Unser ganzes Denken ist vom Tod umwittert Nachruf auf Gerd-Klaus Kaltenbrunner
von Magdalena S. Gmehling
Als ich am Abend des 12. April 2011 durch die Nachricht vom plötzlichen Ableben des Publizisten und philosophischen Essayisten, Gerd-Klaus Kaltenbrunner, überrascht wurde, dachte ich daran, dass der 12. 4. auch der Todestag des großen katholischen Theologen Johann Adam Möhler ist. 1838 verstarb er in München. Seine Grabinschrift zeigt eine geheimnisvolle Verwandschaft zum Lebenswerk Kaltenbrunners. Er heißt dort rühmend:
"Defensor fidei, Solamen ecclesiae, Litterarum decus" (Verteidiger des Glaubens, Trost der Kirche, Zierde der Wissenschaften).
Mit Recht könnte man auch den am 23. 2. 1939 in Wien geborenen und bis zu seinem Tode irn Schwarzwald lebenden, führenden Theoretiker des Konservatismus in Europa, als Verteidiger des angestammten katholischen Glaubens, als Trost der traditionell denkenden Kirche und als herausragende Zierde der Wissenschaften, bezeichnen.
Kaltenbrunner bestimmte seit 1962 maßgeblich das geistespolitische Klima in Deutschland mit. Seine Essays, die funkelnden Sternen glichen, erschienen in so renommierten Publikationen wie der durch W.S.Schlamm und Otto von Habsburg begründeten "Zeitbühne" und in der durch Martini, Hoeres und Bayer herausgegebenen "Epoche", in "Mut" und vielen Tages-und Wochenzeitungen. Die religionssoziologischen Essays seines väterlichen Freundes, August Maria Knoll, veröffentlichte er unter dem Titel "Zins und Gnade: Studien zur Soziologie der christlichen Existenz." Bis zum Jahre 1988 betreute der Polyhistor im Herderverlag 75 Bände (und 3 Sonderausgaben) der "Initiative". Daneben steht ein umfangreiches Werk in Buchform (Europa-Trilogie, "Vom Geist Europas" 3 Bände, "Wege der Weltbewahrung" 1 Band).
Kaltenbrunnner edierte im Insel-Verlag Franz von Baaders erotische Philosophie und setzte sich in seinem Bändchen "Eilte" mit demokratischer Elitenbildung auseinander. Kleinere Schriften erschienen über Johannes von Nepomuk, Anna Katharina Emmerich und die Heilige Philomena. In der "Grauen Edition" liegen zwei umfangreiche Werke von geistheller Tiefenschau vor. "Johannes ist sein Name - Priesterkönig Gralshüter Traumgestalt" (1993) und das opus magnum "Dionysius von Areopag - Das Unergründliche, die Engel und das Eine" (1996). Zahlreiche Preise krönten das Schaffen des berühmten Schriftstellers (Baltasar-Gracian-Preis 1985, Anton-Wildgans-Preis der Vereinigung österreichischer Industrieller 1986, Konrad-Adenauer-Preis für Literatur, 1986, Mozart-Preis der Goethestiftung, Basel 1988).
Als sich der Ideenhistoriker Kaltenbrunner 1988 in seinem Essay "Das Ende denken - Betrachtungen über Endlichkeit und Vergänglichkeit" mit dem thanatogenen Ursprung der Philosophie auseinander-setzte, kam er zu dem Resultat, es gelte "die Antlitzlosigkeit des Todes" auszuhalten. Er schreibt: "Es gibt sehr wohl eine durchaus adäquate und verstehende Beziehung zum Tode, die nicht in Gestalt der Melancholie oder einer elegischen Schwermut erscheint, sondern in so verschiedenen Haltungen wie Gelassenheit, Abschiedlichkeit, ja sogar Heiterkeit, die den Tod, die Sterblichkeit, die Todesgewissheit bejaht." Mir selbst schrieb er am Sebaldustag 1994 als Widmung in eines seiner Bücher das Wort des hl. Paulus an die Philipper "Unser Wandel ist im Himmel..."
Nun hat ihn, den erst 72-jährigen, rasch und unerwartet ein sanfter Tod ereilt. Eine Zeit des Loslassens, der bewussten Einkehr und Stille, ja des Schweigens, ging diesem Abschied voraus. Den feinnervigen und schönheitstrunkenen Ästheten quälten zunehmend die Zerstörungen, die Menschen in der Lage sind anzurichten. Er litt darunter, dass unsere Hoffnungen, die Träume von einer unverseuchten Erde, an ihre Grenze stoßen. Ekel erfasste ihn vor der sprachlichen Verwilderung medien-verseuchter Zeiten, vor der Barbarisierung und Selbstaufgabe kultureller Eliten, der Entsakralisierung der Kirche. Ihm, dem alles Kurzatmige und Kleinliche fremd war, der sich Geistern wie Hugo Ball, Franz von Baader und Joseph Görres verwandt fühlte, blieb nur noch die Möglichkeit des Rückzugs in eine eremitenhafte Existenz.
Der an Dionysius geschulte Philosoph Gerd-Klaus Kaltenbrunner umfängt das Paradoxon unseres Daseins, wenn er schreibt: "Alles gewinnt, wer alles verläßt. Wer sich reinigt, reinigt sich nur vom Elend der Eigenliebe. Wer sich entäußert, begibt sich der Dinge, welche nur die Eigenliebe reizen. Wer gleichmütig gegenüber den Genüssen dieser Welt ist, hört auf, das festhalten zu wollen, was die Eigenliebe immer wieder scheitern ließ (...) Genau genommen können wir nur unsere Fesseln verlieren und sonst nichts. Was uns wirklich zugehört, vermag uns keine Macht der Welt zu nehmen. Was wir hingegen in der Alltagssprache Ungebundenheit nennen, ist alles andere als Losgelöstheit (...) insbesondere die Ungebundenheit oder Bindungslosigkeit des modernen Menschen liefert ihn der ordinärsten, zufälligsten und wesenlosesten Bindungen aus, läßt ihn widerstandslos und süchtig dem Flüchtigsten und Beliebigsten anhaften, den billigsten Lockungen und Versprechungen auf den Leim gehen."
Schließen möchte ich diesen Nachruf mit einem Gedicht, welches Gerd-Klaus Kaltenbrunner über alles liebte. Es beschreibt sehr genau sein Denken und Fühlen:
Was wissen denn wir, was Friede ist, Nur die Toten kennen Gesang, Erst, wenn du in der Heimat bist, findet Stimm' zu Stimme im Klang.
Was wissen denn wir was Freude ist, Nur die toten Herzen sind froh, Erst wenn du Kind unter Kindern bist, Lacht der blaue Himmel dir wo.
Was wissen denn wir, was Leben ist, Nur die Toten leben im licht, Erst, wenn du in Seinen Armen bist, Siehst du nah des Einen Gesicht.
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Anmerkungen der Redaktion
Für viele, die Gerd-Klaus Kaltenbrunner vornehmlich als Literaten, vornehmlich als Essayisten oder als Editor gekannt haben, dürfte es überraschend sein, daß sein Denken sich nicht nur auf seine berufliche Arbeit richtete, sondern in seiner Universalität sich auch und gerade mit großer Aufmerksamkeit auf die religiös-kirchliche Entwicklung, die sich nach dem II. Vatikanum anbahnte, ähnlich wie Alfons Benedikter dies tat, der neben seiner politischen Karriere in Südtirol zum Förderer und Mitgestalter unserer Arbeit wurde. Nicht zufällig oder nebenher beobachtete er, der, wie Magdalena Gmehling schreibt, "vor der Barbarisierung und Selbstaufgabe kultureller Eliten" warnte, sondern mit geschärften Sinnen, wie sich "der Greuel der Verwüstung" in der Kirche ausbreitete, den er zunächst in den "SAKA-Informationen geißelte und dem er später als Mitarbeiter der EINSICHT in der Form entgegenwirkte, daß er biographische Denkmäler als Zeichen des Widerstandes aufbaute, in denen er an heroische Persönlichkeiten erinnerte. R.i.p.
Eberhard Heller
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Die hartnäckige Flamme
Gloria Riestra
Es kam das Dach des inneren Hauses herunter, aber das Flämmchen meines Glaubens an Dich sprach: - Besser, denn so fühle ich mich als Schwester der Sterne… Die Mauern, die es vor dem Wind schützten, begannen zu zerfallen, aber es sprach: - Besser, weil ich in der Einsamkeit strahlen werde wie ein in die Wüste gefallener Stern… Zuletzt zerbrach sogar das Gefäß, in dem sich das Öl befand, aber es sprach: - Es ist an der Zeit, größer zu sein – wie eine Pfütze aus Licht, das im Staub zerstreut ist… Es fielen die trockenen Blätter dessen, was der innere Garten war; das, was von der Flamme übrig blieb, sagte: - Der ganze Tod ist nur Brennstoff für mein Leben… Und ohne Schutz und fast ohne Behältnis besteht sie weiter in ihrem lebendigen Feuer, erleuchteter Rest meiner inneren Nacht, zart, schmerzhaft zu Dir erhoben, und versucht, sich aus Deinen im Schatten verborgenen Augen zu speisen In der Hoffnung, dass Du mit ihreine Unendlichkeit ewiger Fackeln entzündest… |