Offene Fragen an Abbé Schmidberger
von Eberhard Heller
Sehr geehrter Abbé Schmidberger,
in letzter Zeit häufen sich die Fälle, in denen sich Gläubige hilfesuchend an mich wenden und von ihren schmerzlichen und enttäuschenden Erfahrungen mit Mitgliedern Ihrer Bruderschaft berichten. Auf kritische Fragen, die sich vornehmlich auf die Widersprüchlichkeit des Aktionsprogrammes der Bruderschaft und ihrer Oberen beziehen, erhalten sie nur ausweichende bzw. unzureichende Antworten oder werden als „Spinner“ schroff abgewiesen.
Zu Klärung des Sachverhaltes und der Einstellung Ihrer Kritiker erlaube ich mir, auf einige von Ihnen selbst abgegebene Erklärungen hinzuweisen.
Im „Mitteilungsblatt“ vom März 2012 heißt es im Zusammenhang mit den Verhandlungen mit den römischen Behörden, die Ihrer Bruderschaft eine Note zur Unterschrift vorgelegt hatte mit der Absicht, diese als Basis zu einem Abkommen zu benutzen: „Bischof Fellay sprach sein ‚Nein’ nicht zu Rom oder dem Angebot als solchem, sondern zu der in der Präambel ausgedrückten Forderung, anzuerkennen, dass das Konzil sich nahtlos und ohne Bruch in die Tradition einfügen lasse.“ (MB März 2012, Nr. 398, S. 35)
Von Herrn Schwibach wurden Sie neuerlich gefragt: „Wie kann es bei einer prinzipiellen Übereinstimmung zu gegenteiligen Schlussfolgerungen kommen, und worin bestehen diese?“ Hier Ihre Antwort: „Dies passiert, wenn man um alles in der Welt - mit Willen statt mit Verstand - die Aussagen des II. Vatikanums in voller Harmonie mit dem vorausgehenden Lehramt sehen will, selbst um den Preis von Widersprüchen. Und dazu hat man ein Zauberwort erfunden: ‚Hermeneutik der Kontinuität’. Geben wir dazu einige Beispiele an: In Lumen gentium heißt es gleich in § 1, die Kirche sei das Sakrament der Einheit des Menschengeschlechtes. Aber wo in der Heiligen Schrift, bei welchem Kirchenvater, in welcher päpstlichen Verlautbarung und in welchem Konzil hat man jemals etwas Ähnliches gelesen? Die Kirche ist dazu eingesetzt, den mystischen Herrenleib aufzubauen, und dazu, die Seelen mit dem übernatürlichen Glaubens- und Gnadenleben zu beschenken, aber eben nicht zu einer innerweltlichen Menschheitsverbrüderung. Oder nehmen Sie Lumen gentium Nr. 16: Seit wann beten wir mit den Moslems den einen Gott an? Diese verehren Allah, wir die allerheiligste Dreifaltigkeit – das ist nicht dasselbe! In Nr. 8 desselben Dokumentes heißt es, die Kirche Christi subsistiere – sei verwirklicht, bestehe - in der katholischen Kirche. Papst Pius XII. lehrt ausdrücklich in voller Einheit mit dem Lehramt bis zum II. Vatikanum: Die Kirche Christi ist die katholische Kirche. In Gaudium et spes, der berühmten Pastoralkonstitution, heißt es in Nr. 12: Ziel und Mittelpunkt aller Dinge auf Erden sei der Mensch. In meinem alten Katechismus lese ich, Ziel und Mittelpunkt aller Dinge auf Erden sei Gott. Auch dies ist nicht dasselbe. Im Dekret über den Ökumenismus heißt es in § 3, der Heilige Geist habe die anderen Bekenntnisse gewürdigt, Mittel des Heiles zu sein. Wenn das stimmt, dann braucht sich kein Protestant mehr zu bekehren und kein Orthodoxer den päpstlichen Primat anzunehmen. In der Erklärung über die Religionsfreiheit heißt es in § 2, der Mensch habe auf diese ein Recht, das in seiner Würde wurzle, also ein Naturrecht darstelle. Bis hin zu Papst Pius XII. ist diese Auffassung ausdrücklich verworfen worden. Schauen Sie nur nach in Quanta cura vom 8. Dezember 1864, mit welchen Worten der selige Pius IX. eine solche Ansicht geißelt.“ (MB vom April 2012, Nr. 399, S. 22 f.)
Um dieses „Nein“ zu begründen, analysieren Sie Lehrsätze des II. Vatikanums und kontrastieren sie kritisch mit den Aussagen des kirchlichen Lehramtes. Sie lehnen diese Sätze zu Recht ab, weil sie im Widerspruch zur bisherigen Lehre stehen... und nicht in der von Rom behaupteten Kontinuität. Keiner der Autoren der EINSICHT, zu denen auch Sie einst zählten, hätte diese Ablehnung besser begründen können als Sie es getan haben.
Wie können Sie nun trotz dieser Einsicht denjenigen, der all diese von Ihnen abgelehnten Häresien – um solche handelt es sich! – qua Amt vertritt und der Sie und Ihre Bruderschaft durch seine vatikanischen Organe für ein Abkommen gewinnen will, Joseph Ratzinger/ Benedikt XVI., als Papst bzw. als obersten Glaubenshüter und die von ihm geleitete Organisation als röm. kath. Kirche anerkennen?
Man muß nicht bis „drei“ zählen können – als gelerntem Mathematiker sollte Ihnen das doch zuzumuten sein! –, um zu erkennen, daß eine solche Haltung – Ihre Haltung, Abbé Schmidberger! – nicht anders als schizophren bezeichnet werden kann. Und warum schließen Sie und die Oberen Ihrer Bruderschaft gerade jene Personen aus, die diese Schizophrenie beklagen?
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