b „Satis cognitum“:
Was es mit der Einheit und der Einzigartigkeit der katholischen Kirche und der Grundlage dieser Einheit im Papsttum und damit in der Hierarchie auf sich hat, da hat auf´s Herrlichste der große Papst Leo XIII. in seinem Apostolischen Rundschreiben „SATIS COGNITUM“ vom 29.6.1896 dargelegt, hier auszugsweise wiedergegeben: „Zweifellos ist es also die Aufgabe der Kirche, die christliche Wahrheit zu schützen und sie ganz und unverfälscht zu verbreiten. Aber das ist durchaus noch nicht alles; nicht einmal der eigentliche Zweck, zu dem die Kirche gestiftet wurde, ist damit erschöpfend umschrieben. Jesus Christus hat sich nämlich für das Heil der Menschheit selber zum Opfer gebracht; auf dieses Heil bezog sich alles, was er lehrte und befahl; so hat er auch der Kirche den Auftrag gegeben, durch die Wahrheit der Lehre die Menschen zu heiligen und zur Seligkeit zu führen. Durch den Glauben allein kann jedoch dieser hohe und erhabene Zweck nicht erreicht werden; dazu muß noch kommen: einerseits die richtige und würdige Gottesverehrung, die vornehmlich im göttlichen Opfer und in der Spendung der Sakramente besteht; anderseits eine heilige Gesetzgebung und Zucht. Das alles muß die Kirche besitzen, da sie ja das Amt des Erlösers durch alle Zeiten fortführen soll; sie allein bietet der Menschheit eine in jeder Hinsicht restlos vollkommene Religion, wie sie Christus in der Kirche sozusagen verkörpert haben wollte; sie allein stellt jene Mittel zur Verfügung, die nach dem ordentlichen Plane der göttlichen Vorsehung heilsnotwendig sind.
Wie schon die himmlische Wahrheit keineswegs der Willkür und dem Gutdünken jedes einzelnen Menschen ausgeliefert, sondern nach der anfänglichen Verkündigung durch Jesus Christus dem von uns erwähnten Lehrkörper eigens anvertraut wurde, so wurden auch nicht die einzelnen Christen aus dem Volk, sondern die dazu auserwählten Männer mit der göttlichen Vollmacht betraut, die Geheimnisse Gottes zu vollziehen und zu verwalten; und zudem erhielten sie die Hirten- und Regierungsgewalt. So gilt nur für die Apostel und ihre rechtmäßigen Nachfolger, was Jesus Christus mit den Worten verheißen hat: Gehet hinaus in alle Welt, predigt das Evangelium... taufet sie... tut dies Zum Andenken an mich... Denen ihr die Sünden nachlasset, denen sind sie nachgelassen.
Ebenfalls nur den Aposteln und ihren rechtmäßigen Nachfolgern hat er aufgetragen, die Herde zu weiden, d. h. kraft ihrer Amtsgewalt die Gesamtheit aller Christen zu leiten, die ihrerseits, wie es sich von selbst versteht, jenen untertänig und gehorsam sein müssen. Alle diese Pflichten des apostolischen Amtes sind im Wort des heiligen Paulus zusammengefaßt: ‚So betrachte uns denn jedermann als Diener Christi und als Ausspender der Geheimnisse Gottes’ (1 Korinther 4, 1).
Darum hat auch Jesus Christus die Menschen aller Zeiten ausnahmslos berufen, ihm als ihrem Führer und Erlöser zu folgen; und zwar richtet sich diese Einladung nicht nur an jeden einzelnen für sich allein, sondern an alle gemeinsam, äußerlich und innerlich in der Gesinnung verbunden. Aus der großen Zahl von Menschen soll ein einziges Volk werden auf Grund eines gemeinsamen Rechtes: vereint im gleichen Glauben, im gleichen Ziel, durch dieselben Mittel zur Erlangung dieses Zieles, durch den Gehorsam gegenüber derselben Autorität. Somit hat er vollends in der Kirche jene Grundlage gelegt, auf der sich ganz von selbst ein gemeinschaftliches Leben zwischen den Menschen entwickelt, wodurch sie schon im natürlichen Bereich zur angemessenen Vollendung geführt werden. Christus traf diese Anordnung, damit alle, die Adoptivkinder Gottes werden wollen, die ihrer Würde entsprechende Heiligkeit erlangen und zu ihrem Heile sicherstellen können. Die Kirche ist daher, wie Wir bereits anderswo ausgeführt haben, der Menschen Führerin zum Himmel; und ihr ist von Gott das Amt übertragen, alles, was die Religion betrifft, selbst zu verwalten und anzuordnen sowie die christlichen Belange frei und ungehindert nach eigenem Ermessen zu wahren.
Man verkennt also die Kirche oder verleumdet sie, wenn man ihr nachsagt, sie wolle sich in die Angelegenheiten des Staates einmischen oder die Rechte der staatlichen Obrigkeit an sich reißen. Gott wollte, daß die Kirche hoch über jeder anderen menschlichen Gesellschaft stehe, denn ihr Zweck steht so hoch über der Bestimmung jeder anderen Gesellschaft, wie die göttliche Gnade über die Natur, wie die ewigen und unvergänglichen Güter über die irdischen hinausragen. Die Kirche ist mithin ihrem Ursprunge nach eine göttliche Gesellschaft; ihrem Zweck und den dazu führenden Mitteln nach übernatürlich; nur weil sie aus Menschen besteht, ist sie auch eine menschliche Gesellschaft.
Deshalb stellen wir fest, daß sie in der Heiligen Schrift vielfach mit Ausdrücken bezeichnet wird, die einer vollkommenen Gesellschaft zukommen. Sie wird nicht nur das ‚Haus Gottes’, ‚die Stadt auf dem Berge’, wohin alle Völker zusammenströmen sollen, genannt, sondern auch der ‚Schafstall’, der nur einen Hirten hat, und in dem sich alle Schäflein Christi versammeln sollen; ja sogar ‚das Reich, das Gott gegründet’, und das ‚Bestand haben wird in Ewigkeit’; endlich ‚der Leib Christi’, der zwar geheimnisvoll, aber doch lebendig, schön geordnet und aus vielen Gliedern gebildet ist. Diese Glieder haben zwar nicht alle dieselbe Tätigkeit, sind jedoch untereinander durch das alles beherrschende und lenkende Haupt zusammengehalten.
Nun aber ist keine menschliche Gesellschaft denkbar ohne eine oberste Regierungsgewalt. Gewiß hat also Jesus Christus seiner Kirche eine höchste Obrigkeit verliehen, der sich alle Christen im Gehorsam unterwerfen müssen. Wie daher zur Einheit der Kirche, insofern sie der Zusammenschluß der Gläubigen ist, unbedingt die Einheit im Glauben gehört, so muß auch zur Einheit der Kirche, insofern sie eine von Gott gestiftete Gesellschaft ist, nach göttlichem Recht eine Einheit in der Regierung gehören, welche die Einheit des Ganzen herstellt und gewährleistet. ‚Die Einheit der Kirche ist unter zwei Gesichtspunkten zu betrachten: in der Verbindung und in den Beziehungen der Glieder der Kirche untereinander, und sodann in der Unterordnung aller Glieder der Kirche unter ein gemeinsames Haupt’ (hl. Thomas v. A.)“…
Welches nun Wesen und Eigenart jener höchsten Gewalt ist, das kann man nur bestimmen, wenn man den Willen Jesu Christi erforscht und erkannt hat. Christus ist zweifellos König in Ewigkeit, und er fährt fort, vom Himmel aus auch unsichtbar sein Reich zu leiten und zu schützen. Da er aber ein sichtbares Reich wollte, mußte er jemanden bezeichnen, um auf Erden seine Stelle zu vertreten, nachdem er selbst in den Himmel zurückgekehrt war. ‚Wenn nun jemand sagt, Christus sei das eine Haupt und der eine Hirt, wie er auch der eine Bräutigam der einen Kirche ist, so genügt diese Antwort nicht. Es ist zwar klar, daß Christus die Sakramente der Kirche spendet; er ist es, der tauft; er ist es, der die Sünden nachläßt; er ist der wahre Priester, der sich auf dem Altare des Kreuzes opferte und kraft dessen täglich sein Leib auf dem Altare konsekriert wird. Weil er aber nicht körperlich allen Gläubigen gegenwärtig sein kann, so hat er sich dennoch Diener erwählt, um durch deren Vermittlung die genannten Sakramente zu spenden, wie oben… gesagt wurde. Aus demselben Grunde mußte er, weil er seine leibliche Gegenwart der Kirche entziehen wollte, jemanden beauftragen, der an seiner Stelle die Sorge für die ganze Kirche übernehmen sollte.
Darum hat er vor der Himmelfahrt zu Petrus gesagt: ‚Weide meine Schafe’ (hl. Thomas v.A.). Jesus Christus hat demnach den heiligen Petrus zum obersten Lenker der Kirche bestimmt; und er ordnete an, daß dieses obrigkeitliche Amt, zum Heile aller für alle Zeiten eingesetzt, auf dessen Nachfolger übergehe, in denen somit Petrus durch seine Gewalt für immer fortleben sollte. Tatsächlich machte er jene große Verheißung nur dem heiligen Petrus, keinem andern: ‚Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen’ (Matthäus 16, 18). ‚Zu Petrus sprach der Herr, zu ihm allein, um auf den einen die Einheit zu gründen’ - Ohne ein Wort vorauszuschicken, nennt er des Apostels Vater und ihn selbst mit Namen (Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas); aber er will nicht, daß er weiterhin Simon genannt werde; er nimmt ihn schon kraft seiner Gewalt als den Seinigen für sich in Anspruch und gefällt sich darin, ihn mit dem passenden Vergleich auch Felsenmann (Petrus) zu nennen, da er auf ihn die Kirche bauen will’.
Aus diesen Worten folgt, daß die Kirche nach Gottes Willen und Befehl auf dem heiligen Petrus, wie das Gebäude auf seinem Fundamente, ruht. Nun aber gehört es zur Natur und Wirkung eines Fundamentes, daß es das Gebäude durch feste Verbindung der einzelnen Teile zusammenhalte und für das Ganze das notwendige Band der Unversehrtheit und Sicherheit bilde; wird das Fundament beseitigt, so stürzt das ganze Gebäude zusammen.
Petrus hat also die Kirche zu stützen, zu schützen und durch ein unlösbares Band zu einigen und zu festigen. Wie könnte aber jemand dieser wichtigen Aufgabe genügen, ohne die Gewalt, zu befehlen, zu verbieten und zu richten, die wir wahrheitsgemäß und zutreffend als richterliche Vollmacht oder Jurisdiktion bezeichnen? Kein Staat und kein öffentliches Gemeinwesen kann ohne diese Jurisdiktionsgewalt bestehen. Der Vorrang der Ehre und die schwache Vollmacht zu raten und zu mahnen, die man als Oberleitung oder Direktion bezeichnet, nützt einer menschlichen Gesellschaft gar wenig und ist nicht imstande, ihr wahre Einheit und Festigkeit zu verleihen.
Jene volle Gewalt hingegen, von der Wir reden, ist ausgedrückt und bekräftigt durch die Worte: ‚Und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen’. – Was werden sie nicht überwältigen? Die heilige Grundlage, worauf Christus die Kirche baut, oder die Kirche selber? Das Wort ist doppelsinnig. Oder gilt dies von beiden zugleich wie von einer und derselben Sache, vom Felsenfundament und von der Kirche? Ich halte dafür: die Pforten der Hölle werden weder den Felsen, auf den Christus die Kirche gründet, noch die Kirche überwältigen. Dieses göttliche Wort hat folgenden Sinn: Was immer für Gewaltmittel, was immer für Kunstgriffe die sichtbaren und unsichtbaren Feinde anwenden mögen, es wird ihnen nicht gelingen, die auf Petrus gestützte Kirche zu Fall zu bringen oder zugrunde zu richten. Die Kirche, das Gebäude Christi, der mit Weisheit sein Haus auf Fels gebaut hat, ist für die Mächte der Hölle unerreichbar; sie überwinden zwar jeden, der abseits vom Felsen und von der Kirche steht, gegen die Kirche aber vermögen sie nichts. Gott hat mithin seine Kirche dem Petrus anvertraut, damit er sie stets unversehrt erhalte als unbesiegbarer Schutzpatron. Darum hat er ihn mit der nötigen Gewalt ausgestattet, denn wer eine Gesellschaft von Menschen tatsächlich und wirksam schützen soll, muß auch das Recht haben zu befehlen.
Ferner fügte Jesus hinzu: ‚Und ich werde dir die Schlüssel des Himmelreiches geben’. Ohne Zweifel spricht er hier weiterhin von der Kirche, die er kurz zuvor die Seine nennt, und die er auf Petrus als ihrem Fundamente errichten wollte. Die Kirche hat auffallende Ähnlichkeit sowohl mit einem Gebäude als auch mit einem Reiche, und jedermann weiß, daß die Schlüssel ein gebräuchliches Sinnbild für die oberste Gewalt sind. Wenn also Jesus dem Petrus die Schlüssel des Himmelreiches verspricht, so verheißt er ihm damit auch die Gewalt und die Rechtsvollmacht über die Kirche…
Damit stimmt das Folgende überein: ‚Was immer du binden wirst auf Erden, wird auch im Himmel gebunden sein, und was immer du lösen wirst auf Erden, wird auch im Himmel gelöst sein’. Die bildliche Redensart ‚binden und lösen’ bezeichnet das Recht, Gesetze zu erlassen, sowie die Gewalt zu richten und zu strafen. Diese Gewalt, heißt es ebendort, werde eine solche Ausdehnung und Wirkung haben, daß alle ihre Entscheide von Gott gutgeheißen werden. Es ist also diese Gewalt die höchste und eine vollkommen selbständige, weil keine auf Erden über ihr steht und sie die ganze Kirche umfaßt sowie alles, was der Kirche anvertraut ist.
Diese Verheißung ging in Erfüllung, als Christus der Herr nach seiner Auferstehung Petrus dreimal fragte, ob er ihn mehr liebe als die anderen, und ihm den Befehl erteilte: ‚Weide meine Lämmer ... weide meine Schafe’ (Joh 21, 16 und 17). Alle ohne Ausnahme, die zu seiner Herde gehören sollten, übergab er dem Petrus als ihrem Hirten… Nun aber bestehen Amt und Aufgabe des Hirten darin, der Herde ein Führer zu sein, ihr durch bekömmliche Weide Nahrung zu verschaffen, von ihr Gefahren fernzuhalten, sie vor Nachstellungen zu beschützen, sie gegen Gewalt zu verteidigen, mit einem Wort, sie zu regieren und zu leiten. Da Petrus der Herde Christi als Hirt vorgesetzt ist, so hat er die Gewalt erhalten, alle Menschen zu regieren, für deren Heil Christus sein Blut vergossen hat…
Da nun alle Christen in der Gemeinschaft des unveränderlichen Glaubens vereint sein müssen, hat Christus der Herr durch die Kraft seines Gebetes dem Petrus die Gnade erfleht, in der Verwaltung seines Amtes niemals im Glauben zu wanken: ‚Ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht wanke’ (Lukas 22, 32) Außerdem hat er ihm den Auftrag gegeben, sooft die Zeitverhältnisse es forderten, seinen Brüdern Belehrung und Stärkung zuteil werden zu lassen: ‚Stärke deine Brüder’ (Lukas 22, 32). Denselben, den Christus zum Fundament seiner Kirche gemacht, wollte er zur Säule des Glaubens machen. ‚Wie hätte er den Glauben desjenigen nicht stärken können, dem er aus eigener Machtvollkommenheit das Reich übergab, und den er, da er ihn Fels nannte, als Fundament der Kirche bezeichnete?’ (hl. Ambrosius) Deshalb wollte Jesus auch einige bedeutungsvolle Titel, ‚die ihm wegen seiner Machtvollkommenheit eignen, mit Petrus teilen und gemeinsam haben’ (hl. Leo d.Gr.), damit nämlich in der Gemeinschaftlichkeit der Namen auch die Gemeinschaft der Gewalt zum Ausdruck komme. So hat er, welcher ‚der Eckstein ist, worauf das ganze Gebäude beruht und emporwächst zu einem heiligen Tempel im Herrn’ (Eph 2, 21), den Petrus zum Felsen bestimmt, auf dem die Kirche ruhen sollte. ‚Durch das Wort: Du bist der Fels, ist er hoch geehrt worden. Obgleich er aber ein Fels ist, so ist er trotzdem nicht ein Fels wie Christus, sondern Fels als Petrus. Christus ist seinem Wesen nach ein unerschütterlicher Fels: Petrus aber erst durch den Felsen (Christus). Denn Jesus teilt seine Würden mit, erschöpft sich aber nicht ... Er ist Priester und macht Priester ..., er ist ein Fels und macht zum Felsen’ (hl. Basilius).
Christus ist ferner der König der Kirche, der ‚den Schlüssel Davids hat, er schließt und niemand öffnet, er öffnet und niemand schließt’ (Apokalypse 3, 7); dadurch, daß er dem Petrus die Schlüssel überreicht, erklärt er ihn auch zum Fürsten der Christenheit. Ebenso hat der oberste Hirt, der sich selbst den ‚guten Hirten’ (Joh. 10, 11) nennt, den Petrus zum Hirten seiner Lämmer und Schafe bestellt: ‚Weide meine Lämmer, weide meine Schafe’… Weil diese oberste Autorität als Hauptbestandteil zur Verfassung und Organisation der Kirche gehört, und zwar als die Grundlage der Einheit und als Fundament ihrer dauernden Unversehrtheit, so durfte sie nicht mit dem heiligen Petrus untergehen, sondern mußte sich auf seine Nachfolger von einem zum andern fortpflanzen: ‚Es bleibt also die Anordnung der Wahrheit bestehen, und der heilige Petrus lebt fort in der ihm als Fels verliehenen Kraft, und das einmal erfaßte Steuerruder läßt er nicht mehr los’ (hl. Leo d.Gr.). Deshalb besitzen die Päpste, die dem Petrus auf dem römischen Bischofsstuhle folgen, kraft göttlichen Rechtes die höchste Gewalt in der Kirche. ‚Wir erklären, daß der römische Stuhl und der römische Papst den Primat innehat über die ganze Welt, daß der römische Papst der Nachfolger des heiligen Apostelfürsten Petrus und der wahre Stellvertreter sowie das Haupt der ganzen Kirche ist, der Vater und Lehrer aller Christen; daß ihm in der Person des heiligen Petrus durch unseren Herrn Jesus Christus die Vollmacht verliehen wurde, die ganze Kirche zu regieren und zu leiten, wie dies auch in den Verhandlungen der allgemeinen Kirchenversammlungen und in den heiligen Kirchensatzungen enthalten ist’ (Konzil v. Florenz). Ähnlich äußert sich das IV. Laterankonzil: ‚Die römische Kirche besitzt gemäß der Anordnung Christi den Vorrang der ordentlichen Gewalt über alle anderen Kirchen, denn sie ist ja die Mutter und Lehrmeisterin aller Christen’.
Vorausgegangen war schon die einhellige Auffassung des Altertums, das die römischen Päpste ohne jeden Zweifel als die rechtmäßigen Nachfolger des heiligen Petrus betrachtete und ehrte. Wer kennt nicht die zahlreichen und herrlichen Zeugnisse der Väter… Wenn auch die Gewalt des heiligen Petrus und seiner Nachfolger die vollste und höchste ist, so darf man doch nicht meinen, sie sei die einzige. Derselbe nämlich, der den heiligen Petrus zum Fundament der Kirche bestimmte, ‚wählte sich auch zwölf, ... die er Apostel nannte’. (Luk. 6, 13) Wie die Gewalt des heiligen Petrus im römischen Papste fortleben muß, genau so erben auch die Bischöfe als Nachfolger der Apostel die ordentliche Gewalt, so daß der Episkopat notwendigerweise zur inneren Verfassung der Kirche gehört. Wenn sie auch keine volle, allgemeine und höchste Gewalt besitzen, so sind sie doch nicht bloße Stellvertreter der römischen Päpste, denn (sie haben) eine eigene Gewalt (inne) und heißen im vollen Sinne des Wortes ordentliche Oberhirten der ihnen unterstellten Völker.
Da aber Petrus nur einen Nachfolger hat, die Apostel hingegen deren viele, so geziemt es sich zu untersuchen, welches nach göttlicher Anordnung die Beziehungen der Bischöfe zum Papste sind. Die erste dieser Beziehungen besteht in der klaren und unzweifelhaften Pflicht der Bischöfe, in Gemeinschaft zu stehen mit dem Nachfolger Petri. Ist dieses Band zerrissen, so löst sich das christliche Volk selbst auf und zerstreut sich, so daß es in keiner Weise einen Leib und eine Herde bilden kann. ‚Das Heil der Kirche ist mit der Würde des Hohenpriesters verknüpft. Besitzt dieser nicht eine außerordentliche und alle überragende Gewalt, so werden in der Kirche ebenso viele Spaltungen entstehen, als Priester da sind’ (hl. Hieronymus). Daher gilt es, hier besonders folgendes zu bemerken: Nichts wurde den Aposteln unabhängig von Petrus verliehen, vieles jedoch dem Petrus eigens und unabhängig von den Aposteln…
Er allein ist von Christus zum Fundament der Kirche bestimmt worden, ihm ist die Macht verliehen zu lösen und zu binden, ihm allein die Gewalt gegeben, die Herde zu weiden. Was dagegen die Apostel an Ansehen und Amtvollmachten erhielten, haben sie im Verein mit Petrus bekommen: ‚Wenn auch die göttliche Huld wollte, daß die anderen Apostel etwas mit Petrus gemeinsam besitzen sollten, so hat sie nie anders als durch ihn verliehen, was sie den anderen nicht verweigerte... Vieles hat er gewiß allein bekommen, nichts ist aber auf einen anderen übergegangen, ohne daß er seinen Anteil daran hatte’ (hl. Leo d.Gr.).
Daraus geht klar hervor, daß die Bischöfe ihrer Rechte und ihrer Regierungsgewalt verlustig gehen, wenn sie sich absichtlich von Petrus und seinen Nachfolgern trennen. Denn durch diese Trennung werden sie vom Fundament, auf dem das ganze Gebäude ruhen muß, losgelöst; somit sind sie auch von dem Gebäude selbst ausgeschlossen, und ebenso von dem Schafstall abgesondert, dessen Herr der oberste Hirte ist; sie sind aus dem Reiche ausgeschlossen, dessen Schlüssel dem Petrus allein von Gott übergeben wurden. Hieraus erkennen wir aufs neue den Plan und die Absicht Gottes bei der Gründung des Christentums. Da nämlich der göttliche Stifter wollte, daß die Kirche eins sei im Glauben, in der Verwaltung und in der Gemeinschaft, so wählte er sich den Petrus und seine Nachfolger zur Grundlage und zum Mittelpunkt dieser Einheit...
Niemand kann Anteil haben an der Autorität, wenn er nicht mit Petrus vereint ist; es ist nämlich unsinnig zu glauben, es könne jemand in der Kirche Vorsteher sein, wenn er selber außerhalb der Kirche steht. Aus diesem Grunde tadelte Optatus von Mileve die Donatisten: ‚Gegen diese Pforten (der Hölle) hat Petrus, unser Haupt, wie wir lesen, die Schlüssel des Heiles erhalten, denn zu ihm hat Christus gesagt: ‚Dir will ich die Schlüssel des Himmelreiches geben und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen’. Was unterfangt ihr euch also, die Schlüssel des Himmelreiches an euch zu reißen, die ihr gegen den Stuhl Petri ... ankämpft?’
Der Stand der Bischöfe ist aber erst dann gemäß der Anordnung Christi als mit Petrus vereinigt anzusehen, wenn er dem Petrus untersteht und ihm gehorcht; sonst zerfällt er unvermeidlich in eine lose Menge, wo Verwirrung und Unordnung herrscht. Soll die Einheit des Glaubens und der Gemeinschaft wirklich gewahrt sein, so genügt es nicht, daß einer den Ehrenvorrang habe oder eine gewisse Sorge trage für die anderen; es ist vielmehr unbedingt eine wahre und zugleich höchste Autorität notwendig, der die ganze Gemeinschaft gehorcht. Welches war denn die Absicht des Gottessohnes, als er die Schlüssel des Himmelreiches allein dem Petrus versprach? Daß mit der Bezeichnung ‚Schlüssel’ an dieser Stelle der höchste Gipfel der Macht gemeint ist, daran lassen weder der biblische Sprachgebrauch noch auch die übereinstimmende Lehre der Väter keinen Zweifel zu. Man wüßte sonst nicht zu erklären, was dem Petrus im besonderen, und was den Aposteln im Verein mit Petrus verliehen worden ist. Verleiht die Vollmacht zu binden und zu weiden den Bischöfen, den Nachfolgern der Apostel, das Recht, ihr Volk mit wahrer Amtsgewalt zu regieren, so muß doch dieselbe Gewalt auch jenem dasselbe verleihen, dem von Gott das Amt übertragen wurde, die Lämmer und die Schafe zu weiden. ‚Christus hat Petrus nicht nur zum Hirten, sondern zum Hirten der Hirten auserkoren; Petrus weidet daher die Lämmer, er weidet auch die Schafe; er weidet die Kinder, er weidet auch die Mütter; er regiert die Untertanen, er regiert auch die Vorgesetzten, denn außer den Lämmern und den Schafen gibt es in der Kirche nichts’ (S. Brunonis episcopi Signiensis).
Daher stammen jene besonderen Titel, die von den Alten dem heiligen Petrus beigelegt wurden und den auf die höchste Stufe der Würde und Gewalt Erhobenen nachdrücklich preisen. Durchwegs nennen sie ihn den ‚Fürsten der Jüngerschar’, den ‚Fürsten der Apostel’, ‚Führer dieses Chores’, ‚Mund aller Apostel’, ‚Haupt dieser Familie’, ‚Vorsteher der ganzen Welt’, den ‚Ersten unter den Aposteln’, ‚die Säule der Kirche’. Das alles sagt offenbar der heilige Bernhard mit seinen Worten an Papst Eugen: ‚Wer bist du? Der große Priester, der Hohepriester. Du bist der Fürst der Bischöfe, der Erbe der Apostel... Dir sind die Schlüssel gegeben, dir die Schafe anvertraut. Es gibt zwar noch andere Torhüter und Hirten; aber du bist dies umso glorreicher, als du beide Titel in einem weit höheren Sinne als die anderen ererbt hast. Jene haben die ihnen zugewiesenen Herden, jeder die seine; dir sind alle Herden anvertraut, dem einen als eine einzige. Du bist nicht nur der Hirt der Schafe, sondern auch der Hirten, du allein der eine Hirt aller Hirten. Du fragst, wie ich das beweise? Aus dem Worte des Herrn. Wem denn, ich sage nicht von den Bischöfen, sondern selbst von den Aposteln, sind alle Schafe so ganz ausnahmslos anvertraut? Petrus, wenn du mich liebst, so weide meine Schafe. Welche? Die Völker dieser oder jener Stadt, dieser oder jener Gegend, oder eines bestimmten Reiches? - Meine Schafe, sagte er. Wer sieht nicht, daß er damit nicht einige bezeichnete, sondern alle gemeint hat? Wo nichts unterschieden wird, wird auch nichts ausgenommen’.
Es ist falsch und widerspricht offensichtlich der Anordnung Gottes, wenn man meint, die einzelnen Bischöfe unterständen zwar der Gerichtsbarkeit der römischen Päpste, nicht aber alle in ihrer Gesamtheit. Das Wesen eines Fundamentes besteht nämlich darin, dem ganzen Gebäude Einheit und Festigkeit zu verleihen, mehr noch als den einzelnen Teilen. Bei unserem Gegenstand trifft das noch weit mehr zu, weil Christus der Herr durch die Tragkraft des Fundamentes erreichen wollte, daß die Mächte der Hölle die Kirche nicht überwältigen. Diese göttliche Verheißung ist nach der allgemeinen Ansicht von der Gesamtkirche zu verstehen, nicht von ihren einzelnen Teilen, die ja durch den Ansturm der Hölle überwunden werden können; es ist ja auch bei einigen Einzelfällen vorgekommen, daß sie tatsächlich überwunden wurden.
Wer ferner der ganzen Herde vorangestellt ist, muß notwendig Gewalt haben nicht nur über die einzelnen zerstreuten Schafe, sondern über die vereinte Gesamtheit aller. Oder soll die Gesamtheit der Schafe den Hirten regieren und führen? Sind vielleicht die vereinten Nachfolger der Apostel das Fundament, auf das sich der Nachfolger Petri stützen muß, um standhaft zu sein? Wer die Schlüssel des Reiches in seiner Hand hält, der besitzt Rechts- und Amtsgewalt nicht bloß über die einzelnen Provinzen, sondern über die Gesamtheit aller; und ebenso wie die Bischöfe, jeder in seinem Sprengel, mit wahrer Amtsgewalt nicht nur über den einzelnen Privatmenschen herrschen, sondern über ihre ganze Herde, so haben auch die römischen Päpste, deren Amtsgewalt sich über die ganze Christenheit erstreckt, alle Teile des Ganzen, auch zusammen genommen, unter ihrer Gewalt und Oberherrschaft. Wie zur Genüge betont wurde, hat Christus der Herr dem Petrus und seinen Nachfolgern die Vollmacht verliehen, seine Stellvertreter zu sein und dieselbe Gewalt stets in der Kirche auszuüben, die er selbst während seines irdischen Daseins ausgeübt hat. Darf man dann sagen, das Apostelkollegium habe seinen Meister noch an Macht übertroffen?
Diese Amtsgewalt über das Gesamtkollegium der Bischöfe, von der die Heilige Schrift in klaren Worten spricht, hat die Kirche zu jeder Zeit ohne Unterlaß anerkannt und gelehrt. Dahin gehören die Äußerungen der Kirchenversammlungen: ‚Wir lesen, daß der römische Papst das Richteramt über die Bischöfe aller Kirchen ausgeübt hat; wir lesen aber nicht, daß er von irgendeinem gerichtet wurde’ (IV. Konzil von Konstantinopel). Als Grund dafür wird angeführt, daß es ‚keine höhere Autorität gibt als die des apostolischen Stuhles’ (Nikolaus I.).
Deshalb gibt Papst Gelasius über die Beschlüsse der Kirchenversammlungen folgendes Urteil ab: ‚Wie das, was der oberste Lehrstuhl nicht bestätigt hat, überhaupt nicht zu Recht bestehen konnte, so hat die ganze Kirche angenommen, was er zu bestimmen sich entschloß’. Tatsächlich war es stets das Amt der römischen Päpste, die Urteile und Beschlüsse der Kirchenversammlungen zu bestätigen. Die Entscheide des Afterkonzils von Ephesus hat Leo der Große für nichtig erklärt; Damasus jene des Konzils von Rimini; Hadrian I. jene des Konzils von Konstantinopel; der 28. Satz des Konzils von Chalcedon aber ist bekanntlich als ungültig unbeachtet geblieben, weil ihm die autoritative Billigung des Apostolischen Stuhles verweigert wurde. Mit Recht behauptete demnach Leo X. auf dem V. Laterankonzil: ‚Nur der jeweils regierende römische Papst besitzt, kraft seiner Autorität über alle Konzilien, allein das volle Recht und die Macht, ein Konzil einzuberufen, zu verlegen und aufzulösen; das wird nicht nur durch das Zeugnis der Heiligen Schrift, die Aussagen der heiligen Väter und der römischen Päpste sowie durch die Erlasse der heiligen Kirchensatzungen mit aller Klarheit bestätigt, sondern auch durch das eigene Bekenntnis der Konzilien selbst’. Es unterliegt also keinem Zweifel: die Schlüssel des Himmelreiches sind nur dem heiligen Petrus, die Macht zu binden und zu lösen auch den Aposteln im Verein mit Petrus verliehen; dafür zeugt die Heilige Schrift. Nirgends aber ist gesagt, woher die Apostel die höchste Gewalt ohne Petrus oder gegen Petrus empfangen haben sollten. Auf keinen Fall haben sie diese von Christus bekommen. Deshalb ist durch den Entscheid des Vatikanischen Konzils, Natur und Umfang des Primates der römischen Päpste betreffend, keine neu erfundene Ansicht, sondern ein alter und durch alle Jahrhunderte stets bezeugter Glaubenssatz ausgesprochen worden.
Wenn auch dieselben Menschen in der Kirche einer doppelten Gewalt unterstehen, so richtet dieser Umstand in der Verwaltung doch keine Verwirrung an. So etwas zu denken, verbietet uns zunächst Gottes Weisheit, durch dessen Ratschluß diese Regierungsform eingeführt wurde. Außerdem ist zu bemerken, daß die Ordnung der Dinge und die gegenseitigen Beziehungen nur dann gestört werden, wenn bei einem Volk zwei Obrigkeiten nebeneinander gleich hoch stehen und keine der anderen unterstellt ist. Nun ist aber die Macht des römischen Papstes die höchste, sie erstreckt sich über die ganze Erde und ist vollkommen unabhängig. ‚Es ist ein Mißstand, wenn zwei in gleicher Weise an die Spitze derselben Herde gestellt werden. Daß aber zwei, von denen der eine über dem andern steht, über dasselbe Volk herrschen, ist keineswegs unschicklich. In dieser Weise nun stehen unmittelbar über demselben Volke der Pfarrer, der Bischof und der Papst’ (hl. Thomas v.A.).
Eingedenk ihrer Aufgabe bestreben sich übrigens die römischen Bischöfe, insbesondere all das zu erhalten, was in der Kirche nach Gottes Anordnung vorgesehen ist; wie sie daher ihre eigene Vollmacht mit der erforderlichen Sorgfalt in Schutz nehmen, so haben sie sich auch stets bemüht und werden sich noch weiterhin bemühen, die Autorität der Bischöfe zu wahren. Ja, was immer den Bischöfen an Ehre und Gehorsam erwiesen wird, das betrachten sie als sich selbst erwiesen. ‚Die Ehre der ganzen Kirche ist auch meine Ehre. Ich fühle mich stets wahrhaft geehrt, wenn allen und jedem die schuldige Ehre erwiesen wird’ (hl. Gregor d.Gr.).
Hiermit haben Wir ein treues Bild und das wahre Antlitz der Kirche gezeichnet, so wie sie Gott selber eingerichtet hat. Über die Einheit haben Wir manches gesagt und zur Genüge erklärt, wie sie nach dem Willen des göttlichen Stifters beschaffen sein und kraft welcher Prinzipien sie erhalten werden soll. Wir zweifeln nicht daran, dass alle, die durch Gottes Gnade und Güte im Mutterschoße der Kirche als ihre Kinder leben, Unsere apostolische Stimme vernehmen werden. ‚Meine Schafe hören auf meine Stimme’ (Joh 10, 27) Diese Darlegungen mögen sie veranlassen, sich noch besser zu unterrichten und noch bereitwilliger mit ihren zuständigen Hirten und durch sie mit dem obersten Hirten vereinigt zu bleiben, damit sie desto sicherer in dem einen Schafstalle ausharren und noch reichere Früchte des Heiles gewinnen. Wenn Wir jedoch hinschauen auf ‚Jesus, den Urheber und Vollender des Glaubens’ (Hebr 12, 2), dessen Stelle Wir vertreten, dem würdevollen Amte freilich nicht gewachsen, so wird Unser Herz von seiner Liebe entflammt; und nicht ohne Grund machen Wir das Wort Christi auch zu dem Unsrigen: ‚Ich habe noch andere Schafe, die nicht aus diesem Schafstalle sind, auch sie muß ich herbeiführen, und sie werden meine Stimme hören’ (Joh 10, 16). Sie alle mögen doch auf Uns hören und sich Unserer väterlichen Liebe nicht entziehen; sie alle, die bedauern, daß die Gottlosigkeit mit Macht um sich greift; sie alle, die den Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit Jesus Christus zwar kennen und bekennen, aber noch fern von seiner Braut im Irrtum befangen sind. Wer Christus annimmt, muß den ganzen Christus annehmen. ‚Haupt und Leib, das ist der ganze Christus. Der eingeborene Sohn Gottes ist das Haupt, die Kirche sein Leib; Bräutigam und Braut, zwei in einem Fleische. Alle, die bezüglich dieses Hauptes von der Heiligen Schrift abweichen, sind nicht in der Kirche, auch wenn sie überall sind, wo die Kirche ist. Und auch jene, die bezüglich dieses Hauptes mit der Heiligen Schrift einig gehen, aber keine Gemeinschaft haben mit der Einheit der Kirche, gehören nicht zur Kirche’ (hl. Augustinus).
Mit gleicher Liebe schlägt Unser Herz für jene, die vom Pesthauch der Gottlosigkeit nicht ganz verdorben, doch noch den wahren Gott, den Schöpfer des Himmels und der Erde, zum Vater haben wollen. Diese mögen bedenken und vollends erkennen, daß sie nicht zu den Kindern Gottes gezählt werden können, wofern sie sich nicht Christus zum Bruder und die Kirche zur Mutter gewählt haben. Allen rufen Wir in wahrer Liebe die Worte des heiligen Augustinus zu: ‚Lasset uns lieben den Herrn unseren Gott, lasset uns lieben seine Kirche; jenen als unseren Vater, diese als unsere Mutter. Es sage doch keiner: ich gehe zwar zu den Götzenbildern, ich befrage die Besessenen und Wahrsager, aber die Kirche Gottes will ich nicht verlassen: ich bin Katholik. Du hältst zur Mutter, den Vater aber beleidigst du. Ein anderer wiederum sagt: Nein, ich befrage nicht den Wahrsager, ich gehe nicht zu einem Besessenen, ich forsche nicht in gotteslästerlichen Wahrsagungen, ich bete nicht die Dämonen an, ich diene nicht den Bildern von Stein; aber ich gehöre zu Donatus. Was nützt es dir, wenn du den Vater nicht beleidigst, da er doch die Kränkung der Mutter rächt? Was nützt es dir, wenn du den Herrn bekennst, Gott die Ehre gibst, ihn verkündest, seinen Sohn anerkennst, den bekennst, der zur Rechten des Vaters sitzt, seine Kirche aber lästerst? ... Wenn du einen Gönner hättest, dem du alle Tage zu Diensten wärest, beleidigtest aber seine Gattin durch eine schändliche Anklage, würdest du noch einmal sein Haus betreten dürfen? Haltet also, Geliebte, haltet alle einmütig treu zu Gott als eurem Vater und zur Kirche als eurer Mutter.
Im vollen Vertrauen auf Gottes Barmherzigkeit, der die Herzen der Menschen am leichtesten rühren und bewegen kann, wann und wohin er will, empfehlen Wir angelegentlichst seiner Güte alle, die Wir in Unserer Darlegung im Auge hatten. Als Unterpfand der himmlischen Güter aber und als Zeichen Unseres Wohlwollens erteilen Wir Euch, geliebte Brüder, Eurem Klerus und Eurem Volke in großer Liebe den apostolischen Segen im Herrn.
Gegeben zu Rom bei St. Peter, am 29. Juni 1896, im neunzehnten Jahre Unseres Pontifikates. Papst LEO XIII.“
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