Zum Beginn des neuen Jahrganges 2011
von Eberhard Heller
Verehrte Leser! Selten hat ein Echo auf einen Spendenaufruf solchen Widerhall erlebt wie derjenige, in dem wir unsere aktuelle Geldnot offenlegten und Sie baten, uns großzügig zu unterstützen. Dank Ihrer enormen Großherzigkeit ist es uns nun möglich, unsere kritische Aufklärungs- und Pastoralarbeit zumindest für dieses Jahr weiterzuführen, die wir andernfalls im Druckbereich hätten einstellen müssen. Für Ihre Mithilfe bei der Rettung der EINSICHT möchten wir uns bei Ihnen allen ganz herzlich bedanken.
Wenn uns auch Ihre spontane Reaktion auf unseren Hilferuf Ihr Interesse an einem Organ signalisiert, in dem die brennenden Probleme unserer religiös-kirchlichen Situation angesprochen werden, so müssen wir andererseits weiter darauf hinweisen, daß sich an dem allgemein geistig-moralischen Verhalten in unseren Kreisen nichts zum Besseren gewendet hat. Darum war es richtig, Sie verehrte Leser, seit längerem mit der Realität einer priesterlosen Zeit und der Vereinsamung hinzuweisen und Sie dazu zu ermutigen, sich selbst um ein inständiges Verhältnis zu Gott zu kümmern, da die angeblich berufenen Mittler bis auf ganz wenige Ausnahmen versagen.
Das Unbegreifliche an diesem priesterlichen Desaster ist, daß sich bestimmte Kleriker auf der einen Seite zwar bewußt der Tradition zuwenden, daß sie aber dann nicht daran denken und arbeiten (wollen), wie sie diese religiös-kirchliche Krise einer Lösung zuführen können. Die Abstinenz der jüngeren Kleriker in der theologischen Durchdringung der Frage, wo denn heute die Kirche sei, wie sie zu restituieren sei, an der zur Zeit der DECLARATIO und den Bischofsweihen von S.E. Mgr. Ngo-dinh-Thuc alle Beteiligten - Kleriker und Laien - mitarbeiteten (in diesem Zusammenhang verweise ich Sie gerne auf die Ausarbeitungen der Jahre 1981 und folgende hin), wird von ihnen mit dem Hinweis abgetan, man gehe auf in der Pastoral. Diese Enthaltung, sich den wichtigsten Problemen zu entziehen, dauert aber nun schon über zwanzig Jahre an! Und so gerät der ehemals theologisch und kirchlich geführte Widerstand immer tiefer in den Sumpf katholisierenden Sektierertums.
Vor Jahren, d.h. um 1999, hatten wir eine ähnlich gelagerte Situation, daß nämlich durch bewußte und gewollte Ausklammerung einer lebensnotwendigen Klärung der Widerstand in schwierige Fahrwasser geraten war. Es gab das Problem, daß durch Mißachtung und Vernachlässigung der Intentionsproblematik bei der Sakramentenspendung - hier bei der Spendung der hl. Weihen - die Tür geöffnet wurde für die Übernahme aller möglichen und unmöglichen Clerici vagantes mit dubiosen und direkt ungültigen Weihen in unsere Zentren. Welch geduldiges, zähes Ringen war nötig, um nachzuweisen, daß all die Lingens keine gültige Weihe besaßen, obwohl sie doch recht ordentlich als Kleriker gekleidet erschienen. Welch groteske Situation ergab sich, als Herr Rothkranz besagten Kinderschänder Franck, der damals im Gefängnis einsaß, als rechtgläubigen Regionalbischof für Deutschland empfahl, dessen Weihen nachweislich ungültig sind. Damals schrieb ich in den "Mitteilungen" (Aug 1999, Nr. 3): "Man könnte darum diesen Disput, der zwischen verschiedenen Vertretern des kath. Konservativismus (...) und mir ausgefochten wurde, keine weitere Beachtung schenken, wenn er nicht auf ein hoch brisantes Problem in unseren Kreisen bezogen wäre, von welchem alle Gläubigen betroffen sind, nämlich auf die sektiererische Unterwanderung unseres zwar bescheidenen, wiewohl dennoch vorhandenen Widerstandes. Während ich mit der von mir vertretenen Position versuche, die Spreu vom Weizen, sprich gültige von ungültigen bzw. dubiosen Priester- und Bischofsweihen zu trennen, dient [einem Kleriker] und seinen Mitstreitern ihre Theorie dazu, in allen möglichen Vaganten gültig geweihte Priester und Bischöfe anzusehen, die dann, da 'geweiht', auch in den Zentren als 'Seelsorger' eingesetzt werden könnten. (Ich merke hier noch an, daß in der (...) vertretenen These [eines Klerikers] die zur Gültigkeit notwendige Intention de facto keine Rolle mehr spielt.) Es wird weder die Sukzession dieser Leute überprüft, noch deren kirchlicher Status. Neuerdings soll auch eine nicht gespendete oder ungültige (falls eine solche überhaupt noch vorstellbar ist!) Priesterweihe durch eine Bischofsweihe (gültige) suppliert, d.h. ersetzt werden können", was eindeutig von der Kirche ausgeschlossen wurde.
Und was ich damals hinsichtlich beabsichtigter Konsequenzen schrieb, kann ich auf unsere heutige Situation wiederholen: "Man mag mich bitte richtig verstehen! Ich sage klipp und klar: hier hört für mich der Spaß, will sagen: die Diskussion auf. Ab hier habe ich mich dafür eingesetzt und werde es auch weiterhin tun - mit Personalrecherchen und Argumenten -, daß Zentren, die bisher einigermaßen intakt und die Option einer weiteren Restituierbarkeit in Richtung Heilsinstitution in sich bargen, von der sektiererischen Unterwanderung verschont bleiben, um auch noch so kleine Inseln (mit dem Attribut "kath. Kirche") zu bewahren!
Heute ist es nicht so sehr die ungeklärte Intentionsfrage, sondern der nicht geklärte Kirchenbegriff. Die jungen Kleriker - Bischöfe und Priester - beschränken sich auf eine nicht weiter definierte und gerechtfertige 'Pastoral', um sich systemrelevanten Fragen zu entziehen. Allenfalls taucht dafür noch die Entschuldigung 'Notsituation' auf. Der einzige Priester der jüngeren Generation, der sich dieser Klärung nicht nur nicht entzieht, sondern - wie das die Mitarbeit an der Erklärung zur Restitution der Kirche von 2000 zeigt, die er neben Herrn Jerrentrup und mir mitunterzeichnet hat - nach seinen Kräften aktiv unterstützt, ist Fr. Krier in Las Vegas/USA.
Mein damaliger Vorstoß in Mexiko, über einen durchaus definierten Kirchenbegriff Klarheit zu verschaffen für die daraus abgeleiteten Aktivitäten zur Wiederherstellung der Kirche, schien zunächst auf Einsicht zu stoßen, scheiterte aber an Bischof Pivarunas. Dieser hatte sich nicht nur in der Affaire um die Rekonziliation des orthodoxen 'Bischofs' Yurtschik - inzwischen abgetaucht mit eventuellen Spendengeldern, wie mir brieflich mitgeteilt wurde - päpstliche Rechte angemaßt, sondern auch die Mexikaner in kirchlichen Angelegenheiten erfolgreich zu erpressen versucht. Das hatte zur Folge, daß der Prozeß der Klärung des Kirchenbegriffes stockte und sich die Mexikaner von der Restitution der Kirche als Heilsinstitution zurückzogen, obwohl sie durch ihren geistigen Ziehvater, Bischof Carmona darauf vorbereitet waren. Das hatte nach 2000 zur direkten Folge, daß die zugesagte Verantwortlichkeit für die Gläubigen in Europa nicht wahr genommen wurde.
Der Priester als "alter Christus" sollte eigentlich Mittler zwischen den Gläubigen und Gott sein, um gleichsam die "Tür zum Himmel zu öffnen, verwaltet er doch auch die Gnadenmittel, die eine unmittelbare Anteilnahme am Leben Gottes ermöglichen: die Sakramente, die aber nicht von sektiererischen Klerikern, sondern nur von Priestern gespendet werden dürfen, die sich eindeutig als Priester der kath. Kirche ausweisen können. Wenn er dieser Aufgabe nicht nachkommt, gleichsam den Himmel verschließt, wird er zum Ärgernis für die Gläubigen. Wie gesagt, dem können wir uns nur entziehen, in dem wir religiös erwachsen werden und uns mittlerlos direkt an Gott, die Mutter Gottes und an alle Heiligen im Himmel wenden.
Es gibt aber noch einen anderen Bereich, in dem jeder an sich arbeiten sollte: der Orthodoxie sollte eine Orthopraxie entsprechen, dem wahren Glauben das Handeln aus Moralität. Wenn wir versuchen, den Zeitgenossen unsere Position zu erklären, kann es sein, daß wir auf Unverständnis, ja Ablehnung stoßen werden. Das sollte uns nicht weiter irritieren, hat doch die angebliche vatikanische Reform nach 1965 inzwischen ihre eigene Tradition ausgeformt. Was aber bei unseren Gesprächspartner hängen bleibt, ist der Habitus unserer Exklusivität. Und da das theologische, insbesondere das katechetische Niveau allseits gesunken ist und wir mit unseren Argumenten kaum noch verstanden werden, so bleibt nur eine Schiene übrig, um Vertrauen zu gewinnen: moralische Souveränität. Es kann nicht sein, daß ein Konvertit nach Jahren seinen Schritt bereut, weil er in unseren Kreisen nur "Heuchler" angetroffen hat. Wenn wir auch in der Effektivität eines orthodox-kateche-tischen Apostolates durch eine allgemeine Gleichgültigkeit behindert sind, im Bereich der Orthopraxie können wir frei wirken... und diese Chance sollten wir - in der Nachfolge Christi - nutzen.
Ihr Eberhard Heller |