Vom Gender-Mainstreaming zur Pädosexualität
von Werner Olles
Durfte man in den siebziger und achtziger Jahren noch die Frage stellen, wie Homosexualität eigentlich zustande kommt, z.B. als Folge eines hormonellen Mangelzustandes in der Schwangerschaft oder eventuell in der Familienstruktur und der Form der Mütterlichkeit begründet ist, kann eine derartige Frage im Zeitalter des permanenten Aushandelns semantischer Koexistenzen und politischer Korrektheit durchaus eine Auseinandersetzung nach sich ziehen, die schließlich vor einem Antidiskriminierungs-Tribunal entschieden wird. So ist es den Gender-Theoretikern inzwischen auch erfolgreich gelungen aus ihrer akademischen Nischendisziplin für abgedrehte Neo-Feministinnen ein bürokratisches Großprojekt mit regierungsamtlicher, vor allem „familien“ministerieller Unterstützung zu machen.
Zwei kleine Beispiele für die Macht, die Gender-Mainstreaming auch in Bereichen ausübt, wo man sie eher nicht vermutet: So wurde beispielsweise in dem 5oo-Seelennest Jützenbach im Südharz für 15.000 Euro ein „Gender-Check“ durchgeführt, der dann immerhin den „Skandal“ aufdeckte, daß in der Freiwilligen Feuerwehr des Dorfes nur eine einzige Frau dient. In einer niedersächsischen Universität führte das Wort „Weinerlichkeit“ im Text eines Professors bei den anwesenden Studentinnen zu der Diskussion, ob dies nicht eine „typische Macho-Vokabel“ sei, während der eigentliche Inhalt des Textes mehr oder weniger gleichgültig blieb. Das rief endlich die Frauenbeauftragte und das Gleichstellungs-Referat des ASTA auf den Plan, die den Dozenten öffentlich maßregelten, was diesen wiederum an die 68er-Exzesse erinnerte.
Doch längst ist nicht alles so lustig, was mit den harmlos scheinenden Begriffen „Gender-Mainstreaming“ bzw. „Gender-Studies“ in Verbindung gebracht wird. Gerhard Amendt vom Institut für Geschlechter- und Generationenforschung an der Universität Bremen wies im August 2001 in einem Beitrag für den Wiener „Standart“ daraufhin, daß das Recht auf subkulturelle Gestaltung eben nicht heißt, daß in der hedonistischen Spaß-Gesellschaft „jede sexuelle Neigung sich in jeder von ihr angestrebten Weise verwirklichen darf“. Wäre dies anders, so müsse man auch einem Perversen einen Mord nachsehen, nur weil er seinen sexuellen Neigungen undiskriminiert nachgehen möchte. Und auch niemand räume Pädophilen „ein Recht auf undiskriminierte sexuelle Neigungen“ ein, wenn sie auf Kinder jedes Alters zugreifen.
Tatsächlich gibt es jedoch gerade hier unterschiedliche Auffassungen. So wollte z.B. der Rechtssoziologe Rüdiger Lautmann anstelle der Eltern ausgerechnet die Pädophilen als Sexualerzieher der Kinder installiert sehen. Dies stieß jedoch sogar bei den internationalen Organisationen der Homosexuellen auf eindeutige Ablehnung. Doch schrieb der Erste parlamentarische Geschäftsführer und menschenrechtspolitische Sprecher der Grünen Volker Beck noch 1988 in dem Sammelband „Der pädosexuelle Komplex“ (Berlin, Frankfurt) einen Beitrag mit dem Titel „Das Strafrecht ändern? Plädoyer für eine realistische Neuorientierung der Sexualpolitik“, in dem es u.a. heißt: „Allein eine Mobilisierung der Schwulenbewegung für die rechtlich im Gegensatz zu Pädosexualität völlig unproblematisch Gleichstellung von Homo- und Heterosexualität … wird das Zementieren eines sexualrepressiven Klimas verhindern können - eine Voraussetzung, um eines Tages den Kampf für eine zumindest teilweise Entkriminalisierung der Pädosexualität aufnehmen zu können.“ Und weiter: „Eine Entkriminalisierung der Pädosexualität ist angesichts des jetzigen Zustands der globalen Kriminalisierung dringend erforderlich, nicht zuletzt weil sie im Widerspruch zu rechtsstaatlichen Grundsätzen erhalten wird.“
Von dieser Sichtweise, die im Gegensatz zur Kriminologie Zusammenhänge zwischen Pädophilie und Kindesmissbrauch leugnet, hat sich Beck - so ist es jedenfalls bei Wikipedia zu lesen - Ende der achtziger Jahre, also kurz nach dem Erscheinen des Sammelbandes mit seinem Beitrag für eine Entkriminalisierung der Pädosexualität, aufgrund einer Auseinandersetzung mit den Kinderschuteinrichtungen „Wildwasser“ und „Zartbitter“ angeblich gelöst. Ob dies lediglich taktischen Erwägungen entsprang - die Grünen wurden für Becks Haltung zur Pädophilie damals von verschiedenen Seiten massiv kritisiert - ist jedoch eine andere Frage. |