6. Wie muß die Papstwahl inhaltlich ausgestaltet sein?
Die in der geltenden Konklaveordnung Papst Pius’ XII. „Vacantis Apostolicae Sedis“ vom 8.12.1945 komplett enthaltene ‚Regieanweisung’ für die Papstwahl muß dort, wo ihre Einhaltung möglich ist, peinlichst genau beachtet werden. Wo dies nicht möglich ist, muß dem Sinn und Zweck der derzeit nicht erfüllbaren Vorschriften so nahe wie möglich gekommen werden. Denn Kanon 160 S. 2 CIC bestimmt sinngemäß, daß für die Wahl des Papstes allein diese Bestimmungen Pius’ XII. (früher: Pius’ X. in der Konstitution Vacante sede) maßgebend sind.
Mit allem Nachdruck muß hier erneut auf die Bestimmung des Kanons 219 CIC hingewiesen werden: „Mit Annahme der gültig vollzogenen Wahl erlangt der Papst kraft göttlichen Rechtes die höchste und volle Jurisdiktionsgewalt.“ Ebenso Kanon 109 S. 3 CIC: „Der Papst erhält die oberste Jurisdiktionsgewalt unmittelbar von Gott, sobald er die rechtmäßig vollzogene Wahl angenommen hat.“
Wenn nämlich beim Ablauf der Papstwahl regelwidrig, ‚unsauber’ verfahren würde, dann wäre durch solch eine vor Gott ungültige Wahl statt der Inkarnation des nächsten Petrus, des nächsten Davids, die Inkarnation jenes Jüngers inszeniert, der mit dem Leben unseres Gottes auf eigene Rechnung Handel trieb. Genau das aber war wohl der Abgrund, der den ‚Neuerern’ damals als Einfallstor für die Zerstörung der Kirche diente: statt eines ‚Knaben’ (vergl. AT, Isaias 66, 7 - 9), statt eines ‚Davids’ (vergl. AT, Jeremias 33, 20 und 21), eines Herrschers aus des Jakobs Stamm wurde jeweils ‚geboren’: ein „Sohn des Verderbens, der Widersacher, der sich erhebt über alles, was Gott und Heiligtum heißt, der sich selbst in den Tempel Gottes setzt und sich für Gott ausgibt.“ (NT, 2. Tessalonicherbrief 2, 3 und 4)
Der Beginn der Vakanz des päpstlichen Stuhles ist auf das Ableben Papst Pius’ XII., also auf Oktober 1958 zu datieren. Diese Feststellung ist beileibe keine Nebensächlichkeit, die ‚man so oder eben auch anders sehen’ könnte, weil die Akte der Wiederherstellung der kirchlichen Hierarchie sich auf das geltende Kirchenrecht stützen müssen, eben weil dieses eingehalten werden muß, soweit nicht das Vorliegen einer Gesetzeslücke ein sinngemäßes Handeln – in ‚Fortschreibung’ mittels einer eigentümliche Mischung aus Auslegung und des Ähnlichkeitsschlusses des (sonst) geltenden Kirchenrechts, Kanon 20 CIC - erfordert. Für die Feststellung des geltenden Kirchenrechts ist aber entscheidend, welches Kirchenrecht denn nun gilt, nämlich zu welchem Zeitpunkt die Vakanz eintrat und somit die Fortschreibung der mit den Zeitverhältnissen wandelbaren Teile des Kirchenrechts sozusagen ‚eingefroren’ war:
Wäre Roncalli Papst – und nicht nur ‚Papst’, ‚Leiche’ – gewesen, wäre das zum Ende seiner Amtszeit in Geltung gewesene und gesetzte Kirchenrecht die Richtschnur des Handelns für die Wiederherstellung der Kirche; wäre bereits Papst Pius XII. nur ‚Papst’ und nicht Papst gewesen, wäre das zum Zeitpunkt des Ablebens seines Vorgängers, Papst Pius XI. geltende Kirchenrecht die allein maßgebliche Richtschnur: Die Konklaveordnung Papst Pius’ XII. „Vacantis Apostolicae Sedis“ vom 8.12.1945 dürfte unter keinen Umständen berücksichtigt werden.
Roncalli, den die Welt „den Guten“ nannte, war ein ‚Neuerer’ durch und durch. Er war es, der nach seiner Wahl vom 28.10.1958 nichts Eiligeres zu tun hatte, als unerwartet am 25.1.1959 vor zahlreichen Kardinälen in der Basilika St. Paul vor den Mauern die Einberufung eines Konzils anzukündigen. Er verkündete, daß die ‚Fenster der Kirche zur Welt weit geöffnet’ werden müßten, um ‚frische Luft in die Kirche hineinzulassen’ und der deshalb den Weg für das als ‚bloßes Pastoralkonzil’ getarnte Unternehmen von wahrhaft höchst dogmatischer Natur, das man „das II. Vat. Konzil“ nennt, bereitete; selbst Denzinger/Hünermann (a.a.O., vor Rdn. 4001) führt entlarvenderweise dazu aus: „Wenngleich das Konzil keine Dogmen in Fragen der Glaubens- und der Sittenlehre definiert hat, besitzen seine Dokumente gleichwohl dogmatischen Charakter.“:
Propagierung des Naturrechtes auf Religionsfreiheit und damit Widerruf des Heilsvermittlungsanspruchs der Kirche, des Lehranspruches in Glaubensdingen und des Leitungsanspruches in moralischen Dingen. „Was wir suchen, und worauf wir harren müssen, wie die Juden auf ihren Messias, das ist ein Papst nach unseren Bedürfnissen.“ (so die Diktion der auf die Zerstörung der Kirche ausgerichteten Geheimgesellschaften, zitiert aus historischen Aufzeichnungen in ‚Einsicht’ 12/2006, S. 229 ff., S. 236) Er, Roncalli, war es, der in seiner Direktive vom bloß irdischen Frieden, „Pacem in terris“ die Arbeiten an der Einen-Welt-Regierung unterstützte und förderte, einer Weltregierung basierend auf dem gemeinsamen Willen aller Völker, und also auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, nämlich ohne Christentum und damit ohne Christus und also gegen Christus:
„(In unseren Tagen) wirft … das Gemeinwohl aller Völker Fragen von höchstem Gewicht auf,… vor allem was die Bewahrung der Sicherheit und des Friedens des gesamten Erdkreises angeht, andererseits erreichen die Lenker der einzelnen Nationen… dies dennoch nicht hinlänglich… da aber heute das Gemeinwohl aller Völker Fragen aufwirft, die alle Völker betreffen,… folgt daraus, daß es aufgrund der Nötigung der moralischen Ordnung selbst eine allgemeine öffentliche Autorität eingesetzt werden muß. Diese allgemeine Autorität…, deren Herrschaft überall auf Erden Gültigkeit haben… soll, muß… durch das Einverständnis aller Völker gegründet werden… Es ist die eigentümliche Aufgabe dieser allgemeinen Autorität, Fragen zu erwägen und zu entscheiden, die wegen des universalen Gemeinwohles auftreten und entweder wirtschaftliche, soziale und politische Dinge oder die Geisteskultur betreffen… Fragen, die… für schwieriger gehalten werden müssen, als daß sie von den Lenkern einzelner Staaten… gelöst werden könnten.“ (Roncalli, „Pacem in terris“, nach Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 3992 – 3995) Bezüglich des Lehrens und Handelns Papst Pius XII. ist hingegen ein Bruch mit der Tradition der Kirche nicht nur nicht auszumachen, sondern Papst Pius XII. hat unzweifelhaft unter anderem – aber beileibe nicht nur - gerade in der Enzyklika „mystici corporis“ vom 29.6.1943 die unverfälschte Lehre der Kirche von der Kirche vorgetragen.
Es gibt Leute, die meinen, bereits Papst Pius XII. sei nur ‚Papst’, also Scheinpapst gewesen und wollen aus dessen Apostolischen Rundschreiben „divino afflante spiritu“ vom 30.9.1943 (auszugsweiser Abdruck in Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 3825 ff.) einen häretischen Impetus verspürt haben. Die Enzyklika „divino afflante spiritu“ Papst Pius XII. bejahe „die theologisch angemessene historisch-kritische Erforschung der Heiligen Schrift“, so die einleitende Bemerkung des Denzinger (a.a.O., vor Rdn. 3825). Dies ist aber gerade nicht zu verwechseln mit der Haltung der vornehmlich protestantischen sog. Bibel-Kritiker wie Bultmann und viele andere längst vor diesem, später eben aber auch die der ‚konzils-katholischen’ Exegeten, die in der Übernahme des descartschen Ansatzes des grundsätzlichen Zweifels besteht, der sinngemäß lautet:
„Die in dem als ‚Heilige Schrift’ bezeichneten Buch niedergelegten Worte und Sätze sind solche von verschiedenen, teilweise unbekannten Verfassern, zu unterschiedlichen Zeiten verfaßt, mit letztlich unbekanntem Inhalt, der nur aus den damaligen zeitbedingten Umständen, der ‚Vorstellungswelt’ der damals Lebenden gedeutet werden kann und muß; bloßes Menschenwerk also, das der ‚Entmythologisierung’ dringend bedarf, indem dessen Hintergründe zu beleuchten sind; vielleicht ist hier und dort ein ‚guter Gedanke’, eine ‚Spur des Göttlichen’ darin zu finden.“
Ganz anders allerdings die Enzyklika „divino afflante spiritu“, dort heißt es unter anderem:
„Die Exegeten der Heiligen Schrift aber sollen, eingedenk (der Tatsache), daß es sich hier um das von Gott inspirierte Wort handelt, dessen Bewahrung und Auslegung von Gott selbst der Kirche anvertraut wurde, nicht weniger sorgfältig die Ausführungen und Erklärungen des Lehramts der Kirche und ebenso die von den heiligen Vätern gegebenen Erläuterungen sowie die Analogie des Glaubens berücksichtigen, wie Leo XIII in der Enzyklika „providentissimus deus“ sehr weise bemerkt hat.“
Der in dieser Enzyklika enthaltene Aufruf, alle, auch neuere Erkenntnisquellen, zum Beispiel die der Archäologie und der Erforschung der alt-orientalischen Sprachen zu benutzen, ist keinesfalls mit der sog. historisch-kritischen Methode der ‚Auslegung’ der Heiligen Schrift nach Maßgabe der ‚Bibel-Kritiker’ zu verwechseln. Er hat nämlich keineswegs die Zielrichtung, die Heilige Schrift als ‚widersprüchlich’, als ‚naiv’ und ‚dichterisch frei (von der Wahrheit)’ zu ‚torpedieren’ und zu ‚untergraben’, sondern - im Gegenteil - , wissend um die göttliche Inspiration der Hl. Schrift, ihren Inhalt, gestützt auf weitere Forschungsergebnisse, zu bekräftigen und die Erkenntnis des Inhalts der Worte der Heiligen Schrift weiter zu durchdringen – und hält sich damit vollauf in der Tradition der Kirche:
„Es gibt eben keine Wahrheit in den Naturdingen, die den Lehren der Offenbarung widerstreitet, vielmehr empfangen diese eine vielfache zusätzliche Bestätigung. Deshalb kann jede Entdeckung von etwas Wahrem uns zu einem Antrieb werden, Gott immer mehr zu erkennen und zu preisen. Was immer den Erkenntnisbereich der Wissenschaften ausweitet, begrüßt deshalb die Kirche mit Freuden.“ (aus dem Apostolischen Rundschreiben „Immortale Dei“ Papst Leo XIII. vom 1.11.1885)
Die Heilige Schrift ist zunächst stets nach dem Buchstaben des Wortes auszulegen und zu verstehen. Aber selbst die buchstäbliche Auslegung bedarf ihrerseits der Grundlagenforschung, der Ergründung, in welchem Sinne diese oder jene Ausdrücke oder Redewendungen zum Zeitpunkt der Abfassung des Textes benutzt wurden, mit welchem zeitgenössischen Hintergrund sie ‚befrachtet’ und ‚beladen’ waren. Ich will das an einem ganz praktischen Beispiel erläutern: In der Heiligen Schrift ist bezüglich der Begebenheit der Hochzeit zu Kana zum Vulgata-Text zu NT Johannes 2, 4: „et dicit ei Iesus quid mihi et tibi est“ (NT, Johannes 2, 4), je nachdem, welcher deutschen Übersetzung man sich bedient, Schauderhaftes zu lesen: „Jesus spricht zu ihr: Frau, was begehrest du da von mir?“ (Stuttgarter Keppler-Bibel, a.a.O.), „Jesus aber sprach zu ihr: Weib, was habe ich mit dir zu schaffen?“ (Allioli-Bibel, a.a.O.), „Und Jesus sprach zu ihr: ‚Was habe ich mit dir zu schaffen, Weib?“ (Riessler/Storr, a.a.O.) Das gleicht einer ‚Abfuhr, die sich gewaschen hat’: einer ‚barschen Zurückweisung’ des Herrn gegenüber seiner Mutter, wie insbesondere die Protestanten mit Triumpf gegenüber dem ‚Marienkult der Kirche’, diesem ‚falschen Götzendienst’ anmerken: Hier werde doch wohl die höchst profane leibliche Mutter jenes Jesus von Nazareth von letzterem ganz ‚derbe in ihre Schranken gewiesen’.
Ein unter den Sedisvakantisten wirkender Pater hat aus einem in einer theologischen Zeitschrift in den fünfziger Jahren enthaltenen Beitrag eines in Jerusalem lebenden Paters berichtet, dessen klösterliche Gemeinschaft sich öfter der Dienste eines in der Nachbarschaft wohnenden Jungen bediente, der auf Zuruf die gänzlich landes- und kulturtypische Frage stellte „was mir und dir?“, was nicht etwa bedeutet „geh’ mir nur weg damit, was erdreistest du dich da, was begehrest du da ungebührlicherweise von mir?“, sondern die schlichte Frage „was wünschst du von mir?“; „hier bin ich zu Deinen Diensten“ und genau dieses „was (zwischen) mir und dir?“ gibt der Vulgata-Text zu NT Johannes 2, 4 her: „et dicit ei Iesus quid mihi et tibi est“.
Und schon wird aus der Nonsens-Geschichte:
„Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: ‚Sie haben keinen Wein mehr.’ Jesus entgegnete: ‚Laß mich in Ruhe, meine Todesstunde ist noch nicht gekommen’. Seine Mutter aber (überhörte diese Schelte und dachte bei sich, ‚er wird es schon richten’, und) spricht zu den Dienern: ‚Alles, was er euch sagt, das tuet.’ Jesus (, der nun über die Worte seiner Mutter nachdachte, kam wohl zu dem Schluß, daß er vielleicht von ihr aufgefordert sein könnte, Wasser in Wein zu verwandeln) sprach zu ihnen: ‚Füllt die Krüge mit Wasser’, und sie füllten sie bis zum Rande.“
– nun ein nachvollziehbares Geschehen:
„Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: ‚Sie haben keinen Wein mehr.’ Jesus entgegnete: ‚Was wünschst Du von mir? Jetzt allerdings ist der rechte Zeitpunkt (dafür) noch nicht gekommen (,daß ich durch ein Wunder für weiteren Wein sorgen werde, wie ich Dir ja angekündigt habe)’. Seine Mutter spricht darauf zu den Dienern: ‚Alles, was er euch sagen wird, das tuet’. Jesus sprach (im weiteren Verlauf des Hochzeitsfestes, als alle Geladenen mittlerweile um das Zur-Neige-gehen des Weines wußten,) zu ihnen: ‚Füllt die Krüge mit Wasser’, und sie füllten sie bis zum Rande.“
(Diejenigen unter Ihnen, die die von C.v.Brentano aufgezeichneten Privatoffenbarungen der Anna Catherina Emmerich für glaubhaft erachten, ich bekenne mich insoweit als dazugehörig, werden ein in etwa sinngemäß dargestelltes Geschehen in ‚Das arme Leben unseres Herrn Jesu Christi’, Auswahl aus den Tagebüchern des C. Brentano, Pattloch-Verlag, Aschaffenburg, 1971, dort S. 128 ff., vorfinden.) Dies sei als ein ganz praktisches Beispiel für eine solche von Papst Pius XII. gewünschte Erforschung der Heiligen Schrift vorgetragen, nämlich die Bekräftigung des widerspruchsfreien Inhaltes der Heiligen Schrift und damit deren Verteidigung als wahr aus allen Wissensgebieten, ‚aus allen Himmelsrichtungen, zu Wasser, zu Lande und aus der Luft, aus allen Rohren, taktisch, strategisch und mit ganzer Feuerkraft’. Papst Pius XII. war beileibe kein ‚Neuerer’, denn er war gerade nicht der als ‚der Gute’ von aller Welt Gepriesene, und daher war er auch nicht ‚Papst’, sondern Papst, und zwar der von den einen zu Unrecht Gescholtene und als für die Ermordung der Juden durch die Nazis mitverantwortlich Verleumdete und von den anderen als ‚zu judenfreundlich’ und deshalb – ebenso zu Unrecht - der ‚Apostasie’ und der ‚Häresie’ Verdächtigte. Er war es, der jenen Montini im Jahre 1954 aus der Regierung der Gesamtkirche entfernte, indem er ihn als Erzbischof nach Mailand versetzte. Nicht Papst Pius XII. war es, der Montini zum Kardinal ernannte, sondern Roncalli am 15.12.1958.
„ „Wollt ihr eine Kirche, die schweigt, wo sie sprechen müßte, eine Kirche, welche das Gottesgesetz abschwächt, es an den Geschmack des menschlichen Willens anpassen will, wenn sie verpflichtet ist, es mit lauter Stimme zu proklamieren, eine Kirche, welche sich entfernt vom unerschütterlichen Fundament, auf welches Christus sie begründet hat, um sie bequem dem unbeständigen Stand der Tagesmeinungen anzupassen oder sie der gerade gültigen Meinung preiszugeben; eine Kirche, welche die Unterdrückung der Gewissen nicht tadelt und nicht für die gerechte Freiheit des Volkes eintritt; eine Kirche, welche sich in ungebührlicher Dienerei in die vier Wände ihres Tempels einschließt, des göttlichen Auftrags, den sie von Christus erhalten hat, vergessend: ‚Geht an die Straßenkreuzungen und lehrt die Menschen.’ Geliebte Söhne und Töchter! Geistliche Erben einer ungezählten Legion von Bekennern und Märtyrern! Ist dies die Kirche, die ihr verehrt und liebt? Würdet ihr in einer solchen Kirche die Linien des Angesichts eurer Mutter erkennen? Würdet ihr euch einen Nachfolger des ersten Petrus vorstellen können, der sich solchen Ansprüchen beugen würde?“ Es antwortete dem Heiligen Vater ein einziger Schrei wie ein Donnerrollen, das heute noch in unseren Ohren klingt: „Nein!“ “
- Das ist der Originalton und der Wahlspruch Papst Pius XII.; mit dieser rhetorischen Frage hat er sich anläßlich einer päpstlichen Ansprache vom 20.2.1949 (zitiert nach Lehnert, a.a.O., S. 150) vor den versammelten Gläubigen auf dem Petersplatz als der wahre Hirte der Hirten zu erkennen gegeben: Er war der bislang letzte in der Reihe derer, „die sitzen auf dem Thron des Hauses Israel.“ (AT, Jeremias 33, 17) – Und daher muß die Konklaveordnung Papst Pius’ XII. „Vacantis Apostolicae Sedis“ vom 8.12.1945 unbedingt eingehalten werden, wo immer sie eingehalten werden kann; wo nicht, muß sie unter Beachtung von Kanon 20 CIC bei Ausfüllung der Gesetzeslücke als Richtstern berücksichtigt werden. Der Beginn der Vakanz des päpstlichen Stuhles ist auf das Ableben Papst Pius’ XII., also auf den 9. Oktober 1958 zu datieren, also ist für das für die Wiederherstellung der Kirche anzuwendende Kirchenrecht das zu diesem Zeitpunkt in Geltung gesetzte Kirchenrecht maßgeblich.
7. Und woher nehmen die als ‚Not-Kardinäle’, als Wahlmänner Fungierenden die Befugnis, rechtmäßig und also ‚gültig’, d.h. wirksam den Nachfolger des hl. Petrus wählen zu dürfen?
a. Kanon 209 CIC:
Die Wahlmänner müssen aus dem geltenden Kirchenrecht heraus zur Papstwahl berechtigt sein, denn mit allem Nachdruck muß auch hier noch einmal auf die Bestimmung des Kanons 219 CIC hingewiesen werden: „Mit Annahme der gültig vollzogenen Wahl erlangt der Papst kraft göttlichen Rechtes die höchste und volle Jurisdiktionsgewalt.“ Ebenso Kanon 109 S. 3 CIC: „Der Papst erhält die oberste Jurisdiktionsgewalt unmittelbar von Gott, sobald er die rechtmäßig vollzogene Wahl angenommen hat.“ Die Wahl muß also ‚gültig’ und ‚rechtmäßig’ vollzogen sein. Dazu gehört eben auch, daß die Wählenden zur Wahl berechtigt sind: Wer oder was berechtigt die Wahlmänner, die ersatzweise für die nicht vorhandenen Kardinäle den nächsten Papst wählen, zu ihrem Tun? Eine ‚missio canonica’, eine Sendung durch kirchliche Obere können diese Ersatzkardinäle nicht aufweisen, weil die Kirchenämter erloschen sind, wie oben dargelegt. Denn wäre diesen Wahlmännern von einem dazu berechtigten Oberen, also von einem (wahren) Papst die ‚missio’ erteilt, im Sedisvakanzfalle einen Papst wählen zu dürfen, wären sie (von einem wahren Papst ernannte) Kardinäle – und nicht ‚Not- und Ersatzkardinäle’. Hier handelt es sich um genau dasselbe Problem, das auch betreffend die Tätigkeit der als ‚sedisvakantistische’ Priester im Widerstand gegen die Apostasie der Konzilskirche Wirkenden gilt: Sie alle handeln mangels vorhandener Hierarchie der katholischen Kirche ohne die grundsätzlich erforderliche ihnen erteilte (ordentliche) kirchliche Sendung: Handeln sie dennoch rechtmäßig? Diejenigen Priester, die ohne ‚missio’, ohne kirchliche Sendung das heilige Meßopfer feiern, Priester weihen oder andere Sakramente spenden, predigen und all die Handlungen vornehmen, die den Amtsträgern der katholischen Kirche vorbehalten sind, sie handeln scheinbar unrechtmäßig, da doch das Kirchenrecht (Kanon 147, f. CIC) die Ausübung der Kirchengewalt den Amtsinhabern, den von der Kirche eingesetzten Amtsträgern unter Androhung von Kirchenstrafe vorbehält (Kanon 2393 CIC). Gleiches – nämlich die Unrechtmäßigkeit der Papstwahl - und damit deren Ungültigkeit würde auch betreffend einer Papstwahl für die Wahlmänner gelten, die ohne die ihnen dazu erteilte Amtsgewalt ersatzweise für die nicht vorhandenen, von einem (wahren) Papst ernannten Kardinäle die nächste Papstwahl vornehmen würden.
Was gilt?
Kanon 209 CIC (auszugsweise zitiert nach Jone, a.a.O.) bestimmt: „Eine Supplierung der Jurisdiktion im Rechtsbereich und im Gewissensbereich erfolgt durch die Kirche in den Fällen, die in diesem Kanon erwähnt werden…. Ferner suppliert die Kirche, wenn ein positiver, wirklich gut begründeter Zweifel bezüglich der Jurisdiktion vorliegt; dabei bleibt es sich gleich, ob der Zweifel sich auf die Rechtslage oder die Tatsachenfrage bezieht.“ Weil die Vorschrift des Kanons 209 CIC essentiell legitimierend nicht nur für das Handeln der letzten sedisvakantistischen Priester, sondern auch und vor allem für das Handeln der künftigen Konklaveteilnehmer ist und sein wird, führe ich sie hier insoweit in ihrem Wortlaut auf: “In errore communi aut in dubio positivo et probabili sive juris sive facti, iurisdictionem supplet Ecclesia pro foro tum externo tum interno.” (zitiert nach Codex Iuris Canonici, a.a.O.) Diese scheinbar so unscheinbare Vorschrift muß erklärt werden: Die Supplierung bedeutet die Ergänzung, also die Ersetzung der nicht vorhandenen Jurisdiktionsgewalt. Holböck (a.a.O., Bd. 1, S. 276, f.) führt unter der Überschrift: „Die gesetzliche Ergänzung fehlender Hirtengewalt (c. 209).“ aus: „Der Gesetzgeber selbst ersetzt in zwei Fällen die sicher fehlende Hirtengewalt. Diese Hirtengewalt, welche die Kirche sowohl für den äußeren wie für den inneren Bereich, nicht für dauernd, sondern nur vorübergehend ergänzt, bewirkt, daß ein Rechtsakt, der sonst wegen des Fehlens der Hirtengewalt ungültig wäre, gültig zustande kommt.“
Die Ersetzung der nicht vorhandenen Jurisdiktionsgewalt besteht darin, „daß jemand, der an sich nicht im Besitze der Jurisdiktionsgewalt ist, aber doch einen Akt vornimmt, zu dem Jurisdiktionsgewalt nötig ist, bei Vornahme des Aktes die Jurisdiktion erhält, aber nur so, daß er sofort nach Vornahme des Aktes oder Erledigung der Angelegenheit die Jurisdiktionsgewalt nicht mehr hat... Wenn es heißt, die Kirche suppliere (ergänze) die Jurisdiktion, so wird darunter der oberste Gesetzgeber der Kirche, der Papst verstanden, der durch die vorliegende gesetzliche Bestimmung die Jurisdiktion ohne jede weitere Formalität suppliert. Dabei ist aber immer vorausgesetzt, daß es sich um Dinge handelt, in denen die Kirche supplieren kann. Wenn also z. B. ein Laie Beichte hört, so ist auch die Kirche nicht im Stande, ihm die nötige Vollmacht zu ersetzen…“ (Jone, a.a.O., Bd I, Kommentierung zu Kanon 209) Und diese Kommentierung bedarf, weil aus sich heraus so nicht ohne weiteres verständlich, der
Nach-Kommentierung: 1. Die hier benannte ‚iurisdictio’ ist nicht als Rechtsprechung, sondern als kirchliche Amtsgewalt im weitesten Sinne zu verstehen: ein gültig geweihter Priester, obwohl gültig geweihter Inhaber des Priestertums, hat keine Amtsgewalt, z.B. in dieser oder jener Gemeinde als Pfarrseelsorger zu wirken oder Beichte zu hören und Sünden nachzulassen oder zu behalten, solange ihm diese Amtsgewalt nicht von seinem Oberen, in der Regel dem Ortsbischof erteilt worden ist. Zur berechtigten Ausübung des Priesterseins, des Priestertums ist also die Sendung die ‚missio canonica’ in dieses Amt als Pfarrer, als zur Erteilung des Bußsakramentes Berechtigter erforderlich: ihm muß die erforderliche Amtsgewalt erteilt worden sein. Ebenso ist zur Ausübung des Amtes als ‚Kardinal’, als Wahlmann für eine Papstwahl die Erteilung dieser Amtsgewalt erforderlich, insoweit als Wahlmann wirken zu dürfen. Diese Amtsgewalt ist die in Kanon 209 bezeichnete ‚iurisdictio’. 2. …“daß jemand, der an sich nicht im Besitze der Jurisdiktionsgewalt ist, aber doch einen Akt vornimmt, zu dem Jurisdiktionsgewalt nötig ist, bei Vornahme des Aktes die Jurisdiktion erhält, aber nur so, daß er sofort nach Vornahme des Aktes oder Erledigung der Angelegenheit die Jurisdiktionsgewalt nicht mehr hat“… bedeutet nicht, daß die Amtsgewalt für diesen vorgenommenen Akt erlischt, sondern, daß dieser Amtsgewalt erfordernde Akt berechtigt vorgenommen wurde, nämlich mit der aus Kanon 209 CIC hergeleiteten von der Kirche unmittelbar ergänzten (‚supplierten’) Amtsgewalt, und daher für alle Zeit berechtigt bleibt: Alle an diesem Akt der supplierten Jurisdiktion, ersetzter Amtsgewalt im weitesten Sinne Beteiligten, z.B. Spender und Empfänger bei der Sakramentenspendung, der das Meßopfer darbringende Priester, die Ministranten und die dem Meßopfer Beiwohnenden, predigender Priester und Zuhörer der Predigt, handeln berechtigt. Gemeint ist aber, daß damit dem Handelnden keine fortwährende Jurisdiktionsgewalt, Amtsgewalt übertragen ist, sondern sie wird immer wieder und immer wieder von Fall zu Fall nur dort ‚suppliert’, ersetzt, ergänzt, wo die Voraussetzungen des Kanon 209 CIC gegeben sind. 3. Wenn nach Jone der oberste Gesetzgeber der Kirche, der Papst es ist, der suppliert, der die fehlende Jurisdiktionsgewalt ergänzt, so ist damit nicht gemeint, daß der (derzeit nicht besetzte) Päpstliche Stuhl vor der Vornahme des Aktes, zu dem kirchliche Amtsgewalt erforderlich ist, angerufen werden müßte: Wäre das der Fall, dann hätten wir es nicht mit einer ,supplierten´, also ergänzten, sondern mit einer ordentlichen, tatsächlich erteilten Amtsgewalt zu tun. In Fällen, in denen unschwer die Erlaubnis vorher eingeholt werden könnte, suppliert die Kirche auch nicht die Amtsgewalt, denn dann liegt kein wirklich gut begründeter ‚positiver Zweifel’ vor: es kann und muß in solchen Fällen von der unschwer zu erlangenden Jurisdiktion(sgewalt), Amtsgewalt Gebrauch gemacht werden. Entgegen Jone ist es auch nicht der Papst, der suppliert, sondern es ist – gemäß dem bloßen Wortlaut der Vorschrift - die Kirche, die suppliert: „supplet Ecclesia“. Auch hier gilt in Fortschreibung des Satzes „Alles, was du auf Erden binden wirst, wird auch im Himmel gebunden sein, und alles, was du lösen wirst“… : „Alles, was Ich im Himmel gebunden habe, wirst auch du, David, mein Knecht, auf Erden binden, und alles, was Ich im Himmel gelöst habe, wirst auch du auf Erden lösen, eben weil es bereits im Himmel gebunden bzw. gelöst ist“. Es ist dazu nicht einmal erforderlich, daß der Päpstliche Stuhl besetzt ist, sondern die ,Supplierung’ besteht gerade in der Ergänzung der nicht vorhandenen Amtsgewalt durch den mutmaßlichen – nicht den tatsächlich geäußerten - Willen der Kirche: Christus, das wahre Oberhaupt der Kirche – und nicht sein Stellvertreter, der gerade verhindert ist, sonst hätte er ja (durch stellvertretende Obere) ordentliche Jurisdiktionsgewalt erteilt -, ist es, der „suppliert“, der die fehlende Amtsgewalt ersetzt. Er ist es, der diese außerordentliche Jurisdiktionsgewalt, Amtsgewalt durch Seine Kirche ergänzend erteilt. 4. Nur die nötige, aber fehlende Jurisdiktion(sgewalt), die Ermächtigung, das ‚Dürfen’, die ‚missio’, das Ausgesendet-sein, die Amtsgewalt also wird im Notfall ‚ergänzt’, d.h. im Wege dieser Notverordnung der Kirche über Kanon 209 CIC übertragenen außerordentlichen Jurisdiktionsgewalt verschafft, nicht aber die Mächtigkeit, die Tauglichkeit, das Können, die Weihegewalt: Ein Laie wird also niemals über die Bestimmung des Kanon 209 CIC in die Lage versetzt, Handlungen wirksam vornehmen zu können, die (nur) den Geweihten mittels der Ausspendung des Weihesakramentes zur Vornahme übertragen sind: die Spendung der den Priestern zur Ausspendung vorbehaltenen Sakramente, die Feier des hl. Meßopfers, die Lossprechung in der Beichte zu erteilen, etc. . Dazu Perathoner, (a.a.O., S. 114, Fn. 2): „Die Kirche ergänzt die Jurisdiktion nur, soweit sie es kann. Wo es sich um göttliches Recht handelt, kann die Kirche die Jurisdiktion nicht supplieren. Wird z.B. ein Nichtpriester allgemein für einen Priester gehalten, so kann die Kirche seine Jurisdiktion für die Absolution von Sünden nicht ergänzen, weil nach göttlichem Rechte nur ein Priester Sünden nachlassen kann (can. 871).“ 5. In welchen Fällen ersetzt nun die Kirche die fehlende Amtsgewalt?: Bei ‚positivem Zweifel’, der billigenswert, der wahrscheinlich ist betreffend (sowohl) die Rechtslage - „in dubio positivo et probabili sive juris”: Vorab: die mir hierzu zugängliche Literatur ist mehr als dürftig; außer den Kommentarstellen aus Jone, a.a.O., behandeln die übrigen Werke zum Kirchenrecht diese Vorschrift in ihrer Alternative des ‚positiven und billigenswerten Zweifels betreffend das (Kirchen-)Recht’ ganz und gar stiefmütterlich. Perathoner (a.a.O., S. 114) faßt den Rechtsgedanken wie folgt zusammen: „Bei einem allgemeinen Irrtum vertritt (suppliert) die Kirche die fehlende Gewalt, sowohl für den Rechts- wie auch den Gewissensbereich; ebenso bei jedem gerechtfertigten Zweifel (in dubio positivo et probabili), sei es dubium juris oder dubium facti.“ Retzbach (a.a.O., S. 51) merkt dazu an: …„besteht ein positiver und probabler Zweifel (juris oder facti), so ergänzt die Kirche die Jurisdiktion…“ Jone (a.a.O., Bd I, Kommentierung zu Kanon 209) führt hierzu aus: „Ein positiver Zweifel ist vorhanden, wenn tatsächlich ein Grund für das Vorhandensein der Jurisdiktion vorliegt. Ein negativer Zweifel dagegen ist dann gegeben, wenn weder für das Bestehen noch für das Fehlen der Jurisdiktion ein Grund angegeben werden kann. Der Zweifel ist gut begründet, wenn ein einigermaßen wichtiger Grund vorhanden ist… Damit man von einem gut begründeten Zweifel bezüglich der Rechtslage sprechen kann, genügt es nicht, daß ein Kleriker die Rechtsfrage infolge seiner Unkenntnis für zweifelhaft hält, sondern es ist nötig, daß wirklich gewichtige Autoren die Rechtslage für zweifelhaft halten, oder daß ein Teil der gewichtigen Autoren die Jurisdiktion bejaht, während der andere Teil sie verneint... was hier vom Zweifel gesagt wird, kann man wohl auch auf den Fall ausdehnen, indem jemand die subjektive Gewißheit hat, daß er im Besitze der nötigen Jurisdiktion ist…“ Holböck (a.a.O., Bd. 1, S. 277) bemerkt dazu: „Im wahrscheinlichen und positiven Zweifel ersetzt die Kirche gleichfalls die fehlende Hirtengewalt. Zweifel liegt vor, wenn der Verstand aus Furcht zu irren zu keinem Urteil kommt. Zweifel besteht darüber, ob ein Geistlicher Hirtengewalt besitzt oder nicht. Wir können ihn als einen positiven Zweifel bezeichnen, wenn für ihren Besitz ernste Gründe vorliegen, die aber nicht hinreichen, die gegenteilige Auffassung als völlig unwahrscheinlich erscheinen zu lassen. Der Zweifel kann nun Rechts- oder Tatlagenzweifel sein. In solcher Lage ist es erlaubt, von der zweifelhaften Hirtengewalt Gebrauch zu machen, sie wird, wenn sie wirklich fehlen sollte, von der Kirche ergänzt. Dem positiven Zweifel ist der negative entgegengesetzt. Ein solcher liegt vor, wenn keine oder nur schwache Gründe für den Besitz der Hirtengewalt sprechen. Dieser Zweifel kommt der Unkenntnis völlig gleich.“
‚Dubio positivo’ als ‚positiven Zweifel’ zu übersetzen, kommt einer übersetzerischen Fehlleistung gleich, denn die Ausdrücke ,positiver´ und ,negativer Zweifel´ sind dem inhaltlichen Verständnis keineswegs dienlich, sie sind vielmehr der unzureichenden Übersetzungsarbeit aus dem Lateinischen zuzuschreiben und haben als sprachliches Kuriosum etwa dieselbe verquaste Bedeutung wie der ‚eher unzweifelhafte’ und der ‚eher zweifelhafte Zweifel’ oder ,die bevölkerte’ und die ‚unbevölkerte’, nämlich die ‚öde Einöde’: Der ‚positive Zweifel’ wäre dem ‚eher unzweifelhaften Zweifel’, der ‚bevölkerten Einöde’, der dichten, der urbanen Besiedelung, gleichzusetzen, ‚der negative Zweifel’ demnach dem ‚eher zweifelhaften Zweifel’, der ‚unbevölkerte Einöde’. Bildlich gesprochen: Das Gesellschaftsspiel „Schiffe versenken“ kennt zwei Einteilungen: „Treffer!“ oder „Verfehlt!“ - der positive Zweifel ist der mutmaßliche „Treffer“, der negative Zweifel hat das Ziel offensichtlich „verfehlt“.
Inhaltlich trifft man den Kern der Sache, wenn man den ‚positiven Zweifel’ als Vermutung, als Annahme übersetzt: Beim ‚positiven Zweifel’ handelt es sich um eine mit (mehr oder minder) starken Gründen bestückte, einer (mehr oder minder) ‚handfeste’, ‚greifbare’ Vermutung, Annahme, eine (mehr oder minder gewisse) ‚Wahrscheinlichkeit’, die für die Richtigkeit der Annahme spricht. Es handelt sich um die aus sach- und faktenkundiger Sicht gegebene tendentielle Begründetheit der Annahme. „in dubio positivo et probabili“ wird man richtigerweise erfassen als: „bei einer wohl begründeten, handfesten, als wahrscheinlich zu billigenden Annahme“. Eine derartige handfeste, als wahrscheinlich zu billigende Vermutung ist demnach die mit starken Gründen für diese Annahme sprechende Vermutung bis hin zur praktisch zwingenden Vermutung, die zwar nicht allen denkbaren dagegen vorgebrachten Bedenken Schweigen gebietet, nach den gegebenen Umständen und in der Gesamtschau diesen theoretischen Bedenken allerdings keinen nenneswerten Glaubwürdigkeitswert mehr beläßt.
Beim ‚negativen Zweifel’ handelt es sich um eine (mehr oder minder) grundlose, um eine (mehr oder minder) haltlose Vermutung, um die tendenzielle Unbegründetheit der Annahme. „in dubio positivo et probabili sive juris sive facti, iurisdictionem supplet Ecclesia…” wird man daher richtigerweise übertragen: „bei einer wohl begründeten, handfesten, als wahrscheinlich zu billigenden Annahme betreffend sowohl die Rechtslage als auch die Tatsachen ersetzt die Kirche die (fehlende) Amtsgewalt“.
Jone (a.a.O., Anmerkung zu Kanon 209) führt als Beispiel für eine wohl begründete Tatsachenvermutung an: „Ein Zweifel bezüglich der Tatsachenfrage (Sachlage) liegt vor, wenn jemand nach Ablauf von zwei Jahren zweifelt, ob ihm die Beichtjurisdiktion auf zwei oder drei Jahre verliehen worden sei. Ist es ihm bekannt, daß in dieser Diözese die Jurisdiktion gewöhnlich für drei Jahre gegeben werde, dann hat er einen positiven, gut begründeten Zweifel, daß auch ihm die Jurisdiktion für drei Jahre gegeben sei; hat er aber keine Ahnung von der Praxis, die in der Diözese herrscht, dann hat er einen negativen Zweifel, vorausgesetzt, daß er auch sonst keinen Anhaltspunkt über die Dauer seiner Jurisdiktion hat.“ Die Frage, mit welcher Frist der Bischof die Beichtejurisdiktion tatsächlich erteilt hat, ist also eine entweder wohl begründete oder haltlose Tatsachenvermutung, denn die Frage, mit welcher Frist dem Geistlichen die Beichtjurisdiktion erteilt wurde, ergibt sich aus dem damaligen (tatsächlichen) Erteilungsakt. Wann aber können wohl begründete oder eben haltlose Annahmen betreffend die Rechtslage vorliegen, wann kann die Rechtslage zweifelhaft sein? Das Recht, sei es nun geschriebenes oder ungeschriebenes Recht, enthält abstrakt formulierte (Rechts-)Regeln, die für alle davon erfaßten Lebenssachverhalte gelten sollen. Demnach sind diese einzelnen Lebenssachverhalte auf ihre Übereinstimmung mit dem betreffenden Regelwerk oder eben auf ihre Nichtübereinstimmung hin zu prüfen.
Die Rechtsregeln sind aber beileibe nicht in allen Fällen eindeutig und können es auch nicht sein: Ein Gesetzgeber ist nicht in der Lage, sämtliche Konstellationen möglicher und möglicherweise später eintretender Lebenssachverhalte, die von dieser oder jener gesetzlichen Regelung erfaßt werden sollen, im Voraus zu bedenken und insoweit eine eindeutige Abgrenzung der gesetzlichen Regelung zu solchen Fallgestaltungen vorwegzunehmen, die eben nicht mehr von dieser gesetzlichen Regelung umfaßt sein sollen. In diesen Fällen, in denen der genaue Inhalt und die genauen Grenzen und die Tragweite der gesetzlichen Regelung nicht aus der sprachlichen Fassung dieser Regelung (durch einfache Auslegung, nämlich bloßes Erfassen des sprachlichen Inhalts der Norm) erkannt werden kann, ist eine Auslegung der betreffenden Gesetzesnormen erforderlich. Gesetzesauslegung hat die Erkenntnis, das Erfassen des Inhalts einer Norm oder Normengruppe zum Ziel. Die Tätigkeit des Rechtskundigen, des ‚Gesetzes-Auslegers’ ist nichts anderes als die Amtsausübung des Wegführers, der den Brückenschlag von den gesetzlichen Merkmalen dieser oder jener Kette abstrakter Rechtsnormen hin zu diesem oder jenem Lebenssachverhalt prüft; zu nichts anderem dient die Tätigkeit der Auslegung: Sie hat den tatsächlichen, wenn auch nur unscharf formulierten Willen des Gesetzgebers oder auch dessen mutmaßlich Willen, den dieser äußern würde, wenn er diesen zur Entscheidung anstehenden Fall gekannt hätte, zu achten und gegebenenfalls ‚zu Ende zu denken’. Neben inhaltlicher Unschärfe im ‚Randbereich’ einer gesetzlichen Regelung, nämlich bezüglich der Tragweite und Grenzen der betreffenden gesetzlichen Regelung, in Fällen, in denen also der Gesetzgeber den zur Regelung anstehenden Lebenssachverhalt tatsächlich oder mutmaßlich erfassen wollte, es eben aber fraglich ist, mit welchen inhaltlichen Grenzen der Gesetzgeber eine Regelung treffen wollte, was durch Auslegung zu klären ist, sind weitere Möglichkeiten gegeben, die einer über alle Zweifel erhabenen, sicheren Rechtsanwendung im Wege stehen, nämlich dann, wenn 1. das Gesetz ersichtlich einen zu regelnden Lebenssachverhalt tatsächlich nicht erfaßt hat, also die hierzu erlassenen gesetzlichen Regelungen sicher so nicht gelten können, weil sie ersichtlich a. den zur Prüfung anstehenden gänzlich atypischen Lebenssachverhalt nicht erfaßt und damit nicht umfaßt (unplanmäßige Gesetzeslücke) oder b. ausdrücklich ausgegrenzt haben, das Gesetz also offensichtlich eine Gesetzeslücke aufweist (planmäßige Gesetzeslücke), und 2. der Lebenssachverhalt aber dennoch dringend regelungsbedürftig ist. Alle die vorgenannten Ausführungen betreffend das Recht allgemein, gelten auch im Besonderen für das Kirchenrecht (vergl. Kanones 15, 17 – 20 CIC). Wohl begründet ist die Annahme einer Rechtslage, wenn für sie starke, überzeugende Argumente ins Feld geführt werden können. Und diese Vermutung ist billigenswert, wahrscheinlich, wenn die Einschätzung der Rechtslage nicht auf Unkenntnis oder Mißachtung des geltenden Kirchenrechts beruht, sondern wenn die Argumentation im einzelnen zutreffende Gründe vorzuweisen hat, die Argumentation sich also innerhalb des geltenden Kirchenrechts und der kirchlichen Dogmatik bewegt, indem sie dieses Kirchenrecht und gegebenenfalls die Dogmatik auf den gegebenen Fall anwendet und etwa in diesem oder jenem Zweifelsfalle zu einem billigenswerten, wenngleich auch nicht über alle Zweifel erhabenen Ergebnis gelangt oder wenn - wie im gegebenen Fall bei Vorliegen einer Gesetzeslücke - die Argumentation das geltende Kirchenrecht im Ähnlichkeitsschluß durch dessen Fortschreibung unter Beachtung der Dogmatik der Kirche anzuwenden versucht.
Was haben nun alle diese scheinbar aus- und abschweifenden Ausführungen mit der in diesem Kapitel allein anstehenden Frage zu tun, ob anstelle von nicht vorhandenen Kardinälen anderen Wahlmännern die kirchenrechtliche Befugnis zur Vornahme einer Papstwahl zustehe? Wie oben festgestellt, können solche ersatzweise für die nicht vorhandenen Kardinäle tätigen Wahlmänner nicht die dafür grundsätzlich erforderliche ordentliche Amtsgewalt vorweisen, denn das Kirchenrecht hat den Sachverhalt einer fälligen Papstwahl ohne das Vorhandensein von Kardinälen offensichtlich nicht erfaßt und daher nicht geregelt, wie oben ebenfalls festgestellt.
Es liegt also insoweit eine Gesetzeslücke vor, die einer über alle Zweifel erhabenen, sicheren Rechtsanwendung im Wege steht, weil das Gesetz ersichtlich den zu regelnden gänzlich atypischen Lebenssachverhalt der nötigen Vornahme einer Papstwahl beim gänzlichen Fehlen von Kardinälen tatsächlich nicht erfaßt und damit nicht umfaßt oder umgekehrt ausgegrenzt hat, des weiteren aber insoweit ein Regelungsbedürfnis dringend besteht.
Und hier ist just zu prüfen, ob „die Kirche die (fehlende) Amtsgewalt bei einer wohl begründeten, handfesten, als wahrscheinlich zu billigenden Vermutung betreffend ... die Rechtslage (nämlich die kirchenrechtliche Berechtigung der ersatzweise für die nicht vorhandenen Kardinäle tätigen Wahlmänner)… nicht (gemäß Kanon 209 CIC) ersetzt“.
Das hängt von der Beantwortung der folgenden Frage ab: Ersetzt die Kirche die (fehlende) Amtsgewalt nur in den Fällen, in denen - scheinbar - triftige Gründe für die Annahme vorliegen, daß die vom Umfang her zweifelhafte Regelung die erforderliche Amtsgewalt bereits gewährt, so daß die Ersetzung der Amtsgewalt nur die Fälle des Rechtsirrtums umfaßt, in denen vermeintlich aber dennoch irrtümlich handfeste Gründe für die unzutreffende Annahme vorgetragen werden, die Regelung enthalte bereits die Gewährung der Amtsvollmacht - eine derartige Sachverhaltsgestaltung liegt hier nicht vor - , oder ersetzt die Kirche die (fehlende) Amtsgewalt auch und vornehmlich dort, wo einerseits unzweifelhaft keine Amtsgewalt erteilt worden ist, andererseits aber triftige Gründe für die Annahme vorliegen, daß die Kirche insoweit Amtsgewalt verschafft hätte und also verschaffen würde, wenn sie nur die Möglichkeit im Voraus bedacht hätte, daß ein der artiger atypischer Sachverhalt einmal zur Regelung anstehen könne und werde? – Denn genau dieser Fall einer ‚Gesetzeslücke’ ist vorliegend gegeben.
Im Falle der ‚Gesetzeslücke’ hält das Kirchenrecht in Kanon 20 CIC nämlich nur allgemeine Hinweise zur Ausfüllung einer solchen Gesetzeslücke bereit, die keinen über alle Zweifel erhabenen sicheren Schluß dazu zulassen, wie der Gesetzgeber diesen Lebenssachverhalt geregelt hätte, wenn er nur die Möglichkeit im Voraus bedacht hätte, daß ein derartiger nicht gesetzlich geregelter Lebenssachverhalt einmal zur Regelung anstehenden werde.
Allein aus der Tatsache, daß das Kirchenrecht in Kanon 20 CIC die Möglichkeit einräumt, daß der kirchliche Gesetzgeber zu regelnden Sachverhalte übersehen und nicht erfaßt hat und insoweit eine Gesetzeslücke mit daraus folgender ‚Rechtsunschärfe’ vorliegt, die nach den Anweisunge des Kanon 20 CIC zu schließen ist, belegt, daß die Ergänzung der Amtsgewalt durch die Kirche gemäß Kanon 209 CIC auch und gerade in den Fällen erfolgen soll, in denen einerseits infolge einer Gesetzeslücke Rechtsunsicherheit und Regelungsbedarf entstanden ist, andererseits aber für die Schließung dieser Gesetzeslücke kirchliche Verfahrenshandlungen nötig werden, die ihrerseits wiederum Amtsgewalt erfordern:
Die Kirche ersetzt die (fehlende) Amtsgewalt gemäß Kanon 209 CIC auch und vornehmlich in den Fällen, in denen einerseits unzweifelhaft keine Amtsgewalt erteilt worden ist, andererseits aber triftige Gründe für die Annahme vorliegen, daß die Kirche insoweit Amtsgewalt verschafft hätte oder verschaffen würde, wenn sie nur die Möglichkeit im Voraus bedacht hätte, daß ein derartiger atypischer Sachverhalt einmal zur Regelung anstehen könne und werde und hierzu Akte kirchlicher Amtsgewalt nötig sein werden: „Der Gesetzgeber selbst ersetzt in zwei Fällen die sicher fehlende Hirtengewalt. Diese Hirtengewalt, welche die Kirche sowohl für den äußeren wie für den inneren Bereich, nicht für dauernd, sondern nur vorübergehend ergänzt, bewirkt, daß ein Rechtsakt, der sonst wegen des Fehlens der Hirtengewalt ungültig wäre, gültig zustande kommt.“ (Holböck (a.a.O., Bd. 1, S. 276, f.)
Die Ersetzung der nicht vorhandenen Jurisdiktionsgewalt besteht darin, „daß jemand, der an sich nicht im Besitze der Jurisdiktionsgewalt ist, aber doch einen Akt vornimmt, zu dem Jurisdiktionsgewalt nötig ist, bei Vornahme des Aktes die Jurisdiktion erhält …“ (Jone, a.a.O., Bd I, Kommentierung zu Kanon 209) 1. Welche Gründe können für die Vermutung ins Feld geführt werden, daß beim Fehlen von Kardinälen im Vakanzfalle andere Wahlmänner als Ersatzkardinäle - berechtigtermaßen - eine Papstwahl vorzunehmen haben? 2. Und haben diese Argumente ein solches Gewicht, so daß man von einer ‚wohl begründeten Vermutung mit billigenswertem, wahrscheinlichem Inhalt betreffend die Rechtslage’ dahingehend sprechen kann, daß die Ersatzwahlmänner, obwohl ihnen doch die dazu erforderliche (ordentliche) Amtsgewalt fehlt, dennoch gemäß Kanon 209 CIC mit von der Kirche ergänzter, ersetzter kirchlicher Amtsgewalt handeln dürfen und müssen?
Hier sind genau die in Kapitel B. 5. vorgebrachten Argumente zu nennen: Göttliche Verheißung ist, daß die Kirche bis zum Untergang dieser Welt fortbesteht: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (NT, Matthäus 16, 18) – Das Abhandenkommen von Kardinälen infolge kriegerischer Ereignisse, allgemeiner Kirchenverfolgung, Pandemien oder globaler Katastrophen oder des großen Abfalls oder infolge jahrzehntelanger Sedisvakanz ist aber keinesfalls gleichbedeutend mit dem Jüngsten Tag.
Daß die Wahl eines Papstes zu erfolgen habe, wann immer der Stuhl Petri vakant ist, ist göttliches Gebot (vom Fortbestand der Kirche bis zum Ende der Welt). Denn die Kirche ist notwendig; zur alsbald notwendigen Restauration der Kirche ist die Wiederherstellung des Papstamtes ebenfalls notwendig. Weil der Fortbestand der Kirche auch von menschlicher Mitwirkung abhängt, da Gott keinen Papst vom Himmel zu regnen lassen pflegt, schließt Christi Ankündigung des Fortbestandes der Kirche bis zum Weltende ein das Gebot der unverzüglichen Wahl eines Stellvertreters Christi auf Erden, wann immer der Stuhl Petri vakant ist: „So spricht der Herr. ‚Nie soll es David an den Männern fehlen, die sitzen auf dem Thron des Hauses Israel.’ “ (AT, Jeremias 33, 17)
Also enthält die Verheißung vom Fortbestand der Kirche bis an das Ende dieser Welt zugleich auch das strikte Gebot, gerichtet an diejenigen, von deren Mitwirkung der Fortbestand der Kirche auch abhängt. Also müssen - in Ausfüllung der Gesetzeslücke betreffend die Regelung der notwendige Wahl eines Papstes beim Fehlen von Kardinälen – andere Personen ersatzweise für die nicht vorhandenen und nicht zu beschaffenden (von einem wahren Papst ernannten) Kardinäle die Wahl eines Papstes vornehmen. Und nun folgt der - scheinbare - Widerspruch: Die Wählenden dürfen ihrer gemäß göttlichem Recht bestehenden Verpflichtung zur Wahl eines Papstes allerdings nur dann nachkommen, wenn sie berechtigt, also mit Amtsgewalt dieser Verpflichtung nachgekommen.
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