Buchbesprechung:
Matt Baglio: „Die Schule der Exorzisten“ - Eine Reportage
von Werner Olles
Der Mensch des Hochmittelalters, gleichgültig ob es sich um Christen, Juden oder Mohammedaner handelte, war fasziniert von dem Gedanken einer Existenz reiner Geistwesen und suchte beständig nach Erkenntniswegen, um sich ihrer, da sie ja zur Schöpfungsordnung gehörten, zu vergewissern. Der moderne Mensch, der sich selbstbewußt für aufgeklärt hält, hat davon nicht einmal eine historische Kenntnis, wie schon das Nachplappern der Lüge vom „finsteren Mittelalter“ beweist.
Man kann diese allein auf zeitliche Dinge verengte Erkenntnispotenz, die keinerlei Zugang für ein Verständnis geistiger, übernatürlicher und außermenschlicher Realitäten mehr findet, durchaus als eine Art Verblödung bezeichnen, die in der Heils- bzw. Unheilsgeschichte relativ ziemlich einmalig ist.
Was aber macht ein moderner und aufgeklärter Mensch, wenn er nicht mehr weiß, was das alles ist, und auch noch nie etwas davon gehört hat, daß in gewissen Tempeln eine Satansliturgie gefeiert wird, in der die „rächende Macht der Göttin Vernunft“ und die „Rebellion“ angebetet werden? Bis zum Zweiten Vatikanischen Konzil wurden im Ritus der heiligen Taufe noch drei Fragen gestellt: „Widersagst du dem Satan? Und all seinen Werken? Und all einem Gepränge?“
Der moderne Christ reagiert hingegen auf die grundsätzliche Möglichkeit dämonischer Besessenheit, die selbst Karl Rahner noch Ende der 1950er Jahre als „Glaubenswahrheit“ bezeichnete, die sich „nicht einfach vom Tisch fegen und entmythologisieren läßt“, mit einem überlegenen Grinsen und schwadroniert von epileptischer Psychose, Paranoia oder Schizophrenie, von denen er freilich ebenso wenig Ahnung hat, wie von echter Besessenheit.
Tatsächlich ist der Besessene ohne pathologischen Einschlag in krisenfreien Zeiten völlig normal, während sich beim Geisteskranken immer wieder seine Bruchstelle zeigt. Diese wesentliche Unterscheidung lernt auch Gary Thomas, Pfarrer im kalifornischen San José, den sein Bischof dazu bestimmt hat, an der ersten offiziellen Einführung in die Schule der Exorzisten teilzunehmen. In der von der konservativen Priesterkongregation „Legionäre Christi“ geführten römischen Universität „Regina Apostolorum“ trifft er nicht nur den berühmten Exorzisten Pater Gabriele Amorth, sondern nimmt im Laufe des Kurses an 80 Exorzismen teil, die sein bisheriges Welt- und Menschenbild völlig verändern. Mit dem in Rom lebenden Journalisten Matt Baglio an seiner Seite, der ihn auf Schritt und Tritt begleitet, eröffnet sich ihm eine unbekannte spirituelle Welt, so faszinierend wie erschreckend, die auch den Leser schon bald in ihren Bann zieht.
Klischees. Sie zeigt vor allem die ganze Komplexität dieses Phänomens, über das Jesus Christus an vielen Stellen der Evangelien spricht, das in der hiesigen Konzilskirche jedoch völlig in Vergessenheit geraten ist. Kein einziger Exorzist wurde hierzulande von den Diözesan“bischöfen“ ernannt, obwohl der Vatikan dies sogar verbindlich vorschreibt. In Italien praktizieren hingegen zwischen 400 und 500 Exorzisten, und sie werden offensichtlich auch dringend gebraucht.
Wer indes das Geheimnis des Bösen und die Existenz einer anderen Wirklichkeit gern als Aberglauben abtut, vergißt, daß die heute gültige Form des Exorzismus auf Papst Pius XII. (1954) zurückgeht, einen gegenüber den Geistes- und Naturwissenschaften sehr aufgeschlossenen Papst. Erst nach dem Zweiten Vaticanum wurde der Teufel als „mittelalterlicher Begriff“ von modernistischen Theologen und Klerikern lächerlich gemacht, während sich gleichzeitig durch die abendländische Kulturwelt eine rasende Ausbreitung des Satanismus wälzte und entsprechende Kulte die Zahl ihrer Anhänger inzwischen in Hunderttausenden angeben. Am Ende steht die Erkenntnis Charles Baudelaires: „Die größte List Satans ist es, uns glauben zu machen, daß es ihn nicht gibt!“
Werner Olles
Matt Baglio: Die Schule der Exorzisten. Eine Reportage. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2010. 349 S., 20,60 Euro |