu "toten Glieder" werden (wie abgestorbene Zweige an einem Baum). Nicht erst seit heute haben sehr viele Christen große Schwierigkeiten, die bereits toten Glieder der Kirche von den wirklich und wahrhaft lebendigen deutlich unterscheiden zu können. Von den Nicht-christen sollte man eine solche Unterscheidungsfähigkeit erst gar nicht erwarten, denn sie stehen und leben außerhalb der Kirche und des spezifisch christlichen Glaubens, der im übrigen kein irrationaler ist. Und woher kommt es eigentlich, daß nicht wenige Christen gewisse Leute für "Christgläubige" (christifideles) halten, obwohl sie dies in Wahrheit und sogar nachweislich gar nicht sind? "Wissen ist Macht", sagt schon ein Sprichwort, und woraus dann folgt, daß Unwissenheit Ohnmacht bedeutet. Den Unwissenden fehlt auch die Fähigkeit zur "Unterscheidung der Geister" und was sich dann im gesellschaftlichen Leben mit seinen Gruppen verheerend auswirkt. Es gibt auch Gruppenbildungen in der Kirche, ja sogar "pressure-groups", die immer zum Schaden der Kirche ausschlagen und große Verwirrung stiften. Das hängt damit zusammen, daß die Kirche eben auch ein Gesellschafts-Gebilde ist, in dem zentrifugale Kräfte wirken. Darum hat Christus auch in dieser Beziehung deutlich gesagt, "wer nicht mit Mir sammelt, der zerstreut". "Sammeln" aber meint nicht, eine Menge Leute aufklauben, auflesen oder zusammenbringen o. dgl., sondern Menschen mit Macht und "sanfter Gewalt" aus einem "verderbten Geschlecht" (Apg 2,40) wegführen und zu Ihm führen. Dazu aber sind alle mündigen Glieder der Kirche von ihrem HERRN berufen und aufgefordert. Geht das etwa ohne harten Kampf ab? Das wird doch wohl kein vernünftiger Mensch behaupten wollen. Schon der hl. Paulus ermahnte die Christen: "Und nun denn, meine Brüder", die ihr doch gehört habt und wißt, warum es geht, "erstarkt im Herrn (d.h. durch Christus, der den Tod besiegte) und in der Kraft seiner Macht" (Eph 6,10), indem ihr eure Schwäche und Ohnmacht überwindet und eure "Menschenfurcht" ablegt, die immer Gift für eine "christlichen Existenz" bedeutet. Der hl. Paulus war in allen seinen Lehren ein Realist und verhielt sich auch dementsprechend, furchtlos und tapfer. Beim hl. Petrus kann man da manchen Zweifel anmelden. Dies jedoch hat ebenfalls seine Bedeutung.

Menschliche Macht (potestas humana) und natürliche Herrschaft (dominium naturale) sind nicht dasselbe. Denn Herrschaft ist ihrem Wesen nach legitime Gewalt von (einem oder mehreren) Menschen über (andere) Menschen, die beherrscht werden. Sie steht im radikalen Gegensatz zur berühmt-berüchtigten "Gewaltherrschaft" (Tyrannis), die nichts anderes ist als ein permanenter Macht- und Gewalt-Mißbrauch. Dabei ist es gleichgültig, ob sie von einer oder von mehreren Personen ausgeübt wird, einschließlich ihrer Handlanger, die oft auch gar nicht in Erscheinung treten(wie die sog. "grauen Eminenzen"). Ebenso ist es gleichgültig, welche Mittel bei einer Gewaltherrschaft zur Anwendung kommen, da diese am Wesen der Sache nichts ändern. Wenn eine Gewaltherrschaft nicht blutig verläuft (ähnlich wie der Psychoterror auf niederer Lebensebene), dann glauben viele naive Leute, sie sei keine...bis zu dem Zeitpunkt, wo sie mit Erschrecken wahrnehmen, daß die Dinge blutig werden oder ihre eigene Lebensexistenz bedroht ist. Dann aber ist es in der Regel zu spät, sich dagegen zu wehren, und es kommt eine Ohnmacht zum Vorschein, die auf Selbstverschuldung beruht, weil Ohnmacht nicht angeboren ist. Man verwechsle doch nicht ständig (wie auch viele Wissenschaftler) die geistige Ohnmacht, die die geistige Realität der Macht ihrer Güte (bonitas) beraubt, mit primitiver psycho-physischer Schwäche (imbecilitas), sondern erkenne lieber die im Hintergrund der Ohnmacht wirkende Feigheit des und vieler Menschen. Ein Tier kann nie feige sein, auch wenn es die Flucht ergreift, sondern nur der Mensch. Die sog. Verhaltensforscher haben in ihrer "Wissenschaft" solche Phänomene noch nie verstanden.

Im übrigen steht es nirgendwo geschrieben, daß ein Christ sich der Gewaltherrschaft, die in verschiedenen Gestalten auftritt, beugen soll und sie willenlos zu ertragen oder zu erleiden hat. Es stell sich die Frage, wer hat denn den "lieben Gläubigen" durch unwahre Lehren eine sklavische Gesinnung (serviliter servilis) eingetrichtert, die sie wehrlos machte und "böser Gewalt" auslieferte?! Das waren (und sind) doch allesamt Zeitgenossen, die sich von der Macht des Menschen faszinieren ließen und dann insbesondere im gesellschaftliche Bereich nach persönlicher Macht und ihrer Ausweitung gierten und wobei ihnen jedes Mittel recht ist. Bei diesen Leuten handelt es sich nicht um die sattsam bekannten Pöstchenjäger, die immer nach oben buckeln und nach untern treten, solange sie nicht "ganz obern sitzen" wie auf einem Throne (besser Thrönchen).

Machtpositionen in Staat und Gesellschaft, aber auch in der Kirche, sind immer mit einem Gewalt-Gebrauch verbunden, was man niemals übersehen sollte. Darum spricht man ja auch mit Recht von einer Amtsgewalt, nicht jedoch von einer Amtsmacht. Indes hat es überhaupt keinen Sinn, gegen die Amtsgewalt(en) zu polemisieren, zu protestieren oder zu demonstrieren, wie es heutzutage so oft geschieht. Man sollte sich doch lieber ihre Träger genau anschauen und kritisch betrachten, was, wovon und worüber sie ständig reden oder was sie da "verkünden", auch wenn sie von der Sache selbst nichts oder nur herzlich wenig verstehen. Die Machtbesessenen weichen nämlich der Wahrheit aus und stellen sich ihr nicht. Denn echte Macht und Wahrheit stehen in Korrelation, und zwar sowohl die menschliche als auch die göttliche. Das weiß jeder mündige Christ, der, wie der hl. Paulus sagt, das "Vollalter Christi" erreicht hat. Warum aber lassen sich dann nur so wenige Glieder der Kirche von Christus dem HERRN beherrschen, währenddessen die anderen "lieben Brüder" "fremden Herren" nachlaufen, ihnen untertan sind und vor ihnen im Staube kriechen? Wäre ihnen Christus, Der "die Wahrheit IST", wirklich "nahe" und gleichsam "greifbar", dann täten sie das wohl nicht. So aber bleibt Er ihnen fern und entzieht ihnen Seine helfende Gnade (gratia adiuvans). Vom Entzug der Gnaden Christi und durch Christus weiß man heutzutage fast gar nicht mehr, obwohl seine Wirkungen, d.h. die negativen Auswirkungen, bisweilen sogar "sichtbar" sind. Außerdem besteht im Hinblick auf Christus ein großer Unterschied zwischen Ihm als dem HAUPTE und als dem HERRN der Kirche. Von Seiner machtvollen Herrschaft ("Herren-schaft") aber kann man wissen (per fidem et rationem), daß und warum Er sie nicht nur nicht mißbraucht, sondern auch gar nicht mißbrauchen kann. Auf dieser Erkenntnis beruht das unbedingte Vertrauen (fiducia rationalis absoluta) eines Christen zu seinem einzigen wahren Herrn. Darum betet er durch Christus im Hl. Geiste zu Gott, dem ewigen Vater, in Demut: "Dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden!" Diese Gebetsbitte war den "Mächtigen der Erde", die sich immer auch in der Kirche zu etablieren suchen, ständig ein Greuel. Auch das vielgebrauchte Wort "Amtskirche" war und ist bestens geeignet, dies alles zu verdecken und zu vernebeln! Wer könnte wohl dieses Wort erfunden und in die Welt gesetzt haben?! Das waren sicherlich keine Dummköpfe, sondern raffinierte Leute mit ausgeprägtem "politischen Interesse" außerhalb und innerhalb der Kirche. Das naive "Kirchenvolk" begriff das nicht und blieb deshalb diesen "Brüdern" ausgeliefert. Die Ohnmacht eines solchen Volkes war für "kritische Katholiken" offenkundig.

Menschliche Herrschaft setzt eine Vielheit von Einzelmenschen (homines singulares) voraus, die, ob sie es nun wollen oder nicht, von einer oder mehreren Personen beherrscht werden (die keine "anonymen Persönlichkeiten" sind); sie ist jedoch in ihrem Wesen kein eigentliches Machtphänomen, sondern ein in vielen Farben schillerndes psycho-physisches Gewalt-Phänomen politischer Natur. Dies hängt damit zusammen, daß im konkreten Leben des Menschen, so wie dieser nun einmal existiert (und man aus ihm keine Chimäre macht!), Macht und Recht ständig auseinanderfallen, obwohl diese beiden geistigen Realitäten an sich aufeinander bezogen sind. Deshalb ist es ja auch so schwierig, im allgemeinen Zusammenleben von Menschen die Idee des Rechts zu verwirklichen und die Gerechtigkeit, die der Gegenstand des Rechts ist, mit Macht aufzurichten, um dem Gemeinwohl nachkommen zu können. Es gibt kein ungerechtes Recht oder ein Recht, das ungerecht ist, sondern nur ungerechte und sittengesetzwidrige Gesetze, die ständig Unrecht erzeugen. Dafür sorgt schon der gottlose und autonome "Gewaltmensch" in Staat und Gesellschaft, der sich sogar als Mandatar aufspielt. Nur Naivlinge und gedankenlos Schwachsinnige glauben an den Mythos, daß alle Gewalt vom Volke ausgeht oder von irgendwelchen namenlosen "Göttern", die im Geheimen wirken. Das hat nicht einmal ein Machiavelli behauptet, dem fürwahr kein Macht- und Gewaltmißbrauch fremd war.

Die Herrschaft der Kirche

Wie aber verhält es sich nun mit der Herrschaft der Ek-klesia Jesu-Christi, des göttlichen Menschensohnes, zumal Seine Kirche in ihrem Dasein eine Gesellschafts-Wirklichkeit eigener Art und mit keiner anderen, auch nicht mit einer staatlich organisierten, vergleichbar ist? Unsere Frage bezieht sich nicht (was man beachten sollte) auf die Herrschaft in der Kirche, die, wie jede andere Herrschaft, ebenfalls mißbraucht werden kann und schon oft genug mißbraucht worden ist, und zwar sowohl nach innen als auch nach außen. Ein solcher Mißbrauch aber besagt nichts gegen den Wert und den freien Vollzug von Herrschaft im Leben der Kirche, die aus Menschen besteht. Und wenn nun auch die Kirche mit allen ihren lebendigen Gliedern ihr selbstständiges Dasein vollzieht, indem sie ihr eigenes Leben lebt (also nicht bloß so dahinvegetiert), dann geht das nicht ohne Herrschaft, welche a priori Gewaltlosigkeit ausschließt, die wiederum und unverkennbar das Stigma der Ohnmacht an sich trägt, nicht bloß das der Schwäche und Kraftlosigkeit. Man muß die Dinge möglichst deutlich unterscheiden und darf sie auch nicht (weder aus dummer Gewohnheit noch mit Absicht) mit falschen Namen belegen. Politische Schlagworte, die auch auf religiösem Gebiet ihr Unwesen treiben, verwirren den menschlichen Geist in seinem Denken und Wollen; sie sind Mittel der Demagogie machthungriger "netter Leute", d.h. biblisch gesprochen, von "Wölfen im Schafspelz".

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Die Ek-klesia Jesu-Christi kann, da sie "in dieser Welt" und "unter Menschen" existiert und ein Machtphänomen ist, ohne Herrschaft gar nicht gedacht werden und auch nicht sein. Indes ist nicht jeder Machtvollzug Herrschaft und am wenigsten derjenige der Kirche, so daß bei "Gläubigen", aber auch bei "Ungläubigen" gleichermaßen, sehr oft der Irrtum entsteht, die Kirche Christi vollziehe ihr eigentliches oder "wahres" Sein und Leben gewaltlos, was jedoch mitnichten der Fall ist. Denn eine Ek-klesia besteht nun einmal aus Menschen, die ihre durch das Blut Christi erworbenen Glieder sind und sich dann nach Maßgabe der Wahrheit, des sittlich Guten und des Rechts verhalten – oder auch nicht. Außerdem hat Christus geoffenbart, daß Er nicht gekommen sei, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Das Schwert aber ist ein Symbol (ein echtes Sinnbild) der Herrschaft, und zwar einer Herrschaft, die sich von der moralisch perversen und zutiefst widernatürlichen "Gewaltherrschaft" essentiell unterscheidet und gar nichts mit ihr gemein hat. Man darf diese Aussage Christi weder als eine bloße Metapher auffassen und dadurch gründlich mißverstehen noch verspiritualisieren, sonst erkennt man nicht die eigentümliche Herrschaft der Kirche in ihrer natürlichen und übernatürlichen Wesens-Wirklichkeit. Sowohl ein im Denken der Leute (einschließlich der "Gebildeten") primitiver Naturalismus und platter Rationalismus als auch ein idealistisch--illusionärer Mystizismus haben die ganze Sache verdunkelt und verfälscht, so daß auch viele Christen nicht mehr "durchblickten" und unverkennbar hilflos wurden. Daß sie Herrschafts-Träger sind und auch zu einer besonderen Herrschaft berufen worden waren, das kam ihnen überhaupt nicht mehr zu Bewußtsein. Von der paulinischen "Freiheit der Kinder Gottes", die keine Kinderlein mit "kindlichem Glauben" sind, war auch nichts mehr zu sehen. Woher kommt es denn, daß heutzutage Millionen "christlicher Mitbürger" im sich ständig wandelnden Gesellschaftsprozeß keine Rolle mehr spielen und keine prägende Kraft darstellen, angefangen mit den staatlichen Erziehungs- und Bildungssystemen, in denen doch Herrschaft ausgeübt wird. Warum findet von seiten der Christen keine "Kulturrevolution" statt, um einen staatlich abgesegneten Gesellschaftssumpf zu beseitigen? Auch kirchliche Macht und Herrschaft ist dazu da, um zum Wohl vieler ausgeübt zu werden, anstatt vor fiktiven Klagemauern zu lamentieren. Herrschaft auszuüben ist jedoch unmöglich ohne Macht und Gewalt. In ihrem Mangel an Erkenntnis erliegen viele dem gefährlichen Irrtum, aus dem sie lähmenden Mißbrauch von Herrschaft den falschen Schluß zu ziehen, daß Herrschaft böse sei, Unrecht erzeuge und Unfrieden stifte. Solche Meinungsmacher erstreben nicht "Ruhe und Ordnung" im öffentlichen Gesellschaftsleben, sondern sind Wegbereiter für Unruhe und Chaos und was sich dann andere zunutze machen. Wer Herrschaft prinzipiell verneint (wie alle Philanthropen), der wird nicht frei, sondern auf vielfache Weise zum Sklaven der Gewalttätigen, die in ihrer Brutalität keine Grenzen kennen.

Auch die Herrschaft der (aus Menschen bestehenden) Kirche ist in und aufgrund ihrer natürlichen Komponente ein psycho-physisches Gewalt-Phänomen politischen Charakters. Das wissen alle ihre lebendigen Glieder oder sollten es wenigstens wissen, sobald sie in ihrem Denken und Tun das "Vollalter Christi" erreicht haben, ganz abgesehen davon, daß auch Christus der HERR Menschen "braucht", um wirklich zu herrschen; es nutzt aber n. b. gar nichts, Ihn ohne Sinn und Verstand anzurufen und "Herr, Herr" zu schreien, wenn man sich Ihm nicht vorher freiwillig und in ungeheuchelter Liebe wirklich unterworfen hat. Damit aber wird wiederum deutlich, warum die Kirche immer zwischen Macht und Ohnmacht existiert und daß ihre Herrschaft in der Tat absolut keine leichte Sache ist. Diese ist viel schwieriger zu realisieren als die des Staates, weil sie insbesondere der legitimen "Zwangsgewalt" und bestimmter Mittel entbehrt, die dem Staate notwendig zukommen und auf die er nie verzichten kann und darf. Es war und ist jedoch ein großer Irrtum, von der Kirche Christi zu behaupten, ihre Herrschaft sei nur eine "moralische". Denn jede echte Herrschaft des Menschen über Menschen ist in ihrer Verwirklichung dem Sittengesetz, der Rechtsordnung und der göttlichen Wahrheit unterworfen. Zudem bezieht sich die Herrschaft (nicht auf den abstrakten, sondern) auf den konkreten Menschen in seiner seelisch-geistigen und leiblichen Existenz. Es ist immer der ganze Mensch (homo totus), der herrscht und beherrscht wird, nicht bloß ein "Teil" von ihm. Dies bemerkt ein jeder spätestens dann, wenn sich im menschlichen Leben Herrschaft auswirkt und reale Folgen zeitigt. Dort, wo die Kirche Christi tatsächlich herrscht, da verläuft das menschliche Leben und Zusammenleben prinzipiell anders als außerhalb ihres Bereiches. Dies hat mit dem "religiösen Leben" der einzelnen gar nichts zu tun, da dieses auf anderen Fundamenten beruht. Außerdem ist die Macht der christlichen Religion nicht identisch mit der Herrschaft der Kirche, wie man bereits aus Erfahrung wissen kann. Es hat immer schon eine Menge katholischer Christen (Kleriker und Laien) gegeben, die, sich selbst entfremdet, ein gestörtes Verhältnis zur christlichen Religion und zur Herrschaft der Kirche hatten, so daß ihnen schließlich auch der Begriff der "Ecclesia militans", die "in dieser Welt" harte Kämpfe auszuragen und zu bestehen hat, abhanden gekommen und zu einem "flatus vocis" (Wortblase) geworden war. Die außerhalb der Kirche lebende Gesellschaft nahm diese "Katholiken", die sie auch als "Papisten" bezeichnete, nicht im mindesten ernst und hielt sie auch nicht ganz zu Unrecht für politisch dumm und unreif. Denn man wußte zumindest, daß das Gesellschafts-Gebilde der Kirche auch eine politische Realität ist. Darum das ständige Bemühen der "Mächtigen der Erde", die Kirche Christi aus dem "politischen Leben" in Staat und Gesellschaft zu eliminieren, gleichgültig ob auf blutige oder auf unblutige Weise. Letzteres wird besonders in den sog. "freiheitlichen Demokratien" auf eine raffinierte Weise praktiziert, indem zugleich auch die "Kirchen" gegeneinander ausgespielt werden. Den Sachkundigen sind die Methoden bekannt. Nur das einfache "Kirchenvolk" bzw. die "naiv-gläubige Herde" kennt sie nicht. Warum eigentlich nicht? Die Antwort liegt bereits in dieser Frage.

Nun ist aber die Herrschaft der Kirche (dominium Ecclesiae) mit allen ihren mündigen Gliedern keine rein natürliche (wie die des Staates mit seinen Bürgern) und somit auch keine sich nur durch (legitime) psycho-physische Gewalt vollziehende, da sie zugleich eine über-natürliche Komponente hat, an der alle ihre (im religiösen Sinne) "lebendigen Glieder" (nicht jedoch die "toten") partizipieren. Deshalb übersteigt auch diese Herrschaft, die ihre Wurzel in der Gründung der Kirche durch Jesus-Christus, den göttlichen Menschensohn, hat, den profanen Menschen, d.h. den nur weltbezogenen und sich nur um weltliche Dinge kümmernden, und wird zu einer eminent geistlichen, die man mit Recht als "geistliche Gewalt" (potestas spiritualis) bezeichnet und welche ebenfalls Wirkungen zeitigt, ja sogar nachhaltige, wenn man von ihr einen rechtmäßigen und der Wahrheit und Gerechtigkeit dienenden Gebrauch macht. Man darf diese herrscherliche Gewalt der Kirche nicht mit der "geistlichen Amtsgewalt" (potestas ordinaria) in der Kirche verwechseln, die eine hierarchische Struktur hat. Im übrigen gibt es in der Kirche keine "Priesterherrschaft" (dominatus sacordotum), wohl aber ein dem Wesen der Kirche radikal widersprechenden Klerikalismus, der auch heute noch nicht ausgestorben ist. Man sollte heutzutage weder den Gottlosen noch den Ungläubigen noch den "Andersgläubigen", sondern den "lieben Gläubigen" in allen "Kirchen" die provokatorische Frage stellen: warum wohl hat Christus, der HERR, Seine Kirche nicht auf Priester ("Amtspriester") aufgebaut, auch nicht auf einen "Pontifex maximus" und schon gar nicht auf ein Volk oder auf Familien, sondern zuerst einmal, wie der hl. Paulus lehrte, "auf dem Fundament der Apostel und Propheten"? Indes hatte und hat auch ein Judas Iskariot sein Nachfolger "in Amt und Würden", und diese wiederum unterscheiden sich von ihm nur darin, daß sie sich nicht selbst an einem Strick aufhängen, sondern munter weiter "pontifizieren" auf eine ähnliche Weise wie die "Mächtigen der Erde". Manche küssen sogar die Erde wie ein "heiliges Land", das sie da betreten. Die "geistliche Gewalt" der Herrschaft der Kirche sieht allerdings ganz anders aus. Mündige Katholiken sollten die Augen aufmachen, um zu sehen, nicht jedoch um dumm zu glotzen oder sich nur über ein Spektakel zu ärgern, das "Amtsträger" aufführen.

Die natürliche und zugleich übernatürliche (oder "geistliche") Gewalt der (nicht: in der) Kirche geht unmittelbar von Christus aus und wird in ihrer einzigartigen Herrschaft konkret, so daß sie auch sichtbar werden kann, wenn von ihr von seiten der lebendigen Glieder der Kirche tatsächlich Gebrauch gemacht wird, der im übrigen immer ein freier ist, da er von niemandem erzwungen werden kann. Denn der Kirche fehlt, wie schon gesagt, die "Zwangsgewalt" des Staates, welche eine weitreichende und tiefgreifende physische Gewalt ist, um bei seinen Bürgern in ihrem Leben Recht und Ordnung nicht bloß zu garantieren, sondern auch mit den dafür geeigneten Mitteln "mit Gewalt" durchzusetzen. Die Herrschaft des Staates ist immer eine physisch-gewaltsame zum Wohle aller, auch wenn ein Staat sich als "freiheitlich" bezeichnet. Andernfalls handelt es sich nicht um einen Staat, sondern um eine Tyrannis, gleichgültig wer dann in ihm der oder die "Herrscher" sind. Wenn ein Staat die ihm zukommende legitimen Zwangsgewalt nicht wirksam ausübt und üble Dinge, die das allgemeingültige Sittengesetz, die Rechtsordnung und die Gerechtigkeit verletzten, einfach laufen läßt, dann geschieht das immer zum Schaden aller Bürger und zuerst der schwächsten, die sich am wenigsten wehren können. Die allerschwächsten Menschen jedoch sind bekanntlich die ungeborenen Kinder und die hilflosen Greise. Dazu gehören aber auch diejenigen, die man in Altersheime abgeschoben hat. Die Angehörigen der Kirche jedoch sind weder "Bürger" (cives) noch "Volksgenossen" (populares), da die Kirche "nur" ein Gesellschafts-Gebilde (societas) ist, das sich wiederum von allen anderen wesenhaft und prinzipiell unterscheidet. Darum besteht die Problematik des mündigen Christen auch darin, zugleich ein Glied der Kirche und Staatsbürger zu sein. Ein Christ lebt von Jugend auf bis zum Tode in zwei Lebensbereichen, die weder gleichrangig noch gleichwertig sind. Dies sollt sich ein jeder als Glied der Kirche einmal deutlich zu Bewußtsein bringen, anstatt sich stupiden Geistes "der Welt anzupassen" und heutzutage insbesondere der Demokratismus-Ideologie auf den Leim zu gehen, die in Theorie und Praxis alles gleichmacht und gleichwalzt. Gleichzeitig aber werden die Reichen immer reicher, die Armen jedoch immer ärmer, und die unschuldigen Opfer von "Gewaltverbrechen" gleichsam zum "Gesellschaftsmüll" geworfen. In dieser Sache spielen sich bereits Tragödien ab. Wehe den staatlichen Gesetzgebern und Richtern, die hier mit von der Partie sind! Sehen das die ach so friedlichen "lieben Christen" denn nicht? Wer aber hat ihnen dann im Laufe ihres Lebens den Verstand verdunkelt, die Urteilskraft geschwächt und Waffen aus Papier in die Hände gespielt?

Die Kirche lebt nicht außerhalb der pluralistischen Gesellschaft und ihrer Gruppendynamik, die sich auch in der Kirche bemerkbar macht. Es gibt nicht wenige fromme Leute, die dennoch ständig den Eindruck machen, als seien sie in ihrer betonten "Christlichkeit" paranoid-schizophren. Dies bemerken natürlich auch die intelligenteren Nichtchristen. Und wenn sich eine politische Partei, die ja kein Verein ist, "christlich" nennt, dann ist das ein blanker Etikettenschwindel. Denn universales Christentum und "christliche Partei" schließen sich gegenseitig aus. Was hat Christus mit einer "christlichen Partei" und mit Partei-Politik in einem "Parteinstaat" zu tun? Zudem sind der moderne Parteienstaat und die Massengesellschaft aufeinander bezogen, was man doch nicht übersehen sollte, da man sonst auch die Kirche indirekt schädigt, das heißt konkret: alle ihre mündigen Glieder und ihr reales Gliedschaftsverhältnis in der Ganzheit der Kirche (totalitas Ecclesiae), die eine Form der Einheit ist. Im übrigen ist das gesellschaftliche Ganze der Kirche immer bedroht, sowohl von innen als auch von außen, wie dies auch eine und jede Diaspora-Situation ganz offenkundig macht. Man hat über das Gesellschafts-Phänomen der Kirche viel geredet, aber die Sache selbst wenig durchleuchtet, so daß vieles im Dunkeln und Vagen blieb. Alle mündigen Glieder der Kirche Christi verfügen in Freiheit über sich selbst, da sie Personen sind, aber immer nur als ihre Glieder. Und wenn ein Glied schwach ist, dann sind es auch die anderen, die mit ihm zusammenhängen. Zudem gibt es, was leider kaum beachtet wird, im Herrschaftsbereich der Kirche keine (durch und durch verlogene und zugleich fiktive) "bürgerliche" "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit", da der mit dem unauslöslichen Taufsiegel versehene mündige Christ absolut kein freimaurischer "Weltbürger" einer universalen "Weltrepublik" ist und sein kann, von der nicht wenige Zeitgenossen träumen und an ihr "frei maurern".

Die natürliche und zugleich übernatürliche Herrschaft der Kirche des göttlichen Menschen-sohnes besitzt kein "Schwert", weder ein physisches noch ein "geistliches" (was gänzlich absurd wäre). Wohl aber läßt sich mit der nötigen Unterscheidung in der Sache von einem "geistigen Schwert" eigener und besonderer Art sprechen, das, wenn von ihm Gebrauch gemacht wird, durchaus auch eine psycho-physische Wirkung auf den Menschen hat, so daß dieses Schwert (biblisch gesprochen) sogar tief ins "Fleisch" mit scharfer Schneide hineinschneiden kann, ohne Blut zu vergießen. Darum heißt es beim hl. Paulus: wir haben nicht zu kämpfen und deshalb auch nicht das (unser) Schwert zu ziehen gegen "Fleisch und Blut", d.h. gegen das leibliche Leben des Menschen, das sowieso vom Tode bedroht ist und einmal zu Ende geht. Nur das legitime Schwert der Staatsgewalt reicht weiter und tiefer, gleichgültig ob es sich um ein blutiges oder unblutiges handelt. Ein menschlicher Herrscher (imperator) oder Fürst (princeps) ist ohne Schwert gar nicht denkbar, wenn er sich selbst nicht zum Narren machen will. Dann aber versteht man auch den tieferen Sinn der Furcht von Menschen vor der oder einer "kaiserlosen schrecklichen Zeit", in der nur noch Anarchie und Chaos herrschen und ein blutiger Kampf aller gegen alle ausbricht. Es steckt viel Wahrheit in dem uralten Sprichwort der Römer "homo homini lupus" (der Mensche ist dem Menschen ein Wolf). Im übrigen ist Pöbelherrschaft (Ochlokratie) auch in Demokratien jederzeit möglich, insbesondere wenn in der modernen Massengesellschaft der bekannte "Massenmensch" sein Haupt erhebt, ähnlich der nach alter griechischer Sage aus einem Sumpf auftauchenden Hydra. Die Welt des Menschen liegt nun einmal im argen und ist nur "mit Gewalt" beherrschbar. Wenn die Kirche, die sich als Gesellschaftsgebilde immer zwischen Macht und Ohnmacht bewegt, wahre Herrschaft ausübt und von ihrem Schwert Gebrauch macht, dann tut sie dies niemals gewalttätig (denn Gewalttätigkeit ist physischer Mißbrauch der Macht) und ebenso nicht mit Hilfe der Zwangsgewalt, die nur dem Staate eigen ist. Die Tatsache, daß die Kirche der Zwangsgewalt ermangelt und ihr die Gewalttätigkeit völlig fremd ist, läßt bei vielen Zeitgenossen oft den Eindruck entstehen, sie würde gar nicht herrschen, keinerlei Herrschaft ausüben, und sei im Grunde ohnmächtig. Dieser Irrtum jedoch beruht auf einem Mangel an Erkenntnis dessen, was "Ek-klesia Christi" ist, sowie auf einer Verwechslung der "tota Ecclesia" mit einem Teil ihrer Glieder, die oft auch als bloße "Mitglieder" mißbraucht werden. Man kann die Herrschaft der Kirche "in der Welt" und im öffentlichen Leben sowohl gewaltsam als auch gewalttätig bis zum äußersten unterdrücken, aber niemals restlos vernichten. Dafür gibt es Beispiele genug in der Geschichte der Völker, Nationen und Staaten.

Die Kirche Christi hat bei Ausübungen ihrer wesenseigenen Herrschaft, zu der sie durch ihren göttlichen HERRN verpflichtet ist, dennoch keinen Auftrag, einen "Kreuzzug" oder "Heiligen Krieg" zu veranstalten (also einen Kampf mit Waffengewalt zu führen), indes auch nicht den Auftrag, "Schwerter in Pflugscharen" umzuschmelzen, ganz abgesehen davon, daß das hier Gemeinte gar nicht in der Macht des Menschen liegt und auch seinen Zweck verfehlen würde. Denn der Mensch benötigt nun einmal geeignete Waffen, um sich gegen Feinde wirksam verteidigen zu können, die sein Leben bedrohen. Der Feind ist als Feind eine lebensbedrohende Macht; das gehört zu seinem Begriff. Die Feindseligkeit (hostilitas animi) eines Menschen hat zum Ziel, das Leben eines anderen zu vernichten; das liegt in Ihrem Wesen, gleichgültig mit welchen Mitteln der "Erfolg" herbeigeführt wird. Feinde lassen sich auch nicht pazifizieren (befrieden). Darum sind auch die diesbezüglichen Illusionisten gemeingefährlich. Die Feindschaft unter Menschen hat ihre methaphysische Wurzel in einer Feindschaft gegen Gott, die sich dann konkretisiert in einer nie offen zugegebenen und immer zu verschweigen versuchten Feindschaft gegen Christus und Seine Kirche. Da gibt es Leute, die hierbei mit Vorwänden und Ausflüchten sehr geschickt operieren und so viele Christen schon durch gezielte Verwirrung ihres Geistes entmachten. Diese "Christen" verstehen absolut nicht mehr das Wort von der "Ecclesia militans", das sich auf einen komplexen Sachverhalt im Menschengeschlecht bezieht. Auch die Herrschaft der Kirche braucht und gebraucht ein scharfes Schwer in ihrem unvermeidlichen Lebenskampf, und ihre besonderen Schwerer sind in erster Linie (sozusagen an der vordersten Kampffront) das Wort Gottes und das Gesetz Christi, dem sich alle zu unterwerfen haben, aber nicht durch psycho-physischen Zwang, sondern freiwillig und allein um der Wahrheit und des sittlich Guten willen. Manchen fällt es schon deswegen schwer, diese Sache rational zu erfassen, weil die ganze Kirche mit allen ihren Gliedern ihr lebendiges Dasein immer zwischen Macht und Ohnmacht vollzieht. Dabei kennt doch jeder das biblische Bild von der Kirche als einem kleinen Kahn oder Schifflein, das sich auf einem von Stürmen gepeitschten brodelnden Meer zu behaupten versucht, um nicht unterzugehen. Solche und ähnliche Bilder, die der Hl. Schrift entnommen sind, haben in ihrer Bedeutung oder in ihrem Sinngehalt einen realen und wahren Kern. Die Kirche fährt nicht wie ein kostspieliges Luxusschiff, aber auch nicht wie ein schwerbewaffneter Flugzeugträger, über die Weltmeere. Ihre zu schützenden Reichtümer und ihre Schwerter sind ganz anderer Natur.
 
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