Die Wahrheit über das Fegfeuer: vergessen oder verleugnet
von Norbert Dlugai
I. Vorbemerkungen zur Thematik
Die Existenz des Fegefeuers ist eine feststehende katholische Glaubenswahrheit, deren Leugnung somit Häresie bedeutet. An dieser Stelle mögen hierzu bereits die grundlegenden Gedanken und Lehrsätze des hl. Apostels Paulus in 1 Kor. 3,11-15 angeführt werden, die vermitteln, was unter dem, das wir "Fegefeuer" nennen, in etwa verstanden werden soll. Paulus schreibt: "Niemand kann einen anderen Grund legen als den, der gelegt ist: Jesus Christus. Ob aber einer auf diesem Grund mit Gold, Silber oder Edelsteinen, oder mit Holz, Heu und Stroh aufbaut, das wird sich für das Werk eines jeden herausstellen. Der Tag des Herrn wird es erweisen. Denn er offenbart sich im Feuer, und eben das Feuer wird feststellen, wie das Werk eines jeden beschaffen ist. Hält das Werk, das er aufgebaut hat, stand, so wird er seinen Lohn empfangen. Verbrennt sein Werk, so wird er Schaden leiden. Er selbst wird zwar gerettet werden, aber nur wie durch Feuer."
Es sind das Gedanken und Wahrheiten, die einer Generation, welche mehr und menr zum Sklaven des Geistes der Zeit und der Welt wird, pervers erscheinen müssen, ebenso wie alles andere, was mit dem Gedanken an die Hölle zusammenhängt.
II. Kurzer geschichtlicher Abriß der Lehre vom Fegefeuer
Die ersten Wurzeln der Fegefeuerlehre führen uns in den frühjüdischen Bereich. Da wird in 2 Makk 12,32-46 berichtet, daß bei den jüdischen Gefallenen heidnische Mulette gefunden wurden. Ihren Tod sah man daher als Strafe für den Abfall vom Gesetz an. Dem Bericht gemäß hat man für die Gefallenen einen Bittgottesdienst gehalten, "und dabei gebetet, daß die begangene Sünde doch wieder völlig ausgelöscht würde". Ferner wirkte man darauf hin, daß in Jerusalem ein Sühneopfer abgehalten worden ist. Der Autor dieses Berichtes pries solches Verhalten als Ausdruck des Glaubens an die Auferstehung der Toten. Weiteres Wesentliches kommt allerdings in dem Bericht nicht zum Vorschein.
Was den definitiven Glauben an die katholische Fegefeuerlehne betrifft, so erhielt sie die endgültige Verfestigung in jenen beiden Konzilien des Mittelalters, die die Union mit den Kirchen des Ostens anstrebten. Doch ist dann eine erneute Zusammenfassung von Glauben und Lehre in Bezug auf das Phänomen "Fegefeuer" auf dem Konzil von Trient bei den Auseinandersetzungen mit den reformatorischen Irrlehren formuliert worden.
Für die Theologie bzw. die Eschatologie steht das Problem Fegefeuer im Kontext mit der Frage des sog. "Zwischenzustandes", also der Zeit zwischen Tod und Auferstehung. In diesen Klärungsprozesse gehörte die Fegefeuenlehre mit hinein, und das bedeutet: In dieser Glaubenswahrheit sah die Kirche ein Stück des Gedankens vom sog. "Zwischenzustand" eindeutig realisiert. Mehr soll hierzu wegen der Komplexität des Ganzen nicht gesagt werden, auch weil diesbezüglich keine direkte Relevanz zu unserer Thematik vorhanden ist.
III. Der bleibende Gehalt der Lehre vom Fegefeuer
Wenden wir uns zunächst wieder dem paulinischen Lehrtext in 1 Kor. 3,11-15 zu. Demnach ist der Grund, auf dem der Christ sein ganzes Lebensgebäude errichten soll, allein Jesus Christus. Denn nur durch ihn, welcher d e r Weg, d i e Wahrheit, und d a s Leben ist, kommen wir zum Vater, in dessen Haus viele Wohnungen sind. Christus aber geht hin, um uns beim Vater eine Wohnstätte zu bereiten (Jo.14,27).
Jedoch ist die gesamte christliche Heils- und Erlösungsgeschichte darauf ausgerichtet, daß der Nensch wegen der absoluten Vollkommenheit und Heiligkeit der göttlichen Heimstatt, einst dem Vater ein Lebenswerk zu Füßen legt, das mit "Gold, Silber oder Edelsteinen" ausgeschmückt ist, d.h. ein menschliches Leben, welches dadurch zur Höhe des Vollkommenen gelangt ist, weil es Gutes getan und vollbracht hat. Gottwohlgefälliges Tun ist also vergleichbar mit Gold, Silber und Edelsteinen.
Ob es in der Tat wirklich so ist, also "echt", oder nur "Holz, Heu und Stroh" aufgehäuft wurde, "wird der Tag des Herrn erweisen" des Herrn, "der sich im Feuer offenbart". Verbrennt das Werk, weil es in den Augen Gottes nicht feuerfest ist, (also kein echtes Gold, Silber udgl), so rettet zwar die Barmherzigkeit Gottes den Menschen, weil er doch irgendwie gläubig war, "aber nur wie durch Feuer". - Was ist gemeint?
Kann an dieser Stelle gesagt werden, daß es sich um das Fegefeuer handelt, an das wir glauben, in welchem der Mensch wegen seiner noch bestehenden Unvollkommenheit Peinen erleiden muß, bis er sozusagen "gott- und himmelfähig" geworden ist, alles noch vorhandene Erdhafte "weggebrannt" ist?
Wir vermögen von hier zum wahren Inhalt und der eigentlichen Sinndeutung der katholischen Fegefeuerlehre zu gelangen. Das Fegefeuer ist ein Prozeß der Vervollkommnung, der Umwandlung und Reinigung, um fähig zu werden für die Anschauung Gottes, um im Kreis der ganzen "Communio sanctorum" zu bestehen.
Die Begegnung mit dem Herrn gestaltet sich also zu einem umbrennenden Feuer für den, der noch der Läuterung bedrf. Dabei durfte nicht von ausschlaggebender Wichtigkeit sein, ob und wie eine bestimmte Lokalisierung beim Prozeß und Vollzug der Läuterung stattfindet oder nicht.
Dennoch mag da die These des hl. Thomas v. Aquin von beachtenswertem Interesse sein, wonach die Seelen entsprechend dem Zustand, in dem sie sich befinden, von selbst die Orte, die für sie bestimmt sind, aufsuchen...
Ob das auf die Fegefeuerlehre anzuwenden ist, möge von sekundärer Bedeutung sein; von Wichtigkeit ist allein, daß es ein Fegefeuer gibt, und auf diese Weise der in der Gnade Gottes aus dem Leben scheidende, noch mit Unvollkommenheiten behaftete Sünder gewürdigt wird, sich gott-fähig zu verwandeln, um nicht zu sagen, "umbrennen" zu lassen - ein mehr als hoch einzuschätzender Gnadenerweis des gerechten, heiligen, aber ebenso barmherzigen Gottes.
IV. Schlußwort
"Es ist ein heilsamer Gedanke, für die Verstorbenen zu beten", und dieses Beten gehört zu den Urformen des Totengedenkens in der jüdisch-christlichen Überlieferung. Jedoch sollte nicht die Schriftstelle 1 Jo.5,16-17 übersehen werden, wo Johannes zwischen "todbringender" und "nicht todbringender" Sünde unterscheidet und auffordert, daß für die nicht-todbringende Sünde Fürbitte eingelegt werden soll, um so dem Sünder wieder zu neuem Leben zu verhelfen. Gilt des auch für die Verstorbenen?
Den verstorbenen Brüdern und Schwestern wird der treue und gewissenhafte Christ allgemein sein Gebet zuwenden, weil ein wahrer Christ sich nicht anmaßen darf, darüber zu rechten und zu richten, ob ein Dahingeschiedener mit einer "todbringenden" Sünde vor das Angesicht Gottes getreten ist oder nicht. Der johanneische Text bezieht sich eindeutig auf lebende Brüder und Schwestern.
Es ist dem Menschen verschlossen, weil es im Ratschluß Gottes verborgen ist, ob die Anzahl der Menschen, die nicht in der Gnade Gottes die Welt einmal verlassen, größer sein wird als die, welche gewürdigt werden, in die unermeßliche Freude Gottes einzutauchen, wenn auch nach vorangegangener Läuterung im Feuer der alles verwandelnden Liebe Gottes.
Dem Christen ist es nicht verwehrt, sich um das ewige Heil heutiger vieler Menschen Sorgen zu machen, bedenkt man, wie in unserer Gegenwart die Gebote, die Rechte und die sittliche Ordnung Gottes schmählich mißachtet, ja mit Füßen getreten werden, und das von sog. 'Christen' in beschämender Weise. Bitten wir den Herr, daß wir, wenn notwendig, schon zu Lebzeiten "umgebrannt" werden, um wahrhaft gott-fähig und himmels-fähig zu sein.
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