Die hl. Hildegard über die Endzeit
Sie lebte von 1098 bis 1179. Sie war eine der großen
Klostergründerinnen und Äbtissin, ihr Leben war durch visionäre Schauungen
gekennzeichnet, welchen Papst Eugen III. auf der Synode zu Trier die kirchliche
Anerkennung zusprach. Im Jahre 1141 hatte Gott Hildegard den Auftrag gegeben,
alles, was sie "schaute und hörte im wahrhaftigen Licht" mit offenen
Augen und mit nüchternem, klarem Geist niederzuschreiben und der Welt zu
verkündigen (Vorwort zu "Sicvias" - Wisse die Wege). Kurze Zeit
darauf - 1147/1148 - weilte Papst Eugen III. auf einer Synode in Trier, auf der
auch Bernhard von Clairveaux anwesend war. Ihre bis dahin erschienenen
Schriften wurden dieser Versammlung vorgelegt und der Papst forderte sie auf,
alles niederzuschreiben, was sie im Heiligen Geiste schaute. Sie wird so zur
großen Gesandten Gottes, und wie den Propheten im Alten Bund wird es ihr zur
Pflicht, die Wege des Herrn zu weisen - "Sicvias" -, zu mahnen und zu
belehren.
E. Heller
***
Im Kampf der Endzeit wird Gott Seine Getreuen nicht
verlassen
aus:"Scivias" (Wisse die Wege)
Wenn dann die ungläubigen und entsetzlichen Völker - wie
oben beschrieben - in das Vermögen und die Besitztümer der Kirche ringsum
einbrechen und sie zu zerstören trachten, so wie Geier und Habichte das, was
sie unter den Flügeln und Krallen haben, erwürgen, und wenn von alledem das
christliche Volk auf jede Weise zur Strafe seiner Sünden zermürbt wird und es
ohne Rücksicht auf den Tod des Körpers mit Waffen Widerstand zu leisten versucht,
dann wird vom Norden her ein gewaltiger Sturm mit mächtigem Nebel und
dichtestem Staub heraufkommen. Dieser Sturm wird die Augen der Feinde mit Nebel
und Staub füllen und nach göttlichem Gericht sein Wüten gegen sie richten, so
daß ihre Augen voll Staub und ihre Kehlen voller Nebel sind. Dann legen sie
ihre Wildheit ab und werden in ein höchst betroffenes Staunen versetzt.
Dann wird die heilige Gottheit im christlichen Volke Zeichen
und Wunder wirken, wie Sie es schon bei Moses mit der Wolkensäule tat und wie
damals, als der Erzengel Michael zur Verteidigung der Christen gegen die Heiden
gekämpft hat, so daß die gläubigen Kinder Gottes, die unter Seinem Schutze
dahinschreiten, über ihre Feinde hereinbrechen und sich aus Gottes Macht als
siegreich erweisen: Sie werden einen Teil dem Tode überliefern und den anderen
aus ihren Grenzen vertreiben. Daher wird sich zu dieser Zeit eine gewaltige
Schar von Heiden den Christen im wahren Glauben anschließen und dabei sprechen:
"Der Gott der Christen ist der wahre Gott, Er, der solche Zeichen unter
ihnen gewirkt." Auch die Sieger, die Gott zu Seiner Verteidigung haben
wird, werden Gott loben und rufen: "Loben wollen wir den Herrn, unseren
Gott; Er hat sich wahrhaft unter uns verherrlicht, weil wir in Seinem Namen
Sieger sind. Daher ist unsere Kraft Sein Ruhm, weil wir durch Ihn Seine wie
unsere Feinde niedergerungen haben, da wir treu an Ihn glaubten." Und
abermals werden sie sagen: "Wir wollen achthaben auf die Herrenworte im
Evangelium. Es wird das Volk der Heiden sich gegen das Volk der Christen
erheben, so wie es sich unter uns ereignet hat. Laßt uns daher die benachbarten
Städte und die zerstörten Völker wieder aufbauen, wir wollen sie stärker und
fester machen, als sie früher waren, damit wir nicht noch einmal durch Übel
dieser Art zerrieben werden, so wie wir jetzt aufgerieben sind. Und mit all
ihrer Kraft und mit all ihrem Sein werden sie dies mutig und großzügig
ausführen."
In jener Zeit wird ein unreines Weib einen unreinen Sohn
empfangen. Die alte Schlange aber, die den Adam ausgesaugt hat, wird ihn mit
ihrer ganzen Schar derartig anstecken, daß nichts Gutes in ihn eingehen noch in
ihm bleiben kann. Aufgezogen wird er an abgelegenen und wechselnden Orten,
damit er von den Menschen nicht erkannt wird. In allen teuflischen Künsten
gebildet, wird er bis zu seinem Mannesalter sich verborgen halten. Er wird die
in ihm steckenden Laster nicht eher offen zeigen, bis er sich als reif und
übervoll in jeder Art von Bosheit erkennt. Vom Augenblick seiner Geburt an
werden viele Auseinandersetzungen und viele Feindseligkeiten gegen die rechten
Ordnungen sich breitmachen. Die glühende Gerechtigkeit wird in ihrer Lauterkeit
verdunkelt werden, und die Liebe wird in den Menschen erlöschen. An ihrer
Stelle werden Bitterkeit und Roheit aufkommen, und es werden sich solche
Irrlehren bilden, daß auch die Irrlehrer ganz offen und bedenkenlos ihre
Ketzereien predigen. Und es wird auch unter den Christen ein solches Zweifeln
und eine derartige Unsicherheit über den katholischen Glauben entstehen, daß
die Menschen im Unklaren darüber bleiben, wen sie als Gott anrufen sollen. Es
werden zahlreiche Zeichen an Sonne, Mond und Sternen, in den Wassern und den
übrigen Elementen wie in der ganzen Schöpfung erscheinen, so daß sie gleichsam
in einem Gemälde das drohende Unheil durch solche Zeichen vorausverkünden.
Daher wird zu dieser Zeit eine solche Traurigkeit die Menschen befallen, daß
sie das Sterben für nichts erachten.
Wer aber alsdann im katholischen Glauben fest dasteht, der
wird in tiefer Zerknirschung erwarten, was Gott anordnen will. Und diese
Bedrängnisse werden auf solche Weise voranschreiten, bis schließlich der Sohn
des Verderbens seinen Mund zur Lehre des Widerspruchs auftut. Wenn er aber die
Worte der Falschheit und seiner Betrügereien vorbringt, dann werden Himmel und
Erde erzittern.
Es wird dann die Halskette der Gerechtigkeit, die - wie oben
erwähnt - Paulus bis zu den Füßen dieser Tugend herabreichen ließ, gleichsam
wie von einem brausenden Windsturm erfaßt werden und zum ersten Mal in Bewegung
geraten, denn bis zu diesem Augenblick war sie unerschüttert und unzerrissen
geblieben. Paulus hat nämlich seine Lehre durch so viele Wunder erhärtet und
sie mit tiefgründigen Worten so ehrenvoll geschmückt, daß sie bis an das Ende
der Welt so dauern kann, wie das auch diese Kette zeigt, die bis zu den Füßen
der Gerechtigkeit, gleichsam bis zum Ende der Welt, herunterfällt. Paulus hat
in der Erhebung seines Geistes über die zweite Ankunft des Sohnes Gottes und
über den tödlichen Einfall des Sohnes des Verderbens zu den Gläubigen mit
folgenden Worten gesprochen:
Daß der Tag des Herrn nahe bevorsteht - "Laßt euch
nicht gleich aus der Fassung bringen und in Furcht jagen, weder durch einen
Geist noch durch einen Ausspruch, auch nicht durch einen Brief, der von uns
stammen soll, als ob der Tag des Herrn schon da wäre. Laßt euch von niemandem,
auf keine Weise, irremachen. Zuerst muß ja der Mensch der Sünde offenbar
werden, der Mensch des Verderbens, der Widersacher, der über alles sich erhebt,
was Gott heißt oder Heiligtum, so daß er sich selbst in den Tempel Gottes setzt
und sich zum Gott erklärt" (2 Thess 2, 2-4).
Der Sinn dieses Satzes ist so zu verstehen: Ihr, die ihr
Gottes seid, und Seinen Worten glaubt, hütet euch, damit ihr nicht in euren
Herzen von jedem Schrecken erschüttert werdet, ebensowenig vom geistigen Betrug
noch von wortreicher Verführung, noch durch die Schriften, die wahrhaftig an
euch gerichtet sind, als sei jener Tag schon da, an dem der Schöpfer aller
Dinge den Abgrund der Herzen aufdecken wird... Von aller drohenden Verführung
der Endzeit soll der Mensch sich freihalten und im Glauben seine Hilfe und
Mitte suchen, jetzt, wo das Mysterium der Bosheit (mysterium iniquitatis) so
offenkundig am Werke ist...
Der Mensch aber lebt in der Mitte der Macht Gottes. Denn
bevor der Mensch gebildet wurde, war Gott, und wenn der Mensch sein leibliches
Dasein beendet haben wird, bleibt Gott immer noch in Seiner Kraft bestehen.
Von der Verführung des Antichristen
Vom Teufel also erhält der Antichrist die Eingebung, seinen
Mund zu verkehrter Lehre (doctrina perversa) zu öffnen und alles, was Gott im
alten wie im neuen Gesetz festgelegt hat, zu zerstören.
Er wird lehren, daß Blutschande und ähnliche Laster keine
Sünden seien. Er wird weiter behaupten, es sei in keiner Weise eine Sünde, wenn
Fleisch sich am Fleische erwärme, wie es sich ja auch der Mensch ganz natürlich
am Feuer behaglich sein läßt. Er wird dem Menschen klar machen, daß alle Gebote
der Keuschheit keine wissenschaftliche Grundlage hätten. Denn der Mensch sei ja
nun einmal in seiner natürlichen Veranlagung hier kalt und dort warm, so daß es
bei solcher Hitze und Kälte zu einem natürlichen gegenseitigen Ausgleich kommen
müsse. Und weiter wird er zu den Gläubigen sagen: "Eure Moral der
Enthaltsamkeit ist doch gegen das Naturgesetz verankert worden; denn wie sollte
ein Mann nicht warm sein, in dessen Atem doch ein Feuer ist, das den ganzen
Leib eines Mannes in Glut versetzt; wie könnte er gegen seine Natur sich kalt
verhalten? Und aus was für einem Grund konnte man dem Menschen verbieten, sein
Fleisch am anderen zu erwärmen? Jener Mensch nun, den ihr euren Meister nennt,
gab euch ein Gesetz, das über das natürliche Maß hinausgeht, da er euch lehrte,
die natürlichen Dinge so anzusehen. Ich aber sage euch: Ihr existiert nun
einmal in dieser doppelten Veranlagung, als ein kalter und warmer Pol, und so
erwärmt euch ruhig gegenseitig und macht euch klar, daß dieser Mensch euch
unbillige Gebote aufgegeben hat. Ihr seht es ja: wie sehr er auch gepredigt
hat, daß die Menschen sich nicht gegenseitig erwärmen sollen, sie frönen doch
immer wieder ihrer Natur in fleischlicher Lust. Gebt also acht darauf, daß ihr
euch fürderhin nicht von seiner unerträglichen Lehre verführen laßt. Denn in mir
ist das da, was ihr tun könnt und was nicht. Euer Lehrer hat euch nicht die
rechten Vorschriften gegeben. Er wollte euch wie einen Geist haben, der nicht
mit Fleisch bedeckt ist, der ja auch nicht mitwirkt, als ob des Menschen Leib
nicht so auf natürliche Weise geschaffen sei, wo er doch durch Feuer
eingegossen und aus-geformt wird; und würden sie so ihre Kinder nicht auf die
Welt bringen, so würden sie gar keine Möglichkeit zum Wirken haben. Daraus
allein schon könnt ihr ersehen, was ihr sein sollt. Jener, der euch zuerst
belehrte, hat euch betrogen und euch in nichts geholfen. Ich aber präge es euch
ein, daß ihr zunächst einmal euch selbst erkennt und wißt, was ihr von Natur
aus seid. Denn ich habe euch erschaffen, und ich bin ganz und gar selber in den
Dingen drin. Jener aber schrieb alle seine Werke einem anderen zu und sprach
nichts von sich, well er aus sich nichts konnte. Ich aber, ich spreche von mir
selbst, und aus mir selbst vermag ich alles."
Mit solchen und ähnlichen Worten wird der unselige Sohn des
Verderbens die Menschen verführen, indem er sie lehrt, nach dem brennenden
Trieb des Fleisches zu leben und jeden fleischlichen Wunsch durchzuführen,
während das alte wie das neue Gesetz die Menschen zum keuschen Leben einladen,
so freilich, daß die Keuschheit nicht ihr natürliches Maß übersteigt. So wird
Luzifer durch jenen Antichristen die Gerechtigkeit Gottes verleugnen und
glauben, er könne nun all sein teuflisches Beginnen durch ihn zum Ende bringen.
Er wird wähnen, daß der Jordan in seinen Mund fließe, so daß die Taufe
künftighin nicht mehr genannt werde, sondern daß er sie verwerfen könne, wie er
selbst durch die Taufe verworfen ist. Mit seinem Auftreten wird er meinen, eine
so große Zahl des Volkes sich unterwerfen zu können, daß der Sohn Gottes nur
noch eine kleine Anzahl von Gläubigen im Verhältnis zu seiner Masse behalte.
Dieser Mensch wird "Mensch der Sünde" genannt,
weil er alles Böse ausführt und weil alle Laster über ihn ergossen werden; er
heißt auch Sohn des Verderbens, weil Tod und Verderben über ihn herrschen und
er auf alle verkehrte und verworfene Art und Weise eine Menge Volkes verführt
und für sich gewinnt, indem er sich als Gott verehren läßt, wie auch Johannes
unter dem Bilde der Bestie seine Wildheit beschrieben hat, da er der Wahrheit
Zeugnis gab und sprach: "Und es beteten ihn an alle Erdenbewohner, deren
Namen nicht eingetragen sind im Lebensbuche des Lammes" (Offb 13,8). (...)
Deshalb wird jeder im Verderben hausen, der die Schriften dieses verdorbenen
Menschen verehrt, indem er ihm huldigt, und wer die Satansschrift in seinem
Herzen trägt, wo Satan doch von Gott verstoßen ward, weil er aus sich selbst
heraus Gott sein wollte. Daher ist sein Name "Tod", weil er jenes
Leben flieht, das nicht sterblich ist, sondern alles mit Leben erfüllt.
Alle aber, die diesem Sohn des Verderbens anhängen und seine
Werke verrichten, werden nicht in das Lebensbuch des Lammes eingetragen; ist
doch dieses Lamm das WORT Gottes, durch dessen Wort "Es werde" die
ganze Schöpfung hervorgegangen ist. Der Teufel aber hatte im Alten wie im Neuen
Testament beständig seine Anhänger bei sich: im Alten Bunde durch Baal, im
Neuen durch die Sadduzäer, die seine Triebfeder im Schisma sind, weil jene das
Gesetz Gottes - die Wurzel der Gerechtigkeit, in der die Patriarchen und
Propheten verborgen waren - mit der Niedertracht des Baal zum erstenmal
verletzten. (...)
Dennoch werden alsdann aus ihnen die Irrlehrer hervorgehen,
die der Schöpfung der ursprünglichen Naturtriebe widersprechen, und ihr Irrtum
wird schlimmer sein als der frühere, weil sie Gott in Seiner Schöpfungsordnung
und in den lebendigen Wesen ganz und gar verleugnen. Alle diese aber werden das
unselige Tier, den "verlorenen Menschen", anbeten, den Glauben an den
allmächtigen Gott verlassen und behaupten, daß es ihnen nichts schade, wenn sie
die Gebote Gottes außer acht ließen.
Von den Zauberkünsten und magischen Wundern des Antichristen
Und so steigt der Unglauben der Menschen zum goldenen Kopfe
des Leoparden hernieder, der sich in der Halskette zeigt. Das ist der
Antichrist, der sich "Gott", sozusagen "goldenes Haupt",
nennt. Er wird durch teuflische Künste und Erregung der Elemente schreckliche
Mißgeburten und gewaltige Stürme hervorbringen, was Gott so lange zuläßt, bis
das ganze Menschengeschlecht den Fall des Antichristen erkennt.
Darum wird er auch den Tod für die Erlösung seines Volkes
und eine Auferstehung vortäuschen, und er wird Schriftzeichen in die Stirn
seiner Anhänger einprägen lassen. Damit zeichnet er alles Übel in sie ein, wie
auch die alte Schlange den Menschen, indem sie ihn betrog und, um ihn hernach
in ihrer Haft halten zu können, zur Leidenschaft erregte. Durch diese Schrift
wird er die Menschen gegen die Taufe und gegen den christlichen Namen mit
magischer Kunstfertigkeit so einnehmen, daß sie von ihm nicht mehr lassen
wollen und daß sich alle nach ihm, wie die Christen nach Christus, nennen.
Diese Schrift hatte Luzifer lange bei sich und zeigte sie
keinem Menschen, mit Ausnahme des einen, den er im Schoße seiner Mutter schon
ganz besitzen wollte. Daher hoffte er, seinen ganzen Willen durch ihn ausführen
zu können. Dennoch wird dieser verworfene Mensch seine Seele und sein Leben
nicht vom Teufel, sondern von Gott haben, da selbst dieser unseligste Anstifter
der alten Verführung, der alles Gute haßt, sein Leben von Gott empfangen hat.
Denn Gott allein ist das Leben: jeder Hauch und alles, was lebt, wird durch Ihn
bewegt, weil allein Er der ursprüngliche Ursprung ist. Und wie Luzifer im
Himmel gegen Gott kämpfte, so versucht er auch durch diesen verworfenen
Menschen auf der Erde gegen die Menschheit des Gottessohnes zu streiten. Und
dies tut er durch jene Schrift, durch die er den Gott und Schöpfer des Alls
verleugnet und den Seinen noch lichtere Geistesgaben verheißt, als Christus, der
Sohn Gottes, sie Seinen Gläubigen geschenkt hat.
Diese Schrift war früher in keiner Sprache gesehen oder
erdacht. Luzifer erfand sie in sich selbst und bringt sie aus Hinterlist
hervor, um damit die Menschen zu verleiten, auf ihren Schöpfer nicht mehr zu
achten. Er betört die Ungläubigen so sehr damit, daß sie nichts anderes mehr zu
verehren streben, als was ihm augenblicklich gefällt. Es behauptet nämlich der
Sohn des Verderbens: wie ein abgehauenes Holz gelagert werden muß, bis ein
Künstler es zusammensetzt und ziert, damit es die Bewunderung anderer finde,
so sei auch der natürlich geborene Mensch ehrlos, bis er durch jene Schrift
gerühmt werde, weil in ihrem Wesen mehr Heil und Kraft verborgen liege als in
der Erschaffung des Menschen. Gott aber wird alle Versuche mit dieser Schrift
mitsamt ihrem Urheber vernichten; die Schrift des Heiligen Geistes aber wird
nicht vergehen. Wenn er aber mit solchen falschen Zeichen die Menschen aller
Geschlechter um sich zu versammeln beginnt, dann werden die Heiligen und
Gerechten von einem gewaltigen Entsetzen geschüttelt werden.
Von der Wiederkunft des Henoch und des Elias
Ich aber, der Ich bin, werde eingedenk sein, wie Ich den
ersten Menschen gestaltet und auf welche Weise ich alle die Werke, mit denen
Luzifer gegen Mich durch den Menschen streiten würde, vorausgesehen habe, und
wie Ich die heiligen Gotteskräfte zum Kampf gegen ihn bezeichnete, so wie Ich
es mit Henoch und Elias tat, die Ich aus dem Stamme der Menschen, die Mir mit
ganzem Verlangen anhingen, auserwählte. Gegen das Ende der Welt hin werde Ich
den Menschen zeigen, wie sie das Zeugnis dieser beiden voll Vertrauen annehmen
sollen. Henoch und Elias werde Ich in Meinem Geheimnis unterweisen und ihnen
die Menschenwerke offenbaren, so daß sie diese kennen, als sähen sie sie mit
eigenen Augen. Sind sie doch weiser als die Schriften und die Reden der Weisen.
Denn da sie körperlich den Menschen entrückt sind, ist auch Furcht und Zittern
von ihnen genommen. So ertragen sie alles, was sie umgibt, mit Gleichmut. Und
Ich bewahre sie an einem verborgenen Orte, ohne daß ihre Körper Schaden leiden.
Wenn dann der Sohn des Verderbens seine verkehrte Lehre ausspeit, dann wird
dieselbe Macht, die sie aus der Mitte der Menschen fortnahm, diese zwei
gleichsam im Winde zurückführen. Solange sie dann auf Erden unter den Menschen
weilen, werden sie jedes Mal nach vierzig Tagen Nahrung zu sich nehmen, wie es
auch Meinen Sohn nach vierzig Tagen hungerte.
Diese starken und weisen Männer bedeuten den Steinbock in
der oben erwähnten Halskette der Gerechtigkeit. Wie der Steinbock hart ist und
die Höhe emporsteigt, so werden auch sie in Meiner Kraft stark sein und schnell
in die Höhe Meiner Wunder emporgehoben werden. Sie werden solche Macht in
Meinen Wundern besitzen, daß sie am Firmament, in den Elementen und den übrigen
Geschöpfen größere Zeichen wirken können als der Sohn des Verderbens, so daß
dessen trügerische Zauberzeichen durch die wahren Wunderwerke jener Männer zum
Gespött werden. Ob dieser großen Wunderkraft werden Menschen aus allen Völkern
ihnen zueilen, ihren Worten glauben und zum Martyrium, das ihnen der Sohn des
Verderbens bereitet, in glühendem Glauben wie zu einem Festmahl eilen, so daß
ihre Mörder die Opfer wegen der Riesenmenge der Hingeschlachteten nicht mehr zählen
mögen - denn die Masse ihres Blutes fließt dahin wie strömendes Wasser. Weil
aber der Sohn des Verderbens diese beiden wahrhaft heiligen Männer weder durch
Schmeicheln noch durch Drohen gewinnen und auch ihre Zeichen und Wunder nicht
verdunkeln konnte, wird er sie grausam zu martern befehlen und ihr Gedächtnis
von der Erde zu tilgen versuchen, damit es auf der ganzen Welt keinen Menschen
mehr gebe, der ihm Widerstand zu leisten wage. Dann wird die goldene Zahl der
seligen Blutzeugen, die in der Erstlingskirche für den wahren Glauben gestorben
sind, durch die Märtyrer, die man im Irrtum der letzten Zeiten dem Tode
überliefert, vollendet werden. Denn dieser Zeitraum zertritt alles und
verschlingt alles. Das ist die Zeit, die im Buche "Scivias" unter dem
Zeichen des Wolfes beschrieben ist. Denn wie der Wolf in seiner Raubgier
herunterschlingt, was er nur kann, so werden in diesem Zeitraum auch die
Gläubigen, die an den Sohn Gottes glauben, verschlungen. Deshalb wendet sich
der Gottessohn abermals zu Seinem Vater: "Nun überwältigt es Mich, der Ich
nach Deiner Anordnung das Gewand des Fleisches anzog und nun erleben muß, daß
Meine Mir im Sakrament der Taufe verbundenen Glieder jetzt von Mir abweichen
und dem Hohn teuflischen Gelächters verfallen, indem sie auf den Sohn des
Verderbens hören und ihn verehren. Dennoch hole Ich die Gefallenen unter ihnen
wieder heim. Die Empörer hingegen, die im Bösen verharren, verwerfe ich.
Vater, weil Ich Dein Sohn bin: schaue her mit der Liebe, mit
der Du Mich in die Welt gesandt hast, und betrachte Meine Wunden, durch die Ich
nach Deiner Anordnung den Menschen erlöst habe. Ich zeigte sie Dir, damit Du
Dich derer erbarmest, die Ich erlöst habe. Laß nicht zu, daß sie aus dem Buche
des Lebens ausgelöscht werden. Durch das Blut Meiner Wunden hole sie in Reue
wieder zu Dir zurück, damit nicht der, der Meine Menschwerdung und Mein Leiden
verspottet, im Untergang über sie herrsche.
Jetzt also, ihr Menschen alle, die ihr euch sehnt, die alte
Schlange zu verlassen und zu eurem Schöpfer zurückzukehren, merket auf, da Ich,
Sohn Gottes und des Menschen, Meinem Vater für euch Meine Wunden zeige. Daher
beugt nun aber auch ihr eure Knie, ihr, die ihr euch so oft der Eitelkeit
unrechter Widerspenstigkeit gebeugt habt. Neiget euch nun vor eurem Vater, der
euch erschaffen hat und euch den Geisthauch des Lebens gab, beugt die Knie in
der Reinheit des Glaubens, bekennt aus ganzem Herzen eure Schuld, damit Er euch
in eurer leiblichen und seelischen Bedrängnis Seine starke und unbezwingbare
Hand reiche und euch dem Teufel und aller Bosheit entreiße!"
So spricht der Sohn zum Vater und empfiehlt Ihm Seine
Glieder. Er nimmt sie in Zucht, damit sie Seinem Haupte anhangen, damit nimmer
das Verderben des ersten und letzten Verderbers sie verschlinge. Denn so oft
der allmächtige Vater durch die bösen Taten der Menschen erregt wird, zeigt Ihm
Sein Sohn Seine Wunden, damit Er ihretwegen die Menschen schone. So hat Er auch
Seines Leibes nicht geschont, damit das verlorengegangene Schaf zurückgeholt
würde durch Sein Blut. Darum werden auch Seine Wunden so lange offenbleiben,
wie der Mensch, der in der Welt bleibt, sündigt. Daher fordert auch der gleiche
Gottessohn von den Menschen, daß sie ihre Knie vor dem Allmächtigen Vater
beugen, so oft sie Seinen Urteilsspruch verdienen, auf daß Er sie um Seiner
Wunden willen, die Er im Fleische erlitten und auf die Sein Vater immerdar
schaut, von allem Übel befreie.
Von der leiblichen Wiederauferstehung der wiederkommenden
Propheten Henoch und Elias
Nachdem Henoch und Elias durch den Sohn des Verderbens den
körperlichen Tod erlitten haben, wird sich dessen Gefolge besonders freuen,
weil diese nun vernichtet zu sein scheinen. Aber der Geist des Lebens wird die
beiden erwecken und wieder in die Wolken erheben und das Frohlocken jener in
Furcht, Trauer und Bestürzung verwandeln. Denn durch die Erweckung der beiden
Männer und ihre Erhöhung werde Ich, der Allmächtige, beweisen, daß die
Auferstehung und das Leben der Toten, trotz allem Widerspruch der Ungläubigen,
nicht unvereinbar sind. Wenn an diesem Tage sogar die Elemente, mit denen der
Mensch gesündigt hatte, gereinigt werden, dann wird auch der Mensch selber vom
Tode erweckt werden und zu noch größerer Herrlichkeit wiederhergestellt werden
als bei seiner ursprünglichen Erschaffung, und zwar durch die Reue, die Gott
überaus wohlgefällig ist. Denn wie jede körperliche Verbindung im menschlichen
Organismus durch die Reue erschüttert wird, so kann der Mensch auch mit der
klagenden Stimme der Reue den Himmel bewegen und mit den Cherubim Gott von
ganzem Herzen loben.
Dann wird die alte Schlange durch die Erweckung jener beiden
Männer in grimmigsten Zorn versetzt werden und den verdorbenen Menschen zu
veranlassen suchen, jenen Thron wieder zu besetzen, von dem sie vertrieben
ward, damit durch diese Tat die Erweckung der Männer und das Gedächtnis des
Gottessohnes vollends unter den Menschen getilgt werde. Und sie wird bei sich
sprechen und sagen: "In diesem meinem Sohn werde ich nunmehr eine noch
größere Schlacht liefern, als ich sie einstens im Himmel vollbracht habe. All
meinen Willen will ich durch ihn erfüllen. Diesem meinem Wollen wird weder Gott
noch der Mensch zu widerstehen vermögen. Und ich weiß es und bin gewiß, man
wird mich nicht überwinden können. So werde ich auch in allem Sieger
sein."
Alsdann wird der Sohn des Verderbens eine Menge Volkes
zusammenrufen, damit man seine Herrlichkeit öffentlich sehe. Er wird versuchen,
über die Himmel zu schreiten, so daß, wenn etwas noch vom katholischen Glauben
in der Kirche unerschüttert geblieben war, dies nun durch seine Himmelfahrt
vollends dahinschwindet. Wenn er nun angesichts der dastehenden und
aufhorchenden Menschenmassen den oberen Elementen gebieten wird, ihn bei seiner
Himmelreise aufzunehmen, werden sich die Worte des Paulus, Meines Getreuen,
erfüllen, die er, voll des Geistes, der die Wahrheit sagt, verkündet: Der
Antichrist wird bei seiner falschen Himmelfahrt zum Sturze kommen, und Christus
wird ihn durch den Lichtglanz Seiner Ankunft vernichten.
"Und dann wird jener Gottlose offenbar werden. Doch der
Herr Jesus wird ihn mit dem Hauche Seines Mundes vernichten" (2 Thess 2,
8). Dieses Wort ist so zu verstehen: Zu dieser Zeit wird dieser Sohn der
Bosheit entlarvt werden, und es wird sich vor allem Volke zeigen, daß er ein Lügner
war. Hatte er sich doch vermessen, zum Himmel aufzufahren, wobei ihn dann der
Herr und Heiland der Völker, Gottes Sohn, töten wird. Das wird Er mit jener
Kraft tun, in der Er, der das Wort des Vaters ist, den ganzen Erdkreis mit
gerechtem Gerichte richten wird. Wenn sich nämlich der Sohn des Verderbens
durch teuflische Künste nach oben erheben wird, dann wird er durch göttliche
Kraft heruntergestürzt werden, und es wird ihn der Gestank von Schwefel und von
Pech verschlucken, so daß auch die herumstehenden Massen in den Schutz der
Berge fliehen. Ein solches Entsetzen wird alle, die dies sehen und hören,
befallen, daß sie dem Teufel und seinem Sohne widersagen und sich zum wahren
Glauben in der Taufe bekehren. Völlig fassungslos wird die alte Schlange wider
sich selbst knirschen und zugeben: "Nun sind wir zuschanden geworden.
Jetzt wird es uns nicht mehr möglich sein, uns die Menschen so zu unterjochen,
wie wir es bisher getan."
Wie nach dem Sturz des Antichristen die Ehre des
Gottessohnes verherrlicht wird
Aber auch alle, die treu im Glauben an den Sohn Gottes
blieben, werden mit flehentlicher und lob-preisender Stimme Gott rühmen, wie es
durch Meinen geliebten und wahrhaften Zeugen aufgezeichnet wurde: "Jetzt
ist gekommen das Heil, die Macht und die Herrschaft unseres Gottes und die
Gewalt Seines Gesalbten. Denn gestürzt ist der Ankläger unserer Brüder, der sie
Tag und Nacht vor dem Antlitz unseres Gottes beschuldigt hat. Sie haben ihn
durch das Blut des Lammes überwunden und durch das Wort Seines Zeugnisses: Sie
liebten ja ihr Leben so wenig, daß sie den Tod erlitten" (Offb 12, 10 f.).
Dieses Wort will so verstanden sein: Wenn der Teufel besiegt
und sein Sohn, der Antichrist, zu Boden geschmettert ist, dann ist durch Gottes
Ratschluß das Heil gekommen. Keine teuflische Gefahr ist mehr zu fürchten; ganz
und gar ist jene Macht aufgerieben. Das Reich herrscht über alle, die unter der
Herrschaft unseres Gottes stehen. Gott hat aufgerichtet die Macht des
unbesiegbaren Christus, Seines Sohnes, den Er zum wahren Priester für das Heil
ihrer Seelen gesetzt hat. Denn es wurde hinausgeworfen in die ewige Verdammnis
der hartnäckige Ankläger und der Nachsteller, der Unruhe stiftete unter denen,
die wie wir Kinder Gottes sind und mit uns das himmlische Erbe besitzen sollen.
Da sie seinen widerspruchsvollen Einflüsterungen beigestimmt haben, hat er sie
vor dem Antlitz des höchsten Schöpfers und Richters angeklagt. So machte er es
zu aller Zeit sowohl bei den geistlichen als auch bei den weltlichen Vergehen.
Denn der Mensch ist immer ein Sünder.
In der ersten Schlacht des verlorenen Engels, in der er
gegen Gott kämpfte, indem er selber Gott sein wollte, hat Gott gesiegt. In ihr
hat Gott auch schon die letzte Schlacht vorausgesehen, die Er mit ihm führen
würde, da Er seinen Sohn niederwarf und ihn durch diesen schon gänzlich
zuschanden machte. Auch die Menschen, die Gott treu bekennen, haben ihn
besiegt, indem sie ihm nicht zustimmten. Sie blieben treu wegen des Blutes des
Lammes, durch das sie erlöst sind und in dessen Kraft sie auch all die
Bedrängnisse an ihrem Leibe aushielten und als Sieger bestehen konnten. Sie
haben durch das Wort gesiegt, nämlich die Lehre, die bezeugt ist im
katholischen Glauben, der sich auch von jenem Wort her ausbreitet, durch das
alle Welt geschaffen ward. Sie haben ihre Seelen nicht so geliebt, daß sie sie
bei sich im Körper zurückbehielten, sondern ließen sie bis zum Tode ihres
Leibes voranschreiten, indem sie ihre Leiber unter zahlreichen Schmerzen dem
zeitlichen Tod anheimgaben, wodurch sie auch eben ihre Seelen dem allmächtigen
Gott zurückgaben. Denn als Märtyrer eilten sie in den Tod. Und ehe sie den Sohn
Gottes verleugnet hätten, unterwarfen sie sich den Leiden. Und so bezeugten
auch Abel und die Propheten und die übrigen Märtyrer, die bis zum Jüngsten Tag
für Gott getötet wurden, dem Sohne Gottes, daß auch Er nach dem Willen des
Vaters Sein Blut für sie vergossen hat. Auf diese Weise ist der Kampf des
Sohnes des Verderbens zu Ende gegangen. Und er wird in der Folge nie mehr in
einer Kultur in Erscheinung treten. Daher freuet euch, ihr die ihr im Himmel
wie auf Erden eure Wohnung habt. Nach dem Fall des Antichristen aber wird die
Herrlichkeit des Sohnes Gottes sich in ihrer ganzen Weite zeigen.