bb. Auswirkungen dieses Königtums auf Staat und Gesellschaft
Aus dem Apostolischen Rundschreiben „Rerum novarum“ Papst Leo XIII. vom 15.5.1891 (zitiert nach Universität Innsbruck; http://www.uibk.ac.at/theol/ leseraum/texte/320.html; sprachlich überarbeitet): „Die Familie, die häusliche Gesellschaft, ist eine wahre Gesellschaft mit allen Rechten derselben, so klein diese Gesellschaft sich darstellt; sie ist immerhin älter als jegliches andere Gemeinwesen, und deshalb besitzt sie unabhängig vom Staate ihre innewohnenden Rechte und Pflichten. Wenn nun jedem Menschen, wie gezeigt, als Einzelwesen die Natur das Recht, Eigentum zu besitzen, verliehen hat, so muß sich dieses Recht auch im Menschen, insofern er Haupt einer Familie ist, finden; ja das Recht besitzt im Familienhaupte noch mehr Energie, weil der Mensch sich im häuslichen Kreise gleichsam ausdehnt. Das unabdingabre Gesetz der Natur verlangt, daß der Familienvater den Kindern den Lebensunterhalt und alles Nötige verschafft, und die Natur leitet ihn an, auch für die Zukunft die Kinder zu versorgen, sie gegenüber den irdischen Wechselfällen zu wappnen, sich selbst vor Elend zu schützen; er ist es ja, der in den Kindern fortlebt und sich gleichsam in ihnen wiederholt…
Wenn Individuum und Familie, nachdem sie im Verbande der staatlichen Gesellschaft sind, seitens der letzteren nur Schädigung fänden statt Nutzen, nur Verletzung des ureigenen Rechtes statt Schutz, so würde der Staatsverband eher als Gegenstand der Abneigung und des Hasses erscheinen müssen statt als ein begehrenswertes Gut. Ein großer und gefährlicher Irrtum liegt also in dem Ansinnen an den Staat, als müsse er nach seinem Gutdünken in das Innere der Familie, des Hauses eindringen. Allerdings, wenn sich eine Familie in äußerster Not und in so verzweifelter Lage befindet, daß sie sich in keiner Weise helfen kann, so ist es der Ordnung entsprechend, daß staatliche Hilfeleistung für die äußerst Bedrängten eintrete; die Familien sind eben Teile des Staates. Ebenso hat die öffentliche Gewalt zum Rechtsschutz einzugreifen, wenn innerhalb der häuslichen Mauern erhebliche Verletzungen des gegenseitigen Rechtes geschehen: Übergriffe in Schranken weisen und die Ordnung herstellen bedeutet dann gerade nicht, die Befugnisse der Familie und der Individuen an sich reißen: der Staat befestigt in diesem Falle die Befugnisse der einzelnen, er zerstört sie nicht. Jedoch an diesem Punkt muß er haltmachen, über diese oben aufgezeigte Grenzen darf er nicht hinaus, sonst handelt er dem natürlichen Recht entgegen. Die väterliche Gewalt ist von Natur so beschaffen, daß sie nicht zerstört, auch nicht vom Staate an sich gezogen werden kann; sie weist eine gleich ehrwürdige Herkunft auf wie das Leben des Menschen selbst. ‚Die Kinder sind’, um mit dem hl. Thomas zu sprechen, ‚gewissermaßen ein Teil des Vaters’; sie sind gleichsam eine Entfaltung seiner Person. Auch treten sie in die staatliche Gemeinschaft als deren Teilnehmer, wenn man im eigentlichen Sinne reden will, nicht selbständig, nicht als Individuen ein, sondern vermittels der Familiengemeinschaft, in welcher sie das Leben empfangen haben. Aus eben diesem Grunde, weil nämlich die Kinder ‚von Natur einen Teil des Vaters bilden, stehen sie’, nach den Worten des heiligen Lehrers, ‚unter der Sorge der Eltern, ehe sie den Gebrauch des freien Willens haben’ (S. Th. v.A. Summa Theol. II. II. q. 10 art. 12.). Das sozialistische System also, welches die elterliche Fürsorge beiseite setzt, um eine allgemeine Staatsfürsorge einzuführen, versündigt sich an der natürlichen Gerechtigkeit und zerreißt gewaltsam die Fugen der Heimstatt der Familie. Aber sieht man selbst von der Ungerechtigkeit ab, so ist es ebensowenig zu leugnen, daß dieses System in allen Schichten der Gesellschaft Verwirrung herbeiführen würde. Eine unerträgliche Beengung aller, eine sklavische Abhängigkeit würde die Folge des Versuches seiner Anwendung sein. Es würde gegenseitiger Mißgunst, Zwietracht und Verfolgung Tür und Tor geöffnet. Mit dem Wegfalle des Spornes zu Strebsamkeit und Fleiß würden auch die Quellen des Wohlstandes versiegen. Aus der eingebildeten Gleichheit aller würde nichts anderes als der nämliche klägliche Zustand der Entwürdigung für alle…
Auszugehen ist demnach von der gegebenen unveränderlichen Ordnung der Dinge, wonach in der bürgerlichen Gesellschaft eine Gleichmacherei von hoch und niedrig, von arm und reich schlechthin nicht möglich ist. Es mögen die Sozialisten solche Träume zu verwirklichen suchen, aber man kämpft umsonst gegen die Naturordnung an. Es werden immerdar in der Menschheit die größten und tiefgreifendsten Ungleichheiten bestehen. Ungleich sind Anlagen, Fleiß, Gesundheit und Kräfte, und hiervon ist als Folge unzertrennlich die Ungleichheit in der Lebensstellung, im Besitz. Dieser Zustand ist aber ein sehr zweckmäßiger sowohl für den einzelnen wie für die Gesellschaft. Das gesellschaftliche Dasein erfordert nämlich eine Verschiedenheit von Kräften und eine gewisse Mannigfaltigkeit von Leistungen; und zu diesen verschiedenen Leistungen werden die Menschen hauptsächlich durch jene Ungleichheit in der Lebensstellung angetrieben…
Nur wenn wir das künftige unsterbliche Leben zum Maßstabe nehmen, können wir über das gegenwärtige Leben unbefangen und gerecht urteilen. Gäbe es kein anderes Leben, so würde eben damit der wahre Begriff sittlicher Pflicht verlorengehen, und das irdische Dasein würde zu einem dunklen, von keinem Verstande zu entwirrenden Rätsel. Wenn dies uns schon die Vernunft selbst sagt, so wird es zugleich durch den Glauben verbürgt, der als Grundstein aller Religion die Lehre hinstellt, daß beim Ausscheiden aus dem irdischen Leben unser wahres Leben beginnt. Denn Gott hat uns nicht für die hinfälligen und vergänglichen Güter der Zeit geschaffen, sondern für die ewigen des Himmels, und er hat uns die Erde nicht als eigentlichen Wohnsitz, sondern als Ort der Verbannung zugewiesen. Ob der Mensch an Reichtum und an anderen Dingen, die man Güter nennt, Überfluß habe oder Mangel leide, darauf kommt es für die ewige Seligkeit nicht an; aber sehr wohl, auf welche Weise er (von den ihm überlassenen zeitlichen Gütern) Gebrauch macht. Jesus Christus hat durch seine ‚reiche Erlösung’ keineswegs Leiden und Kreuz hinweggenommen, das unsern Lebensweg bedeckt, er hat es aber in einen Ansporn für unsere Tugend, in einen Gegenstand des Verdienstes verwandelt, und keiner wird der ewigen Krone teilhaftig, der nicht den schmerzlicher Kreuzweg des Herrn wandelt. ‚Wenn wir mit ihm leiden, werden wir auch mit ihm herrschen’ (2 Tim 2, 12). Durch seine freiwilligen Mühen und Peinen hat jedoch der Heiland all unsere Mühen und Peinen wunderbar gemildert. Er erleichtert uns die Ertragung aller Trübsal nicht bloß durch sein Beispiel, sondern auch durch seine stärkende Gnade und durch den Ausblick auf ewigen Lohn. ‚Denn unsere vorübergehende und leichte Trübsal in der Gegenwart erwirkt uns ein überschwengliches Maß von Glorie in der Ewigkeit’ (2 Kor. 4, 17) . Es ergeht also die Mahnung der Kirche an die mit Glücksgütern Gesegneten, daß Reichtum nicht von Mühsal frei mache, und daß er für das ewige Leben nichts nütze, ja demselben eher schädlich sei (Matth . 19, 23. 24) Die auffälligen Drohungen Jesu Christi an die Reichen müßten diese mit Furcht erfüllen (Lk. 6, 24. 25.), denn dem ewigen Richter wird einst strengste Rechenschaft über den Gebrauch der Güter dieses Lebens abgelegt werden müssen.
Eine wichtige und tiefgreifende Lehre verkündet die Kirche sodann über den Gebrauch des Reichtums, eine Lehre, welche von der heidnischen Weltweisheit nur dunkel geahnt wurde, die aber von der Kirche in voller Klarheit hingestellt und, was mehr ist, in lebendige praktische Übung umgesetzt wird. Sie betrifft die Pflicht der Wohltätigkeit, das Almosen. Diese Lehre hat die Unterscheidung zwischen gerechtem Besitz und gerechtem Gebrauch des Besitzes zur Voraussetzung. Das Privateigentum gründet sich, wie wir gesehen haben, auf die natürliche Ordnung, und dieses Recht zu gebrauchen, ist nicht bloß erlaubt, sondern es ist auch im gesellschaftlichen Dasein eine Notwendigkeit. ‚Es ist erlaubt’, so drückt der hl. Thomas es aus, ‚daß der Mensch Eigentum besitze, und es ist zugleich notwendig für das menschliche Leben’ (Summa Theol. II. II. q. 66, art. 2). Fragt man nun, wie der Gebrauch des Besitzes beschaffen sein müsse, so antwortet die Kirche mit dem nämlichen heiligen Lehrer: ‚Der Mensch muß die äußern Dinge nicht wie ein Eigentum, sondern wie gemeinsames Gut betrachten und behandeln, insofern nämlich, als er sich zur Mitteilung derselben an Notleidende leicht verstehen soll. Darum spricht der Apostel: ,Befiehl den Reichen dieser Welt,... daß sie gerne geben und mitteilen’ (Summa Theol. II. II. q. 66, art. 2). Gewiß ist niemand verpflichtet, dem eigenen notwendigen Unterhalt oder demjenigen der Familie Abbruch zu tun, um dem Nächsten beizuspringen. Es besteht nicht einmal die Verbindlichkeit, des Almosens wegen auf standesgemäße und geziemende Ausgaben zu verzichten. ‚Denn niemand ist’, um wieder mit St. Thomas zu sprechen, ‚verpflichtet, auf unangemessene Weise zu leben’ (Summa Theol. II. II. q. 32, art.6). Ist der Besitz jedoch größer, als es für den Unterhalt und ein standesgemäßes Auftreten nötig ist, dann tritt die Pflicht ein, vom Überflusse den notleidenden Mitbrüdern Almosen zu spenden. ‚Was ihr an Überfluß habet, das gebet den Armen’, heißt es im Evangelium (Lk. 11, 41). Diese Pflicht ist allerdings nicht eine Pflicht der Gerechtigkeit, den Fall der äußersten Not ausgenommen, sondern der christlichen Liebe, und darum könnte sie auch nicht auf gerichtlichem Wege erzwungen werden. Sie erhält indes eine Bekräftigung, mächtiger als die durch irdische Gesetzgeber und Richter, von seiten des ewigen Richters der Welt, der durch vielfache Aussprüche die Mildtätigkeit empfiehlt: ‚Es ist seliger geben, als nehmen’ (Apg. 20, 35), und der Gericht halten wird über Spendung und Verweigerung der Almosen an seine Armen, so als wäre sie ihm geschehen: ‚Was ihr einem der geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan’ (Matth. 25, 40). Das Gesagte läßt sich also kurz so zusammenfassen: Wer auch immer mit Gütern von Gott dem Herrn reichlicher bedacht wurde, seien es nun leibliche und äußere, oder seien es geistige Güter, der hat den Überfluß zu dem Zweck erhalten, daß er ihn zu seinem eigenen wahren Besten und zum Besten der Mitmenschen wie ein Diener der göttlichen Vorsehung gebrauche. ‚Wem also Einsicht verliehen ist’, sagt der hl. Gregor der Große, ‚der verwende sie zu nutzbringender Unterweisung, wer Reichtum erhalten hat, sehe zu, daß er mit der Wohltätigkeit nicht säume; wer in praktischen Dingen Erfahrung und Übung besitzt, verwende sein Können zum Besten der Mitmenschen’ (in Evang. horn. 9, n. 7.) …
Ja gegen die Hilflosen und Unglücklichen dieser Welt tritt Gottes Liebe gewissermaßen noch mehr an den Tag: Jesus Christus preist die Armen selig (Mt 5, 3: ‚Selig sind die Armen im Geiste’) ; er ladet alle, die mit Mühe und Kummer beladen, liebevoll zu sich, um sie zu tröste (Mt 11, 28: ‚Kommet zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, und ich will euch erquicken.’); die Niedrigsten und Verfolgten umfaßt er mit ganz besonderem Wohlwollen. Diese Wahrheiten sind wahrlich imstande, in den Begüterten und Hochstehenden jeden Übermut niederzuhalten und in den Armen den Kleinmut aufzurichten; sie müssen den Reichen Entgegenkommen gegen die Armen einflößen und die Armen selbst zur Bescheidenheit stimmen. So wird die soziale Kluft zwischen den beiden Klassen unschwer verringert und hüben und drüben freundliche, versöhnliche Gesinnung geweckt. Wenn aber die Moral des Christentums ganz zur Geltung kommt, wird man auch nicht bei versöhnlicher Stimmung stehenbleiben; es wird wahre brüderliche Liebe beide Teile verbinden. Sie werden dann in dem Bewußtsein leben, daß ein gemeinsamer Vater im Himmel alle Menschen geschaffen hat und alle für das gleiche Ziel bestimmt hat, für den ewigen Lohn der Guten, welcher Gott selbst ist, der allein die Menschen und die Engel mit vollkommener Seligkeit beglücken kann. Sie erfassen dann, was es heißt, Jesus Christus hat alle gleicherweise durch sein Leiden erlöst, alle zur nämlichen Würde von Kindern Gottes erhoben; ein wahrhaftes geistiges Bruderband besteht zwischen ihnen und mit Christus dem Herrn, ‚dem Erstgeborenen unter vielen Brüdern’ (Röm 8, 29.) …
Diese Wohltaten haben die hochheilige Person Jesu Christi zu ihrer Urquelle und zu ihrem Endzwecke; wie die Welt dem Gottmenschen alles verdankt, so bezieht sich alles Gute auf ihn als Zielpunkt der Dinge zuruck. Das Leben Jesu Christi durchdrang den Erdkreis, nachdem das Licht des Evangeliums aufgegangen und das große Geheimnis von der Menschwerdung Gottes und der Erlösung unseres Geschlechtes verkündet war; es drang zu allen Völkern, allen Klassen und gründete in ihnen den christlichen Glauben und dessen sittliche Vorschriften. Es ergibt sich hieraus die Notwendigkeit, daß, wenn man ein Heilmittel für die menschliche Gesellschaft sucht, dasselbe nur in der christlichen Wiederherstellung des öffentlichen und privaten Lebens beruht. Denn es ist ein bekanntes Axiom, daß jede Gesellschaft, die sich aus Niedergang erheben will, im Sinne ihres Ursprungs arbeiten muß. Durch das Streben nach dem beim Ursprung gesetzten Ziele muß das entsprechende Leben in den gesellschaftlichen Körper kommen. Abweichen vom Ziele ist gleichbedeutend mit Verfall; Rückkehr zu demselben bedeutet Heilung. Dies gilt vom ganzen Körper des Staates, und es gilt ebenso von der bei weitem zahlreichsten Klasse von Staatsbürgern, den arbeitenden Ständen. Die Fürsorge der Kirche geht indessen nicht so in der Pflege des geistigen Lebens auf, daß sie darüber die Anliegen des irdischen Lebens vergäße. Sie ist vielmehr, insbesondre dem Arbeiterstande gegenüber, vom eifrigen Streben erfüllt, die Not des Lebens für ihn auch nach der materiellen Seite zu lindern und ihn zu besseren Verhältnissen zu erheben. Schon durch ihre Anleitung zur Sittlichkeit und Tugend fördert sie zugleich das materielle Wohl; denn ein geregeltes christliches Leben hat stets seinen Anteil an der Herbeiführung irdischer Wohlfahrt; es macht Gott, welcher Urquell und Spender aller Wohlfahrt ist, dem Menschen geneigt, und es drängt zwei Feinde zurück, welche allzu häufig mitten im Überflusse die Ursache bittern Elends sind, die ungezügelte Habgier und die Genußsucht ‚Die Wurzel aller Übel ist die Habsucht’ (1 Tim 6, 10.); es würzt ein bescheidenes irdisches Los mit dem Glücke der Zufriedenheit, spendet in der Sparsamkeit einen Ersatz für die abgehenden Glücksgüter und bewahrt vor Leichtsinn und Laster, wodurch auch der ansehnlichste Wohlstand oft so schnell zugrunde gerichtet wird.“
Aus dem Apostolischen Rundschreiben „Quadragesimo anno“ Papst Pius XI. vom 15.5.1931 (zitiert nach Universität Innsbruck; http://www.uibk.ac.at/theol/ leseraum/texte/319.html; sprachlich überarbeitet)
„Zum Zweiten, die Staatsgewalt betreffend, setzte sich Leo XIII. über die von der liberalen Staatslehre aufgerichteten Schranken kurzerhand hinweg. Dieser Staatsauffassung, die im Staat nur den Wächter der Rechtsordnung erblicken will, setzte Leo unbeirrt die Lehre vom Rechts- und Wohlfahrtsstaat entgegen: durch richtige Gestaltung der gesamten gesetzlichen und sachlichen Einrichtungen müßten allgemeine Wohlfahrt wie auch Wohlfahrt der einzelnen als natürliches Ergebnis der Verfassung und Verwaltung des Staates sich einstellen. Der Initiative des einzelnen Staatsbürgers und der Familie sei gewiß der gebührende Spielraum zu lassen; dieser finde aber seine Grenze am Gemeinwohl und am Rechte anderer. Der Staatsgewalt obliege der machtvolle Schutz des Gesamtvolkes und aller seiner Glieder; bei der Erfüllung dieser seiner Rechtsschutzaufgabe habe der Staat in besonderer Weise auf die Rechte der Schwachen und Mittellosen Bedacht zu nehmen…
Die Achtung der Grenzen von Mein und Dein, die Ausschließlichkeit jeden Rechtes, die den Einbruch aus den Grenzen des eigenen Rechtsbereichs heraus in den Rechtsbereich des andern wehrt, gehört der Verkehrsgerechtigkeit an; der sittlich geordnete Gebrauch des Eigentums durch den Eigentümer dagegen gehört nicht dieser Tugend an, sondern ist Gegenstand anderer Tugenden und kann daher ‚im Klagewege nicht erstritten werden’. Zu Unrecht vertreten daher einige den Satz, die Grenzen des Eigentums und seines sittlich geordneten Gebrauchs seien ein und dasselbe; noch viel weniger bewirkt Mißbrauch oder Nicht-Gebrauch des Eigentums die Verwirkung oder den Verlust des Rechts…
Das naturgegebene Recht auf Sondereigentum, eingeschlossen das Erbrecht, muß immer unberührt und unverletzt bleiben, da der Staat es zu entziehen keine Macht hat; ‚der Mensch ist ja älter als der Staat’; auch die ‚häusliche Gemeinschaft geht begrifflich und sachlich der staatlichen Gemeinschaft voraus’. Darum hatte schon Leo XIII. betont, der Staat dürfe das Vermögen seiner Bürger nicht durch steuerliche Überlastung aufzehren: ‚Denn das Recht auf Sondereigentum, das nicht durch Menschensatzungen, sondern von der Natur verliehen ist, kann der Staat nicht aufheben, vielmehr nur seine Handhabung regeln und mit dem Gemeinwohl in Einklang bringen’. Indem jedoch die Staatsgewalt das Sondereigentum auf die Erfordernisse des Gemeinwohls abstimmt, erweist sie den Eigentümern keine Feindseligkeit, sondern einen Freundschaftsdienst; denn sie verhütet auf diese Weise, daß die Einrichtung des Sondereigentums, vom Schöpfer in weiser Vorsehung zur Erleichterung des menschlichen Lebens bestimmt, zu unerträglichen Unzuträglichkeiten führt und so sich selbst ihr Grab gräbt. Das heißt nicht, das Sondereigentum aufheben, sondern es schirmen; das ist keine Aushöhlung des Eigentums, sondern seine innere Festigung…
In Auswirkung des individualistischen Geistes ist es so weit gekommen, daß das einst blühend und reichgegliedert in einer Fülle verschiedenartiger Vergemeinschaftungen entfaltete menschliche Gesellschafsleben derart zerschlagen und nahezu vernichtet wurde, bis schließlich fast nur noch die Einzelmenschen und der Staat übrigblieben - zum nicht geringen Schaden für den Staat selber. Das Gesellschaftsleben wurde ganz und gar unförmlich; der Staat aber, der sich mit all den Aufgaben belud, welche die von ihm verdrängten Vergemeinschaftungen nun nicht mehr zu leisten vermochten, wurde unter einem Übermaß von Obliegenheiten und Verpflichtungen zugedeckt und erdrückt.
Wenn es nämlich auch zutrifft, was ja die Geschichte deutlich bestätigt, daß unter den veränderten Verhältnissen manche Aufgaben, die früher leicht von kleineren Gemeinwesen geleistet wurden, nur mehr von großen bewältigt werden können, so muß doch allzeit unverrückbar an dem eminent wichtigen sozialphilosophischen Grundsatz festgehalten werden, an dem nicht zu rütteln noch zu deuteln ist: nämlich dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen; zugleich ist es überaus nachteilig und verwirrt die ganze Gesellschaftsordnung. Jedwede Gesellschaftstätigkeit ist ja ihrem Wesen und Begriff nach subsidiär; sie soll die Glieder des Sozialkörpers unterstützen, darf sie aber niemals zerschlagen oder aufsaugen.
Angelegenheiten von untergeordneter Bedeutung, die nur zur Abhaltung von wichtigeren Aufgaben führen müßten, soll die Staatsgewalt also den kleineren Gemeinwesen überlassen. Sie selbst steht dadurch nur um so freier, stärker und schlagfertiger da für diejenigen Aufgaben, die in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, weil sie allein ihnen gewachsen ist: durch Leitung, Überwachung, Nachdruck und Zügelung, je nach Umständen und Erfordernissen. Darum mögen die staatlichen Machthaber überzeugt sein: je besser durch strenge Beobachtung des Prinzips der Subsidiarität die Stufenordnung der verschiedenen Vergesellschaftungen innegehalten wird, um so stärker stehen gesellschaftliche Autorität und gesellschaftliche Wirkkraft da, um so besser und glücklicher ist es auch um den Staat bestellt… Noch etwas, das mit dem vorigen eng zusammenhängt, ist erforderlich: So wenig die Einheit der menschlichen Gesellschaft gründen kann auf der Gegensätzlichkeit der Klassen, ebensowenig kann die rechte Ordnung der Wirtschaft dem freien Wettbewerb anheimgegeben werden. Das ist der Grundirrtum der individualistischen Wirtschaftswissenschaft, aus dem all ihre Einzelirrtümer sich ableiten: in Außerachtlassen oder Verkennung der gesellschaftlichen wie der sittlichen Natur der Wirtschaft glaubte sie, die öffentliche Gewalt habe der Wirtschaft gegenüber nichts anderes zu tun, als sie frei und ungehindert sich selbst zu überlassen; am Markt, d.h. im freien Wettbewerb besitze diese ja ihr regulatives Prinzip in sich, durch das sie sich vollkommener selbst reguliere, als dies das Eingreifen irgendeines geschaffenen Geistes je vermöchte. Die Wettbewerbsfreiheit - obwohl innerhalb der gehörigen Grenzen berechtigt und von zweifellosem Nutzen - kann aber unmöglich regulatives Prinzip der Wirtschaft sein. Die Erfahrung hat dies, nachdem die verderblichen individualistischen Theorien in die Praxis umgesetzt wurden, bis zum Übermaß bestätigt. Daher besteht die dringende Notwendigkeit, die Wirtschaft wieder einem echten und durchgreifend regulativen Prinzip zu unterstellen…
Am auffallendsten ist heute die geradezu ungeheure Zusammenballung nicht nur an Kapital, sondern an (politischer) Macht und wirtschaftlicher Herrschschaft in den Händen einzelner, die sehr oft gar nicht Eigentümer, sondern Treuhänder oder Verwalter anvertrauten Gutes sind, über das sie mit geradezu unumschränkter Machtvollkommenheit verfügen. Zur Ungeheuerlichkeit wächst diese Vermachtung der Wirtschaft sich aus bei denjenigen, die als Beherrscher und Lenker des Finanzkapitals unbeschränkte Verfügung haben über den Kredit und seine Verteilung nach ihrem Willen bestimmen. Mit dem Kredit beherrschen sie den Blutkreislauf des ganzen Wirtschaftskörpers; das Lebenselement der Wirtschaft ist derart unter ihrer Faust, daß niemand gegen ihr Geheiß auch nur zu atmen wagen kann…
Die letzten Auswirkungen des individualistischen Geistes sind es, die Ihr, Ehrwürdige Brüder und geliebte Söhne, vor Augen habt und beklagt: der freie Wettbewerb hat zu seiner Selbstaufhebung geführt; an die Stelle der freien Marktwirtschaft trat die Vermachtung der Wirtschaft; das Gewinnstreben steigerte sich zum zügellosen Machtstreben. Dadurch kam in das ganze Wirtschaftsleben eine furchtbare, grausenerregende Härte. Dazu traten die schweren Schäden einer Vermengung und unerfreulichen Verquickung des staatlichen und des wirtschaftlichen Bereichs. Als einen der schwersten Schäden nennen Wir die Erniedrigung der staatlichen Hoheit, die, unparteiisch und allem Interessenstreit entrückt, einzig auf das gemeine Wohl und die Gerechtigkeit bedacht, als oberste Schlichterin in königlicher Würde thronen sollte, zur willenlos gefesselten Sklavin selbstsüchtiger Interessen. Im zwischenstaatlichen Leben aber entsprang der gleichen Quelle ein doppeltes Übel: hier ein übersteigerter Nationalismus und Imperialismus wirtschaftlicher Art, dort ein nicht minder verderblicher und verwerflicher finanzkapitalistischer Internationalismus oder Imperialismus des internationalen Finanzkapitals, das sich überall da zu Hause fühlt, wo sich ein Beutefeld auftut…
Um diesen Fragestellern gemäß Unserer väterlichen Hirtensorge Genüge zu tun, erklären Wir: der Sozialismus, gleichviel ob als Lehre, als geschichtliche Erscheinung oder als Bewegung, auch nachdem er in den genannten Stücken der Wahrheit und Gerechtigkeit Raum gibt, bleibt mit der Lehre der katholischen Kirche immer unvereinbar, es sei denn, er hörte auf, Sozialismus zu sein: der Gegensatz zwischen sozialistischer und christlicher Gesellschaftsauffassung ist unüberbrückbar.
Nach christlicher Auffassung ist der Mensch mit seiner gesellschaftlichen Anlage von Gott geschaffen, um in der Gesellschaft und in Unterordnung unter die gottgesetzte gesellschaftliche Autorität sich zur ganzen Fülle und zum ganzen Reichtum dessen, was Gott an Anlagen in ihn hineingelegt hat, zur Ehre Gottes zu entfalten und durch treue Erfüllung seines irdischen Lebensberufs sein zeitliches und zugleich sein ewiges Glück zu wirken. Von all dem weiß der Sozialismus nichts; vollkommen unbekannt und gleichgültig ist ihm diese erhabene Bestimmung sowohl des Menschen als der Gesellschaft; er sieht in der Gesellschaft lediglich eine Nutzveranstaltung…
Enthält der Sozialismus - wie übrigens jeder Irrtum - auch einiges Richtige (was die Päpste nie bestritten haben), so liegt ihm doch eine Gesellschaftsauffassung zugrunde, die ihm eigentümlich ist, mit der echten christlichen Auffassung aber in Widerspruch steht. Religiöser Sozialismus, christlicher Sozialismus sind Widersprüche in sich; es ist unmöglich, gleichzeitig guter Katholik und wirklicher Sozialist zu sein… ‚Soll daher der menschlichen Gesellschaft geholfen werden’, - das sind Worte Unseres Vorgängers – ‚dann wird allein die Erneuerung christlichen Lebens und christlicher Einrichtungen helfen’. Sie allein kann der übertriebenen Sorge um die vergänglichen Güter, die aller Übel Wurzel ist, wirksam abhelfen; sie allein kann die Menschen, die wie gebannt auf die Nichtigkeiten des diesseitigen Lebens starren, davon losreißen und ihre Blicke wieder himmelwärts richten. Und wer möchte leugnen, daß im Augenblick die menschliche Gesellschaft dieses Heilmittels am meisten bedarf? …
Durch die Erbsünde ist ja die ursprüngliche wunderbare Harmonie der menschlichen Anlagen so gestört, daß der Mensch allzu leicht seinen ungeordneten Trieben unterliegt und die stärksten Lockungen verspürt, die hinfälligen Güter dieser Welt den himmlischen und dauerhaften Gütern vorzuziehen. Daher jene unstillbare Gier nach Reichtum an irdischen Gütern, die zu allen Zeiten die Menschen zur Übertretung des göttlichen Gesetzes und zur Verletzung der Rechte des Mitmenschen verleitet hat, in der heutigen Wirtschaftsweise aber der menschlichen Schwachheit ganz besonders zahlreiche Gelegenheiten zum Falle bietet…
Einer großen Täuschung erliegen daher alle unbesonnenen Reformer, die einzig bedacht auf Herstellung der Gerechtigkeit - obendrein nur der Verkehrsgerechtigkeit - die Mitwirkung der Liebe hochmütig ablehnen. Gewiß kann die Liebe kein Ersatz sein für geschuldete, aber versagte Gerechtigkeit. Aber selbst wenn der Mensch alles erhielte, was er nach der Gerechtigkeit zu erhalten hat, bliebe immer noch ein weites Feld für die Liebe: die Gerechtigkeit, so treu sie auch immer geübt werde, kann nur den Streitstoff sozialer Konflikte aus der Welt schaffen; die Herzen innerlich zu verbinden vermag sie nicht. Nun ist aber die innere Gesinnungsverbundenheit unter den Beteiligten die feste Grundlage aller Einrichtungen zur Sicherung des sozialen Friedens und zur Förderung der Zusammenarbeit unter den Menschen. Das gilt gerade auch von den vortrefflichsten Veranstaltungen dieser Art. Ja, die Erfahrung lehrt immer wieder, daß ohne solche Gesinnungseinheit die weisesten Anordnungen zu gar nichts nütze sind. Ein wahres Zusammenwirken aller zu dem einen Ziel des Gemeinwohls ist daher nur dann möglich, wenn die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen sich ganz durchdringen lassen von dem Bewußtsein ihrer Zusammengehörigkeit als Glieder einer großen Familie, als Kinder eines und desselben himmlischen Vaters, wenn sie sich fühlen als ein Leib in Christo, ‚einer des andern Glied’, so daß, ‚wenn ein Glied leidet, alle anderen mit ihm leiden’ (Kor 12, 26.).“
c. „Der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott“
Und die Söhne Jakobs dem Leibe nach werden in der letzten Zeit zum Herrn zurückkehren; dem Rest der Nachkommen der Hebräer wird die Gnade zuteil werden, den wahren Messias schließlich zu finden; dazu hier nur soviel: „Und der Herr zerstreut euch unter die Völker, und nur ein winzig Häuflein bleibt von euch unter den Nationen übrig, in die euch der Herr treiben wird. Dort dient ihr Göttern, Werken von Menschenhänden, Holz und Stein, die nicht sehen, noch hören, noch essen, noch riechen. Von dort ab suchst du den Herrn, deinen Gott. Und du findest ihn, wenn du ihn suchst von ganzem Herzen und ganzer Seele, in deiner Not, wenn dich all dies trifft in späterer Zeit. Dann kehrst du zum Herrn, deinem Gott, zurück und hörst wieder auf seine Stimme. Denn der Herr, dein Gott, ist ein barmherziger Gott. Er läßt dich nicht los und läßt dich nicht verderben. Er vergißt nicht den Bund mit deinen Vätern, den er ihnen beschworen hat.“ (AT, Deuteronomium 4, 27 - 31), „Denn viele Tage müssen die Söhne Israels dasitzen. Kein König und kein Fürst ist da, kein Opfer und kein Bild, kein Ephod, keine Teraphim. Alsdann bekehren sich die Söhne Israels und suchen nach dem Herrn, ihrem Gott, und David, ihrem König. Sie eilen in der Tage letzter Zeit voll Furcht zum Herrn und seinem Segen.“ (AT, Osee 3, 4 und 5), „Ich frage nun: Strauchelten sie (Anmerkung des Verf.: der gegenüber dem Messias ungläubig gebliebene Teil des Israels des Alten Bundes - siehe NT, Römerbrief 11, 7 – 10) so, daß sie für immer fielen? Nimmermehr! Durch ihre Sünde ist das Heil zu den Heiden gekommen, um sie eifersüchtig auf diese zu machen. Wenn aber ihre Sünde für die Welt Reichtum bedeutet und ihre Minderung für die Heiden Reichtum, um wie viel mehr ihre Fülle?“ (NT, Römerbrief 11, 11 und 12)
All das war und bleibt festes Glaubensgut der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche; und – bis auf den Abfall - ist bisher nichts davon eingetreten: Falls man also dem Katechismus und den Vorhersagen der Hl. Schrift vertraut, kann man das Weltende nicht für diese oder die unmittelbar folgende Generation erwarten!
14. Ist eine intakte, mit Hierarchie, und also mit Lehr-, Hirten- und Priesteramt ausgestattete Kirche ‚in der Endzeit’ verzichtbar - oder handelt es sich auch und besonders dann um einen unverzüglich zu behebenden Defektzustand der Kirche?
a. Was sagt die Lehre der Kirche im Allgemeinen dazu?
Man könnte argumentieren, auch im Mangelzustand bleibe die Kirche die Kirche, und daher mangele ihr eigentlich nichts, denn sie bestehe solange fort, wie der letzte Gläubige vorhanden ist. Schließlich haben in verschiedenen Weltgegenden Gläubige über Jahrhunderte die dauerhafte Abwesenheit von Priestern überstanden. Wenn jene Ansicht so zutreffend wäre, entspräche eine Laienkirche dem von ihrem Gründer, Christus, gewollten Stiftungsmodell; der Klerus wäre schmückende aber letztlich verzichtbare Beigabe – so ist es aber nicht: „Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohne und des Heiligen Geistes und lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe. Und sehet, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“ (NT, Matthäus 28, 19 und 20) – dieser Missionsauftrag richtet sich an die Apostel, er richtet sich - ausschließlich - an die lehrende, leitende und Gnaden ausspendende Kirche, an das Hirten-, das Lehr- und das Priesteramt, an den Klerus, genauer: an die Jurisdiktionshierarchie, nicht aber an die hörende Kirche, die Laien. Also wird die Kirche - als Ganzes – bis zum Ende der Welt bestehen bleiben; und sie muß es auch notwendig: Denn es ist nicht die Rede von einer beliebigen Hierarchie irgendeiner Organisation, sondern der einzigartigen der katholischen Kirche:
Dazu aus der Lehre des (I.) Vatikanischen Konzils (1869/70, vierte Sitzung, 18.7.1870, Erste Dogmatische Konstitution über die Kirche Christi):
„Wie er also die Apostel, die er sich aus der Welt erwählt hatte, sandte, wie er selbst vom Vater gesandt war (Joh.20, 21), so sollten nach seinem Willen auch in seiner Kirche Hirten und Lehrer bis zur Vollendung der Weltzeit (Mt. 28, 20) sein... Was ... Christus ... im heiligen Petrus zum ewigen Heil und immerwährenden Wohl der Kirche eingesetzt hat, das muß notwendig nach seiner Anordnung in der Kirche fortdauern, die auf dem Felsen errichtet ist und bis zum Ende der Zeiten fest stehen wird... Diese Gnadengabe der Wahrheit und des nie wankenden Glaubens ist also Petrus und seinen Nachfolgern auf diesem Stuhl von Gott verliehen worden, damit sie ihres erhabenen Amtes zum Heil aller walten können; damit durch sie die ganze Herde Christi vom Giftkraut des Irrtums ferngehalten und auf den Fluren der himmlischen Lehre geweidet werde… Was aber der Fürst aller Hirten und große Hüter seiner Schafe Christus Jesus der Herr, zum immerwährenden Heil und Wohl der Kirche im heiligen Apostel Petrus eingesetzt hat, das muß kraft dieser Anordnung als dauernde Einrichtung in der Kirche fortbestehen, da sie ja, auf Felsen gegründet, unerschüttert stehen wird bis zum Ende der Zeiten… Wir lehren demnach und erklären, daß auf Anordnung des Herrn die römische Kirche über alle andern Kirchen den Vorrang der ordentlichen Gewalt besitzt und daß diese wahrhaft bischöfliche Regierungsgewalt des römischen Papstes (die Untertanen) unmittelbar erfaßt. Ihr gegenüber sind daher die Gläubigen und die Hirten jeglichen Ritus und Ranges, und zwar sowohl einzeln wie in ihrer Gesamtheit, zu hierarchischer Unterordnung und zu wahrem Gehorsam verpflichtet. Und das nicht nur in Fragen des Glaubens und des sittlichen Lebens, sondern auch in allem, was zur Disziplin und zur Regierung der Kirche auf dem ganzen Erdenrund gehört.“
- und nichts, aber auch kein Jota von diesen Satzungen der Kirche ist je widerrufen worden!
Dazu aus der Enzyklika „Iam vos omnes“ Papst Pius IX. vom 13.9.1868 (vergl. Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 2997)
„So wie Jesus Christus auf die Erde kam, damit die Menschen ‚das Leben haben und es in Fülle haben’ (Joh 10, 10), ebenso hat die Kirche als Ziel das ewige Heil der Seelen vorgegeben: und deswegen ist ihre Natur so beschaffen, daß sie sich, von keinen räumlichen oder zeitlichen Grenzen eingeschränkt, danach ausstreckt, das ganze menschliche Geschlecht zu umfassen.... Obwohl diese Gesellschaft nicht anders als die bürgerliche Gemeinschaft aus Menschen besteht, ist sie dennoch wegen des ihr bestimmten Zieles und der Mittel, mit denen sie zum Ziel strebt, übernatürlich und geistlich: und deshalb unterscheidet sie sich und hebt sich von der bürgerlichen Gesellschaft ab: und – was höchst wichtig ist – sie ist eine ihrer Art und ihrem Recht nach vollkommene Gesellschaft, da sie die für ihre Erhaltung und Tätigkeit notwendigen Hilfsmittel nach dem Willen und durch die Wohltat ihres Gründers alle in sich und durch sich selbst besitzt. So wie das Ziel, nach dem die Kirche strebt, bei weitem das edelste ist, so ist auch ihre Vollmacht die vortrefflichste von allen und kann nicht für geringer als die bürgerliche Herrschaft gehalten werden oder dieser in irgendeiner Weise untertan sein.“
Dazu aus „Aeterni patris“, Apostolisches Rundschreiben Papst Leo XIII. vom 4.8.1879 (vergl. Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 3135 ff.):
„Der eingeborene Sohn des ewigen Vaters, der auf Erden erschien, um dem menschlichen Geschlechte das Heil und das Licht der göttlichen Weisheit zu bringen, hat der Welt eine wahrhaft große und wunderbare Wohltat erwiesen, als Er vor seiner Himmelfahrt den Aposteln gebot, daß sie hingingen und alle Völker lehrten (Mt. 28, 19); und er ließ die von ihm gegründete Kirche als gemeinsame und oberste Lehrerin aller Völker zurück. Denn die Menschen, welche die Wahrheit befreit hatte, sollten in der Wahrheit erhalten werden; und die Früchte der göttlichen Lehren, durch welche dem Menschen das Heil geworden ist, wären nicht lange geblieben, hätte Christus der Herr nicht zur Unterweisung der Geister im Glauben ein fortdauerndes Lehramt eingesetzt.“
Und aus dem Apostolischen Schreiben „Gravissimas inter“ Papst Pius IX. vom 11.12.1862 (vergl. Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 2861):
„Denn die Kirche ist kraft ihrer göttlichen Einsetzung dazu verpflichtet, sowohl das anvertraute heilige Glaubensgut rein und unversehrt auf das genaueste zu bewahren, als auch mit größtem Eifer fortwährend für das Heil der Seelen wachsam zu sein, und daher mit größter Sorgfalt all das zu beseitigen und aus dem Hause zu vertreiben, was entweder gegen den Glauben ist oder das Heil der Seelen auf irgendeine Art und Weise in Gefahr bringen kann. Deshalb hat die Kirche aufgrund der ihr von ihrem göttlichen Urheber übertragenen Vollmacht nicht nur das Recht, sondern vor allem die Pflicht, sämtliche Irrtümer nicht zu dulden, sondern zu ächten und zu verurteilen, wenn es so die Unversehrtheit des Glaubens und das Heil der Seelen erfordern, und jedem Philosophen, der ein Sohn der Kirche sein will, und auch der Philosophie obliegt die Pflicht, niemals etwas gegen das zu sagen, was die Kirche lehrt, und das zu widerrufen, weswegen sie die Kirche ermahnt hat.“
Denn die unversehrte, mit Hirten-, Lehr- und Priesteramt und Priestertum ausgestattete Kirche ist notwendig: Kirche ohne Ämter, ohne Hierarchie, ohne lebendiges Lehr- und Hirtenamt ist nicht sichtbar, sie versinkt im Chaos. Ihre Grenzen sind unscharf: wer ist noch katholisch, wer scheint nur so, wer driftet durch eigene Auslegungsversuche von Glaubens- und Sittenfragen und ihre fehlerhafte Anwendung auf die derzeitige ungeheuerliche Situation der Kirche ab in Eigenbrödelei, Sektierertum, Schisma und Häresie? Mögen auch die großen Glaubensfragen vom unfehlbaren kirchlichen Lehramt bereits beantwortet sein, das aufgrund göttlicher Anordnung unbedingt bindende lebendige Hirtenamt der Kirche hat sich erst dann erledigt, wenn diese Welt vergeht: Denn von der hl. Kirche spricht der Psalm: „Mein Hirte ist der Herr; mir mangelt nichts. Er lagert mich auf grünen Auen; er leitet mich zu stillen Wassern, lenkt mein Begehr und leitet mich auf rechten Pfaden zu seines Namens Wohnstatt hin.“ (Psalm 23 (22), 1 – 3)
Zu allen Zeiten benötigen die Jünger Christi Anleitung und Rat zu ihrer persönlichen Lebensführung, zu ihren ‚Streit- und Zeitfragen’: „ ‚Es kommen Tage’, Spruch des Herrn, des Herrn, ‚da sende ich ins Land den Hunger, doch Hunger nicht nach Brot, nicht Durst nach Wasser, vielmehr danach, das Wort des Herrn zu hören. Sie wanken dann von Meer zu Meer, von Mitternacht bis Sonnenaufgang hin. So irren sie umher, ein Herrenwort zu suchen, doch sie finden keines.“ (AT, Amos 8, 11 und 12)
„Die Kirche ist nothwendig; die Teilnahme an ihr ist Bedingung der Seligkeit. Christus hat sie für alle Menschen gegründet; nach Christi ausdrücklich erklärtem Willen sollen alle getauft und damit Glieder der Kirche werden, alle von ihr belehrt, von ihr geleitet werden. Ohne den Glauben und die Lebensgemeinschaft mit Christus kein Heil: durch die Kirche aber wird der Glaube vermittelt, durch sie treten wir in die Lebensgemeinschaft mit Christus. Alle Gnade ist nach dem Sündenfall gratia Christi; seine Gnadenschätze hat Christus seiner Kirche übergeben. Durch die Kirche erhalten wir den wahren Glauben, ohne den es nicht möglich ist, Gott zu gefallen ( Hebr. 11, 6); wer auf die Kirche nicht hört, soll einem Heiden gleichgeachtet werden (Matth. 18, 17). Durch die Kirche nur stehen wir in Verbindung mit Christus. Die Kirche ist also eine societas necessaria, in die einzutreten alle verpflichtet sind; sie ist nothwendig, d.h. mit moralischer Nothwendigkeit. Und darum ist sie die ‚allein seligmachende’ (‚extra ecclesiam nulla salus’, Conc. Lateran. IV. c. 1). Sie ist die einzige von Christus gestiftete Heilsanstalt, durch die wir zur Seligkeit geführt werden sollen; es gibt keine andere Kirche, die selig macht. Christus hat nicht mehrere Kirchen gestiftet, Christi Werk kann auch von den Menschen nicht verbessert, reformiert werden. Seine Kirche muß seinen Verheißungen gemäß im vollen Besitze der Wahrheit sein. Die durch Losreißung von der einen Kirche entstandenen Religionsgesellschaften können nicht als verschiedene Formen derselben Kirche betrachtet werden, da sie in wesentlichen Punkten mit ihr in Widerspruch stehen. Wer durch schwere Schuld von der einen wahren Kirche getrennt ist und bleibt, kann nicht selig werden. Wer aber selig wird, wird es durch die eine von Christus gegründete römisch-katholische Kirche; steht er auch (ohne Schuld) außerhalb dieser Gemeinschaft, gehört er ihr aber quoad animam an, so wird er nicht durch den Irrthum, dem er unverschuldeter Weise anhängt, sondern durch die eine katholische Kirche, der er durch die Taufgnade angehört, selig. Darum hat die Kirche auch den Satz Quesnels verworfen: ‚extra ecclesiam nulla conceditur gratia’. Könnte außerhalb der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche gar keine Gnade verliehen werden, so könnte auch kein von dieser Getrennter zum Glauben und zur Kirche gelangen, da er dazu schon der Gnade bedarf. Aber auch alle Gnade, die extra ecclesiam, d.h. außerhalb der sichtbaren Gemeinschaft der Kirche verliehen wird, kommt den Getrennten durch die eine Kirche zu. Wer selig wird, wird es durch die wahre Kirche Christi; unverschuldeter Irrthum über dies kann aber nicht vom Heile ausschließen.“ (Hergenröther, a.a.O., S. 16, f.)
„ ‚Wahrlich, wahrlich, ich sage euch, wer den aufnimmt, den ich gesendet habe, der nimmt mich auf; wer aber mich aufnimmt, der nimmt den auf, der mich gesendet hat.’ Und damit niemand zweifle, in welchem Sinne er das gemeint habe, spricht er noch deutlicher: ‚wer euch hört, der hört mich; und wer euch zurückweist, der weist mich zurück; wer aber mich zurückweist, der weist ihn zurück, der mich gesandt hat.’ Diesem Grundgesetze für das Reich Gottes gemäß hat er auch gehandelt. Man wundert sich darüber, daß er keine Gemeinde um sich gesammelt hat. Der Grund ist den eben gehörten Worten gemäß leicht und sicher zu erkennen. Hätte er selbst die Scharen um sich versammelt und an seine Person gekettet, so wäre für ewige Zeiten die Vorstellung möglich gewesen, jeder könne sich direkt und unmittelbar an ihn wenden und sich für seine eigene Person selbstständig ihm anschließen wie jene ersten Glieder seiner Gemeinde. Nun hat er aber gar keine Gemeinde gestiftet, sondern bloß seine Kirche in der Form der Hierarchie. Und nachdem er diese bestellt und mit der ganzen Macht, die er selber im Himmel und auf Erden besaß, ausgerüstet hatte, gab er ihr den Auftrag, die Kirche auszubauen durch die Lehre, die Sakramente und die Disziplin. Die Apostel und die von ihnen Bestellten waren es, die der Menschheit predigten, die alle Glaubenden in die Kirche aufnahmen und sie dadurch, daß sie zu Mitgliedern der Kirche wurden, auch zu Christus hinführten. Davon gab es keine Ausnahme, auch nicht eine einzige. Cornelius wurde durch den Engel im Glauben erleuchtet, aber an Petrus gewiesen, damit ihn dieser zu Christus führe. Dem Kämmerer wurde Philippus zugesandt, den Samaritern Petrus und Johannes. Kein Wunder entband von diesem Gesetz. Der am wunderbarsten durch Christus selbst Berufene, Saulus, der künftige Paulus, wurde durch die außerordentliche Erscheinung des Herrn mürbe und zur Annahme des Evangeliums bereit gemacht. Aber auch nur soweit. Als er seine Bereitwilligkeit erklärt hatte, alles zu tun, was der Herr von ihm verlange, damit er zu ihm kommen könne, wies ihn dieser an seinen Stellvertreter, der werde ihm sagen, was er tun müsse. Und nochmals wies der Heilige Geist die Diener Gottes an, den Saulus und den Barnabas für seinen Dienst einzuweihen… Damit ist allen, die zu Christus finden wollen, für immer der Weg vorgezeichnet. Auf diese Wahrheit führt uns jede Untersuchung zurück. Wie es nur einen Weg zu Gott gibt, so gibt es nur einen Weg zu Christus. Der Weg zu Gott ist Christus, der Weg zu Christus ist die Kirche. Das ist der kurze Inbegriff der ganzen Lehre vom Heil, das ist das Wesen des Christentums. Niemand findet Gott ohne Christus, niemand Christus ohne die Kirche. Wie kein Christentum ohne die Kirche, so kein Christus für uns auf Erden, wenn wir ihn nicht durch die Kirche suchen. Man kann außerhalb der Kirche vom Christentum Bruchstücke retten, aber das wahre Christentum Christi, das volle Christentum, so wie es Christus gestiftet hat, ist nur in der Kirche verwirklicht. Es wäre zu wenig gesagt, wenn wir uns so ausdrückten, daß es sich nur in der Kirche finde. Nein, es ist nicht in der Kirche, es ist die Kirche selbst, denn in keiner anderen Form hat es der Herr gestiftet… So geht alles von Gott aus und führt alles zu Gott zurück, alles durch Christus, alles durch die Kirche, alle Erlösung, alle Gnade, alle Wahrheit, alle Erkenntnis, alles Leben. Noch sind wir ferne davon, die ganze Tiefe der Wahrheit, die ganze Fülle der Gnade zu fassen. Vollständig werden wir sie nie fassen, nicht einmal die Engel. Aber immer tiefer werden wir hier und dort in ihren Inhalt eindringen, jeder nach seiner Weise, ohne sie je zu erschöpfen, denn es sind unerforschliche Reichtümer. Darin liegt eben die Gewähr einer ewigen Seligkeit, daß wir immer aus ihnen schöpfen, sie aber nie erschöpfen können. Einst werden wir aus ihnen schöpfen an der Quelle, aus Gott selber, hier schöpfen wir aus ihnen durch die Kirche, dort aber wie hier ist der, der uns diese unerforschlichen Reichtümer eröffnet, der angebetete, ewige Sohn Gottes, unser einziger Mittler Jesus Christus. Durch die Kirche zu Christus, durch Christus zum Vater, dem ewigen, unerschöpflichen Urquell der unerforschlichen Reichtümer.“ (A. M. Weiß, a.a.O., S. 453, ff. und 471)
„Christus der König, der oberste Gesetzgeber der Welt! Es war ein hochfeierlicher Augenblick: der Auferstandene auf einem Berge Galiläas. Vor Ihm die Apostel, die Vertreter der jungen Kirche. Da trat Jesus auf sie zu und sprach zu ihnen: ‚Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden. Darum gehet hin und lehret alle Völker. Taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Und lehret sie alles halten, was Ich euch geboten habe. Siehe, Ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.’ Das ist die Proklamierung der allgemeinen, unbeschränkten, ewigen Monarchie Christi. Inhaber aller Gewalt, König im Vollsinn des Wortes ist nur einer. Nur Er! Nur Jesus! Wer alle Macht im Himmel und auf Erden hat, der besitzt die oberste gesetzgeberische Gewalt.“ (R. Mäder, a.a.O., S. 130)
„Hochzeit von Kana. So wichtig eine christliche Hochzeit für die Erneuerung der menschlichen Gesellschaft sein mag, hier handelt es sich um mehr. Die Brautleute von Kana sind eigentlich mehr nur Vor- und Sinnbilder. Ihre Trauung gibt Jesus Gelegenheit, gleich am Anfang seiner öffentlichen Wirksamkeit das große Geheimnis und Ziel seiner Menschwerdung zu enthüllen: die Hochzeit des Königs Sohnes, die Vereinigung Gottes mit der Menschheit. Der Sohn des Himmels stieg herab zur Erde, auf daß der Sohn der Erde hinaufsteige in den Himmel. Es handelt sich beim Erlösungswerk um nichts Geringeres als um die Vermählung der Menschheit mit dem Sohne Gottes. Jesus erscheint uns darum heute als der göttliche Bräutigam, dem seine Braut, die werdende Kirche, entgegengeführt wird. Nun verstehen wir es aber auch erst recht, warum Maria, die Mutter des Bräutigams und der Braut, und die Apostel, die Diener Christi und die Ausspender der Geheimnisse Gottes, in Kana dabei sein müssen. Es gehört zu den schönsten Freuden des Priestertums, das wunderbare Geheimnis des Christentums, das Verhältnis zwischen dem Bräutigam und der Braut, zwischen Christus und der christlichen Gemeinde, Jesus und der einzelnen Seele, zu offenbaren und zu fördern. In diesem Sinn ein paar Hochzeitgedanken zum Tag von Kana. Es sei von vornherein bemerkt: was von Bräutigam und Braut gesagt wird, sind nicht poetische Blumen, sondern Fundamentalwahrheiten des Christentums, grundlegende Tatsachen und Gesetze in der Welt des Übernatürlichen. Jesus ist Bräutigam. Jesus ist als Bräutigam das Haupt der Kirche wie der Mann das Haupt der Frau (Epheser 5, 23). Bräutigam und Braut, Haupt und Leib, Christus und Kirche, bilden eine untrennbare Einheit. Zwei, die eigentlich eins sind! Man kann nicht vom einen reden, ohne zugleich an das andere zu denken. Man kann nicht vom Leib reden, ohne an das Haupt, nicht von der Braut, ohne an dem Bräutigam, nicht vom König, ohne an die Königin, nicht von der Kirche, ohne an Jesus sich zu erinnern. Die Braut ist nur Braut insofern, als sie einen Bräutigam hat. Der Leib lebt nur insoweit, als er mit dem Haupte verbunden. Man redet von der Königin nur, weil sie des Königs ist. Die Kirche besteht nur, weil und insofern sie von Jesus abhängt. Jede andere Gesellschaft vermag, nachdem sie einmal gegründet worden ist, unabhängig vom Gründer, mehr oder weniger gut, kürzere oder längere Zeit, aus der ihr innewohnenden Lebenskraft weiter zu existieren, wie das Kind, nachdem es einmal in die Welt gesetzt ist, schließlich auch ohne seine eigene Mutter sein Dasein zu fristen vermag. Bei der Kirche verhält es sich anders. Die Kirche besitzt als übernatürliche Gesellschaft kein eigenes vom Stifter unabhängiges Leben. Sie lebt und bewegt sich und besteht ausschließlich in Jesus. Jesus ist das Leben der Kirche. Alles, was die Kirche macht, macht Jesus. Die Kirche tauft: Jesus tauft. Die Kirche firmt: Jesus firmt. Die Kirche opfert und verwandelt: Jesus opfert und verwandelt. Die Kirche absolviert: Jesus spricht los. Die Kirche segnet: Jesus segnet. Die Kirche betet: Jesus betet. Der König macht alles durch die Königin. Der Priester, der Bischof, der Papst, ist nur Stellvertreter, Organ des lebendigen, handelnden Christus. Gewiss ein notwendiges Organ, aber trotzdem nur Organ, nur Werkzeuge, nur Glied. Jesus tritt im Leben der Kirche als lebensspendendes, bewegendes Prinzip derart in den Vordergrund, daß man die Kirche kurzerhand als den fortlebenden Christus bezeichnet. Ganz wie in der Ehe der Name der Braut zurücktritt hinter dem des Bräutigams, so muß in der Geschichte des Reiches Gottes, die mit dem Pfingsttag, dem Geburts- und Hochzeitstag der Kirche, ihren Anfang genommen, der Name und das Wirken der Königin vor dem des Königs in den Hintergrund treten. Die Braut und die Kinder der Braut müssen den Namen des Bräutigams tragen, Jesus werden! Alle anderen Namen sollen, wenn sie nicht ganz verschwinden, so doch zurücktreten. Die Persönlichkeit und der Name, vor dem seit 1900 Jahren alle Knie sich beugen müssen, der Name Jesus! Jesus ist in der Kirchengeschichte alles in allem. Was sonst noch groß ist und heilig und ehrwürdig, war und ist es nur, insofern es etwas ist von Jesus. Glied an seinem vom göttlichen Leben durchfluteten mystischem Leibe, der Kirche. Wie wir sehen, die Kirche treibt keinen Götzendienst mit ihren Heiligen. Die Braut kennt im Grunde genommen nur ihren Bräutigam, nur Jesus! Es ist unmöglich, eine großartigere, umfassendere Meinung von der Stellung Christi in der Christenheit zu haben, als wie sie der katholischen Kirche seit den Tagen der Apostel und der alten Kirchenväter immer eigen war. Die Kirche will nur der fortlebende Christus sein! Das ist das große Geheimnis, von dem Sankt Paulus in seinen Briefen immer wieder gesprochen: Jesus hegt und pflegt die Christen als seinen Leib. Die Christen sind Glieder Christi.“ (R. Mäder, a.a.O., S. 48, ff.)
„Die Kirche, die Königin im Reiche des Willens! Die Kirche die Gesetzgeberin aller Gesetze, wie sie die Lehrerin aller Lehrer ist! Das tut dem modernen Hochmut weh, aber es ist so. Der, dem alle Gewalt gegeben ist im Himmel und auf Erden, hat es im hochfeierlichen Augenblicke vor seiner Himmelfahrt gesagt: ‚Lehret sie alles halten, was Ich euch geboten habe’ (Matthäus 28, 20). Alle und alles! Alle Handlungen, insoweit sie in sittlicher Hinsicht gut oder bös sind, das heißt insoweit sie mit dem natürlichen und göttlichen Gesetz über einstimmen oder von ihm abweichen, sind dem Urteile und dem Richteramte der Kirche unterworfen’ (Pius X., Enzyklika Singulari quadam). Das gilt jedem ohne Ausnahme. Auch dem Politiker! Auch dem Gelehrten! Auch dem Künstler! Auch dem Kaufmann! Auch der Arbeiterin! Jede Handlung hat eine moralische, einen Gott zugewendet oder Gott abgewendete Seite, entspricht oder widerspricht der göttlichen Weltordnung und untersteht unter diesem Gesichtspunkt, (also wenigstens indirekt), der Souveränität der Kirche. Die Kirche, die universale Königin im Reiche des Wollens!“ (R. Mäder, a.a.O., S. 138)
„Wie es keinen Leib ohne Haupt gibt, so gibt es kein Haupt ohne Leib. Wie es keine Kirche ohne Christus gibt, so gibt es keinen Christus ohne Kirche. Keinen König ohne Königin. Der Leib ist der Organismus, durch welchen das Haupt wirkt. Die Kirche ist in ihren Gliedern, den Priestern, Lehrern, Hirten und den anderen Gläubigern das Organ Christi. Das Haupt wirkt nur durch den Leib. Christus wirkt auf die Menschheit nur durch die Kirche. Weil Christus der Weg, die Wahrheit und das Leben, weil man ohne Christus nichts übernatürlich Gutes tun kann, weil niemand zum Vater kommt außer durch ihn, Christus aber alles nur durch die Kirche als sein Organ wirkt, deswegen ist auch die Kirche alleinseligmachend, sie ist der Weg, die Wahrheit und das Leben. Ohne sie kann man nichts übernatürlich Gutes tun. Niemand kommt zum König außer durch die Königin. Alle Wahrheit übernatürlicher Ordnung, die in der Welt ist, auch jene, die von nicht katholischen Bekenntnissen noch festgehalten wird, kam durch sie in die Welt. Jede Gnade, die irgendein Mensch, sei er nun Katholik oder Protestant, Jude oder Heide, bekommt, erhält er durch die Gebete, die heiligen Opfer, die Bußübungen, die Segnungen der Kirche. Wenn außerhalb der Kirche eine Seele, die im unverschuldeten Irrtum lebt, in den Himmel kommt, so kommt sie durch die Kirche in den Himmel, weil sie durch Christus in den Himmel kommt, Christus aber durch seinen mystischen Leib, die Kirche, wirkt. Das Wort ‚außer der Kirche kein Heil’, gilt ohne jedwede Einschränkung, weil es keine Ausnahmen geben kann für das andere Wort: ‚kein Heil außer Christus’. Keine Religion außer der Kirche hat seit 1900 Jahren eine einzige Seele gerettet, eine einzige Gnade vermittelt. Denn auch die Taufe, die in ihr gespendet wurde, war nur gültig, weil sie unbewußt im Namen und Auftrag der Kirche gespendet worden ist. Die ganze Welt lebt geistig von der Kirche, weil die ganze Welt von Christus lebt, Christus und Kirche aber ein und dasselbe sind, der ganze Christus, das Haupt mit dem Leibe, der König mit der Königin.“ (R. Mäder, a.a.O., S. 46) •
„Die Kirche ist ja der fortlebende, unter uns weilende Christus. Er wollte nicht bloß das tote, geschriebene Wort hinterlassen, sondern das lebendige Lehramt. Noch immer war und ist das gesprochene Wort das beste und wirksamste Mittel der Belehrung und Überlieferung… Auf der Sendung Christi und auf dem Beistand des Heiligen Geistes, der das Lehramt ständig leitet und eine falsche Entscheidung verhütet, beruht die wesentliche Autorität des kirchlichen Lehramtes und die ihm geschuldete Unterwerfung.“ (van Acken, a.a.O., S. 68 und S. 69)
„Bei einer Wesenserklärung dieser wahren Kirche Christi, welche die heilige, katholische, apostolische, römische Kirche ist, kann nichts Vornehmeres und Vorzüglicheres, nichts Göttlicheres gefunden werden als jener Ausdruck, womit sie als der Mystische Leib Jesu Christi bezeichnet wird. Dieser Name ergibt sich und erblüht gleichsam aus dem, was in der Heiligen Schrift und in den Schriften der heiligen Väter häufig darüber vorgebracht wird... Die richtige Bedeutung der Bezeichnung ‚mystisch’ erinnert also daran, daß die Kirche, die als eine in ihrer Art vollkommene Gesellschaft anzusehen ist, nicht bloß aus gesellschaftlichen und rechtlichen Bestandteilen und Beziehungen besteht. Sie ist ja weit vorzüglicher als irgendwelche anderen menschlichen Körperschaften, die sie überragt, so wie die Gnade die Natur hinter sich läßt und wie das Unsterbliche alles Vergängliche. Jene rein menschlichen Gesellschaften, namentlich der Staat, sind gewiß nicht zu verachten oder geringzuschätzen. Allein die Kirche als ganze gehört nicht der Ordnung dieser Dinge an, gleichwie der Mensch als ganzer nicht mit dem Gebilde unseres sterblichen Leibes zusammenfällt. Denn die rechtlichen Beziehungen, auf welchen die Kirche ebenfalls beruht und welche zu ihren Bestandteilen gehören, stammen zwar aus ihrer göttlichen von Christus gegebenen Verfassung und haben ihren Anteil bei der Erreichung ihres übernatürlichen Zieles. Doch was die Kirche über jedwede natürliche Ordnung hoch hinaushebt, ist der Geist unseres Erlösers, der als Quelle aller Gnaden, Gaben und Charismen fortwährend und zu innerst die Kirche erfüllt und in ihr wirkt. Wie der Bau unseres sterblichen Leibes zwar ein wundervolles Werk unseres Schöpfers ist, jedoch weit unter der erhabenen Würde unserer Seele zurückbleibt, geradeso hat das gesellschaftliche Gefüge der christlichen Gemeinschaft, wie sehr es auch die Weisheit seines göttlichen Meisters verkündet, doch nur einen ganz untergeordneten Rang, sobald man es vergleicht mit den geistlichen Gaben, mit denen die Kirche ausgestattet ist und von denen sie lebt, sowie mit deren göttlichen Ursprung. Aus alledem, was Wir in Unserem Schreiben an Euch, Ehrwürdige Brüder, bisher dargelegt haben, geht klar hervor, daß sich jene in einem schweren Irrtum befinden, die sich nach eigener Willkür eine verborgene, ganz unsichtbare Kirche vorstellen, ebenso wie jene, die sich die Kirche als eine Art menschlicher Organisation denken mit einer bestimmten satzungsgemäßen Ordnung und mit äußeren Riten, aber ohne die Mitteilung des übernatürlichen Lebens. Nein, so wie Christus, das Haupt und Urbild der Kirche, nicht ganz ist, wenn man in Ihm entweder nur die menschliche, sichtbare ... oder bloß die göttliche, unsichtbare Natur betrachtet, sondern wie Er Einer aus beiden und in beiden Naturen ist...: so sein Mystischer Leib. Hat doch das Wort Gottes eine menschliche leidensfähige Natur angenommen, damit nach der Gründung einer sichtbaren und mit dem Göttlichen Blute geweihten Gesellschaft der Mensch durch eine sichtbare Leitung den Weg zum Unsichtbaren zurückfinde...
Ohne Fehl erstrahlt unsere verehrungswürdige Mutter in ihren Sakramenten, durch die sie ihre Kinder gebiert und nährt; im Glauben, den sie jederzeit unversehrt bewahrt; in ihren heiligen Gesetzen, durch die sie alle bindet; in den Evangelischen Räten, zu denen sie ermuntert; und endlich in den himmlischen Gaben und Charismen, durch die sie in unerschöpflicher Fruchtbarkeit unabsehbare Scharen von Märtyrern, Jungfrauen und Bekennern hervorbringt. Ihr kann man es nicht zum Vorwurf machen, wenn einige ihrer Glieder krank oder wund sind. Sie fleht ja in deren Namen selbst täglich zu Gott: ‚Vergib uns unsere Schuld’, und widmet sich ihrer geistlichen Pflege unablässig...
Die rechtliche Sendung der Kirche nämlich, und ihre Befugnis zu lehren, zu leiten und die Sekramente zu spenden, besitzen deshalb die himmlische Kraft und Gewalt, Christi Leib aufzubauen, weil Christus Jesus am Kreuz Seiner Kirche den Quell göttlicher Gaben eröffnete. So ward sie eingerichtet, den Menschen eine stets unfehlbare Lehre zu künden, diese durch die von Gott erleuchteten Hirten heilbringend zu leiten und mit himmlischen Gaben zu überschütten.“ (aus dem Apostolischen Rundschreiben ‚Mystici corporis Christi’ Papst Pius XII. v. 29.6.1943)
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