MACHT UND OHNMACHT DER KIRCHE
– Gedanken zu einem verdunkelten Sachverhalt im
geschichtlichen Heilsprozeß der Gegenwart –
von
+ Prof. Dr. Diether Wendland
1993
"Lege die
Vollrüstung Gottes an, damit ihr am bösen Tag widerstehen und alles erfolgreich
bestehen könnt!" (Eph 6,13)
"Kämpfe bis zum
Tode für Gerechtigkeit, sodann wird der Herr (Gott) wider deine Feinde für dich
auch streiten! – Säe nicht auf Unrechtsfurchen, sonst mußt du siebenfach es
ernten! – Von Gott begehre keine Herrscherstellung, und auch vom König keinen
Ehrenplatz!" (Jesus Sirach 4,28; 7,3.4)
Allgemeine Vorüberlegungen
Hat
es heutzutage nach den Auswirkungen des Vatikanums 2 überhaupt noch einen Sinn,
sich mit einem solchen Thema zu befassen? Uns wurde von Katholiken und
Nichtkatholiken bedeutet, daß dies doch sinnlos wäre, da im Gegensatz zu den
etablierten 'Kirchen' die wahre Kirche Christi in ihrem Wesen auf
Gewaltlosigkeit gebaut sei (sein würde) und somit weder von Macht noch von
Ohnmacht gesprochen werden kann. In diesem Zusammenhang verwies man auch
darauf, daß die mächtigste Kirche in dieser Welt einmal die römisch-katholische
gewesen sei; doch was ist aus ihr geworden, nachdem sie ihre imponierende
Einheit und Geschlossenheit verloren hat und sich auch in ihr Sekten
verschiedener Größe gebildet haben? Heute scheint sie völlig machtlos geworden
zu sein, wie eben auch alle anderen 'Großkirchen', mit denen sie auf die
gleiche Stufe gestellt werden kann und dies oft auch wird. Zudem ist es
offenkundig,daß ihr der propagierte und praktizierte "Ökumenismus"
mit den angeblich nur 'Andersgläubigen' keinen Machtzuwachs gebracht hat, weder
auf nationalem noch auf internationalem Gebiet, sondern das reine Gegenteil,
wie überall leicht festgestellt werden kann. Man darf sich nur nicht von der
profanen 'öffentlichen Meinung' und den religiösen Meinungsmachern in den
'Kirchen' und außerhalb derselben täuschen lassen. Systematisch betriebene
Meinungsmache aber ist zweckdienlicher Machtmißbrauch und damit ein Politikum.
Das Schlagwort von der "Gewaltlosigkeit" gehört auch dazu. Viele
frommen Leute halten die Gewaltlosigkeit sogar für ein christliche Tugend und
fürchten sich dann, Gewalt anzuwenden, obwohl sie wissen, daß sie dadurch in
ein vertracktes Dilemma geraten, das ihnen die Luft zum Atmen nimmt. Sie kommen
nicht auf den Gedanken, daß sie selbst es sind, die dadurch dem Unheil oder dem
Bösen auf vielfache Weise Raum geben und Vorschub leisten. Nirgendwo aber steht
geschrieben: Selig die Gewaltlosen, denn ihrer ist das Himmelreich!!
Wer
sich in der heutigen Zeit als katholischer Christ über Macht und Ohnmacht der
Kirche ernsthaft Gedanken macht, der sollte im Vorfeld dieser Problematik
zunächst einmal ein Vierfaches unterscheiden, weil es sonst nur zu Verwirrungen
kommt:
1 "Gewalt" (potentia naturalis
physica) ist physischer Gebrauch der Macht;
2. "Gewalttätigkeit" (violentia)
hingegen physischer Mißbrauch der Macht; unter
3. "Gewaltsamkeit" aber versteht man
alles das, was durch physische Gewalt (vis) und Kraft (robur) geschieht und an
sich weder gut noch böse ist;
4. "Gewaltlosigkeit" indessen ist
grundsätzlicher Verzicht auf physische Gewalt überhaupt und deshalb immer
entweder gut oder böse; darum kann sie auch weder eine sittliche noch eine
religiöse Tugend sein. Im übrigen greift der Mensch der Gewaltlosigkeit, so wie
er generell in Erscheinung tritt, nie zum 'Schwert', sondern läßt immer andere
für sich kämpfen. Darum sollte man sich die professionellen 'Gewaltverzichtler'
sehr genau anschauen und sie sich nie zu Freunden wählen, weil man sonst
gleichsam durch die Hintertür
'entwaffnet' wird. - Warum sind denn die 'Schwerter' so vieler
Katholiken stumpf geworden, falls man sie nicht bereits etwas angerostet auf
einem Flohmarkt verkauft hat? Gewaltlosigkeit aus Prinzip begünstigt das
Unrechttun und ist ein Indiz für Feigheit, die auch ein Christ zu überwinden
hat. Denn der Mensch ist schon von Natur aus feige, und darum wird auch nur der
wahrhaft Tapfere wirklich geehrt, eben weil er die Feigheit überwunden hat.
Jeder Feige aber ist auch ehrlos.
Es
ist der menschlichen Gesellschaft (societas humana) eigentümlich, gleichgültig
in welchen Formen oder Gebilden sie sich darstellt (angefangen mit der Familie
und der Sippe), daß sich ihr konkretes Leben immer zwischen Gewalt und
Gewalttätigkeit bewegt, so daß Gewalt-losigkeit in ihr gar keinen Platz hat. Es
gibt in ihr keine 'selige Insel des Friedens' und auch kein 'Paradiesgärtlein',
in dem man sich, Kokainblätter kauend, von der warmen Sonne bescheinen lassen
könnte. Das menschliche Leben ist ein ständiger Kampf und häufig nur noch ein
Kampf um's nackte Überleben im wahrsten Sinne des Wortes. Den 'Gläubigen' einer
'Kirche' oder auch einer 'kirchlichen Gemeinschaft' fehlt oft die realistisch-illusionslose
Erkenntnis ihrer gesellschaftlichen Stellung in Volk und Staat; sie machen in
ihrem Verhalten bei allen anderen den Eindruck, als seien sie entwurzelt und
leben außerhalb der Gesellschaft und ihres gruppendynamischen Pluralismus;
darum sollten sie sich auch nicht darüber wundern, daß sie niemand ernst nimmt.
Viele dieser 'Gläubigen' erkennen nicht einmal, daß sie von der Mehrzahl der
Leute um sie herum 'bestenfalls' nur geduldet werden und was sich sehr schnell
zu noch ganz anderen Übeln auswachen kann, wenn sich eine politische Situation
ändert. Die 'Kirchengläubigen' von heute sind genau so wenig wie die
Kirchenmitglieder eine Solidargemeinschaft, in der das ungeschriebene Gesetz
gilt: einer für alle und alle für einen! Dabei wissen sie doch, daß nur Einheit
stark macht, gleichgültig ob im Guten oder im Bösen. Die universale Einheit der
römisch-katholischen Kirche aber existiert nicht mehr; sie besteht nur noch auf
dem Papier. An ihre Stelle ist durch Verdrängung territorial die partikuläre
Einheit der "römischen Konzilskirchen" getreten, nachdem sie sich
überall konsolidieren konnte. Auch diese 'Kirche' übt mit ihren aktiven Mitgliedern
in der menschlichen Gesellschaft Macht aus, so daß die noch orthodoxen
Katholiken, die nicht mit den sog. Traditionalisten identifiziert werden
sollten, in eine große Bedrängnis geraten sind, die ihnen bisweilen ihre Ohnmacht
deutlich zu Bewußtsein bringt. Eine solche 'religiöse Ohnmacht' aber beruht
nicht auf zufälligen Lebensumständen und ist auch nicht immer fremdverschuldet,
sondern selbstverschuldet. Orthodoxe Katholiken sollten wissen, daß es nicht
genügt, am heilsnotwendigen "wahren Glauben", der biblischen
"vera fides", (nur und immer nur) festzuhalten, da dieser Glaube
wirklich gelebt und getan werden muß, weil er andernfalls zu einem "toten
Glauben" wird. Im übrigen macht der "tote Glaube" den 'Gläu-bigen'
wehrlos, was sich auch auf sittlichem Gebiet zeigt, so daß er dann dem
moralischen Übel, d.h. dem Bösen, nicht mehr widerstehen und den nötigen
Widerstand leisten kann. Kein 'Gläubiger' sollte sich auf Schwachheit
herausreden, der seine Schwäche selbst ver-schuldet hat. Sittliche Schwäche und
unwahrer religiöser Glaube stehen in Korrelation. Eine ihrer Folgen aber ist
der Machtmißbrauch, der immer auch Unrecht erzeugt, da er selbst Unrecht ist.
Dies zeigt sich insbesondere im öffentlichen Gemeinwesen, d.h. im Staate,
obwohl er von Gott gewollt ist. Das freilich schließt gottlose Staaten nicht
aus, einschließlich des 'modernen' demokratischen.
Es
gibt keine "friedlichen Demonstrationen" oder
"Friedensmärsche" u.dgl. (bei denen irre Bürger sogar Kinder mitschleppen
und sich für friedliebende Leute halten), da die öffentliche Demonstration
einer Menschenmenge, gleichgültig von wem sie veranstaltet wird oder wer
dahinter steckt, ein physisches Gewaltphänomen ist, das zudem noch die Gefahr
heraufbeschwört, in Gewalttätigkeit umzuschlagen, die immer menschliches Leben
bedroht. Dies lehrt bereits die Erfahrung, die man bei solchen Demonstrationen
machen kann. Außerdem wird heutzutage aufgrund einer teils mißverstandenen
teils ideologisch perver-tierten Demokratie, die sich gerne als eine freiheitliche
bezeichnet, die Staats-Gewalt auf die verschiedenste Weise um ihren legitimen
Gebrauch der Macht gebracht, so daß sie als ein notwendiger Ordnungs-Faktor in
der zur Gewalttätigkeit neigenden pluralistischen Gesellschaft mit ihren
Gruppen weitgehend ausfällt. Die Staatsgewalt, die zwar vom Volke ausgeht, aber
nicht von ihm ausgeübt werden kann, wird durch die Liberalismusideologie mehr
und mehr unfähig, der sittlichen Verwahrlosung und Kriminalität einer
pluralistischen Gesellschaft mit ihren neuen Formen des Verbrechens mit aller
Macht entgegenzuwirken, um das Volk und seine Bürger wenigstens zu schützen,
und zwar wirksam und nachhaltig. Dies aber geht nicht ohne physische Gewalt, da
der Mensch von Natur aus zum Bösen geneigt ist und jede Gelegenheit wahrnimmt,
seine Freiheit durch unsittliches und rechtswidriges Tun zu mißbrauchen. Manche
nennen das sogar "freie Entfaltung der Persönlichkeit", was der
reinste Zynismus ist. Typisch für diese 'Persönlichkeitsentfalter' ist auch
ihre Gier nach Macht im Staate und Einfluß in der Öffentlichkeit. Diese Gier
hört selbst dann nicht auf, wenn solche Zeitgenossen senil geworden sind.
Nicht
das Machtstreben als solches ist böse und verwerflich, sondern nur die Gier
nach Macht und Ansehen, die sich auch in der Ruhmsucht (cupiditas gloriae) und
dem 'eitlen Ruhm' zeigt. Viele vermeintlich berühmten Persönlichkeiten, die
auch ständig 'von sich reden machen' und über Dinge reden, von denen sie
überhaupt nichts verstehen, sind in Wirklichkeit minderwertige Personen und
durch und durch verlogen. Sie reden oft und bei jeder Gelegenheit von
"Frieden und Freiheit" (oder auch umgekehrt), aber meinen persön-lichen
Machtbesitz auf Dauer und Machterweiterung für sich selbst und ihre Freunde und
Anhänger. Das ist eine ganz besondere 'Rasse' in der menschlichen Gesellschaft.
Nur ein aufmerksamer Beobachter, der auf Distanz geht und ihre Reden kritisch
wägend auf die Goldwaage legt, durchschaut diese Leute. Die Hl. Schrift nennt
sie die "Mächtigen der Erde", die im übrigen nicht immer nur
vereinzelt auftreten, sondern auch im Kollektiv; sie sind untereinander
'Kollegen' und gleichsam Parteigenossen der gleichen Partei, auch wenn diese
keinen Namen trägt und kein Emblem (sinnbildliches Hoheitszeichen) besitzt.
Schon dieser Umstand erschwert vielen das Erkennen dieses internationalen
Kollektivs mit seinen Ausläufern (excursatores) und Anhängseln (assectatores)
im nationalen Bereich. Dieses Kollektiv der "Mächtigen der Erde"
manipuliert auch nach Belieben die an sich vom Volke, d.h. von einem
Volks-Ganzen, ausgehende autoritäre Staatsgewalt. Wenn in einem demokratischen
Staatswesen Bürger und Bürgerinnen freiwillig oder auch unfreiwillig zur Wahl
gehen und ihr Kreuzchen auf einem Stimmzettel machen, dann üben sie keineswegs
Macht aus, wie ihnen windige Leute ständig einzureden versuchen, sondern sie
delegieren Macht an andere, die sie in der Regel gar nicht kennen...und dann
fragt es sich eben, an wen oder was – letztlich? Etwa an die "Mächtigen
der Erde", um sie auch weiterhin zu stärken (anstatt sie zu schwächen)??
Der Mensch ist ein 'Gewohnheitstier', sagt ein Sprichwort; er gewöhnt sich
sogar an moralisch übelste Dinge in Staat und Gesellschaft, weil er glaubt, er
könne als Einzelmensch nichts dagegen tun; er überlegt sich gar nicht, was wohl
wäre und mit ihm geschehen könnte, wenn alle so denken würden. Solche
'Gewohnheitstiere' glauben ebenfalls an die propagierte Gewaltlosigkeit, obwohl
sie ständig mit Gewalttätigkeit konfrontiert, ja sogar in sie hineingezogen
werden. Dann aber ist es nur noch ein kleiner Schritt zur Mittäterschaft. Sind
sich unter den 'lieben Christen' die vermeintlich Gewaltlosen, die immer auch
vom Frieden reden, darüber im klaren? Es gibt leider auch unter den Christen
gemein-gefährliche Illusionisten, die dem Bösen nicht bloß Raum geben, sondern
es regelrecht anziehen, gleichzeitig aber auf ihren Friedensposaunen blasen. Diese
Heuchler fürchten zwar den Krieg, nicht jedoch das Böse und das Unrecht, und
ziehen dadurch die Strafgerichte Gottes auf sich und die anderen, die von ihnen
(nicht jedoch von Gott) in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn der Mensch ist
ein Gesellschaftswesen, das nicht außerhalb der Gesellschaft existiert, die
sich, wie schon gesagt, zwischen Gewalt und Gewalttätigkeit bewegt. Mit
'Mitmenschlichkeit' (ein konfuser Begriff) läßt sich in ihr nichts ordnen und
auch nicht Recht schaffen. Denn dies ist nur im recht verstandenen Sinne
"gewaltsam" möglich. Klare Unterscheidung der Dinge tut not, um
Konfusionen und Phantastereien zu vermeiden.
In
diesen Zusammenhängen muß heute auch darauf hingewiesen werden, daß sich die
alte augustinische Lehre von den "zwei Schwertern" (Kirche und Staat)
schon lange (seit über 200 Jahren Kirchengeschichte) als irreal, utopisch und falsch
erwiesen hat. Dies läßt sich leicht nachweisen. Nur eine katholische
Traditionalistengruppe in Rom (!), die die Existenz der "römischen
Konzilskirche" immer noch nicht zur Kenntnis nimmt und offensichtlich von
der römisch-katholischen Diaspora-Kirche gar nichts weiß, hat die
'zwei-Schwerter-Hyp-othese' wieder ausgegraben und glaubt frommen Glaubens, mit
Hilfe derselben die heutigen Situation von "Kirche und Welt" in Staat
und Gesellschaft begreifen und durchschauen zu können. – (Siehe die
Traditionalisten-Zeitschrift "Rom-Kurier", November 1992, deutsche
Ausgabe. Schon die Überschrift des langen Artikels "Die Perversion der
Macht – die der Kirche mit eingeschlossen" läßt eine große Konfusion
erahnen. Denn die Kirche Jesu Christi hat absolut keinen Anteil an der
"Perversion der Macht". Es ist schon ein Kreuz mit den
'kirchengläubigen' Traditionalisten ohne echte kirchliche Überlieferung.) –
Heutzutage
beschreiten die noch orthodox-katholischen Christen mit der Hilfe des HAUPTES
und HERRN der Kirche ganz andere Erkenntniswege als die 'gewöhnlichen', da sie
auch die "Mächtigen der Erde" immer deutlicher erkennen. Diese
Katholiken sind in Sachen "Kirche" und ihres jeweiligen Zustandes
weder Idealisten noch Utopisten, weder Optimisten noch Pessimisten, weder naive
'Gläubige' noch Glaubensirre, aber auch keine Fanatiker oder Zeloten, sondern
kritische Realisten, die noch wissen, was es mit der uralten und von allen
Seiten gefährdeten Ecclesia militans "in dieser Welt" des Menschen,
d.h. des ganzen Menschengeschlechts, wirklich auf sich hat und welche Stellung
(dispositio in loco) ihr von Christus dem HERRN zugewiesen wurde. Diese Sach-
und Lebenslage ist eine stetig dauernde (per-manens) und ändert sich auch nicht
in ihrer Substanz. Nur der Tod kann dem ein Ende machen, und dieser bezieht
sich sowohl auf das physische als auch auf das geistige Leben aller Glieder der
Kirche, die zugleich auch ihre Träger sind, sofern die ein bestimmtes Alter
erreicht haben. Hierbei spielt vor allem die Familie, wenn sie als eine
christliche gegründet wurde, eine bedeutende Rolle, da sie als Familie ein
Gesellschaftsphänomen und ihrem Wesen nach die Ur-gesellschaft schlechthin ist.
Darum betreibt auch der (jeder) Staat aus Zweckmäßigkeitsgründen zum eigenen
Nutzen 'Familienpolitik' und mischt sich dabei sogar in gewisse familiäre
Angelegenheiten ein, die ihn überhaupt nichts angehen, da er nur das Gemeinwohl
seiner Bürger und 'Volksgenossen' zum Gegenstand hat. Das Wohl der Familien als
solcher ist ihm an sich gleichgültig, der Kirche jedoch grundsätzlich nicht.
Denn die christlichen Familien sind ihre kleinsten 'Zellen' und ihre erste
Trägerschaft; ohne diese, auch untereinander verbundenen Zellen, hört die
Kirche auf, in der Gesellschaft zu existie-ren; an ihre Stelle treten dann 'christliche
Sekten', große und kleine, die ein verqueres Eigenleben führen; diese stehen
außerhalb der Ecclesia Militans und gehören nicht zu ihr; der 'moderne Staat'
behandelt sie in der Regel unterschiedslos wie alle anderen Gesellschaftsgruppen.
Die
"Mächtigen der Erde" als Vorläufer des Antichristen
Die
"Mächtigen der Erde" haben jedoch nicht die Macht und Gewalt, alle
Christen auszu-rotten und vom Erdboden zu vertilgen, auch wenn sie das so gerne
möchten und dafür alles tun, gleichgültig ob auf blutige oder unblutige Weise.
Schon ein Nero und Domitian, wie auch andere 'Gewaltherrscher' von der gleichen
Kategorie, haben dies in ihrem Herrschafts-bereich nicht erreicht und sind
letztendlich gescheitert. Nur der Antichrist, der bekanntlich eine historische
Persönlichkeit sein wird, hat hier, wenn man so sagen will, eine reale Chance –
nicht jedoch seine 'Vorläufer', die zu gewissen Zeiten und so auch heute wieder
einmal Hochkonjunktur haben. Von diesen Zeitgenossen aber gibt es eine Menge,
die sich zwar im Dunkeln oder verdeckt zu halten suchen, dennoch aber eindeutig
erkennbar sind, angefangen bei ihrer Sprache, die sie ziemlich einheitlich
verwenden und dabei mit System "politische Sprachregelung"
betreiben, die zunächst den Zweck hat, daß möglichst viele Mit-menschen
bestimmte Worte ständig gebrauchen und sie ihnen einfach nachplappern, ohne
nach ihrem eigentlichen Sinn zu fragen. (Der Mensch ist von Natur aus ein
geschwätziges Wesen und redet selbst dann noch, wenn er besser schweigen
sollte.) Dazu gehören auch die zu vielen Mißverständnisse führenden und nie
eindeutigen sog. 'Schlag-worte', die bekanntlich 'einschlagen' und dann das
Gemüt bewegen, aber nicht den kritischen Verstand, wie z.B. Freiheit, Friede,
Mitmenschlichkeit, Gewaltverzicht, Toleranz, Menschenwürde etc. usf.. Dies
alles wird bereits den Schulkindern von den beamteten oder auch nicht beamteten
'Lehrern des Volkes' bei jeder Gelegenheit eingehämmert, obwohl Kinder und
Jugendliche die Problematik solcher Sachverhalte gar nicht begreifen können;
sie werden mit Schlagworten indoktriniert, so daß sie später aus diesem Wust
nicht mehr herausfinden. Auch das sich auf die sog. 'öffentliche Meinung'
beziehende politische Schlagworteprogramm hat zum Zweck: durch geistige
Überforderung vieler zur Konfusion im Denken zu führen, was immer Ohnmacht im
sittlichen Tun und Sichverhalten zur Folge hat, so daß der Mensch als Gesellschaftswesen
leicht in jede beliebige Richtung hingelenkt, ja hingestoßen werden kann. Wer
ständig z.B. von Gewaltlosigkeit redet und eine solche Haltung als besonders
human propagiert, der verschweigt, daß prinzipieller Gewaltverzicht nicht
Frieden schafft, sondern Unrecht begünstigt und sogar erzeugt. Politische
Schlagworte vernebeln nicht bloß das Denken vieler, sondern sind
gemein-gefährlich. Dies gilt auch für religions-politische Schlagworte, z.B.
"Religionsfreiheit". Und wie weit muß wohl schon eine Gesellschaft
oder auch ein Staat degeneriert sein, wenn 'Gewaltverbrecher' für sich selbst
und nicht ohne Erfolg sogar Toleranz fordern können?! Was ist das wohl für eine
seltsame demokratische Staatsgewalt, die auch so etwas sogar begünstigt (zu
wessen Wohle eigentlich?) und dadurch eindeutig und unverkennbar ihre Macht
mißbraucht? Die Kirche steht dem wie machtlos gegenüber; das spüren alle ihre
Glieder, sofern sie nicht im religiösen Sinne tot sind.
Es
hatten sich schon seit langem sogar Katholiken angewähnt (und zwar zuerst die
mit höherer Schulbildung) kritiklos und leichtfertig von 'Kirchen' (im Plural!)
zu reden und zu schreiben, so als ob es sich bei ihnen um gleichwertige (wenn
auch nicht um bereits gleichrangige) Gebilde in Staat und Gesellschaft handeln
würde, die sich nur äußerlich voneinander unterscheiden. Der vermeintlich (!)
'neutrale Staat' mit seiner 'Kulturhoheit' mischt sich in diesen Unheilsprozeß
nicht ein, da es ihm gleichgültig ist, nach welcher Fasson die Leute (seine
Staatsbürger) selig werden wollen, falls sie dies wünschen und welche 'Kirchen'
sie dabei bevorzugen. Im Unterschied zu diesen Katholiken aber gab es auch
solche, die, wie manche Nichtkatholiken, in Anlehnung an die offenkundige
pluralistische Gesell-schaft von einer 'pluralistischen Kirche' phantasierten,
die immer schon und sogar von Anfang an bestanden haben soll. Die reale Folge
von alledem aber war, daß die Ek-klesia Jesu-Christi 'in dieser Welt' (die
bekanntlich im argen liegt) auch von kath. Christen nicht mehr kognitiv erfaßt
und durch deren Anpassung an die 'Welt' einem allgemeinen Ver-dunklungsprozeß,
der überall festzustellen war, mit-ausgesetzt wurde. Dies geschah nicht
plötzlich und spektakulär, so daß viele aus ihren religiösen Gewohnheiten
(besonders ausgeprägt in dem fürchterlichen 'Milieukatholizismus') hätten aufwachen
können, sondern allmählich und ohne Aufsehen. Vielleicht liegt gerade in diesem
schleichenden und vieles verdunkelnden Unheilsprozeß der Grund, weswegen sich
das oberste kirchliche Lehramt, soweit wir sehen können, nie zu dieser Sache
geäußert hat, obwohl sie die kath. Kirche auch von innen heraus (nicht immer
nur von außen her) bedrohte. Auch das typisch katholische Wort von der
"Mutter Kirche", das vor allem Kleriker ständig im Munde führten,
wurde zum Schlagwort und verlor seine ursprüngliche Bedeutung.
Viele
gebildete kath. Laien (in der Regel Männer) hatten ständig den Eindruck, daß
das kirchliche Lehramt in seinen Trägern, das doch ein Machtfaktor besonderer
Art ist, den es nirgendwo sonst in der Gesellschaft gibt, in einen Tiefschlaf
gefallen sei und die eigentlichen Übel und wirklichen Gefahren im kirchlichen
Gesellschaftsbereich gar nicht kannte oder auch verkannte, weil es auch
durchaus falsch informiert war. Es ist jedoch im Menschen-geschlecht kein
Machtträger (auch kein kollegialer) immun gegen falsche Informationen und
zielgelenkte Desinformationen. Dies gilt auch für das kirchliche Lehramt; denn
es schwebt nicht über den Wolken und bewegt sich nicht im luftleeren Raum;
vielmehr ist es ein Grundelement (elementum fundamentale) der Kirche 'in dieser
Welt', zu der es 'quer steht', hart und unbeugsam. Hier stellt sich n.b.
zwangsläufig die Frage: warum wissen so viele Christen nicht mehr, daß die
Wahrheit, und zwar sowohl die natürliche als auch die übernatürliche, nie
tolerant ist und sein kann, da sie das Unwahre absolut nicht duldet und immer
von sich ausschließt, weil dieses nicht zuletzt auch den Menschen versklavt? Es
führt ein gerader Weg von der Unwahrheit zu Machtmißbrauch und Unterdrückung,
Psychoterror eingeschlossen. Denn Wahrheit und Macht stehen in Korrelation.
Darum ist für alle Gewalt-tätigen jeglicher Art die Wahrheit ein Greuel und der
Erzfeind, den es zu vernichten gilt. In der Gewalttätigkeit spiegelt sich die
'menschliche Destruktivität', besser: die Gewalttätigkeit eines degenerierten
Menschseins, das immer destruktiv ist. Die sog. "freiheitliche Demo-kratie"
(ein im übrigen inhaltsleeres Schlagwort) steht dem hilflos gegenüber. Das ist
es, was viele Leute von heute so ängstigt, so daß sie anderswo Zuflucht suchen.
Man kann sie als anthropologische Asylanten bezeichnen, die ständig nach
irgendwohin unterwegs sind, aber in Wirklichkeit nicht wissen wohin und dann
einer gefährlichen Frustration anheimfallen. Christen sollten heutzutage
wissen, daß der Teufel mit seiner Gefolgschaft noch nie Information betrieben
hat oder als Informant aufgetreten ist; vielmehr verwirrt er die Dinge und verführt,
d.h. er führt zuerst und immer von der Wahrheit weg, damit sie nicht mehr klar
erkannt und sicher ergriffen werden kann. Dadurch aber gerät der Mensch in
einen Schwebezustand zwischen Wahrheit und Unwahrheit, so daß er den Boden
unter den Füßen verliert und sich Ohnmacht breit macht.
Jeder
religiöse Mensch, auch der einfachste, weiß und kennt die Wahrheit: wenn Gottes-furcht
im Zusammenleben der Menschen schwindet, dann stellt sich brutalster Machtmiß-brauch
ein, so daß auch eine ganze Gesellschaft gewalttätig werden kann, nicht bloß
einzelne Leute oder Gruppen. Die Völker spielen hier fast gar keine Rolle, weil
eben nicht alle Gewalt vom Volke ausgeht (sondern nur die Staatsgewalt), wohl
aber und nur vom Menschen in seinem konkreten Dasein. Dies jedoch macht die
Sache im wahren Sinne des Wortes zwie-lichtig, so daß sie von vielen gar nicht
durchschaut wird; sie meinen immer nur, sie wüßten Bescheid und niemand könne
ihnen etwas vormachen. Warum aber fallen sie dann auf die "Mächtigen der
Erde" so leicht herein, laufen ihnen nach und liegen vor ihnen gebeugten
Hauptes im Staube? Wer kennt nicht solche Zeitgenossen in seiner näheren und
weiteren Umgebung, die einem das Fernsehen sogar wahrnehmbar (nicht bloß
hörbar) ins Haus liefert? Fürwahr, nicht nur die Welt ist kleiner geworden,
sondern auch der Mensch, von dem allein alle Gewalt ausgeht, indes wiederum
nicht alle Macht, da er ein Geschöpf ist, das nicht aus sich selbst existiert.
Der Mensch zwischen Macht und Ohnmacht – das ist heute das Problem schlechthin,
vor welches sich viele und insbesondere Christen gestellt sehen und sich dabei
doch ziemlich hilflos vorkommen. Ohnmacht im menschlichen Dasein ist nicht
Machtlosigkeit, sondern das Äußerste einer Schwäche, die nach Leblosigkeit und
Verwesung riecht. Immer kommt der sich in der "Hoffart des Lebens"
austobende Hochmut vor dem Fall, auch in der Kirche. Denn diese ist ebenfalls
eine Lebensform gesellschaftlicher Existenz. Leben aber ist zielgerichtete
Bewegung, nicht jedoch apathische Erstarrung oder ziellose Chaotik. Außerdem
nutzt es gar nichts, immer nur 'Herr, Herr' zu rufen oder Gebete zu murmeln,
die der 'liebe Gott' nicht hört.
Die
"Kirchen im Plural", von denen in der Öffentlichkeit ständig geredet
wird und was zum großen Teil auf Desinformation durch die sog. 'freie Presse'
beruht (nicht bloß auf dummer Angewohnheit der Leute), haben, kennen und
anerkennen kein kirchliches Lehramt, und schon gar nicht ein allgemeines, das
die strenge Pflicht hat, mit Macht die Wahrheit zu lehren, einschließlich der
zum Heil notwendigen, und zwar allen Menschen, nicht allein den Christen. Das
ist sein Auftrag, dem es nachzukommen hat. Die "Kirchen" jedoch sind
abhängig von ihren 'Theologen', ihren 'Schriftgelehrten' und ihren
'Weisheitslehren', die ebenfalls in Wort und Schrift Macht ausüben. Diese
freundlichen 'Kirchenmitglieder' sind nicht machtlos oder gar der Macht abholt;
dafür sorgen schon ihre Anhänger und vor allem diejenigen, die sie bestellt
haben und sie für ihre Arbeit auch bezahlen; sie sind weder versponnene
Stubengelehrte noch in sich gekehrte Einsiedler, an denen die 'schnöde Welt' vorbeirauscht.
Der Mensch ist nun einmal kein Einzelgänger, sondern ein Gesellschafts-wesen,
das in vielförmigen Gemeinschaften lebt, die untereinander allerdings nicht
gleich und erst recht nicht gleichwertig sind. Über das bei den "Kirchen
im Plural" fehlende kirchliche Lehramt sollte sich kein Katholik täuschen,
sonst fällt er auf pseudokirchliche Lehramte und ihre Träger herein, die
außerhalb des einen und allgemeinen kirchlichen Lehramtes stehen und es nur
imitierten. Ein pseudokirchliches Lehramt lehrt nicht im eigentlichen Sinne,
d.h. es führt nicht im Rahmen der heilnotwendigen Wahrheiten der göttlichen
Offenbarung die Unwissenden zu einem echten Wissen und die Irrenden zu wahren
und sicheren Erkenntnissen, sondern es 'verkündet' immer nur etwas, sendet
'Botschaften' an Krethi und Plethi und 'theologisiert', anstatt auf religiösem
Gebiet das Wahre vom Unwahren klar und deutlich zu unterscheiden. Die Kirche
verlöre ihr Existenz-recht, wenn sie nicht durch ihr Lehramt mit Macht und
göttlicher Autorität wirklich lehrt, d.h. das allein Wahre in vielfacher
Beziehung möglichst vielen Menschen (Gläubigen und Ungläubigen) zumindest
erkennbar macht. Die Macht der Wahrheit tritt im Lehren in Erscheinung, wenn
das zu Lehrende und das Gelehrte wahr ist. Eine Enzyklika ist kein Rundbrief
zum Zwecke der Information oder einer Meinungskundgabe, sondern ein
autoritatives Lehr-Schreiben, um auch das Unwahre zu fixieren, wenn es sein
Haupt erhoben hat. Seit 1958 aber schreiben sogar Nicht-Päpste Enzykliken. Wir
kennen keinen orthodoxen Katholiken, der diese Personen ernst nimmt oder sich
von ihnen belehren läßt. So manche aber täten gut daran, ihre 'Sendschreiben'
erst gar nicht zu lesen, wenn sie keine zureichen-den theologischen Kenntnisse
besitzen. Man muß orthodoxe Katholiken davor warnen. Denn sie enthalten nicht
nur offene, sondern auch verdeckte Häresien. Außerdem kann man sich leider auch
an ein "Leben in der Häresie" derart gewöhnen, daß man das Häretische
selbst nicht einmal mehr bemerkt.
Die
von allen Seiten gefährdete Ek-klesie Jesu-Christi ist weder eine
"Volkskirche", da sie kein Fundament in einem Volke hat, auch wenn sie
viele Volksangehörige als Mitglieder besitzt (die Sache mit den 'Volkskirche',
von denen auch Theologen reden, ist nachgerade ein Witz), noch eine
"Staatskirche" (Cäsaropapismus), weil Kirche und Staat
grundverschiedene Realitäten im menschlichen Leben sind, sondern ein reales
(nicht bloß ideelles) Gesell-schafts-Gebilde eigener Art, das sich von allen
anderen Gesellschaftsformen unterscheidet, einschließlich der Familie. Deshalb
gibt es auch keine kirchliche Familie oder 'Kirchen-familie', von der selbst
heute noch so manche Kleriker träumen. Diese machten auch, und was für sie
typisch war, aus der "Mutter Kirche" (einem religiösen Begriffswort)
eine 'Kirchen-Mutter', der allerdings der 'Kirchen-Vater' fehlte. An seine
Stelle traten dann viele 'Väter' (Patres) in der angeblichen kirchlichen
'Groß-Familie'. Auch auf diese Wiese wurde im Laufe der Zeit, gleichgültig ob
bewußt oder unbewußt, ein genuines Gesellschafts-Gebilde mehr und mehr
aufgelöst und verlor seine Stabilität im sich wandelnden Gesellschaftsprozeß.
Man muß sich nur einmal den 'Milieukatholizismus' oder irgendein anderes
schwindsüchtiges "Milieuchristentum" vor Augen führen, um dies zu
erkennen. Die vom Pluralismus gezeichnete 'moderne Gesellschaft', die sich mit
allen ihren Gruppen zwischen Volk und Staat bewegt, ist keine geschlossene,
sondern eine nach allen Seiten hin offene und zudem noch eine solche, in der
zentrifugale Kräfte wirken, die hart aufeinander prallen. Das ist eine Art
'humanitärer Konkurenzkampf', den man auch als 'verdeckten Krieg' bezeichnen
kann, und in dem die "Mächtigen" immer auch um die Gunst des Volkes
buhlen, wohl wissend, daß das 'gemeine Volk' nicht bloß Brot (sattes Leben),
sondern "Brot und Spiele" verlangt. Auf dieser Klaviatur haben schon
die römischen Cäsaren und ihre Günstlinge gespielt, allerdings nur in einem
beschränkten Ausmaß. Heute steht den "Mächtigen der Erde" die ganze
Welt offen; es gibt für sie keine natürlichen Grenzen mehr. Wer aber steht
ihnen dann gegenüber? Etwa die "Kirchen"? Das wird doch wohl niemand
ernsthaft behaupten wollen. Wenn aber nicht die "Kirchen", wer oder
was dann? Etwa die Christen, die trotz ihrer Veilzahl nicht einmal in der
pluralistischen Gesellschaft eine maßgebliche Rolle spielen, geschweige denn
eine ein Staats-ganzes prägende? Es ist verständlich, wenn heutzutage auch
kath. Christen fragen: wo eigentlich ist die Kirche und was ist aus ihr
geworden? Dies jedoch ist ein falsche Frage-stellung, die, wie jede falsche
Fragestellung, immer nur Verwirrungen schafft. Man kann auch nicht fragen: wo
ist die Gesellschaft? Denn diese besteht nur aus relativ großen und kleinen
Gruppen (die Familie ist keine Gruppe), die verschiedenen Tätigkeiten nachgehen
und auch verschiedenen Bildungsschichten zugeordnet sind, von den Hochgebildeten
bis zu den Ungebildeten, die sich untereinender nicht einmal verstehen, auch
wenn sie die gleiche Muttersprache sprechen.
Der
Begriff 'Gesellschaft' ist ein Kollektivbegriff, genauso wie 'Wald': darum gibt
es Leute, die vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr sehen. Ähnlich verhält es
sich mit der Kirche, die nicht außerhalb der Gesellschaft existiert, sondern in
ihr, da sie selbst ein Gesellschafts-phänomen ist, indes ein Sozial-Gebilde
eigener Art, weil dessen Wurzeln weder in der Familie (Ur-gesellschaft) noch im
Volke (auch nicht in einem besonderen Volke) liegen, sondern allein in der
christlichen Religion vieler Einzelmenschen (einer unbestimmten Zahl), und zwar
einer Religion, die wiederum nicht 'von dieser Welt' ist. In diesem Sinne ist
der Christ ein jenseitiger Mensch, kein diesseitiger, d.h. er paßt sich dieser
Welt, in der er lebt, nicht an und "steht quer" zu ihr, ohne jedoch
weltflüchtig zu sein, ein Eremitenleben zu führen und dem Treiben in der Gesellschaft
tatenlos zuzusehen. Es ist sinnlos, zu fragen, wo ist die Kirche; man sollte
lieber fragen, was ist aus den vielen 'lieben Christen' geworden und zu welchen
Zwecken lassen sie sich mißbrauchen? Der Mißbrauch von Menschen, der auf die
verschiedenste Weise getätigt werden kann, aber geschieht immer durch
gewalttätige Leute in ihrer unersättlichen Gier nach Macht. Solche Menschen
sind in ihrem psycho-physischen Charakter ruhelos, reden viel, sind ständig
tätig (aktiv) und handeln eiskalt. Mit Liebe und Gewaltlosigkeit ist ihnen
nicht beizukommen – und das wissen sie! Was sind das wohl für 'friedliebende
Christen', die da glauben, sie könnten aus der menschlichen Gesellschaft
aussteigen, die sich, wie schon gesagt, immer zwischen Gewalt und
Gewalttätigkeit bewegt? Sie glauben an 'politische Lösungen', Kompromisse und
Ausgleich mit den Gewalttätigen, haben aber gleichzeitig ein schlechtes
Gewissen, wie man sogar an ihren Gesichtern feststellen kann.
Die
Ek-klesia Jesu-Christi hat als einheitliches und geordnetes
Gesellschafts-Gebilde bereits durch ihr bloßes Dasein Macht, von der sie in
vielfacher Beziehung aber auch Gebrauch machen muß, um nicht 'in dieser Welt'
in Ohnmacht zu versinken. Das Problem besteht hier nur im "Wie" (wie
Gebrauch zu machen ist) und mit welchen Mitteln dies zu geschehen hat. Nicht
jedes Mittel, das beim Machtgebrauch verwendet wird, ist dafür geeignet. Der
"Dialog" z.B., von dem seit vielen Jahren jeder politische Schwätzer
redet, ist das ungeeignetste Mittel. Denn jeder halbwegs vernünftige Mensch und
'Christenmensch' weiß, daß mit den "Mächtigen der Erde" und den
Gewalttätigen in der Gesellschaft kein Dialog geführt werden kann. Diese lachen
nur über dieses zum Schlagwort gewordene Wort und grinsen. Christus hat
bekanntlich mit niemandem Dialoge geführt, sondern mit Macht gelehrt und
Wundertaten vollbracht, was auch den Haß zur Folge hatte. Heutzutage muß man in
diesem Zusammenhang auch auf folgendes hinweisen: wenn in einem noch leicht
überschaubaren Gesellschaftsbereich Christen von Nichtchristen (die nicht
gleich Atheisten zu sein brauchen) nicht bloß toleriert, sondern besonders
hochgeschätzt oder sogar geliebt werden, dann stimmt etwas nicht mit diesen
Christen, dann ist schon 'vieles faul um Staate Dänemark'. Unter der
NS-Herrschaft gab es keine Christenverfolgung, aber nur deswegen nicht, weil
bereits nach 6 Jahren der Krieg (Schießkrieg) dazwischen kam, der gewisse Pläne
vereitelte, die nur wenigen bekannt waren. Nicht nur die sog. "Deutschen
Christen" vertrauten irrigerweise darauf, nicht als eine "fremde
Rasse" betrachtet und behandelt zu werden. Heute jedoch ist die Situation
für echte Christen nicht weniger gefährlich geworden. Denn es gibt auch eine
Christenverfolgung auf 'kaltem Wege', die Ähnlichkeit mit dem "Kalten
Krieg" hat, der allerdings jederzeit in einen "Heißen" übergehen
kann. Die "Mächtigen der Erde" können eine "kalte"
Christenverfolgung auch international organisieren. Anzeichen dafür gibt es
bereits und nicht erst seit dem Vatikanum2. Der 'einfache Gläubige' in seiner Naivität
erfaßt das nicht, weil er in der irrigen Meinung lebt, die Kirche sei nur eine
'Glaubensgemein-schaft'. Wer hat ihm diesen Unsinn von Jugend auf suggeriert?
Das war sicherlich nicht der Teufel, wohl aber seine Gefolgschaft in den
Völkern und Nationen.
Kirche
zwischen Macht und Ohnmacht
Als
Gesellschaftsgebilde eigener Art, das kein "Gottesstaat" ist, von dem
die Augustinisten träumten, bewegt sich die Kirche Christi in allen ihren
religionsmündigen Gliedern niemals zwischen Gewalt und Gewalttätigkeit (bis hin
zur Brutalität), sondern immer nur zwischen Macht und Ohnmacht. Dies zeigt sich
auch an der Tatsache, daß ihr die Zwangsgewalt (vis coactiva) des Staates
fehlt, so daß sehr oft der trügerische Eindruck entsteht (aber nicht bei ihren
Feinden!), sie sei im Grunde machtlos und damit auch wehrlos. Ein solcher
Eindruck jedoch erzeugt bei nicht wenigen zuerst Mutlosigkeit, die bis zur
Selbstaufgabe reichen kann. Indes sind auch in der Kirche die Mutlosen noch
lange keine Feiglinge und damit moralisch defekt, sondern Schwächlinge, denen
bereits das Rückgrat gebrochen wurde. Inder Regel ist es auch aussichtslos,
dieses psycho-physische Übel noch heilen zu wollen, insbesondere wenn es viele
wie eine unheilbare Krankheit befallen hat. Es ist nicht wahr, wenn von
'schlauen Füchsen', die in der Kirche herumschleichen, den 'lieben Gläubigen'
suggeriert wird, die Guten seien immer schwach, die Bösen hingegen immer stark
und im Besitz der Macht. Die Kirche entbehrt zwar der Zwangsgewalt, die das
'Schwert' in der Hand hält, aber dennoch nicht aller Gewalt, so daß auch die
Schwachen davon profitieren und dafür wenigstens dankbar sein sollten. Sind sie
das oder nur Schmarotzer? Doch warum glauben dann so viele Katholiken, sie
würden außerhalb der sich ständig wandelnden Gesellschaft stehen, in der sie
leben? Sie merken offensichtlich gar nicht, wie sehr sie den Eindruck einer
amorphen Gesellschaftsmasse machen mit ihren Gruppen und Grüppchen, ähnlich den
politischen Randgruppen oder 'Splitterparteien' im Staate, die niemand ernst
nimmt. "Katholikentage" und andere "Kirchentage" entpuppten
sich schon lange unverkennbar als Demonstrationen 'organisierter Konfusität' im
Gesellschaftsprozeß. Dafür sorgten schon die sog. Basisgruppen, die in
"Kirche konkret" (ein bekanntes Schlagwort) machten. Auch das
Massenfernsehen tat sein Bestes und seinen Senf hinzu, wie schon während des
Vatikanums 2, an dem auch Nichtkatholiken beteiligt waren. Ist es denn nicht
merkwürdig, daß so viele 'Kirchengläubigen' von alledem nichts wissen oder
davon noch nie etwas gehört haben wollen? Man kann auch aus Gewohnheit seine
'heilige Einfalt' pflegen. Es sind jedoch nicht alle Glieder der Kirche dumme
Einfaltspinsel, die im übrigen allesamt zur Massengesellschaft der
'Volkskirchen' gehören und dort beheimatet sind.
Die
dynamische Lebenslage der Kirche Christi zwischen Macht und Ohnmacht schließt
Machtlosigkeit aus. Das wissen alle ihre Feinde, sonst würden sie ja gar nicht
gegen sie kämpfen und sie einfach links liegen lassen (bestenfalls). Auch der
böse und sittlich verwahrloste Mensch kämpft nicht gegen Machtlose und
Schwache, sondern er benutzt sie nur für seine Zuwecke, und wenn ihm dies gemäß
seiner Absichten nicht gelingt, dann quält er sie und wird zum Sadisten. Der
Sadismus aber hat viele Gesichter, auch unblutige, wie z.B. den Psychoterror.
Für die Feinde der Kirche sind echte und unbeugsame Christen, da diese einen
Machtfaktor in der Gesellschaft darstellen, ein Greuel, d.h. eine abscheuliche
Sache, und ein ständiger Stein des Anstoßes, den es mit allen Mitteln auszuschalten
gilt. Diese Mittel müssen nicht immer sofort gewalttätige und brutale sein,
denn 'das geht auch anders', wie doch bekannt sein sollte. Nun aber gibt es
eine Menge, sich Christen nennende, nette Leute und Mitbürger, die das allen
bekannte Macht- und Wahrheits-Wort Christi "wer nicht für Mich ist, der
ist gegen Mich" einfach nicht verstehen wollen, sich ihm schlau entziehen
und ihm deshalb auch ständig in ihrem Leben ausweichen. Wer kennt nicht solche
Existenzen, die sich in allen Schichten und Klassen der Gesellschaft finden,
einschließlich der 'Kirchen'? Ein wirkliches und wahres
"Für-IHN-Sein" aber bedeutet dauernden Kampf, und zwar sowohl
geistigen als auch ggf. physischen, solange ein Christ lebt und bei Bewußtsein
ist. Denn der Mensch ist kein 'reiner (immaterieller) Geist', sondern im
Gegensatz zum Tier ein Lebewesen, das Vernunft und freien Willen besitzt.
Darum
ist der menschliche Kampf in seinem Wesen immer überlegt und freier Macht- und
Gewalt-Vollzug, entweder zum Guten oder zum Bösen, zum Wohle oder zum Schaden,
zum Ehrenhaften oder zum Unehrenhaften (Ruchlosen) etc.. Warum wohl wird auch
von sog. 'Friedenschristen' Gewaltlosigkeit und Gewaltverzicht propagiert,
obwohl sie doch genau wissen, daß es menschliches Leben ohne harten Kampf nicht
gibt und daß eine "gewaltfreie Gesellschaft" gar nicht existieren
kann und auch noch nie existiert hat? Sind diese Leute so dumm oder tun sie nur
so? Das ist hier die Frage! Die Brutalisierung der Gesellschaft, die bis in die
Familien hineinreicht, wird doch nur durch Pansexualismus, Habgier, allgemeine
Unmoral, Weckung sinnloser Bedürfnisse (die als Anspruchsdenken verharmlost
werden), zur Schau gestellte Unzucht und Schamlosigkeit etc. angeheizt. Der
Satz in einer sich demokratisch und freiheitlich nennenden Staatsverfassung
"Die Würde des Menschen ist unantastbar" ist der reinste
Etikettenschwindel. All dem gegenüber aber steht dann die Kirche Christi
zwischen Macht und Ohnmacht, indessen niemals kampflos. Das wissen alle ihre
Glieder, sofern sie im religiösen Sinne noch nicht tot sind. Im übrigen stellt
kein echter Christ die sinnwidrige Frage: "Bin ich denn der Hüter meines
Bruders?" Um jedoch wirklich "Hüter" zu sein, dazu bedarf es
allerdings ebenfalls der Macht und Gewalt, es sei denn, man verzichtet darauf
und hängt sich selber auf. Im Anblick vieler ist heute der 'kämpfende Christ'
zu einer Witzfigur geworden. Wo schämt man sich noch seiner Schande, die viele
genüßlich sehen? Macht, Gewalt und Gewalttätigkeit, die nicht dasselbe sind,
bestimmen das Dasein des Menschen (nachdem er das Paradies verloren hat) und
halten die mehrschichtige und vielgestaltige Gesellschaft in ständiger
Bewegung, so daß sie nie zur Ruhe kommt. Man kann ein Volk, in dem man zufällig
geboren ist und dessen Sprache (Kultursprache) man spricht, verlassen und sich
einem anderen Volke assimilieren, oder auch aus einem Staate emigrieren und
eine andere Staatsbürgerschaft annehmen, niemals jedoch aus der 'mensch-lichen
Gesellschaft' aussteigen, da sie in ihren Grundelementen überall gleich ist.
Deshalb gibt es auch nur eine Kirche Christi, die in der Vielheit ihrer
gesellschaftlich verbundenen Glieder in Erscheinung tritt, welche
Einzelpersonen sind, nicht jedoch Familien, Sippen oder Clans. Der Gesellschaftspluralismus
und die amorphe Massengesellschaft wie auch die 'Kirchen' verdecken die wahre
kirchliche Situation und Lebenslage, so daß sie von vielen gar nicht erkannt
wird. Die Katholiken von heute sprechen auch nicht mehr die gleiche (religiöse)
'Muttersprache' und haben untereinander die größten Verständigungsschwierigkeiten,
angefangen mit dem Wort "Kirche"; sie und andere reden sogar von
'christlichen Kirchen', so als ob es auch eine nicht-christliche gäbe, z.B.
eine jüdische oder eine muslimische oder wer weiß was nicht noch für eine!
Der
Grund, weswegen die eigentümliche "Macht der Kirche" so oft
mißverstanden, miß-deutet, übel verleumdet und sogar für böse gehalten wird,
liegt vor allem darin, daß sie mit der Macht des Staates verwechselt und in die
Nähe der Staatsgewalt gerückt wurde (gleich-gültig ob bewußt oder unbewußt) und
daß viele Leute das Phänomen der Macht nicht begreifen, obwohl sie selbst von
'Macht und Gewalt' Gebrauch machen. Zeitgenossen, die letzteres leugnen, sind
impertinente Lügner, die man von sich fernhalten und auch keine Diskussionen
mit ihnen anfangen sollte, um nicht in die Lage zu kommen, von ihnen mißbraucht
zu werden, was wiederum auf die verschiedenste Weise geschehen kann. Es gibt
keinen Menschen, der so abgeklärt ist, um dagegen immun zu sein. "Von
deinen Feinden sondere dich ab; von deinen Freunden aber nimm dich in
acht!" (Jesus Sirach 6,13). Jeder Christ sollte es doch wissen, daß der
Mensch nicht gut ist, sondern zum Bösen neigt. Nur Gott ist gut, hat Christus
gesagt. Und deshalb hat auch noch nie ein echter Heiliger von sich selbst
behauptet, ja nicht einmal den Eindruck zu erwecken versucht, ein guter Mensch
zu sein; vielmehr war er zutiefst vom Gegenteil überzeugt, ohne jedoch in
psychopathologische Zustände zu fallen, z.B. in einen durch Gewissensskrupel
erzeugten Versündigungswahn. Echte Heilige waren nie Menschen 'wie du und ich'
und hätten auch aus bestimmten Gründen die Verleihung eines
Friedensnobelpreises abgelehnt, weil sie die "Mächtigen der Erde"
kennen. Man stelle sich einmal Christus als Friedensnobelpreisträger vor, um
leichter verstehen zu können, was wir meinen. "Ich nehme nicht Ehre von
den Menschen entgegen" (Joh 5,41), "Wehe euch, wenn euch die Menschen
umschmeicheln (oder hochloben und rühmen); ebenso nämlich haben ihre Väter den
falschen Propheten getan" (Lk 6,26). Außerdem ist gegenüber Menschen ein
blindes Vertrauen ganz und gar nicht angebracht, und insbesondere dann nicht,
wenn sie Machtpositionen innehaben oder hohe öffentliche Ämter verwalten. Indes
folgt daraus nicht, nun gegen jedermann mißtrauisch sein zu sollen oder gar
argwöhnisch, wohl aber folgt, kritisch und niemals vertrauensselig zu sein,
sonst bringt man sich selbst in eine Lebenssituation der Wehrlosigkeit und kann
leicht mitbraucht werden. Ähnlich wie mit der Vertrauensseligkeit verhält es
sich mit der naiven Gutmütigkeit, die manchen schon zum Verhängnis geworden
ist.
Daß
für viele das typisch menschliche Macht-Phänomen so undurchsichtig ist, beruht
nicht bloß darauf, daß Macht mit Gewalt und/oder Gewaltsamkeit verwechselt
wird, sondern weil es sich bei der Macht um eine eminent geistige Realität
handelt, die bereits mit dem Dasein des Menschen gegeben ist und dadurch auch
in Erscheinung tritt. Das Tier als solches besitzt keine Macht, auch wenn es in
seinem Dasein noch so stark ist und sogar den Menschen töten oder umbringen
kann. Indes vermag es ihn weder auszurotten noch (und dies schon gar nicht) zu
ermorden. Denn Mord ist ungerechte Tötung eines Menschen, und auch nur Lügner
bezeichnen den Selbstmord als 'Freitod' Niemand hat das Recht, sich selbst oder
einen ande-ren Menschen zu ermorden. Gott hinwiederum ermordet niemanden, denn
er ist absolut Herr über Leben und Tod und kann somit auch non niemandem zur
Rechenschaft gezogen werden, wenn er den Tod des Menschen zuläßt, gleichgültig
wodurch dies geschieht.
Solange
die geistige Realität menschlicher Macht nicht intellektiv-rational erfaßt
wird, bleibt sie im Dunkeln und erzeugt eine unbestimmte Furcht, die auch viele
ergreifen und in Unruhe versetzen kann. Denn der Einzelmensch ist aufgrund der
menschlichen Natur keine solipsi-stische Existenz, sondern zugleich auch ein
Gesellschaftswesen, das in Gemeinschaften verschiedenster Art lebt, angefangen
mit der Ur-Gesellschaft, nämlich der Familie. Anstatt sich aber von der mit der
Macht in Beziehung stehenden unbestimmten Furcht ergreifen zu lassen, sollte
man sich doch viel eher vor dem Würgegriff menschlicher Ohnmacht fürchten, weil
diese den freien Gebrauch der Macht verhindert und dadurch vor allem der Verwirklichung
der Gerechtigkeit und des sittlich Guten den Boden entzieht. Jeder private und
öffentliche Despotismus, der sich zugleich auch in einem Mißbrauch der
Autorität austobt, ist von der bösen Hoffnung geprägt, daß sich der Mit-mensch
dem Zustand der Ohnmacht ausliefert und wehrlos wird bzw. bleibt. Eine
"ohnmächtige Kirche" wäre, wenn es sie gäbe, gar nicht fähig, auf dem
dornigen und steinigen Wege der Gerechtigkeit zu 'wandeln' und sowohl im
moralischen als auch im rechtlichen Sinne Autorität auszuüben zum Wohle vieler,
die ihr angehören. Sind sich die 'lieben Christen' von heute darüber im klaren?
Oder sind sie nur noch ein Haufen ohnmächtiger Leute mit schlotternden Knien,
denen die Feigheit und der bekannte 'feige Friede' (pax obnoxia) im Gesicht
geschrieben steht? Wer kennt nicht diese Kompromißler, die sogar Verbrechen und
blankes Unrecht, in denen die Gewalttätigkeit ihr Haupt erhebt, tolerieren? Wo
sind diejenigen, die, wie auch der hl. Paulus, nur Gott fürchten und sich nicht
von 'Menschenfurcht' überwältigen ließen, insbesondere wenn das Gewissen
fordert und befiehlt, das gebotene Gute unbedingt zu tun und das verbotene Böse
unbedingt zu lassen, aber auch nicht zuzulassen? Heutzutage wird überall von
der "Würde des Menschen" geredet, ohne jedoch deutlich zu sagen,
worin sie besteht und welches ihre Wahrheitskriterien sind. In dieser dumpfen
Atmosphäre bewegt sich heute die angeblich so "freie Gesellschaft in einem
freiheitlichen (demokratischen ) Staat" und häuft zugleich riesige Berge
von Abfall (Müll) jeglicher Art auf, an dem sie noch ersticken wird. (Die sog.
'Wegwerfgesellschaft' wirft sich letztlich selber weg.)
Gesellschaftsprozesse
sind keine 'Naturereignisse'; vielmehr sind und werden sie von Menschen
verursacht und in Bewegung gesetzt. Die menschliche Gesellschaft ist ein
dynamisches Phänomen, das die natürlichen Grenzein eines Volkes oder
Volksganzen durchbricht und dieses sogar zerstören kann. Auch die sog.
'Massengesellschaft' in ihrer Negativität kennt keine natürlichen Grenzen und
dringt sogar in die Familien ein, so daß viele zerbrechen. Dies jedoch tangiert
die Kirche, da diese ja selbst ein Gesellschafts-Gebilde ist, nicht bloß eine
'christliche Glaubensgemeinschaft e.V.'. Sie unterscheidet sich wesentlich,
nicht bloß qualitativ, von allen anderen 'Gesellschaften' und "steht
quer" zu ihnen, so daß sich bereits von der Natur der Sache her auch
erhebliche Reibungsflächen ergeben, weil dabei schon im vor-staatlichen Bereich
aufgrund der pluralen Gesellschaft Macht auf Macht trifft. Nichts aber fällt
dem Menschen schwerer, als sich der ihm vorgegebenen Ordnung des Rechts und der
Gerechtigkeit freiwillig zu unterwerfen, da er von Natur aus zum Bösen neigt
und ständig sein Ego beweihräuchert. Selbstlosigkeit, die nicht mit Hilfsbereitschaft
verwechselt werden sollte, ist vielen ein Fremdwort. Der Selbstlose nimmt sich
selbst in die Gewalt und beherrscht seine Freiheit, indem er sie auf eine ganz
konkrete Weise zum sittlich Guten wendet. Der Selbstlose läßt sich für das, was
er einer anderen Person tatkräftig und freiwillig gewährt und zuwendet, niemals
'bezahlen' und erwartet auch keine Gegenleistung, ja nicht einmal Dankbarkeit.
Der wahrhaft selbstlose Mensch strahlt eine eigentümliche Macht aus. Niemand
war selbstloser als Jesus Christus, dem jegliche Selbstsucht fehlte. Darum hält
Ihn der dumme Mensch seit eh und jeh für einen Toren. Ein Mensch, der sich
selbst nicht zu beherrschen weiß, giert nach Macht und wird in seiner Gier
zwangsläufig gewalttätig und geht schließlich auch über Leichen, wie man zu
sagen pflegt. Woher kommt es denn, daß man sich in solchen Menschen, die man zu
kennen glaubt, so oft täuscht und nicht sieht oder auch nicht sehen will, wen
oder was man da vor sich hat? Der allgemeine Mensch (homo generalis) ist nicht
mehr der, der er sein könnte und sein soll.
(Fortsetzung folgt)