Vor 20 Jahren starb Bischof Carmona
In Erinnerungen an einen der wenigen bischöflichen Hoffnungsträger im Widerstand veröffentlichen wir einen Brief, den der leider früh verstorbene Mitstreiter Gerold Moser u.a. an mich geschrieben hatte. Bischof Carmona war der einzige Bischof, der fähig war, das Vertrauen der Gläubigen weltweit zu gewinnen, Herr Moser, der selbst am 2.5.1996 nach schwerer Krankheit verstarb, hatte 1990 Bischof Carmona - also gut ein Jahr vor dessen tragischen Tod auf der Autobahn Anfang Oktober 1991 - von Venezuela aus besucht, damit seine Tochter die Erste hl. Kommunion empfangen konnte.
E. Heller
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Caracas, den 29.4.1990 Lieber Herr Dr. Heller,
eigentlich wollte ich gleich und ausführlich über diesen speziellen Weissonntag am Gründonnerstag bei Bischof Carmona berichten. Doch die termingebundenen Hausaufgaben, die mir die Stiftung teils mitgegeben teils nachgefaxt hatte, liessen mir keine Zeit. Hoffentlich ist inzwischen wenigstens die Ansichtskarte aus Acapulco eingetroffen.
Nun gehe ich vor wie Bischof Carmona : "Später" werde ich ausführlich schreiben - oder sogar berichten, falls es bei dem für die zweite Junihälfte geplanten Besuch Münchens bleibt. Dann könnte ich auch einige interessante Fotos zeigen.
Die mir von Dr. Hiller mitgegebenen Fragen habe ich alle abgehandelt. Die Antworten des Bischofs waren alle positiv und "moralisch aufrüstend", allerdings nicht sehr erschöpfend, was sicher auch daran lag, dass wir nie ungestört und alleine sprechen konnten. Bischof Carmona hat mich sehr an den Gallischen Krieg erinnert. Wie Julius Caesar musste er alles zu gleicher Zeit tun: "auf's Pferd steigen, ins Horn stossen, den Befehl zum Angriff geben, die Soldaten ermutigen ..." Carmona musste Beicht hören, meine Fragen beantworten, Almosen in Empfang nehmen, der Maria Teresa erklären, wie die Katzen, die in der Sakristei wohl nach armen Kirchenmäusen suchten, zu ihren Namen gekommen waren, bzw. warum manche noch keinen hatten, Fotos von uns machen usw. usw...
Trotzdem habe ich zwischendurch einiges erfahren. * nächstes Jahr hofft er mehrere Priester weihen zu können; * sein Seminar läuft, ein Amerikaner lehrt Theologie; * das Seminar ist nicht in Acapulco sondern in Monterey(?), weil dort die Gläubigen spendenfreudiger sind; * ein deutscher Franziskaner war bei ihm und wollte bleiben, bekam aber von den Behörden keine Aufenthalts- bzw. Arbeitserlaubnis; * Zwei der von ihm geweihten Bischöfe haben sich von ihm getrennt, seine Briefe werden von ihnen nicht beantwortet. * 4-6 Pfarreien haben ständig einen seiner Priester; * 3-4 weitere werden von ihm mitbetreut und gelegentlich besucht. Weitere Pfarreien könnte er besetzen, wenn er mehr Priester hätte. * In den Bergen und im Innern Mexikos ist es einfach für ihn. Die Mexikaner sind dort frömmer und spendenfreudiger als im liberalen Touristennest Acapulco. * er sprach von Leuten, die zur Papstwahl ein Konzil einberufen wollen, hält aber zum jetzigen Zeitpunkt nichts davon, da das Problem der Auswahl der Konzilsteilnehmer nicht geklärt sei. * Unter den Bischöfen geniesst nur Bischof George Musey sein Vertrauen, doch sei dieser so schwer krank, dass man auf ihn nicht mehr zählen könne. * sein grösstes Problem: der schlechte bauliche Zustand einiger seiner Kirchen nach dem Erdbeben. * er wird weiter von der "Amtskirche" (auch tätlich) verfolgt. Wenn aber eine Gemeinde ihn "anfordert", ist die Gegenseite machtlos. (Manchmal hat die strikte Trennung von Staat und Kirche auch ihre positiven Seiten!) * einen seiner Priester, sandte er auf Bitten von in den USA lebenden Mexikanern nach Florida. * in Acapulco leitet er die Gemeinde mit Hilfe eines jungen Priesters namens Mauro, einem Diakon (Prediger, Ceremoniar, Mesner, Katechet und Kirchendiener in Personalunion); sie alle leben zusammen mit weiteren Seminaristen(?), Ministranten und Waisenknaben in dem an die Kirche anschliessenden Gebäude. Die Kirche war wochentags normal besucht, d.h. ca. ein Dutzend Frauen, einige Kinder und 2-3 Männer. An Gründonnerstag und Karfreitag dagegen brechend voll. Unserer Schätzung nach mindestens 200 Personen aller Altersklassen, aber, fast ausschliesslich arme Leute. Die von uns besuchten Gottesdienste waren eine ergreifende Mischung aus mexikanischer Folklore - der Ordo Missae dabei ausgenommen - und römisch katholischer Frömmigkeit!
Noch vieles wäre zu berichten und ich hoffe, dies im Juni auch mit Hilfe der Fotos nachholen zu können. Für heute verbleibe ich mit herzlichen Grüssen von uns allen und auch an Ihre (...) Familie
Ihr (sig.:) Gerold Moser |