SEXUELLER MISSBRAUCH IN DER MOSCHEE
von Necla Kelek
Necla Kelek ruft im Interview mit The European zu einer „Revolution“ auf, damit sich auch muslimische Opfer von sexuellem Mißbrauch an die Öffentlichkeit trauen. „Anstatt sich zu schämen, sollten auch die muslimischen Opfer darüber sprechen. Da wird noch einiges rauskommen.“ Das Gespräch führte Fabian Löhe.
The European: Die katholische Kirche wird derzeit von sexuellen Mißbrauchsfällen erschüttert. Vergreifen sich auch Imame an kleinen Jungs?
Kelek: Die Falaka, das Schlagen auf Fußsohlen, gehörte früher in türkischen Koranschulen zum Konzept der schwarzen Pädagogik. Die Koranschulen in Deutschland sind immer noch geschlossene Institutionen, eine Kontrolle über das, was dort passiert, gibt es nicht. Überall wo Menschen hinter verschlossenen Türen mit kleinen Kindern zusammen sind, besteht die Gefahr, daß diese Macht mißbraucht wird. Ich bin nur froh, daß wir in dieser Gesellschaft solche Dinge ansprechen können, ohne Angst um das eigene Leben zu haben. Wir müssen den Kindern die Sicherheit geben, daß sie darüber reden können und wir sie nicht alleine lassen. Anstatt sich zu schämen, sollten auch die muslimischen Opfer darüber sprechen. Da wird noch einiges rauskommen. Wir wissen zum Beispiel nicht, was in den konspirativen Koraninternaten überhaupt geschieht.
The European: Was müßte passieren, damit sich auch muslimische Opfer an die Öffentlichkeit trauen?
Kelek: Eine Revolution. Mit den Ungläubigen über Mißbrauch reden? Ausgeschlossen. Über Sex reden? Ein Tabu. Aus religiösem Schamgefühl wird die Sexualität in der islamischen Community totgeschwiegen. Je weniger aber ein Kind über seinen eigenen Körper aufgeklärt ist, desto weniger kann es sich gegen Übergriffe schützen und desto leichter wird es zum Opfer von Mißbrauch. Gleichzeitig verleitet das Tabu die erwachsenen Männer dazu, die Situation auszunutzen. Wenn öffentlich würde, was Ärzte aus diesem Umfeld zu berichten wissen, gäbe es einen Aufschrei. Da tun sich Abgründe auf. Bis sich also in den Moscheen Kinder und Jugendliche dazu bekennen, Opfer sexuellen Mißbrauchs geworden zu sein, müssen wir noch eine Menge Vorarbeit und kritische Auseinandersetzung leisten.
The European: Dann müssten Sie doch ganz schön sauer sein, daß Innenminister de Maizière Sie aus der Islamkonferenz geschmissen hat. Denn da haben Sie mit Ihrer Kritik ja nicht gerade hinter dem Berg gehalten.
Kelek: Ich sehe das nicht als Rausschmiß. Es hilft der Sache überhaupt nicht, das persönlich zu nehmen. Die Bundesregierung hat unter dem Druck der Verbände gestanden, die mich sehr angegriffen haben, weil ich auf Antworten auf meine Fragen zum Beispiel zur Gleichberechtigung bestanden habe. Ich wollte über Inhalte sprechen. Jetzt will die Bundesregierung bei diesen Inhalten ansetzen, und man wird sehen, ob die Verbände darauf eingehen.
The European: Also hat das Innenministerium dem Druck der Verbände klein beigegeben?
Kelek: Nein, auch das würde ich so nicht sagen. Die Islamkonferenz ist erfolgreich gescheitert. Erfolgreich war sie, weil sie überhaupt möglich war, erfolgreich, weil klar geworden ist, dass die Verbände nicht für “den Islam” sprechen können. Gescheitert, weil nichts konkret verändert wurde. Nun muss sich die Islamkonferenz auf drei Punkte konzentrieren: die Gleichbehandlung von Mann und Frau, Sicherheit und Fundamentalismus sowie die Imamausbildung. Ich hoffe dabei einfach, dass die neuen Mitglieder die Verbände in die Zange nehmen. Sie müssen von ihnen fordern, in der Demokratie anzukommen und sich diesen Themen stellen.
The European: Hoffen ist das eine – bislang sieht es aber doch danach aus, als werde die Islamkonferenz durch den Personalwechsel weichgespült. Auch die Menschenrechtlerin Seyran Ate? mußte das Gremium verlassen …
Kelek: Ja, das ist sehr schade. Und auch Ezhar Cezairli ist nun nicht mehr dabei. Ich bin sehr froh, daß Herr de Maizière uns angeboten hat, als Berater weiter dabei zu sein. Ich werde das auch ernst nehmen. Wir werden die Islamkonferenz beobachten und unsere Meinung sagen. Ich werde nicht aufhören, mich einzumischen.
The European: Wollen Sie die Islamkonferenz etwa künftig von außen torpedieren?
Kelek: Warum so kriegerisch? Es hängt von uns Beratern ab, was wir aus unserem Status machen und wie wir ihn mit Inhalt füllen. Wir werden keine zahnlosen Tiger sein, sondern unsere Vorstellungen zu den Themen formulieren.
The European: Wenn Sie sich zu lautstark einmischen, wird Ihnen der Innenminister vielleicht schnell einen Maulkorb verpassen wollen …
Kelek: Ich glaube, daß Herr de Maizière das offene Wort schätzt. Ich sehe die Arbeit für die Konferenz als Bürgerpflicht an. Ich bin von niemandem abhängig, von keinem Verband, keiner Partei, keinem Institut. Niemand bezahlt mich dafür. Ich werde Möglichkeiten finden, meine Ansichten zu äußern, etwa indem ich weiter Bücher und Artikel schreibe. In meinem neuen Buch “Himmelsreise” zum Beispiel gehe ich detailliert auf die islamische Bewegung und Organisation in der Bundesrepublik und Europa ein. Ich beschreibe, mit welcher Absicht der Islam in Europa ist. Die Verbände sollten wir als das behandeln, was sie sind: Vertreter einer kleinen Minderheit. Sie repräsentieren insgesamt nur etwas mehr als zehn Prozent der Muslime.
The European: Gibt es darunter so etwas wie einen heimlichen Anführer?
Kelek: In meinem Buch gehe ich auf den Präsidenten der Islamischen Gemeinde in Deutschland, Ibrahim Farouk El-Zayat, ein. Er zieht im Hintergrund die Fäden, nicht nur im Islamrat, den die islamistische Milli Görüs dominiert, sondern beeinflußt über die Islamische Gemeinde (IGD) auch den Zentralrat der Muslime und damit den Koordinierungsrat der Muslime (KRM). Außerdem bin ich sicher, daß alles mit der Regierung in Ankara abgestimmt wird. Erdogan ist ein Schüler des Islamisten und Milli-Görüs-Gründers Erbakan, und El-Zayat ist mit dessen Nichte verheiratet. Gegen El-Zayat wird wegen derselben Vorwürfe wie gegen Milli Görüs ermittelt.
The European: Und wie wirkt sich das auf die Islamkonferenz aus?
Kelek: Ich vermute, daß die Islamverbände sich der Diskussion um Grundrechte nicht stellen werden. Sie wollen über Islamophobie und Diskriminierung des Kopftuches sprechen und ihre Anerkennung verlangen. Es geht ihnen nicht um Integration, sondern um ihre Ideologie. Sie beklagen öffentlich ihr Leid und vor Gericht das Recht “auf ihr religiöses Leben” ein. Sie kennen Fatwas und den Kadi, demokratische Willensbildung ist ihnen fremd. Sie sind wegen des Kopftuchverbots bei Lehrerinnen, dem Schächten, wegen der Teilnahme von Mädchen am Schwimmunterricht und wegen des Religionsunterrichts vor Gericht gezogen. Die Islamkonferenz wird aber auch ohne die Glaubensparteien weitergehen, denn die Politik weiß, daß sie die Muslime als Bürger gewinnen muß, wenn die Integration gelingen soll. Auf diesem Weg werden die Muslime vielleicht endlich ihre Vormünder los.
Quelle : the european.de
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15. März 2010 in KINDERN- CHILDREN Necla Kelek (* 31. Dezember 1957 in Istanbul) ist eine promovierte deutsche Sozialwissenschaftlerin und Frauenrechtlerin. ... Internet: http://img3.imageshack.us/img3/5191/67224418.jpg |