An das Generalkapitel im Jahre 1224
vom hl. Franziskus
Im Namen der höchsten Dreifaltigkeit und heiligen Einfaltigkeit, des Vaters und Sohnes und Heiligen Geistes. Amen.
Den hochwürdigen und sehr liebenswerten Brüdern insgesamt, dem Bruder Elias, dem gemeinsamen Diener des Bundes der Minderbrüder, seinem Herrn, und den übrigen gemeinsamen Dienern, die nach ihm sein werden, und allen Dienern und Wächtern und Priestern dieser Bruderschaft, den demütigen in Christus, und allen einfachen gehorchenden Brüdern, den ersten wie den letzten, entbietet Bruder Franziskus, ein gemeiner und hinfälliger Mensch, Euer ganz geringer Diener, Heil in dem, der uns in seinem kostbarsten Blut erlöst und gereinigt hat. Den betet an, da ihr seinen Namen hört, in Furcht und Verehrung zur Erde geneigt. Herr Jesus Christ, Sohn des Höchsten, ist sein Name, der gesegnet ist für alle Zeit. Amen.
Hört ihr, meine Herren, Söhne und Brüder, und erfasset mit dem Ohr meine Worte. Neigt das Ohr eures Herzens und gehorcht der Stimme des Gottessohns. Bewahrt im ganzen Herzen seine Gebote und erfüllt seine Ratschläge vollkommenen Sinnes. Beichtet ihm, denn er ist gut, und erhöhet ihn in euern Werken; denn dazu hat er euch in alle Welt gesandt, daß ihr in Wort und Werk von seiner Stimme Zeugnis gebet und jedermann wissen lasset, keiner sei allmächtig außer ihm. Verharret in Zucht und heiligem Gehorsam und erfüllet, was ihr ihm nach gutem und festem Vorsatz versprochen habt. Gleich als seinen Kindern bietet sich euch Gott der Herr.
Von Verehrung des Sakramentes
Ich ersuche darum euch Brüder alle mit Fußkuß und in so viel Liebe, als ich vermag, daß ihr alle Ergebenheit und alle Ehre dem heiligsten Leib und heiligsten Blut unsres Herrn Jesus Christ darbringt, in welchem alle Dinge im Himmel und auf Erden mit dem allmächtigen Gott befriedet und versöhnt sind.
Von der Messe
Ich bitte auch im Herrn alle meine Brüder Priester, die da sind und sein werden und Priester des Höchsten sein möchten, daß sie immer, wenn sie die Messe begehen wollen, rein in reiner Ergebenheit das echte Opfer des heiligsten Leibes und Blutes unseres Herrn Jesus Christ darbringen, in heiliger und lauterer Gesinnung und für keinerlei irdisches Gut, auch nicht aus Furcht oder Liebe irgendeines Menschen, als wollten sie Menschen gefallen. Nein, jeder Wille werde, soweit die Gnade des Allmächtigen dazu hilft, auf Gott gelenkt und begehre einzig ihm, dem höchsten Herrn, damit zu gefallen: denn einzig er wirkt dabei, wie es ihm gefällt. Wie er selber sagt: »Solches tut zu meinem Gedächtnis« - so wird jeder, der es etwa anders tut, zum Judas und Verräter, er wird mitschuldig an Leib und Blut des Herrn. Erinnert euch, meine Brüder Priester, was über das Gesetz Moses geschrieben steht: wer es auch nur im Körperlichen übertrat, starb ohne jedes Erbarmen durch den Spruch des Herrn. Wieviel größere und schlimmere Martern verdient, wer den Sohn Gottes mit Füßen tritt und das Blut des Testaments unrein achtet, durch welches er geheiligt ist, und dem Geist der Gnade Schmach antut! Der Mensch verachtet nämlich und verunreinigt und tritt mit Füßen das Gotteslamm, wenn er, wie der Apostel sagt, das heilige Brot Christi von anderen Speisen und Werken nicht unterscheidet und getrennt hält, vielmehr unwürdig ißt - oder, wäre er auch selbst würdig, auf eitle und unwürdige Weise ißt, wie denn der Herr durch den Propheten spricht: »Verflucht der Mann, der Gottes Werk trügerisch tut.« Und die Priester, die dies nicht zu Herzen nehmen wollen, die verurteilt er in Wahrheit, da er spricht: »Ich will eure Segnungen verfluchen.« Hört, meine Brüder: wenn die selige Jungfrau Maria so geehrt wird, wie es würdig ist, weil sie Ihn im heiligsten Schoß getragen hat - wenn der selige Täufer erbebte und Gottes heiligen Scheitel nicht zu berühren wagte - wenn das Grab, wo Er eine Zeitlang gelegen hat, verehrt wird - wie heilig, gerecht und würdig muß dann der sein, welcher ihn, den nicht mehr totbestimmten, sondern ewig lebenden und verherrlichten, ihn, den die Engel anzuschauen begehren, mit Händen betastet, mit dem Herzen und mit dem Munde aufnimmt und andern zum Aufnehmen bietet!
Sehet eure Würde, ihr Brüder Priester, und seid denn heilig, weil Er heilig ist. Und wie Gott der Herr euch um dieses Geheimnisses willen über alle geehrt hat, so liebet, verehrt und erhöht auch ihr ihn über alle. Großes Elend und elende Schwäche, wenn ihr ihn so gegenwärtig habt und selbst an irgend etwas andres in der Welt denken könnt! Der ganze Mensch erschaudre, die ganze Welt erzittre und der Himmel juble, wenn auf dem Altar in der Hand des Priesters Christus ist, der Sohn des lebendigen Gottes. O wunderbare Hoheit und erstaunliche Herablassung! O erhabene Demut, o demütige Erhabenheit, wenn der Herr des Alls, Gott und Gottes Sohn, sich so erniedrigt, daß er unserm Heil zuliebe sich unter der kleinen Form des Brotes verbirgt. Seht, Brüder, Gottes Demut und schüttet euer Herz vor ihm aus; erniedrigt auch ihr euch, auf daß er euch erhöhe. Nichts von euch behaltet für euch: Er muß euch ganz empfangen, der sich ganz euch gewährt.
Daß nur eine Messe zu sagen
Ich mahne außerdem und heische im Herrn, daß dort, wo Brüder weilen, nur eine Messe am Tag nach der Form der heiligen Kirche gefeiert werde. Sind aber mehrere Priester dort, so sei um der Liebe willen der eine zufrieden, den andern feiern zu hören: denn Nahe und Ferne, die seiner würdig sind, erfüllt der Herr Jesus Christ. Mag er an mehreren Orten zu sein scheinen, er bleibt doch unteilbar und kennt keinerlei Minderung: als einer wirkt er überall, wie es ihm gefällt, mit dem Herrn, dem Gottvater und dem Heiligen Tröstergeist, für die Zeiten der Zeiten. Amen.
Von Verehrung der geweihten Worte
Und weil, wer aus Gott ist, Gottes Worte hört, darum müssen wir, die wir vor andern für die Gottesämter erkoren sind, nicht nur hören und tun, was Gott sagt, sondem auch - um auf die Hoheit des Schöpfers in uns und in ihm auf unsere Unterworfenheit zu deuten - die Gefäße und übrigen Geräte behüten, die sein Heiligtum bewahren. Deswegen ermahne ich alle meine Brüder und ermuntere sie in Christus, daß sie überall, wo sie Gottes Worte geschrieben finden, sie nach Kräften verehren, und wenn sie nicht gut verwahrt sind oder irgendwo unehrbar zerstreut liegen, das Ihre tun, sie zu sammeln und zu verwahren, indem sie in den Sprüchen den Herrn ehren, der sie gesprochen hat. Vieles wird ja durch Worte Gottes geweiht, und in Kraft der Worte Christi wirkt man das Altarsakrament.
Beichte
Ich beichte fernerhin Gott dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist, und der seligen Maria, der Jungfrau immerdar, -und allen Heiligen im Himmel und auf Erden, dem Bruder Elias, dem Diener unsres Bundes, als meinem ehrwürdigen Herrn, und den Priestern unsres Ordens und all meinen andern gesegneten Brüdern alle meine Sünden. In vielem habe ich durch schwere eigne Schuld missegetan, besonders weil ich die Regel, die ich dem Herrn gelobt, nicht gehalten habe, auch weil ich das Gottesamt nicht, wie die Regel gebietet, gesprochen habe; sei es aus Nachlässigkeit oder Schwäche, oder weil ich unwissend und töricht bin.
Von der Regel und der Art, das Amt zu sagen, und auch von der Singart der Minderbrüder
Und deshalb bitte ich, so viel ich kann, den Bruder Elias, meinen gemeinsamen Herrn Diener, daß er die Regel von allen unverletzlich beobachten lasse. Auch sollen die Geistlichen das Amt mit Andacht vor Gott hersagen, nicht mit Rücksicht auf den Wohlklang der Stimme, sondem auf den Einklang des Geistes, auf daß die Stimme mit dem Geist, der Geist aber mit Gott einträchtig sei, auf daß sie durch Herzensreinheit Gott sänftigen und nicht durch Stimmenreiz dem Ohr des Volkes schmeicheln mögen.
Ich selbst verspreche, dies alles fest zu behüten, soweit der Herr mir Gnade gewährt, und ich werde es den Brüdern, die mit mir sind, im Gottesdienst und allen Satzungen der Regel zu beobachten geben. Wer aber unter den Brüdern dies nicht beobachten mag, den halte ich nicht für katholisch und nicht für meinen Bruder; den will ich auch nicht sehen noch sprechen, bis er Buße getan hat. Ein gleiches sage ich auch von allen denen, die in Verachtung der Ordenszucht schweifend wandern: denn unser Herr Jesus Christ hat sein Leben gegeben, um den Gehorsam gegen den heiligsten Vater nicht aufzugeben.
Ich, Bruder Franziskus, ein unnützer Mensch und unwürdiges Geschöpf Gottes des Herrn, heiße beim Herrn Jesus Christ den Bruder Elias, den Diener unsres ganzen Bundes, und alle gemeinsamen Diener, die nach ihm sein werden, und die übrigen Wächter und Hüter der Brüder, die sind und sein werden, daß sie dies Schreiben bei sich haben, es befolgen und sorgfältig verwahren. Und ich flehe sie an, was darin geschrieben steht, eifrig festzuhalten und mit Fleiß beobachten zu lassen, gemäß dem Wohlgefallen des allmächtigen Gottes, jetzt und immer, bis diese Welt zu Ende ist. Seid vom Herrn gesegnet, ihr die es tut, und in Ewigkeit sei der Herr mit euch. Amen.
(aus: "Franz von Assisi - Fioretti • Gebete • Ordensregeln • Testament • Briefe" übers. von Wolfram von den Steinen und Max Kirschstein, Zürich 1979, S. 63 ff.) |