12. Was ist zu tun?
a. „Schart euch zusammen…“
Es müssen demnach alle Kleriker des Erdkreises, die der Kirche nahestehen, geworben werden. Das kann nur gelingen, wenn alle Kleriker und alle Gläubige erreicht werden, die die derzeitige Lage der Kirche in den Grundzügen erfaßt haben, die also dem Sedisvakantismus zuzurechnen sind. Ich behaupte nicht, daß diese Aufgabe im Nu und leichterdings erledigt wäre; die Wiederherstellung der Kirche ist nicht ohne Sammlung, ohne Anstrengung und nicht zum ‚Nulltarif’ zu erlangen. Ich behaupte aber mit allem Nachdruck, daß diese Aufgabe unbedingte und längst zu erfüllende Pflicht der Mitglieder der Kirche ist! Und hier kommen die Laien ins Spiel, denn die Wiederherstellung der Kirche ist nicht nur die Sache der Priester, sondern genauso Sache der Laien.
„Wenn aber die Not drängt, sollen nicht bloß die Vorsteher (der Kirche) über die Unversehrtheit des Glaubens wachen, vielmehr ist dann jeder Einzelne gehalten, für seinen Glauben vor anderem offen einzustehen, sowohl um andere Gläubige zu unterweisen und zu bestärken, als auch um den Übermut der Ungläubigen zurückzuweisen“, so der hl. Thomas von Aquin (Summa Theologica, 2, 2, q. 3, art. 2 ad 2). Die Aufgabe der Verkündigung, das heißt des Lehrens, liegt nun nach göttlichem Recht bei den Lehrern, welche der Heilige Geist zu Bischöfen bestellt hat, die Kirche Gottes zu regieren, im höchsten Grade beim Römischen Papst, dem Stellvertreter Jesu Christi, der mit Vollgewalt über die Gesamtkirche als Vorgesetzter bestellt, auch unser Lehrer darin ist, was zu glauben und was zu tun ist. Gleichwohl meine niemand, dass den Privatpersonen eine Mitwirkung in diesen Dingen verwehrt sei: namentlich solchen unter ihnen, denen Gott geistige Befähigung und Eifer im Vollbringen gegeben hat. Gewiß können diese, so oft die Umstände es erfordern, ohne sich die Befugnisse eines Lehrers anzumaßen, doch, gleichsam als vorzügliches Echo der kirchlichen Lehrmeister auch anderen mitteilen, was sie selbst empfangen haben. Diese Mitwirkung von Privatpersonen hielten die Väter des vatikanischen Konzils für derart zweckmäßig und fruchtbar, daß sie dieselbe geradezu zur Forderung erhoben haben: alle Christgläubigen, besonders aber diejenigen, welche das Amt eines Vorstehers oder Lehrers bekleiden, bitten und beschwören wir um der Liebe Jesu Christi willen, und befehlen Ihnen im Namen desselben Gottes und unseres Heilandes, mit Eifer dahinzuwirken, daß diese Irrtümer von der heiligen Kirche abgewehrt und ferngehalten werden und das Licht des Glaubens in vollster Reinheit erstrahle.“ (aus dem Apostolischen Rundschreiben „Sapientiae christianae“ Leo XIII. vom 10.1.1890)
Denn die Laien brauchen keinerlei Sendung: Die Priester an etwas zu erinnern, wozu jene ohnehin längst verpflichtet sind, dazu bedarf es keiner Sendung. Sie, die Laien müssen für die Wiederherstellung der Kirche tätig werden durch den Zusammenschluß der letzten ‚Sedisvakantisten’: „Schart euch zusammen! Ja, schart euch zusammen, du Volk, das man nimmermehr lieben kann! - : Bevor der Beschluß sich erfüllt – wie Spreu fährt der Tag dahin - , Bevor noch über euch kommt die Zornglut des Herrn, bevor noch über euch kommt der Tag des Zornes des Herrn.“ (Henne/Rösch, AT, Sophonias 2, 1 und 2),
Und bis dahin, solange sie sich nicht darauf besonnen haben, daß auch sie auf diese Weise ihren Beitrag zur Wiederherstellung der Kirche leisten können und leisten müssen: solange sie sich nicht zu diesem Zwecke zusammengefunden haben, sind sie weiterhin in der Vereinzelung untätig gefangen. „Von ganzen Herzen fürchte den Herrn und halte seine Priester in Ehren. Liebe deinen Schöpfer, soviel du vermagst, und laß seine Diener nicht im Stich. Fürchte den Herrn und ehre den Priester.“ (Henne/Rösch, a.a.O., AT, Sirach 7, 29 und 30) Es ist zwar nicht Sache der Laien, Seine Diener, Kleriker zurechtzuweisen, wenn aber die Lämmer verhungern und verdursten, werden sie die Schafe in die Kniekehlen, die Hinterteile und die Bäuche zwicken, damit diese sich erheben und die Lämmer auf dem Pfad der Weisheit zur Tränke und zu den Weidegründen führen – und zwar werden sie erlaubtermaßen, nämlich aus Notwehr zwicken, schubsen und durch durchdringendes Blöken äußerst lästig fallen: die Schafe, die liegen bleiben, sie erdrücken ihre Lämmer im Schlaf: sie sind in Gefahr, den Glauben an, die Hoffnung auf und die Liebe zum Dreigestaltigen und seinem Diener, die heilige Kirche zu verlieren.
Welchen Schaden die Kirche nimmt, wenn sie ungebührlich lange ohne Inhaber des päpstlichen Stuhles, wenn sie sogar wegen des Zusammenbruchs der kirchlichen Hierarchie ohne lebendiges kirchliches Lehr- und Hirtenamt bleibt, erleben wir ‚Sedisvakantisten’ zur Zeit jeder an seinem eigenen Leib. Deshalb hatten in der Vergangenheit verschiedene Päpste für die Wahl ihrer Nachfolger strenge Konklaveordnungen aufgestellt, die den Wählenden bei Wasser und Brot die alsbaldige Wiederherstellung der Kirche zur Pflicht auferlegten, um so durch die zügige Neubesetzung des Stuhles Petri genau solche Verhältnisse zu verhindern, wie sie jetzt bestehen.
Wir werden ein Netz von Kontakten aufbauen müssen zu dem einen Zweck der notdürftigen Sammlung der Verstreuten, zum Zwecke des Auffindens der Priester der Kirche, die die Wahl von ‚Not-Kardinälen’ vornehmen werden, von denen schließlich die Wahl des nächsten Papstes und damit die Wiederherstellung der kirchlichen Hierarchie, des lebendigen Lehr- und des lebendigen Hirtenamtes der Kirche erfolgt: „Stehe auf und miß den Tempel Gottes und den Altar und die darin anbeten. Den Vorhof aber außerhalb des Tempels laß aus und miß ihn nicht, denn er ist den Heiden überlassen. Sie werden die heilige Stadt zertreten zweiundvierzig Monate lang.“ (NT, Offenbarung des hl. Johannes, 11, 1 und 2) Diejenigen von uns, die endlich das längst überfällige Werk angehen und für die Kirche zurüsten, müssen Kontakt zu allen greifbaren Gruppen und Grüppchen der Sedisvakantisten, Klerikern wie Laien, auf dem Erdkreis aufnehmen, sie müssen sich von Gruppe zu Gruppe durchfragen, sich im Schneeballsystem weiterfragen: die Kirche ist universal, katholisch, denn „... die gesamte Kirche, das sind die Gläubigen allerorts...“. (Dekret des Vatikanischen Konzils (1869/70), vierte Sitzung, 18.7.1870, Erste Dogmatische Konstitution über die Kirche Christi)
Der Wiederherstellung der Kirche muß die Sammlung der über den Erdkreis verstreuten Mitglieder der Gemeinschaft der Gläubigen vorausgehen, denn sie alle gehören zu den im Tempel Anbetenden – und nicht nur der Tempel, sondern auch diese sind ‚auszumessen’.
Die Restauration der Kirche wird, ist sie erst einmal in Angriff genommen, mit Gottes und seiner Heiligen Hilfe einfacher und schlichter als zu befürchten vonstatten gehen, aber die Wiederherstellung muß angegangen und darf nicht weiter verzögert werden.
Wenn wir die Sache nur endlich anfassen, dann sind außer der Sorge, daß die Berufenen weiterhin sorglos und untätig bleiben, und daher in der Gefahr sind, ausgetauscht zu werden und daher die Restauration der Kirche nicht mehr zu erleben, unnütze Sorgen unbegründet: „Als die Gottesfürchtigen sich untereinander berieten, merkte der Herr auf und hörte es“… (Henne/Rösch, AT, Malachias 3, 16);
Jeder Rückschlag sei Anstoß, der zu zehnfacher Anstrengung anstachelt; jedes Mißlingen der Anlaß für das Überspringen der nächsten unüberwindlich erscheinenden Hürde. Ein einfacher Aufruf, ein Zählappell, auf Zuruf werden wir uns einfinden, Gott selbst wird uns leiten. „Ad sum“ - da bin ich, Herr, ich bin dabei, ich bin dafür.
„Nicht wahr, ich schweige, zeige mich nicht offen; so fürchtest du dich nicht vor mir.“ (AT, Isaias 57, 11), „Urlang geschwiegen habe ich, und mich gehüllt in Schweigen“ (AT, Isaias 42, 14) - Gott scheint derzeit abwesend, diejenigen, die seine Existenz behaupten, scheinen wie Eidetiker mit der Gabe überschäumender Vorstellungskraft, wie Wahnhafte, die Halluzinationen erlegen sind. Dennoch und entgegen aller Demagogie der Aufklärung: Die Annahme der Lehren des Herrn und die Zugehörigkeit zu seinem Reich, der Kirche, war, ist, und bleibt stets eine Sache der Intelligenz, des Verstandes, ausreichender Einsicht und Weisheit. Mag derzeit die Zugehörigkeit zur Kirche für eine kleine Weile das Privileg einiger ausgesucht weniger kompromißlos Scharfsichtiger, einiger erschreckend weniger Einsichtiger sein, die nicht nur ihre fünf Sinne und ihrem Verstand beieinander haben, sondern nicht vor den unglaublichen Irrtümern der Moderne vor Ehrfurcht erstarren, sondern sich sogar auch noch trauen, ihn selbsttätig zu gebrauchen, mag sie eine Frage wahrhaften Mutes gepaart mit wahrhafter Bildungsfähigkeit und Intelligenz sein: niemals wird die Kirche überrannt werden: „Fürwahr, des Herren Augen schauen auf das frevelhafte Reich. ‚Doch tilge ich durchaus nicht also Jakobs Haus, daß ich es von der Erde tilgte.’ – Ein Spruch des Herrn. ‚Fürwahr! Ich gebe Weisung, dann laß ich das Haus Israel bei all den Heiden schütteln, wie man in einer Schütteltrommel schüttelt, daß auf die Erde nicht ein einziges Klümpchen fällt.“ (AT, Amos 9, 8 und 9)
Eine kurze Parole, ein Kodex: ich bin katholisch, ich bin der Lehre und den Satzungen Christi und seiner Kirche - und nicht denen des Tieres, dessen Gegenkirche und deren Umfeld - verpflichtet, eben darum kann und will ich Zeugen von Leichen und die Kirche von der Gegenkirche und deren Umfeld unterscheiden. Eben darum habe ich den furchtbaren Zustand der Kirche und meine eigene Verantwortung für die Wiederherstellung der Kirche tatsächlich erfaßt, und eben darum will ich an deren Wiederherstellung mitwirken, soweit es mir möglich ist.
Aber die Worte: „Schart euch zusammen! Ja, schart euch zusammen, du Volk, das man nimmermehr lieben kann!“ (Henne/Rösch, AT, Sophonias 2, 1) gilt nicht minder, sondern zu allererst dem Priesterstand. An diesen hat nämlich der hl. Papst Pius X. in dem
Apostolischen Rundschreiben „Haerent animo“ vom 4.8.1908 die mahnenden Worte gerichtet:
„Mögen sich alle durch die christliche Liebe auszeichnen, die nie von Eigennutz geleitet wird. Fern sei der nach Menschenart auftretende Stachel des Neides und der Zwietracht, fern sei selbstsüchtiger Ehrgeiz, damit all euer eifriges Streben in brüderlichem Wetteifer einmütig der größeren Ehre Gottes diene! Eine große, ganz elende Menge Leidender, Blinder, Lahmer und Abgezehrter wartet auf eure barmherzigen Wohltaten. Sie wartet ganz dringend, rings umgeben von falschen Vorspiegelungen und Verführungen, in dichten Scharen die Jugend, die so teure Hoffnung sowohl des bürgerlichen Lebens als auch der Gottesverehrung… Ein weiteres Mittel, das zu empfehlen Uns am Herzen liegt, ist der enge Zusammenschluß der Priester untereinander, wie sie sich für Amtsbrüder geziemt... Es empfiehlt sich wahrlich dieser Zusammenschluß zum Zwecke gegenseitiger Hilfeleistung in Nöten, zum Schutze der Ehre und zur Abwehr der feindlichen Angriffe und ähnlichen Lagen. Die größte Bedeutung aber kommt diesem Zusammenschluß zum Zwecke der Förderung der theologischen Bildung und noch dringlicher zur Stärkung der Standhaftigkeit im Priesterberuf und in der Sorge um die Ausbreitung des Seelenheils in gemeinsamer Verständigung und mit vereinten Kräften zu. Die Geschichte der Kirche bezeugt, welch ein großer Segen aus solchen Zusammenschlüssen in den Zeiten hervorgegangen ist, in denen die Priester sich da und dort zu einem gemeinsamen Leben zusammentaten. Sollte sich dies in unseren Tagen in den Formen, die den Zeitumständen und Aufgaben entsprechen, nicht erneuern lassen? Dürfen wir nicht zur Freude der Kirche den früheren Segen mit Recht von ihm (einem solchen Zusammenschluß der Priester) erhoffen?“
Wenn nämlich der hl. Papst Pius X. in dem gerade zitierten Apostolischen Rundschreiben „Haerent animo“ die Priester während der damals bestehenden kirchlichen Hierarchie zum Zusammenschluß untereinander mahnte, um wieviel mehr muß das während des jetzigen Zustandes der Hierarchielosigkeit der hl. Kirche gelten?
„In jeder Gemeinschaft von Menschen, was auch immer der Grund ihres Zusammenschlusses sein mag, ist es für das Gedeihen der gemeinsamen Sache von höchster Wichtigkeit, daß die Glieder in größter Einmütigkeit das gemeinsame Ziel verfolgen. Daher wolllen Wir Sorge tragen, alle Meinungsverschiedenheiten und jegliche Uneinigkeit unter Katholiken zu beseitigen und neuen vorzubeugen. Vielmehr sollen sie wahrhaft einig sein im Handeln und Denken. Die Feinde Gottes und der Kirche wissen allzu gut, daß jegliche Zwietracht der Unsrigen im Kampf und in der Verteidigung für jene den Sieg bedeutet. Daher sind sie von jeher darauf aus, in die festgeschlossenen Reihen der Katholiken listig den Samen von Uneinigkeit und Zwietracht zu sähen und die feste Verbundenheit zu stören. Ach, wäre ihnen doch dieses Vorgehen nicht so oft gelückt zum großen Schaden für die Sache der heiligen Religion!“ (Papst Benedikt XV., Apostolisches Rundschreiben „Ad beatissimi Apostulorum“ vom 1.11.1914)
Die wählenden Väter müssen daher dem gesamten Erdkreis entstammen: alle notdürftig gesammelten Mitglieder der Kirche müssen durch sie vertreten sein: Dann wird durch solch eine katholische Aktion den Anforderungen an eine vor Gott ‚wirksame Geburt’ („Der römische Ponifex erhält die Vollgewalt der Jurisdiktion sofort durch die Annahme der rechtmäßigen Wahl, und zwar iure divino, unmittelbar von Gott, nicht durch Übertragung seitens der Wähler.“; Retzbach, a.a.O., S. 54), an die gültige Wahl eines Papstes, an die Wiederherstellung der Hierarchie der Kirche, an die Wiederherstellung des lebendigen Lehramtes und des lebendigen Hirtenamtes der Kirche Genüge geleistet sein: eben dadurch kommt Lebensgeist von Gott über die beiden Zeugen und sie stellen sich auf ihre Füße!
Wir werden bei der Suche nach den Verstreuten auf Dornen, Disteln, verhärteten Wegesrand, steinigen Grund und gutes Erdreich stoßen: Die einen werden die Wahl eines Stellvertreters Christi überhaupt für überflüssig, andere für schädlich, wieder andere für jetzt noch nicht oder jetzt nicht mehr opportun, weitere für auf diese Weise oder unter diesen Umständen nicht genehm, nicht ‚gottgefällig’ erachten. Ist damit die Wahl eines Papstes zum Scheitern verurteilt, ist sie praktisch unmöglich? Nein: lassen wir uns nicht schrecken!
Die Papstwahl und deren Vorbereitung ist es, nur sie allein, die zum Eck- und Prüfstein für die im Tempel Anbetenden, für die wahren Jünger Christi, für die Katholiken wird: einzig und allein nur durch ihre Mitwirkung an der Wiederherstellung der Kirche, der Wahl eines Papstes werden sie sich als solche - als die im Tempel Anbetenden, als die zur Gemeinschaft der Gläubigen Gehörenden - ausweisen können! Der Vorhof ist den Heiden überlassen! Und ob alle ‚Sedisvakantisten’ sich als papst- und kirchentreu, als wahrhaft katholisch erweisen werden, wird sich noch herausstellen.
Es können sich aber nur diejenigen als Mitglieder der einen Kirche ausweisen, die in gewöhnlichen Zeiten das Merkmal der Einheit der Kirche bewahren. Für unsere Zeit aber der weggebrochenen Hierarchie der Kirche heißt das: die die Einheit der Kirche ernsthaft erstreben: „Bestrebt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens. Ein Leib und ein Geist, wie ihr berufen seid zu einer Hoffnung eurer Berufung. Ein Herr, ein Glaube, eine Taufe, ein Gott und Vater aller, der da ist über allen und durch alle und in allen.“ (NT, Epheserbrief 4, 3 – 6) Gemessen werden kann nur das, was sich zuvor sammeln ließ, das Verstreute ist nicht meßbar. Es geht eben nicht nur um die Behebung einer (gewöhnlichen) Vakanz des päpstlichen Stuhles bei im übrigen intakter (Rest-) Hierarchie in der Kirche, wie sie nach dem Ableben oder der Resignation eines Papstes eintritt: Kirchliches Lehr- und kirchliches Hirtenamt, alle übrigen Ämter neben dem Papstamt, die gesamte Hierarchie in der Kirche sind vielmehr erloschen, die Kirche hat ihre Sichtbarkeit verloren und ihre Grenzen sind unscharf geworden - die Kirche ist tatsächlich neu zu vermessen, ihr Inhalt, ihr Umfang und damit ihre Grenzen sind wieder kenntlich zu machen - und genau dazu muß das Zerstreute zuvor notdürftig gesammelt werden.
Zu sammeln und zu messen sind aber nur die im Tempel Anbetenden, weil auf ihnen - und nur auf ihnen, tatsächlich und wahrhaft nur auf ihnen - die heilige Pflicht und die Verantwortung für die Wiederherstellung der Kirche liegt - und die Tragödie, daß sie viel zu lange Zeit benötigten, sich nahmen, zögerten, ehe sie den Mut fanden, sich dieser Pflicht auch tatsächlich durch Handeln, durch Sammeln des Verstreuten - und nicht nur durch Reden, Abwarten und Resignieren - zu stellen.
Mit der Wahl des Papstes ist die Kirche nach innen wie nach außen befestigt: nun können außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen Stehende wieder in die mit Hierarchie, mit lebendigem Hirten-, Lehr- und Priesteramt ausgerüstete nun wieder sichtbare Kirche regulär eintreten. Denn auch nach innen muß die Kirche befestigt werden: Wir ahnen nicht einmal ansatzweise, wie sehr auch wir Letzten, die wir Christus und seinem Reiche anhängen wollen, Kinder und damit Gefangene unserer Zeit und ihres ‚Zeitgeistes’ sind. Falls Sie meinen, jedenfalls die ‚Sedisvakantisten’ seien vor Irrtum gefeit, darf ich daran erinnern, daß die trotz des Bewußtseins, daß weder die moderne Konzilskirche mit der katholischen Kirche, noch deren Führer mit Hirten der (wahren) Kirche identisch sein können und daß folglich die Kirche unsichtbar, führungslos und resteweise irgendwo im Untergrund fortexistieren müsse, dennoch jahrzehntelang eingenommene Haltung „wir warten ab und sehen zu, was kommt“ durchaus nicht als Ausdruck standhafter Rechtgläubigkeit gelten kann:
„Es ist darum Unser Wunsch, es möchten alle, die in der Kirche ihre Mutter erkennen, eifrig erwägen, daß tatkräftige Mitarbeit zum Auferbauen und zum Wachstum des Mystischen Leibes Jesu Christi nach dem Maß ihrer Stellung Pflicht aller Glieder der Kirche ist, nicht bloß der Diener des Heiligtums und jener, die sich Gott ganz im Ordensleben geweiht haben.“ (aus dem Apostolischen Rundschreiben „Mystici corporis Christi“ Papst Pius XII. v. 29.6.1943)
Die auch während ihres beschädigten Zustandes fortexistierende Kirche kann und soll durch die Wahl eines Papstes nicht neu konstituiert, wohl aber restauriert, wiederhergestellt, nämlich reorganisiert werden. Es müssen und sollen die Ämter, die Hierarchie, das lebendige Lehramt und das lebendige Hirtenamt der Kirche wiederhergestellt werden.
Während derzeit all die Versprengten, die Christus dienen und deshalb auf seine Kirche hören wollen und die sich daher auf den verbliebenen Trümmern und Ruinen der Kirche lagern müssen, eben nur hoffen und meinen können, daß sie vollständig und eben nicht nur teilweise auf dem Boden der Kirche oder gar daneben ihre Zelte aufgeschlagen haben, weil eben die Kanzel, die Wände und das Dach fehlen, die Kirche zur Zeit also nicht sichtbar ist, ist dann der Zustand des Hoffens und Meinens durch den der Gewißheit beseitigt:
Durch die mit dem Akt der Papstwahl erfolgte Wiederherstellung der Hierarchie, der Ämter, des lebendigen Lehramtes und des lebendigen Hirtenamtes der Kirche ist der Tempel zugleich vollständig vermessen: innen, wie nach außen.
Darin liegt doch auch ein Geheimnis: Gutwillige von der Kirche Getrennte können durch Christus - und seine Kirche - gerettet werden: sie wollen Gott dienen, also würden sie, wenn sie denn erkennen könnten, auf seines Dieners Stimme, die Kirche hören. Hier reicht eben wegen des unverschuldeten Unvermögens der unbedingte Wille, Gott zu dienen und ersatzweise auf sein Gewissen zu hören, um durch Christus - und seine Kirche - gerettet zu werden.
Wir jedoch, die wir wissen, daß und wie die Kirche wiederhergestellt werden muß, können uns auf unverschuldetes Unvermögen nicht berufen: wir müssen vielmehr an der Wiederherstellung der Kirche unverzüglich mitwirken, um wieder unverfälscht auf sie hören zu können. Die Papstwahl wird Panier, Zeichen für die einen: für die, die daran ihrem Stande gemäß mitgewirkt haben, zur Schranke für die anderen: die, die dabei abseits standen.
Ihnen bleibt die Möglichkeit des Eintretens in die Gemeinschaft der Gläubigen – aber nicht die des Einschleichens hinterrücks und heimlich durch Trümmer- und Ruinengelände, so als hätten sie als ‚gute’ oder ‚besonders gute Katholiken’‚ ja stets ‚dazu gehört’. Denn der Tempel wurde zwischenzeitlich im Zuge der Papstwahl innen vermessen und dadurch wiederhergestellt: Dort, wo einst Ruinen jedermann unkontrollierten Ein- und Durchlaß und Plünderung gewährten, stehen nun unversehens wieder Mauern und Schranken. Und jeder im Tempel vorhandene Stein ist bereits vermessen und verzeichnet. Wenn also jene bei den Arbeiten zur Restauration der Kirche, bei der Sammlung und der Papstwahl nicht zugegen waren - und darum nicht verzeichnet sein können -, dann stehen sie folglich außerhalb und müssen dort, wo Fremde eben Einlaß zu begehren pflegen, nämlich am Tor zur Gemeinschaft der Gläubigen Einlaß begehren.
Freilich nicht als Gruppe, sondern ein jeder einzeln und zwar unter feierlicher Ablegung seiner einst etwa gegen die Kirche gerichteten Abbruchwerkzeuge – „wer nicht mit mir ist, der ist wider mich, und wer nicht mit mir sammelt, der zerstreut“. (AT, Lukas 11, 23) Die Kirche muß umschlossen sein, aber nicht, um außerhalb der Gemeinschaft der Gläubigen Stehende fernzuhalten, sondern um ihnen die Möglichkeit des Eintretens zu geben.
b. Es scheint alles verloren:
„Sie sprechen zueinander, urteilen verkehrt: ‚Gar kurz und trüb ist unser Leben. Beim Tod des Menschen gibt’s kein Heilmittel; noch hat man je gehört von einem, der vor der Unterwelt bewahrt. Durch Zufall sind wir ja entstanden, und nachher werden wir so sein, als wären wir nie dagewesen. Der Hauch in unserer Nase ist ja Rauch. Das Denken ist ein Funke nur in der Bewegung unsres Herzens. Erlischt er, wird der Leib zu Asche; der Geist verfliegt wie dünne Luft, und unser Name wird dann mit der Zeit vergessen, und niemand denkt an unsre Werke, und unser Leben eilt vorüber wie die Fährte einer Wolke und löst sich wie ein Nebel auf, vertrieben von den Sonnenstrahlen, gesenkt durch ihre Wärme. Denn eines Schattens Flug ist unser Leben. Nicht gibt es eine Wiederholung unsres Endes, weil es versiegelt ist und keiner wiederkehrt. Herbei! Genießen laßt uns die vorhandenen Güter, geschwind die Welt ausnützen, solange wir noch jung! Mit teurem Wein und Salben wollen wir uns füllen, und keine Frühlingsblume möge uns entgehen! Bekränzen wir uns mit den Rosen, eh sie welken! Entzieh sich keiner unserem ausgelassenen Treiben! Wohlan! Wir lassen überall die Zeichen unsrer Lustigkeit zurück. Denn dies ist unser Teil, dies unser Los. Wir wollen den gerechten Armen unterdrücken, nicht Schonung gegen Witwen üben, nicht scheu’n des hochbetagten Alten graues Haar. Der Maßstab für Gerechtigkeit sei unsre Kraft! Nutzlos ist ja das Schwache. Wohlan, wir stellen dem Gerechten nach, weil er uns lästig fällt und unseren Taten ganz entgegen ist und des Gesetzes Übertretungen uns vorwirft und uns Vergehungen an unserer Erziehung vorhält. Er rühmt sich, die Erkenntnis Gottes zu besitzen, und nennt sich selber Gottes Knecht. Er ward für uns zum Vorwurf wegen unserer Gesinnungen; er ist uns lästig, wenn wir ihn nur sehen, weil seine Lebensart von der der anderen abweicht und grundverschieden seine Pfade sind. Wir gelten ihm als falsche Münze. Er hält sich fern von unseren Wegen wie von Unreinheiten. Er preist das Endlos der Gerechten glücklich und nennt voll Prahlerei Gott seinen Vater. So laßt uns sehn, ob seine Reden auch wahrhaftig sind, und warten, wie es mit ihm ausgeht! Wenn der Gerechte Gottes Sohn ist, nimmt er sich auch seiner an und rettet ihn aus seiner Widersacher Hand. Wir wolln ihn auf die Probe stellen mit Schimpf und Schlag, damit wir seine Sanftmut kennenlernen, sein Standhaftsein erproben! Zum Schandtod wollen wir ihn aburteilen, nach seinen Worten wird ihm Schutz zuteil.’ So denken sie in ihrem Irrwahn; denn ihre Bosheit macht sie blind. Sie kennen nicht die göttlichen Geheimnisse. Nicht hoffen sie auf einen Lohn für Heiligkeit; nicht schätzen sie den Ehrenpreis für makellose Seelen. Zur Unvergänglichkeit schuf Gott den Menschen und machte ihn zu seines eigenen Wesens Bild. Doch durch des Teufels Neid ist in die Welt der Tod gekommen, und ihn erfahren die, die jenem angehören.“ (AT, Weisheit 2, 1 – 24) (1)
Und genau dieses Wissen um die Verbindung zwischen der Vernunft und der
Offenbarungslehre des Dreigestaltigen haben die falschen Propheten der
Moderne zerstört:
Anmerkung: (1) „…wir stellen dem Gerechten nach, weil er uns lästig fällt und unseren Taten ganz entgegen ist“: „Und ich werde meinen zwei Zeugen geben, in Bußgewändern zu prophezeien tausendzweihundertsechzig Tage lang. Diese sind zwei Ölbäume und die zwei Leuchter, die vor dem Herrn der Erde stehen… Wenn sie aber ihr Zeugnis beendigt haben, wird das Tier, das aus dem Abgrund steigt, sie bekriegen, besiegen und töten. Und ihre Leiber werden liegen auf den Straßen der großen Stadt, die bildlich Sodoma und Ägypten heißt, wo auch ihr Herr gekreuzigt wurde… Und die Bewohner der Erde werden sich über sie freuen und frohlocken und einander beschenken, weil diese zwei Propheten die Bewohner der Erde belästigt haben.“ (NT, Offenbarung des hl. Johannes 11, 3, 4 und 7 und 8 und 10) „Durch Zufall sind wir ja entstanden“: Diese Zeile lautet im Vulgata-Text (AT, Weisheit 2, 2): „quia ex nihilo nati sumus“ („die wir aus dem Nichts geboren, geworden sind“). Parsch, a.a.O., übersetzt insoweit: „Von ungefähr sind wir entstanden“; ebenso Henne/Rösch, a.a.O.. Es wäre im Rahmen dieser Abhandlung, die die notwendige alsbaldige Wiederherstellung der kirchlichen Hierarchie zum Inhalt hat, eigentlich keiner Zeile wert, auf diesen ‚Zufall’ näher einzugehen, aber dieser Kegel der Moderne ist so aufreizend und herausfordernd mitten in den Weg aufgestellt, daß man sich vor ihm bücken oder sich an ihm vorbeizwängen müßte: Dieser ‚Zufall’ hat - wie so viele verderbliche Lehren der Moderne - zur Tarnung einen ganzen höchst ‚wissenschaftlichen’ Lehrkomplex mit einem Schwarm ‚wissenschaftlicher’ ‚Gelehrter’ mit seriös und vor allem ‚wissenschaftlich’ klingenden Titeln festungsartig wie eine Zwingburg mit Vögten, angesehenen ‚Goldmachern’, ‚Allchemisten’, ‚Weisen’ um sich herum errichtet, so daß bei Strafe, als unverbesserlich unvernünftiger Mensch zu gelten‚ kein ‚vernünftiger Mensch’ ‚des Kaisers neue Kleider’ je zu bezweifeln wagen darf: Es gibt sie durchaus, die informellen Denkverbote. Und darum bezweifelt auch kein ‚vernünftiger’ Mensch, daß etwas ganz Wichtiges, Ernstes und ‚Wissenschaftliches’ in diesem ganzen ‚wissenschaftlichen’ Gebäudekomplex enthalten sein müsse. Denn wer möchte schon von seinen ‚modernen’, ‚vernünftigen’ Mitmenschen für ‚unvernünftig’, ‚ungebildet’ und ‚rückständig’ erklärt werden? Und daher hat dieser ‚Zufall’ auch einen höchst ‚wissenschaftlichen’, ehrfurchtgebietenden Namen: ‚die Evolution’. Sie ist so wichtig, daß sie sogar eigens in der Heiligen Schrift erwähnt wird, allerdings unter einem anderen Namen: ‚der Zufall’, ‚das Ungefähr’ oder ‚das Nichts’ und in einer anderen Kategorie: der der Ammenmärchen der Moderne, des Glaubens an den stetig währenden Fortschritt, an ‚die Entwicklung’, ‚die Evolution’ (des Menschen), deren insgeheim propagierter Endpunkt die Vergöttlichung des Menschen sein soll. Die ‚Priesterschaft’ der modernen Welt, pardon: für ‚maßgeblich’ erklärte Teile der ‚modernen’ Naturwissenschaften – aber zu ihrer Ehrenrettung sei es hier ausdrücklich gesagt: beileibe nicht sämtlicher Vertreter der Naturwissenschaften, auch wenn jenen ‚Abweichlern’ rigide das Wort abgeschnitten wird - stellen der Sache nach vehement die Menschwerdung Gottes in Abrede, indem ihre Vertreter mit Inbrunst den Glauben an die Menschwerdung des Tieres propagieren. Die Offenbarung der Heiligen Schrift aber ist unvereinbar mit diesem oben im Text bezeichnete ‚Zufall’, dem ‚Nichts’. Ein solcher ‚Fortschrittsglaube’ ist in Wahrheit primitive Wundersüchtigkeit, ist nichts anderes als eine gigantische Entblößung des Aberglaubens der Moderne, das Offenbarwerden einer monströsen kollektiven Umnachtung der Geister. Das ist der Inbegriff der geistigen Blindheit des ‚aufgeklärten’, des ‚modernen’ Menschen: Simuliert man sozusagen im Zeitraffer die von den ‚Evolutionisten’ als ‚Erklärung’ vorgeschobene schier unendliche Kette der ‚Versuche’ im ‚Prozeß’ der ‚Evolution’, so muß man zu dem Ergebnis kommen: Eher ergibt ein überdimensionierter Sack der Art, Anzahl, Größe und Form nach wahllos und zufällig zusammengewürfelter und dann blindlings ausgekippter Kieselsteine nach seinem Aufprall zufällig fehlerfrei und zufällig vollständig und zufällig ohne überzählige Buchstaben, Satzzeichen und Bruch- und Fehlstücke zufällig säuberlich in Linien und Blöcken angeordnet zufällig sämtliche zu Lettern und Satzzeichen geformten Werke Shakespeares zufällig chronologisch geordnet, oder ein zu Boden gestürzter und dabei zerborstener Marmorblock erhält dadurch zufällig exakt die Gestalt der von dem antiken rhodischen Bildhauer Hagesander geschaffenen Laokoon-Gruppe, als daß sich dieses Universum durch Zufall selbst geschaffen, ‚entwickelt’ und erhalten hätte. - Die Welt ist aber nicht nur durch einen außerweltlichen Schöpfer erschaffen, sondern sie wird von ihm außerdem in jedem Moment ihres Daseins getragen und erhalten: nicht das Prinzip der zufälligen ‚Auslese’ (der ‚Besten’ und ‚Tauglichsten’), des zufälligen Empordrängens des Tauglicheren aus der Masse der ‚Viel-zu-vielen’, des ‚Fortschritts’, des immerwährenden Zuwachses an Kraft, Vitalität, Intelligenz, Tauglichkeit, Konsisitenz und Kohäsion beherrscht die Fortdauer oder Fortpflanzung des körperlichen Seins der Dinge, sondern das der ‚Ent-Entelechie’, das der Entropie: die Neigung zu Degeneration, zur ‚Entartung’, zur Abnahme an Qualität, Vitalität und Substanz und Konsistenz, die Widerstandslosigkeit gegenüber dem ‚Zahn der Zeit’, das Prinzip der Vergänglichkeit der körperlichen Dinge einschließlich der ihnen zum Teil innewohnenden Fähigkeiten des Generierens und des Regenerierens. Es gleicht einem listigen Hütchenspielertrick, das Gewordensein der Dinge bloß auf eine schier unendliche Kette von ‚Versuchen’, von Zufälligkeiten und die Ordnung der Dinge auf ein sich zufällig selbst ausbalancierendes Ausbalancieren des Chaos’, des Zufalls zurückführen zu wollen, weil sie nicht nur die Tatsache des ‚Großen Zufalls’, des Urhebers, der Bedingung der Bedingungen all der kleinen scheinbar ursächlichen ‚Zufälle’ und des ‚Großen Taktgebers der Balance und der Harmonie’ damit verdecken, sondern darüber hinaus ausdrücklich leugnen, daß für das Entstehen der vielen kleinen ‚Zufälle’ die Existenz des ‚Großen Zufalls’, die Schaffung der solchermaßen ‚intelligenten’ Materie notwendig ist. Sie ‚übersehen’ das Naheliegende, das sich angesichts der Umstände geistigerweise geradezu zwingend Aufdrängende, um einem haltlosen Wunderglauben zu huldigen, dem vom offensichtlich zufälligen Geschehen. Die ‚astrologische Wissenschaft’ von ‚der Evolution’, dem zufälligen Gewordensein der Dinge, der sich selbst ausbalancierenden Balance der Dinge aber ist in Wahrheit der Glaube an das Werden aus dem Nichts, das unglaubliche Wundermärchen vom ursachelosen Geschehen, der durch und durch unbegründete Wunderglaube an das Nichts: Denn es gilt nicht nur: ‚kein Geschehen ohne Ursachen’, sondern viel präziser: ‚kein Geschehen ohne die dazu erforderlichen wirkmächtigen Ursachen’. Keine Wirkung kommt ohne ihre angemessenen Ursachen aus: Weder der (tote) Berg kann eine (lebende) Maus, noch eine einzelne (kleine) Maus einen (großen) Berg hervorbringen. Leben kann nur durch Leben generiert sein, Geist kann nur aus einer ebenso gearteten Quelle hervorgetreten sein, jede Ordnung kann nur durch einen ordnenden Geist hervorgebracht und durch einen solchen Genius erhalten werden. Angesicht der evident notwendigen Bausteine jeglichen Geschehens, Wirkungen und (der dazu tauglichen, wirkmächtigen) Ursachen, ist der Glaube an den ‚Fortschritt’, der Glaube an die ‚Lernfähigkeit’ des Nichts, die ‚Lernfähigkeit’ des Niederen, die ‚Lernfähigkeit’ des Geistlosen, der Glaube also an das zufällige Entstehen des Etwas (nur) aus dem Nichts, des Höherem (nur) aus dem Niederen, des Geistes (nur) aus dem Geistlosen, ein finsterer, weil ungeheuerlich dumpfer Aberglaube. Die ‚Entwicklungslehre’, die Propaganda von der ‚Autogenese’, der Selbsterschaffung, Fortentwicklung und ‚Selbsterhaltung’ des Seienden aus dem Stofflichen und seinen Eigenschaften, der Schwerkraft, der Bewegung, der Energie, dem Licht, die Selbsterzeugung des Lebendigen aus dem Nicht-lebendigen, des Empfindenden aus dem Nicht-empfindenden, des Reagierenden aus dem Nicht-Reagierenden, des Agierenden aus dem Nicht-Agierenden, des Entscheidenden aus dem Nicht-Entscheidenden, des Erkennenden aus dem Nicht-Erkennenden ist ja nur eine Verlagerung der entscheidenden Frage des ‚Woher’, denn das Schlagwort von der ‚weisen Mutter Natur’ kaschiert nur, es enthält keinerlei Antwort. Aber immerhin enthält sie das äußerst solide Eingeständnis, daß dieses Stoffliche seiner Potenz, seiner Möglichkeit nach alle diese Eigenschaften bereits besessen haben muß, demnach sehr ‚weise’, sehr ‚hoch entwickelt’, sehr ‚lernfähig’, sehr ‚intelligent’ ‚angelegt’ gewesen sein muß, um die Verwirklichung dieses ‚Zufalls’ ‚geschehen lassen’ zu können: Nichts kann sich ‚fortentwickeln’, es sei denn, es trägt die Anlagen seiner ‚Fortentwicklung’ bereits in sich. Und damit drängt diese These geradezu die Frage auf, wie es denn zu diesem ‚weisen’, ‚hoch entwickelten’, ‚lernfähigen’, ‚intelligenten’ Stofflichen kommen konnte - und schon stellt sich die ganz alte Frage erneut, die die Antwort bereits in sich trägt: die Frage nach den notwendigen Bausteinen jeglichen Geschehens: Wirkungen und ihre sie bedingenden wirkmächtigen Ursachen. Aber selbst mit dieser unhaltbaren Frontstellung geben sich die Autogenetiker, die Selbstentzündler zufrieden, weil ihnen eines, das Entscheidende gelungen ist: Gott, wenn vielleicht auch als Seienden, als Schöpfenden, so aber jedenfalls als uns, als jedem einzelnen von uns als ferne, als unempfindlich, als abgewandt, als beziehungslos, als abwesend darzustellen - hierin scheint die eigentliche Stoßrichtung, die gesamte Willensanstrengung der Evolutionisten zu liegen, sei ihnen das nun bewußt oder seien sie sich über die Zielrichtung ihres Tuns im Unklaren. Sie haben herausgefunden, daß nicht nur Materie in Energie, sondern Energie in Materie umgewandelt werden kann; sie lauschen dem Nachhall des ‚big bang’, des ‚Urknalls’, der Entstehung des Universums aus der urgewaltigen Umwandlung von urgewaltiger Energie in urgewaltige Materie – die Affinität zu der Schilderung „Zu Anbeginn hat Gott erschaffen den Himmel und die Erde“, zu dem ‚Gott sprach: es werde - und es ward’ vermögen sie jedoch nicht zu entdecken. Erklärt man aber derart einleuchtende Dinge einem solchermaßen vom Fortschrittsglauben maßlos Überzeugten, dann führen sie für gewöhnlich einen ‚Mückentanz’ auf: sie schlagen tausend Haken und abrupte gedankliche ‚Flugmanöver’, haben hier, da und dort und im übrigen und besonders grundsätzlich Einwände und Bedenken und wollen vor allem die Sache nicht so ‚einfach’, sondern viel ‚ernster’, komplizierter, pardon: ‚komplexer’ und ‚wissenschaftlicher’ verstanden und erfaßt wissen – aber ihrem eigenen Glauben an ‚den (immerwährenden) Fortschritt’ stehen sie unfaßbar naiv und krankhaft devot gegenüber, um ja nur an diesem Glauben festhalten zu können und das nicht einsehen zu müssen, was sich auch ihnen wahrlich aufdrängt, was sie aber partout nicht einsehen wollen. Sie sind zwar nicht krank in ihren Hirnen, ihre Hirnfunktionen sind intakt, aber dennoch sind sie verkehrt, krank im Geiste, sie sind mit einem ‚Irrwahn’ behaftet: So sind eben viele Menschen ‚gestrickt’, auch - und gerade wegen des oft nicht unbeträchtlichen, aber dennoch unbegründeten Stolzes auf ihre vermeintliche Bildung, der gelegentlich besseren Einsichten ganz massiv im Wege steht - die scheinbar Gebildeten: einfach. Es gibt sie: die examinierte, die diplomierte, die promovierte und die habilitierte Beschränktheit. Es gibt sie massenhaft, die höchst gebildete Uneinsichtigkeit: die ‚gelehrten’ Belehrten, die erfolgreich Indoktrinierten; Über-Satte, die keiner gesunden Nahrung mehr bedürfen, weil sie sich ausschließlich vom Fast-Fraß des main-streams, der Tages-Meinungen und –Moden ernähren. Solche, die schon alles wissen und alles zu deuten wissen – aus fremder Leut’s Perspektive, die sie fälschlich für ihre eigene halten. Sie wollen nicht begreifen, daß ‚Intelligenz’ nicht das ist, was sie sich darunter vorstellen: etwas, was ‚man hat’, einen ‚Besitzstand’ in Form einer Diplom-Urkunde oder eines Zertifikates über die Lehrbefugnis, die man mit Besitzerstolz in einer Vitrine zur Bewunderung der Vorbeidefilierenden präsentieren könnte, sondern daß sie geistiger Natur ist und sich demnach nur flüchtig in der menschlichen Tätigkeit äußert, daß sie eben nur hervorscheint aus dem, was man tut – und daß daher dumm ist, der Dummes tut. Und dennoch werden wir genau an dem, was wir getan haben, einst gemessen werden: wir haben den Stoff nicht gemacht, er wurde uns zu treuen Händen überlassen; dem einen eine größere Menge, dem anderen eine kleinere, in jedem Falle aber eine durchaus endliche, eine ganz und gar beschränkte Anzahl von ‚Talenten’. Aber die jedem einzelnen zugeteilte Menge ist gänzlich unbedeutend. Allein entscheidend ist, was wir mit diesem ‚Stoff’ anstellen: wir können ihn unbearbeitet verrosten lassen, wir können ihn nach Kräften verformen, deformieren. Aber überlassen wurde er uns einzig zu dem Zweck, ihn zu schmieden, ihn zu formen: „Du sollst den Herrn, deinen Gott lieben aus ganzem Herzen, aus deiner ganzen Seele, aus allen deinen Strebe-Kräften, erkennend mit all deiner (dir gegebenen) Vernunft“... „Vor allem gibt es nach der Glaubenslehre eine natürliche Gotteserkenntnis zunächst in dem Sinne, daß der Mensch, ganz abgesehen von der positiven Offenbarung, allein durch die Kraft seiner Natur und vermöge ihrer natürlichen Hilfsmittel, auch in seinem gefallenem Zustande eine durchaus gewisse Erkenntnis des wahren Gottes erwerben kann und erwerben soll, so daß er für den Nichtbesitz oder die Verleugnung derselben vor Gott verantwortlich ist, und darum auch für die Nichterfüllung der religiösen und sittlichen Pflichten verantwortlich gemacht werden kann, welche die Erkenntnis Gottes voraussetzen… Obgleich die volle und reine Erkenntnis Gottes für den sich selbst überlassenen Menschen sehr schwierig ist und jedenfalls durch eine sorgfältige und glückliche Ausbildung seiner geistigen Kräfte, sowie durch eine besondere Nachhilfe von Seiten Gottes bedingt wird: so ist doch nach den Andeutungen der Heiligen Schrift und der allgemeinen Lehre der Väter eine elementare Erkenntnis Gottes auch in dem Sinne natürlich, daß sie zugleich mit dem Erwachen der Vernunft spontan, mit Leichtigkeit und innerer Notwendigkeit aus der geistigen Natur des Menschen sich entwickelt, also nicht erst von außen beigebracht, und vollends nicht erst durch gelehrten philosophischen Unterricht erzeugt zu werden braucht; daß sie vielmehr sogar trotz widrigster äußerer Einflüsse und persönlicher sittlicher Verkommenheit, als mit der geistigen Natur des Menschen verwachsen, niemals ganz ausgelöscht werden kann. Dieses ist vom Vatikanum nicht formell ausgesprochenen, aber deutlich genug in den zitierten Schriftstellen enthalten und Gemeingut der Väter und Theologen… Die Heilige Schrift deutet dies an, 1. indem sie (Röm. 1 und Weish. 13) dieses Erkennen nicht als mühsames Erschließen, sondern als Schauen einer offenbaren Sache bezeichnet; 2. indem sie ferner (Weish. 13) eigens die Leichtigkeit, mit welcher dasselbe gewonnen werde, betont und (Röm. 1, 18) die Schuld der Heiden nicht in die Unterlassung des zum Erwerbe notwendiges Studiums verlegt, sondern als eine gewaltsame Unterdrückung der offenbar dem Menschen entgegentretenden Wahrheit Gottes bezeichnet; 3. indem sie (Röm. 2, 14) die in der naturaliter vorausgesetzte Erkenntnis des Gesetzes als eine solche erklärt, die den Heiden ins Herz geschrieben sei (nämlich von Gott), und darum (Weish. 13, 1) die Verleugnung dieser Erkenntnis als einen Verstoß gegen die Natur, nicht bloß als Verstoß gegen die Vernunft überhaupt, bezeichnet… Die durch die Kraft und Energie der Natur und die Einsicht der Vernunft zu erzielende Erkenntnis Gottes ist ferner nach der Glaubenslehre auch in dem Sinne eine natürliche, oder vielmehr bloß natürliche, daß sie auch objektiv vermittelt wird durch die geschaffene Natur als durch einen Spiegel, worin Gott sich unserem geistigen Auge sichtbar macht, daß also Gott nicht unmittelbar in sich selbst wahrgenommen oder geschaut wird, sondern nur auf Grund der Wahrnehmung der Geschöpfe durch die Einsicht in ihre Abhängigkeit von Gott dieser aus ihnen und durch sie, als Ursache derselben, erschlossen oder erschaut, darum aber doch wahrhaft und sicher erkannt wird… Die allgemeinen, an allen Dingen mehr oder weniger vorkommenden Ausgangspunkte betreffen die Weise des Daseins der Dinge als eines gewordenen, wonach sie als von außen bewirkte - abhängige - und bedingte erscheinen, damit aber ein ungewordenes und darum unerschaffenes - unabhängiges - und unbedingtes Wesen als ihre causa efficiens (Anmerkung des Verf.: Wirkursache) voraussetzen.“ (Scheeben/Atzberger, a.a.O., Bd.1, S. 466, ff., 476) Aufgrund der ihm eigenen Fähigkeit der Vernunft und des Verstandes kann und muß der Mensch bei ernsthaftem Nachdenken aus dem Zeugnis der Dinge und des Geschehens dieses Universums auf eine außerweltliche Ursache, einen ‚Herrn’, also einen Gott und „Freund des Lebens“, einen einzigen geistigen Planer, Gestalter und Erhalter schließen. Denn Liebe zu Gott setzt allerdings voraus, daß ich von dem, DER IST, den ich aber nicht mit meinen Sinnen erfahren, den ich nicht sehen und nicht anfassen kann, glaube, für wahr halte, daß er tatsächlich ist. Für diesen Glauben, dieses Für-wahr-halten, daß ER IST, reicht es nicht aus, daß ich meine, daß ER (vielleicht) IST (vielleicht aber auch nicht): “Nur einmal angenommen, es gäbe einen Gott, dann - aber auch nur dann - würde ich ihn bejahend annehmen, ehren und lieben!“ Zwar ist der Glaube eine Gnade Gottes, aber nicht ohne die Mitwirkung der so ‚begnadeten’ Person: Der Glaubensakt setzt Kenntnis und Forschung voraus. Um Gott liebend zu bejahen, muß ich ihn als seiend voraussetzen, und um sein Dasein für wahr halten zu können, muß ich mich ihm zuvor interessiert und suchend zugewendet haben. Wie aber kann ich auf etwas suchend zugehen, das ich nicht kenne, das nicht sichtbar, nicht greifbar ist? Legt die Henne keine Eier, gibt es keine Hühner, dann gibt es keine Hennen, und also keine Eier - ein Zirkelschluß also? So verworren liegen die Dinge allerdings nicht: Zwar werde ich im Regelfall, um mich jemandem oder etwas interessiert zuzuwenden, ihn oder es wahrnehmen oder jedenfalls wissen, daß er oder es überhaupt existiert. Aber auch schon bei unübersehbaren Verdachtsmomenten werde ich den Spuren nachgehen, um zu erkunden, ob etwas und bejahendenfalls wer oder was da meine ‚natürliche’, mir angeborene ‚Neugier’ geweckt hat, wenn die Angelegenheit nur wichtig genug erscheint. Wir alle als ‚normal’ Strukturierte haben innere Kräfte, Vernunft, Verstand und daher die ‚Ahnung’, das aus der Erfahrung als analog erkannter Vorgänge gewonnene Wissen, daß vor dem Huhn ein Ei und vor dem Ei eine Henne gewesen sein muß, und so weiter und so fort, daß also alle erfahrbaren Dinge der Änderung unterliegen und nichts von selbst geschieht, also – mit Ausnahme des menschlichen Willensentschlusses – alles irgendwie Wirkung und keine der Wirkungen ohne ihre insofern notwendigen und also wirkmächtigen Ursachen geworden ist. Wir alle sind mit einem gesunden Wissensdurst ausgestattet, mit dem Drang zu erforschen, zu ergründen und zu erkennen, was dahinter ist und was davor war. Die Fragen, „woher komme ich und alles um mich her, wohin gehe ich und alles um mich, wofür bin ich und alles um mich“, das alles sind keine ‚abgehobenen’ und ‚den Philosophen’ vorbehaltenen ‚metaphysischen’ Fragen, sondern schlichte Feierabendthemen, die uns alle, die wir als Kinder Adams, aus Erde geformt, (körperlich) so sichtbar vergänglich sind, obwohl wir als „Unser Ebenbild, Uns ähnlich“ (Henne/Rösch AT, Genesis 1, 26), mit dem Atem der Unvergänglichkeit beseelt, alle doch unvergängliche Glückseligkeit ersehnen, den Stachel der Unvergänglichkeit also so schmerzlich spürbar sozusagen in unserem dem Tode verhafteten Körper, in uns tragen, irgendwie beschäftigen und beschäftigt haben, wenn wir normal strukturiert und nicht geistig völlig abgestumpft sind: „Denn Gott schuf den Menschen zu unvergänglichem Sein und machte ihn zu des eigenen Wesens Abbild.“ (Henne/Rösch, AT, Weisheit 2, 23) „Fürchte dich nicht vor dem Machtspruch des Todes. Denk an deine Vorfahren und Nachkommen. Dieser Machtspruch ergeht vom Herrn an die ganze Menschheit. Warum sträubst du dich also gegen den Willen des Höchsten? Ob zehn hundert oder tausend Jahre: in der Unterwelt gibt's keine Klage über das Lebensalter.“ (Henne/Rösch, AT, Sirach 41, 3 und 4); „In Gottes Hand aber ruhen der Gerechten Seelen; keine Qual kann sie berühren. In den Augen der Toren scheinen sie tot zu sein. Ihr Hingang gilt für ein Unglück und ihre Trennung von uns als Vernichtung. – Sie aber sind im Frieden. Denn hat man sie auch nach Ansicht der Menschen gezüchtigt, so war doch ihre Hoffnung voll von Unsterblichkeit. Nach kurzer Leidensziet empfangen sie großes Glück; denn Gott prüfte sie nur und fand sie seiner schon würdig. Wie Gold im Ofen erprobte er sie, und nahm sie wie ein Brandopfer an.“ (Henne/Rösch, AT, Weisheit 3, 1 -6) „Ich halte dafür, daß die Leiden dieser Zeit nicht zu vergleichen sind mit der künftigen Herrlichkeit, die an uns wird offenbar werden. Denn das Harren der Schöpfung ist ein Harren auf die Offenbarung der Kinder Gottes. Denn der Vergänglichkeit ist die Schöpfung unterworfen, nicht freiwillig, sondern um dessentwillen, der sie unterworfen hat in der Hoffnung, daß auch die Schöpfung selbst befreit wird von der Knechtschaft der Vergänglichkeit zur herrlichen Freiheit der Kinder Gottes. Wir wissen, daß die ganze Schöpfung mitseufzt und in Wehen liegt bis jetzt; aber nicht nur sie, sondern auch wir selbst, die wir den Geist als Erstlingsgabe besitzen, seufzen in unserem Inneren und erwarten, daß wir zu Kindern Gottes angenommen und unser Leib erlöst werde.“ (NT, Römerbrief 8, 18 – 23) Mehr als ein kindlich-praktisches Wissen vom Wandel und von den Wirkzusammenhängen und ein kindlich-natürlicher Wissensdrang, um vor dem Mysterium des Seins und des Kosmos’ staunend stille zu stehen und fragend auf das ‚Woher’, ‚Wofür’, Wohin’ zu zeigen, braucht es nicht, um von der unermeßlichen Wirkung auf eine unermeßliche Ursache zu schließen: ein Aufenthalt auf einer einsamen Landzunge am tosenden Meer oder auf einem hohen Gipfel weit über allem Land lehrt Proportionen: Gäste sind wir hier mit äußerst befristetem Aufenthaltsstatus – mehr nicht. Das allein sollte uns Denkanstoß genug sein. Aus unseren ‚natürlichen’ Fähigkeiten und Anlagen werden wir geistig Gesunden in analoger Rede zwar, aber ebenso nachdrücklich auf das Mysterium hinter dem sichtbaren Kosmos hingewiesen: ob das Ei vor der Henne oder die Henne vor dem Ei zuerst da gewesen sei, ist belanglos – zuerst war jedenfalls ‚die Große Henne’ oder ‚das Große Ei’ da; wir haben ja schließlich Hühner im Hof. Im Klartext: Der erste Schritt, suchend auf Gott zuzugehen, erfolgt nicht von einem neutralen Standpunkt aus, von dem aus man ‚zufällig’ auf Gott zuschreitet – und genauso zufällig und beliebig von ihm weg schreiten könnte: zufällig und beliebig schreiten die einen in die, die anderen in eine andere Richtung, sondern: weil Gott uns erschaffen und so ‚neugierig’, so wissendurstig erschaffen hat und – damit wir ihn suchen – seine Spuren gelegt und sozusagen einen Zipfel seines Mysteriums offenbart hat, handelt es sich bei diesem Ausgangspunkt, von dem aus wir, unseren Verstand und unsere Vernunft gebrauchend, die Ursache suchend auf Gott nach seinem Willen zugehen sollen, um einen Zustand des ursprünglichen Gott-zugewendet-seins vor aller unvernünftigen, unbeseelten Kreatur, um einen Zustand ‚natürlicher’ ‚Gottesnähe’ im Sinne einer Disposition, seine Existenz nicht nur erahnen, sondern jedenfalls die Voraus-Existenz eines Großen Schöpfers folgern, ‚enträtseln’, begründet für wahr halten zu können, und damit um einen Zustand der Unneutralität, eines Zustandes der ‚anima naturaliter christiana’ (Tertullian), aus dem heraus wir nicht nun erstmals, sondern nur weiter auf ‚die causa’, die Ursache’, auf Gott, ihn suchend, zuschreiten: blind zwar, aber den Ruf deutlich vernehmend. Diejenigen also, die vor der Erkenntnis eines Schöpfers weg in eine andere Richtung laufen, sie laufen nicht zufällig weg, sondern sie tendieren dazu, zu ignorieren, zu verkennen, zu verneinen; sie sind im Zustande ungerechtfertigter Parteilichkeit oder eines angeborenen oder erworbenen geistigen Defektes. „Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, daß du dies vor Weisen und Klugen verborgen, Einfältigen aber geoffenbart hast.“ (NT, Lukas 10, 21); „Wahrlich, ich sage euch, wenn ihr euch nicht bekehret und nicht werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht in das Himmelreich eingehen. Wer sich also verdemütigt wie dieses Kind, der ist der Größte im Himmelreich.“ (NT, Matthäus 18, 3 und 4). Diejenigen, die sich gegen eine aus dem Gewordensein des Universums erfahrbare Erkenntnis eines überweltlichen Schöpfers sperren, indem sie auf die Möglichkeit eines sich von Unendlichkeit her wandelnden – und daher unerschaffenen, ohne einen Schöpfer bestehenden – Universums verweisen, sie sehen sich genötigt, auf der überstürzten Flucht vor einem sich sonst aufdrängenden Schöpfergott dummerweise ausgerechnet die morsche Leiter der Möglichkeit nach Art eines ‚regressus ad infinitum’ zu besteigen: Indem sie Gott, dem Überweltlichen, dem Unendlichen, dem Seienden zu entkommen suchen, berufen sie sich ausgerechnet auf die Möglichkeit des vor allem Urbeginn an Unendlichen, des seit Unendlichkeit Bestehenden und damit auf eine jenseits des Wandels des Universums bestehende Überweltlichkeit des Seienden - sie führen gegen einen Schöpfergott ein Gebilde in den Ring, dem sie genau jene göttlichen Eigenschaften des von ihnen abgelehnten Gottes zuschreiben. Die menschliche Vernunft, ohne die Maskerade nur vordergründig gleißender Gelehrsamkeit, ohne die Tendenz zur Verneinung einer Realität außer ihr oder der Möglichkeit erfassender Erkenntnis des außer ihr Seienden, also ohne Augenbinde und Fäustlinge vernünftig gebraucht, führt aber unweigerlich an den Rand jenes Tellers des Hier und Jetzt, von dem aus sich für die Scharfsichtigen mit bloßem Auge erkennbar und für die anderen mittels Sehhilfe – aber dann eben genau so deutlich - die Umrisse jener Einen Großen Erhebung abheben, zwar bloß in der Ferne sichtbar und daher nur zweidimensional erscheinend, aber dennoch zu präsent, um begründetermaßen als bloße Augen-Täuschung abgetan werden zu können. Die Menschen ohne und vor einer wörtlichen Offenbarung Gottes lebten nicht in ‚harmonischer Eintracht’, nicht im ‚Urzustand glücklicher Unschuld und Unwissenheit von einem Kosmos hinter dem sichtbaren Kosmos’, sondern eher in der Ahnung, der Unruhe des Advents: Die Dunkelheit, das Nicht-ausreichend-sehen-können war so greifbar, so erdrückend, daß die einen sie durch ‚sinn-gebende’, selbst geformte Idole zu erleuchten suchten und andere derart ins Grübeln verfielen, daß sie schließlich seinsgesetzlich einen einzigen außerweltlichen Schöpfer – und nicht die vielen Götter ihrer religiösen Herkunft und Umgebung - als (da-)seiend erkannten: Der aus dem vorchristlichen Heidentum stammende Aristoteles (384 - 322 v. Chr.) ist der Kronzeuge schlechthin, daß der Mensch mit den Gaben seiner ihm von Gott gegebenen ‚natürlichen’ Vernunft wenn auch unter ganzer Anstrengung seiner geistigen Kräfte das Dasein eines einzigen außerweltlichen Schöpfergottes erkennen kann. Der gesunde, der starke Glaube, das Für-wahr-halten des Dreigestaltigen beruht demnach auf einem ‚Voranschreiten auf zwei Beinen’: des Gebrauchs der sinnlichen Wahrnehmung und des folgernden Denkens in analoger Weise - die Vernunft führt an des Tellers Rand, sie zeigt die Umrisse jener Erhebung und deren Richtung an, einen einzigen außerweltlichen Schöpfer des Universums, sie betreibt ‚natürliche Theologie’. Die göttliche Offenbarung hingegen übernimmt genau die von der Vernunft angezeigte Richtung und führt diese mit ungeheurer Präzision über den Tellerrand hinaus mittels einer Phalanx, einer Kette beweiskräftiger, glaubwürdiger Zeugen – angefangen von den Propheten des Alten Bundes bis hin zu dem Einen von Gott gesandten Zeugen, Seinem Sohn, und den zwei Zeugen seines Dieners, des Davids, des Gottesknechtes, der Stadt Jerusalems, Sions, dem Lehramt und dem Hirtenamt der heiligen Kirche - genau in die von der Vernunft angezeigten Gefilde. Und wenn der Geführte folgt, dann bis in den Schatten, ja bis auf wenig mehr als Armes Länge Abstand an den Fuß jenes Einen Großen Gebirges: „Denn Stückwerk ist unser Wissen, und unsere Prophetengabe ist Stückwerk. Wenn das Vollkommene erscheint, wird das, was Stückwerk ist, abgetan werden… Jetzt sehe ich nur wie durch einen Spiegel in Rätseln, dann aber von Angesicht zu Angesicht. Jetzt ist mein Erkennen Stückwerk; dann aber werde ich erkennen, wie auch ich erkannt worden bin. Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; das größte aber unter ihnen ist die Liebe.“ (NT, 1. Korintherbrief 13, 8 – 10 und 12 und 13) Die Vernunft also steht nicht im Widerspruch zur Offenbarungslehre von dem einen Schöpfer des Himmels und der Erde, sondern sie geht ihr voraus, begleitet sie und folgt ihr nach: dort, wo die Offenbarung das Erkenntnisvermögen der natürlichen Vernunft überschreitet und übersteigt, ist dennoch die Vernunft nicht nur dienlich, sondern geradezu erforderlich: sie zeigt an, daß das von der Offenbarung Vorgestellte möglich, kohärent und in sich geschlossen, stimmig und daher schlüssig und also daher eben deswegen nicht ‚unmöglich’, nicht ‚vernunftwidrig’ ist. Wäre es anders, wäre es also möglich, daß der Glaube wider die Vernunft stünde, wären die den Glauben Verweigernden entschuldigt: abgesehen von verschuldeter Unkenntnis wird das Gewissen jedes Einzelnen durch die Erkenntnis, mag sie nun zutreffen oder irren, ‚gesteuert’ und ‚gefüttert’; dem Gewissen aber müssen wir folgen! Wie aber sollte die Vernunft denn auch mit der göttlichen Offenbarung streiten? Ist ER doch, der sich da offenbart hat, „Der Weg, Die Wahrheit und Das Leben“! Nichts bietet die Lehre der katholischen Kirche dar, was den Einsichten der menschlichen Vernunft widerstreiten könnte – gar nichts! Nichts aus der Glaubenslehre, nichts aus der Sittenlehre, nichts aus der Gnadenlehre! Die Lehre des Dreigestaltigen beginnt bei den Grundsätzen der natürlichen Vernunft: „Mein Sohn, prüfe dich selbst hinsichtlich deiner Lebensweise und sieh’ zu, was ihr schädlich ist, und gestatte es ihr nicht. Denn nicht alles ist allen zuträglich, und nicht jeder Natur sagt alles zu. Sei bei keinem Genuß unmäßig und stürze dich nicht gierig auf leckere Speisen. Denn in vielem Essen nistet Krankheit, und die Unmäßigkeit führt zum Erbrechen. Durch Unmäßigkeit sind schon viele zu Grunde gegangen. Wer sich aber in acht nimmt, verlängert sein Leben.“ (Henne/Rösch, AT, Sirach 37, 27 – 31) Aber sie bleibt keineswegs dabei stehen: Die christliche Sittenlehre ergänzt, sie vervollständigt und vervollkommnet die für alle Menschen gleichermaßen geltenden, weil erkennbaren ‚natürlichen’, unserer Natur eingegossenen sittlichen Gebote: über das natürliche Sittengesetz, bezogen auf die Mitmenschlichkeit: „Was du nicht willst, das man dir tu’, das füg’ auch keinem anderen zu“ (AT, Tobias 4, 15) – unterlasse jegliche Schadensverursachung - geht sie hinaus durch das Gebot: unterlasse nicht nur jegliche Schadenszufügung, sondern tue nur das Gute: „Wie ihr wollt, daß euch die Menschen tun, so tut auch ihr ihnen!“ (NT, Lukas 6, 31)
|