Gender Mainstreaming und das
Umerziehungsprogramm von Ehe und Familie
von
Inge M.
Thürkauf
(aus MITTEILUNGSBLATT, Sept. 2011, S. 38 ff.)
Im Gästetrakt eines
Benediktinerklosters weist eine kleine Tafel auf die Haus-, Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft
Familie hin, so, wie sie seit jeher verstanden wurde und wie sie von den
meisten Menschen auch heute noch gewünscht wird. Die Haltung der Gesellschaft
im Hinblick auf den „wärmsten Ort gegen die Kälte dieser Welt“ hat sich jedoch
in den letzten Jahrzehnten grundlegend geändert. Die Doppel-verdiener-Ehe,
alleinerziehende Mütter oder Väter, nichteheliche und homosexuelle
Lebensgemeinschaften, Patchwork- und Pflegefamilien sowie die frühkindliche
Fremdbetreuung haben aus der Familie einen „dynamischen Prozess“ gemacht, der
bis zur Unkenntlichkeit weiterhin im Wandel begriffen ist.
Veränderungen in
Gesellschaft und Familie, wie wir sie heute erleben, haben ihre Verkünder, nur
werden sie selten gehört, wie z. B. Dr. Richard Day, Professor für
Kindermedizin an der Mount Sinai Medical School in New York, der im März 1969
vor 80 Medizinern der „Vereinigung Amerikanischer Kinderärzte“ in Pittsburgh
unverhohlen Teile des Programms der Neuen Welt-ordnung (1) ausgebreitet hat.
Das folgende Zitat (2)
beschreibt knapp und unmissverständlich die vorgegebene weitere „Ent-faltung“
der westlichen Zivilisation:
„Es wird
alles gemacht, damit die Familie nicht mehr zusammenbleibt. Die Frauen sollen
arbeiten, und immer mehr Menschen bleiben alleinstehend. Kinder werden als
Babys bereits von der elterlichen Erziehung entfernt und politisch korrekt
indoktriniert. Den jungen Mädchen wird als Vorbild nicht mehr die Familie und
die Erziehung der Kinder vorgegeben, sondern sie sollen Leistung erbringen und
eine ‚Karriere’ verfolgen. Mädchen wird erzählt, sie müssen genauso sein wie
Jungs - und umgekehrt. Man will den geschlechtslosen Menschen, das Neutrum
erzeugen. Frauen sollen maskuline Mode tragen – wie Hosen – und Männer sich
immer femininer geben. Männersportarten wie Rugby oder American Football sollen
verschwinden.“
Einer der Hauptpunkte
seines Vortrags betraf die Vernichtung der Geschlechter, nicht nur ihrer
„Rollen“.
Umsetzungsprogramme dieses
neuen Weltsystems sind schon seit Jahrzehnten im Gange. Zunächst führten uns
die New-Age-Ideologen in ein „Neues Zeitalter“. Eine Wendezeit in Bezug auf
eine sinnerfüllte, humane und ganzheitliche Zukunft der Menschheit wurde uns
versprochen. Viele ließen sich von dieser Traumwelt betören, sind mehr oder
weniger kritiklos dem Mainstream New Age gefolgt und haben sich durch das ganze
esoterische Programm der New-Age-Bewegung „dummgeglotzt“ (Alexander Kissler),
so dass es immer schwieriger geworden ist, nachfolgende Gefahren zu erkennen,
geschweige denn, begreiflich zu machen.
Der neue Mainstream in
Folge, der detailliert, akribisch und erfolgreich die Mitteilungen von Dr. Day
umsetzt, nennt sich „Gender“ oder „Gender Mainstreaming“. Es ist keine
Weltanschauung, Meinung oder Ideologie unter anderen, sondern eine offizielle,
politische Zielsetzung, die admini-strativ und auf dem Weg des Gesetzes in die
Politik eingedrungen ist und nun in sämtliche gesell-schaftliche Bereiche
hineingepresst werden soll.
Die offizielle Definition
von Gender Mainstreaming will vortäuschen, es handle sich um die
Gleichbehandlung und Gleichstellung der Geschlechter. Die folgenden
Ausführungen werden zeigen, dass ganz andere Ziele verfolgt werden:
In der englischen Sprache
gibt es zwei Begriffe für das Wort „Geschlecht“: „gender“ und „sex“.
– „Gender“ ist der
grammatikalische Begriff zur Unterscheidung des Geschlechts eines Wortes.
– Der Ausdruck „sex“ ist
kein Hinweis auf den sexuellen Akt, sondern bezeichnet das biologische
Geschlecht von männlich und weiblich.
Wendepunkt in der politischen Strategie
zur Einführung von Gender Mainstreaming war die 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in
Peking, wo das Wort „sex“ ersetzt wurde durch den bis heute von den meisten
Menschen kaum erfassten Begriff „gender“. Diese Definition bedeutet ein
gewandeltes Verständnis von Geschlecht, mehr noch, eine neue Weltanschauung,
die alle Unterschiede zwischen den Geschlechtern nicht als naturgegeben,
sondern als gesellschaftsbedingt versteht. Das heißt: Jede sexuelle Orientierung
- heterosexuell, homosexuell, lesbisch, bisexuell und transsexuell – soll
gleichwertig sein und gesellschaftliche Akzeptanz beanspruchen. Das biologische
Geschlecht, also die Tatsache, dass der Mensch von Gott als Mann und als Frau
geschaffen wurde, ist – den Gender-Ideologen entsprechend – nicht mehr von
Belang.
Gegen diese Zumutung
setzte sich die Familienallianz besagter Konferenz zur Wehr. Die Beschlüsse von
Peking seien „ein direkter Angriff auf die Werte, Kulturen, Traditionen und
religiösen Überzeugungen der großen Mehrheit der Weltbevölkerung sowohl in den
Entwick-lungsländern als auch in den Industrienationen“. Das Dokument zeige
keinerlei Respekt für die Würde des Menschen, versuche die Familie zu
zerstören, ignoriere die Ehe, werte die Bedeutung der Mutterschaft ab, fördere
abweichende sexuelle Praktiken, sexuelle Promiskuität und Sex für Jugendliche.
Offensichtlich war der
Protest der Verteidiger von Ehe und Familie gegen diesen „europäischen Unsinn“
wirkungslos, denn am 1. Mai 1999 wurde im Amsterdamer Vertrag auf EU-Ebene der
Gender-Mainstreaming- Ansatz als durchgängiges „Leitprinzip und
Querschnittsaufgabe“ rechtlich verbindlich festgeschrieben. Art. 2 und Art. 2
Abs.2 dieses EG-Vertrags verpflichten die Mitgliedstaaten zu einer aktiven Gleichstellungspolitik
im Sinne des Gender Mainstreaming.
Da Gender Mainstreaming
ein weltweites Umerziehungsprogramm beinhaltet, muss es sich um ein politisches
Konzept handeln, denn ohne die von der Politik verordneten Gesetze wird ein
solches Programm nicht durchzudrücken sein. Den Grund, warum diese Begriffe und
dieser Vertrag bis vor kurzem unbekannt waren, erfahren wir vom luxemburgischen
Premierminister und Präsidenten der EU-Runde Jean-Claude Juncker, der 1999
unverblümt zugab:
„Wir
beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, ob
großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen,
was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter – Schritt für Schritt, bis es
kein Zurück mehr gibt.“ (3)
Diese Vorgehensweise
findet vermutlich in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft, der Politik und der
Wirtschaft ihre Anwendung. Was von Anbeginn der Menschheit als „natürlich“ und
„normal“ gegolten hat, die Zuordnung als Mann und Frau, soll nun unter der Führung
von tonangebenden Sexualwissenschaftlern durch Umerziehung geändert werden, die
so früh wie möglich beginnen soll. Inzwischen schreckt man nicht mehr davor
zurück, die Geschlechterabschaffung bereits in Kindertagesstätten und
Kindergärten umzusetzen, mit entsprechender Schulung des Lehrpersonals.
Der Hintergedanke dabei
ist, dass ein auf diese Art umerzogenes, d.h. gegendertes Kind beizeiten
begreifen lernt, dass es nicht nur Mann und Frau gibt, sondern dass die Palette
viel bunter und reichhaltiger ist. Im bekannten Wiener Modell-Kindergarten „Fun
& Care“ werden die Geschlech-ter von Jungen und Mädchen zunehmend und
systematisch aufgeweicht, um sie letztlich gänzlich abzuschaffen. Mädchen
werden mit technischen Spielzeugen bekannt gemacht und werden aufgefordert,
Fußball zu spielen und sich gegen die Buben zur Wehr zu setzen. Den Jungs
hingegen wird beigebracht, mit einer Kosmetikbox umzugehen,
Prinzessinnenkleider zu tragen, Fingernägel zu lackieren, sich schön zu machen,
ganz allgemein eine positive Körperwahrnehmung zu erlernen, um weicher,
weiblicher zu werden.
Das Ganze drängt in die
Richtung, die Wahrnehmung für die verschiedenen Geschlechter - wie
Homosexualität, lesbische Lebensweise, Bisexualität und Transsexualität - in
frühester Kindheit auszubilden. Dass hierbei sexuelle Übergriffe von Kindern an
Kindern nicht ausbleiben können, ist vermutlich in den Plänen der Genderisten
inbegriffen. Besorgten Eltern wird beruhigend erklärt, dass die Kinder das
Recht hätten, sich sexuell zu betätigen, und dass solche „Kinderspiele“ zur
Entwicklung der kindlichen Persönlichkeit gehören.
Die Bemühungen der
Gender-Ideologen waren von Anfang an darauf gerichtet, die sexuelle Identität
im Grundgesetz zu verankern, was notgedrungen dazu führt, dass das gesamte Ehe-
und Familienrecht geändert werden muss, damit Homosexuellen, Lesben,
Bisexuellen und Trans-sexuellen eine gleichberechtigte „Ehe und Familie“
ermöglicht werden kann. Bestrebungen in dieser Richtung sind zur Zeit in
Vorbereitung. Vor zehn Jahren wurde in Deutschland die sogenannte Homo-„Ehe“
eingeführt. Nun verlangt die Bundesjustizministerin Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger zusammen mit den Grünen und den Linken die
Gleichstellung von homosexuellen Partnerschaften mit der Ehe, obwohl dies
verfassungsrechtlich dem Schutz von Ehe und Familie zuwiderläuft.
Außerdem – so die
Homosexuellen-Organisation ILGA – soll das Adoptionsrecht für Homopaare
eingeführt und den Kindern die Möglichkeit eingeräumt werden, mehr als zwei
Eltern zu haben. Niemand fragt, was dies für Auswirkungen auf das Kindeswohl
haben wird. Den Kindern wird mit dieser Neudefinition von Ehe und Familie das
Leitbild der monogamen Ehe von einem Mann und einer Frau als Orientierung für
ihr Leben immer mehr entschwinden.
Am 20. Juli 2011 berichtete
die FAZ über eine Anordnung des Berliner Senators für Bildung, Jürgen Zöllner
(SPD), in der bestimmt wird, dass Grundschulkinder sich ab dem 5. Lebensjahr
daran gewöhnen müssen, sich an der sexuellen Vielfalt als Norm zu orientieren.
Das bedeutet, eine aggressive Wegführung von der Vater-Mutter-Kind-Familie hin
zu homosexuellen Lebensformen. Im Aufklärungsprogramm des Senators findet sich
ein Bücher- und Spielekoffer, mit dem nach den Sommerferien den Grund- schulen
das andere Bild von „Familie“ vorgestellt werden soll.
Ab der 5. Klasse sollen
Kinder die einschlägigen sexuellen Begriffe in Scharaden darstellen. Eine der
Geschichten aus dem Bücherkoffer schildert die Suche nach einer Prinzessin,
denn der Kronprinz soll heiraten. Viele Mädchen werden ihm vorgeführt, aber
keine gefällt ihm, bis die Prinzessin Liebegunde mit ihrem Bruder eintritt. Da
verliebt sich der Kronprinz in den Bruder der Prinzessin. Sie heiraten und
regieren gemeinsam als „König und König das Land“. So klingen die Märchen im
21. Jahrhundert.
Die Schweiz – eifrig
bemüht, der EU zu Diensten zu sein – hat ebenfalls ihr Umerziehungs-programm
gestartet. Durch die Schweizer Boulevard-Zeitung „Blick“ wurde die
Öffentlichkeit auf das Sexualprogramm des Kantons Basel-Stadt aufmerksam. Dort
wurden in 30 Schulen und Kindergärten Sex- Koffer und Boxen mit eindeutigem
Inhalt verteilt: Puppe, Puzzels, Bücher und anderes „Lehrmaterial“ für Vier-
bis Zehnjährige, das die erotischen Zonen der Kinder und die Möglichkeiten zu
ihrer Stimulation erklärt. Der Züricher SVP-Nationalrat Ulrich Schlüer sprach
von Abbildungen, welche „die Grenzen zur Pornographie überschreiten“.
Dass gerade in den letzten
Monaten ein flächendeckendes Programm zur Früh-Sexualisierung von Kleinst- und
Kindergartenkindern gestartet wurde, ist nicht zufällig. Ende August 2010 fand
in der mexikanischen Stadt Léon Guanajuato eine Weltjugend-Konferenz statt, die
mit einem so genannten „Statement-Entwurf“ abgeschlossen wurde, dessen Inhalt
in höchstem Grad als jugendgefährdend und familienfeindlich bezeichnet werden
kann. Um die weltweite Abtreibungsmentalität immer mehr auszuweiten, hat der
Bevölkerungsfond der Vereinten Nationen (UNFPA), unterstützt von den radikalen
Feministinnen und den bekannten Abtreibungs- und Anti-Familiengruppie-rungen,
eine globale Kampagne gestartet, um heranwachsende Mädchen zu „selbstbestimmten
Menschen“ heranzubilden und ihnen eine „erschöpfende sexuelle Erziehung“ zu
gewährleisten, vor allem aber, sie für die Abtreibung zu gewinnen. Es geht bei
dieser Kampagne jedoch nicht nur um die Durchsetzung der Abtreibung als
Menschenrecht, sondern das letzte Ziel ist eine anti-christliche
Indoktrinierung der Jugend. Diese soll nach den Vorgaben der Gender-Ideologen
sexuell aufgeklärt und entsprechend erzogen werden.
Die Forderungen, die in
diesem elf Seiten umfassenden Statement aufgelistet wurden, beinhalten das
Recht auf Abtreibung und eine Erziehung, die sich freihält von jeglicher
Religion. Wörtlich heißt es:
„Die Regierungen müssen
das fundamentale Recht einer religionsfreien Erziehung garantieren.“
Darüber hinaus soll
Gender-Gleichheit vorgeschrieben werden, was bedeutet, dass die sexuellen
Interessen der LGBT (Lesben, Gays [gay = schwul], Bisexuellen und
Transsexuellen) durch-zusetzen seien. Ebenso sollen die Regierungen mit
den Medien und Behörden zusammenarbeiten und ihren Einfluss geltend machen, um
jegliche Ablehnung und Phobie von Gender Mainstreaming zu beseitigen.
Regierungen werden aufgefordert, LGBT als Teil des Spektrums von Gender-Gleichheit
zu akzeptieren, und sollen dafür sorgen, dass Jugendliche ihre sexuelle
Identität (die sich ja nach Belieben wandeln kann) als Menschenrecht verstehen
lernen. Es wird darauf gepocht, dass die Regierungen der Mitgliedstaaten diese
Forderungen in ihren Ländern popularisieren.
Um diese Ziele besser
bekannt zu machen und durchsetzen zu können, wurde von den Vereinten Nationen
am 12. August 2010 ein „Internationales Jahr der Jugend“ ausgerufen, das bis Ende
2011 dauern soll. Länder, die sich gegen die Indoktrinierung ihrer
Gesellschaft mit Gender Mainstreaming zur Wehr setzen, wie z. B.
Ungarn, geraten unter den massiven Druck der Abtreibungs-lobby und der
Institutionen der EU. Diese versuchen, die neue ungarische Verfassung, die sich
für den Schutz des Lebens „von der Empfängnis an“ und für die monogame Ehe von
Mann und Frau einsetzt, zu diskreditieren.
Der Vorstoß der Vereinten
Nationen, Abtreibung weltweit durchzusetzen – und zwar durch die unerträgliche
Beeinflussung heranwachsender Mädchen und junger Frauen - ist eine immense
Gefahr für das Leben, für die Familie, für die Heiligkeit und die Würde des
Lebens, eine Gefahr für die Erhaltung moralisch-ethischer Werte und für das
Recht der Christen, ihren Glauben zu leben.
Der Höhepunkt des Zynismus
ist jedoch der erwähnte Statement-Entwurf, der im August 2010 in Mexiko
verabschiedet wurde. In unüberbietbarer Rücksichtslosigkeit werden
gesundheitliche Risiken durch die propagierte zügellose sexuelle Lebensweise
mit unterschiedlich praktizierten sexuellen Orientierungen ganz bewusst in Kauf
genommen. Anstatt zu einer Lebensweise anzuregen, die lebensbedrohliche
Krankheiten wie z. B. Aids vermeiden hilft, wird von den Regierungen verlangt,
jenen, die aufgrund ihrer sexuellen Lebensweise erkranken, umfassende
medizinische Dienstleistungen durch die Allgemeinheit zu garantieren. (4)
In seiner Schrift
„Athanasius und die Kirche unserer Zeit“ zitiert Bischof Rudolf Graber aus
einer Geheiminstruktion aus dem Jahr 1819, in der diese Ziele schon klar zur
Sprache gebracht wurden.
„Schmeichelt allen
Leidenschaften“, heißt es da, „den schlechtesten ebenso wie den hochherzig-sten...
popularisieren wir das Laster... Schafft Herzen voller Laster und ihr werdet
keine Katho-liken mehr haben... Lasst das Greisenalter und das reifere Alter beiseite;
geht zur Jugend und, wenn es möglich ist, zu den Kindern.“ Diese Anweisung
scheint heute ihre perfekte Anwendung gefunden zu haben.
Um den
gesellschaftsverändernden Plänen die erfolgreichste Resonanz zu verschaffen,
hat der Genderismus vor allem im universitären Bereich Fuß gefasst. In
akademischen Kreisen wird die Frage nach dem „Geschlecht“ schon mit einer
Gegenfrage beantwortet, welche lautet: Geht es um das biologische oder um das
angeblich sozial konstruierte Geschlecht, also geht es um „Gender“?
„Gender-Studies“ ist eine neue Disziplin, die sich in den Universitäten schon
längst etabliert hat. Darüber hinaus ist sie das einzige Fach, das sich über
ein ungebrochenes Stellenwachstum freut. Eine von der Gender-Theorie
unabhängige Geschlechterforschung existiert nicht, denn Kritiker der
Gender-Ideologie haben an den Universitäten keine Chance.
In allen studierbaren
Fächern muss Gender integriert werden. Selbst die Studenten der Önologie
(Weinbau) sollen „geschlechterspezifische Wertesysteme erkennen“ lernen. An
vielen Universitäten sind solche Forderungen schon umgesetzt.
Agrarwissenschaftler an der Berliner Humboldt-Universität können „Gender und
Globalisierung“ als Wahlfach belegen. Das ist das Ergebnis „mehrjähriger
Lobbyarbeit von Frauen aus Frauenbewegung und Frauenforschung“ und ihrer
„fantasie- vollen und kämpferischen Aktionen“, wie das Netzwerk verkündet. (5)
Um dem neuen Studien-Fach
„Gender“ Attraktivität und vor allem Glaubwürdigkeit zu verleihen, wurde das
Fach zum Objekt „feministischer Naturwissenschaftsforschung“, m.a.W.: man will
wissenschaftlich beweisen, dass Gender Mainstreaming eine Wissenschaft ist, und
zwar auf dem Hintergrund der Naturwissenschaft. Offensichtlich spielt es keine
Rolle, dass dieses Ansinnen an den Haaren herbeigezogen ist, denn
naturwissenschaftliche Beweisführung ist objektiv, weil sie auf dem
systematisch-reproduzierbaren Experiment beruht. Nur was
systematisch-experimentell bewiesen werden kann, hat eine objektive
naturwissenschaftliche Beweiskraft. Da dies in Bezug auf Gender völlig
unmöglich ist, wird der Begriff „Naturwissenschaft“ schlicht und einfach
umgepolt. Für die Genderisten ist Naturwissenschaft nicht mehr objektiv,
sondern subjektiv. Genauso wie sie sich entschlossen haben, das „Geschlecht“
neu zu definieren, sind sie nun von der neuen Erkenntnis beseelt, eine
subjektive Naturwissenschaft zu denken.
Die
Wissenschaftsgläubigkeit ihrer Zeitgenossen tut das Übrige, sie gläubig dabei
zu unterstützen.
Als Beispiel für diese
„Kopernikanische Wende“ in der Geisteswissenschaft sei die Hamburger
Universität genannt. Die Erziehungswissenschaftler und „Queer-Forscher“ Robin
Bauer und Helen Götschel nennen das neue „wissenschaftliche“ Feld „Gender &
Science-Studies“. Das heißt, die Naturwissenschaft wird nun aus einer
Geschlechter-Perspektive erforscht. (6) Robin Bauer, Professor für „Mathematik
und Gender Studies in der Mathematik“ an der Universität Hamburg, hieß bis vor
einigen Jahren noch Birgit. Er hat also die Erforschung seiner sexuellen
Identität und Interessen zum Beruf gemacht. Queer-Forscher befassen sich also
„wissenschaftlich“ mit sich selbst, das heißt mit ihrer eigenen sexuellen
Identität und ihren eigenen Praktiken und werden dabei staatlich finanziert.
Eine seiner
Veröffentlichungen heißt: „Das Zwei-Geschlechter-System als
Menschenrechtsverlet-zung“ (d. h. das Faktum der beiden Geschlechter „Mann und
Frau“ verletzt die Menschenrechte). 2004 erhielt Robin Bauer eine Auszeichnung
der Schweizerischen Akademie der Naturwissenschaft. Gewürdigt wurde das
Projekt „Degendering Science“ mit dem Modul „Gender-Studies und
Naturwissenschaft“ als erfolgreiche Strategie zur Überwindung von
frauenspezifischen Grenzen in Forschung und Lehre in den Naturwissenschaften.
„Im Ganzen gesehen kann man sagen, dass sich
in den letzten Jahren an den Universitäten ein Fach etabliert hat, das
wissenschaftliche Objektivität und Rationalität gegen offen praktizierten
Subjektivismus eingetauscht hat, um politisch-ideologische Ziele zu erreichen.
Was muss man von einer Universitätskultur halten, die gegen diese
Machtergreifung der Geisteswissenschaften keinen Widerstand leistet?“ (7) Ziel
der Gender-Ideologen ist die 50/50-Quotenregelung für Männer und Frauen für
sämtliche Arbeits- und Lebensbereiche. Die Frauen müssen mit oder ohne Kinder
jederzeit einer vollzeitigen Erwerbstätigkeit nachgehen.
Die Männer jedoch sollen
dazu bestimmt werden, 50 Prozent der Säuglings- und Kinderpflege zu übernehmen.
Die Kinderbetreuung und -pflege übernimmt der Staat. Wie verunsichert die Männer
in dieser für sie fremden Zuordnung schon sind, zeigt eine von vielen Umfragen,
die aber alle mehr oder weniger dasselbe Resultat ergeben. 27 Prozent der
Männer möchten die traditionelle Rolle als Verdiener und Ernährer behalten, so
die Umfrage von protestantischer wie katholischer Seite. 19 Prozent verstehen
sich als sogenannte moderne Männer mit Vätermonaten zur Kinderbetreuung und
erwerbstätiger Ehefrau. 24 Prozent der Befragten bezeichnen sich als „balancierende
Männer“, die die alten Rollen nicht verlassen und die neuen Rollen nicht
übernehmen wollen. Der größte Teil – nämlich 30 Prozent der Männer – nannten
sich „suchend“, sie hätten sich von den klassischen Rollen verabschiedet, die
neuen aber noch nicht gefunden8. (8)
Die Revolution der Neuen
Linken 1968 war der Wendepunkt für eine Geisteshaltung, die ernst
gemacht hat mit den vorgegebenen Programmen und sich die Abschaffung der
Familie, das Schleifen jeglicher Autorität, die „Befreiung“ zur Sexualität von
Kindesbeinen an, die Selbst-verwirklichung und Befriedigung aller Bedürfnisse
auf die Fahne geschrieben hat.
Das, was jetzt mit Ehe und
Familie geschieht, ist der tiefste kultur-revolutionäre Eingriff der
Menschheitsgeschichte. Er verändert den Menschen in der Weise, dass er in
Gefahr gerät, seine Gottesebenbildlichkeit zu vergessen. Was wird aus der
Familie, aus unserer Gesellschaft, unserer Nation, unserer Kultur? Fühlt sich
noch jemand zuständig?
Im September 2010 fand in
Berlin ein Kongress der AUF-Partei (Partei für Arbeit, Umwelt und Familie)
statt, der sich intensiv mit dem Lebensschutz und der Familienpolitik befasste.
Zum Schluss dieses Kongresses wurde eine friedliche Kulturrevolution gefordert.
Der Appell aufzu-wachen, um Himmels Willen aufzuwachen, ging an alle, denen
Ehe, Familie, Kinder ein tiefes Anliegen ist, denn etwas dürfte jetzt jedem
klar geworden sein: Während wir schliefen, „kam der Feind und säte Unkraut“
(Mt. 13,25).
Der Schriftsteller
Johannes Grassl hat bei diesem Kongress einen Satz geprägt, dem ich mich
anschließen möchte. Er sagte: „Es ist für eine Umkehr nicht entscheidend, ob
man die Mehrheit stellt. Entscheidend ist, dass Gott immer einen kleinen
Überrest benutzt, um das große Ganze zu verändern.“
Anmerkungen:
1 Georg H.W. Bush, US
Präsident 1989-1993 am 11. 9. 1990 vor dem amerikanischen Kongress
2 KOMMA, Nr. 75/2010, S.
36
3 SPIEGEL, Nr. 52/1999
4 C-FAM vom 11. August/8.
September 2010
5 Handelsblatt Nr. 181 vom
19. September 2009, S. 9
6 "Queer", (dt.
seltsam, sonderbar) ist eine Eigenbezeichnung von Schwulen, Lesben,
Bisexuellen, Intersexuellen, Transsexuellen, Asexuellen, also Menschen, die
sich von den Heterosexuellen unterscheiden. Sie sind an vielen Universitäten,
etwa in Hamburg und Göttingen, ein integrierter Teil der Gender-Studies.
7 Handelsblatt dito
8 Idea Spektrum, Nr. 32, 2010
Von der Autorin Inge M.
Thürkauf sind weiterhin erschienen:
„Löscht sie aus – die
Familie“ in CIVITAS, Nr. 4, 2008
„Der Weg des ‚neuen
Menschen’ – von der biologischen Revolution zur Diktatur des Genderismus“ in
MEDIZIN UND IDEOLOGIE, Nr. 2/2007
Hinweis der Redaktion:
Am
12. April 2012 jährt sich der erste Todestag von Gerd-Klaus Kaltenbrunner. Im
FE-Medienverlag ist zu diesem Terrmin ein Gedenkbüchlein von
Magdalena S. Gmehling erschienen:
„Leitstern am geistigen Firmament"
Erinnerungen an Gerd-Klaus Kaltenbrunner
Die Studie beschäftigt sich vorwiegend mit dem homo
religiosus, Gerd-Klaus Kaltenbrunner.
Anfragen sind zu richten an:
Herrn Bernhard Müller, FE-Medienverlag
Haupstr. 22, D - 88353 Kisslegg