5. Wo ist die Kirche dann abgeblieben, sind wenigstens Teile erhalten geblieben; aus welchen Teilen besteht die Kirche überhaupt?
Wenn die Gemeinschaft, die ehemals mit der Kirche identisch war, diese Identität mit der hl. Kirche aufgegeben hat, stellt sich zwangsläufig die Frage, wo denn die Kirche abgeblieben ist. Ich muß gestehen: Eine sichtbare Nachfolgeorganisation, eine handlungsfähige Gemeinschaft, die wie die hl. Kirche ausgestaltet wäre, ist mir nicht bekannt. „Zieht fort, ihr Kinder! Zieht nur fort! Ich muß verlassen sein, vereinsamt. Ich zog die Kleider meines Heiles aus und hüllte mich in meines Elends Bußgewand. Zum Ewigen schreie ich, solange ich lebe.“ (AT, Baruch 4, 19 und 20) Daher kann die ersatzweise zu stellende Frage nur lauten: Sind Teile der Kirche erhalten geblieben, falls ja, wo sind sie abgeblieben? Zuerst aber: Über welche Teile verfügt die heilige Kirche überhaupt? Die katholische Kirche besteht aus Klerikern und Laien, aus der lehrenden und regierenden Kirche einerseits und der hörenden Kirche andererseits: „Die Mitglieder der Kirche scheiden sich in zwei Stände; Kleriker und Laien. Erstere allein haben Anteil an der Kirchengewalt, letzteren kommt ein solcher nicht zu. Die Ordensleute sind entweder Kleriker oder Laien und bilden daher an sich keinen eigenen Stand.“ (Perathoner, a.a.O., S. 73) „Die in der Kirche niedergelegte Gewalt gab Christus den Aposteln als den Vorstehern in der Kirche. Und diese Vorsteherschaft sollte wie die Kirche allezeit fortdauern. Damit ist der Unterschied zweier Stände unter den Gliedern der Kirche gegeben, der Vorsteherschaft und des Volkes, des Klerus und der Laien, wie die Bezeichnungen schon frühe heißen. Die Kirche ist also eine societas inaequalis.“ (Sägmüller, a.a.O., S. 26)
„Die Machtbefugnisse der Kirche sind vom Willen ihrer Glieder unabhängig. In der Ausübung ihrer Gewalt hängt die Kirche in keiner Weise vom Willen weder ihrer Glieder, noch von deren Gesamtheit ab. Sie ist nach dem Willen ihres göttlichen Stifters so eingerichtet, daß alle Leitungsgewalt in der kirchlichen Hierarchie verankert ist und die Gläubigen um der Mittel willen, die der Hierarchie zur Verwaltung anvertraut sind, sich der kirchlichen Obrigkeit unterordnen müssen, um ihr ewiges Ziel zu erreichen. Nicht den einzelnen Gläubigen und nicht der Gesamtheit der Gläubigen, sondern den Aposteln und ihren Nachfolgern hat Christus anvertraut, was zur geistigen Erneuerung der Menschen, zu ihrer Vervollkommnung und Heiligung notwendig ist. Nur den kirchlichen Vorgesetzten wurde die Binde- und Lösegewalt übertragen. Sie allein sind berufen, die Kirche Gottes zu leiten. Da Christus die zum ewigen Heile unerläßlichen Mittel einzig der kirchlichen Hierarchie anvertraut hat, wollte er, daß die einzelnen Gläubigen wie auch ihre Gesamtheit um der heilsnotwendigen Mittel sich der kirchlichen Autorität unterordnen, ihr gehorchen, wenn sie überhaupt das ewige Heil erreichen wollen. Sie können sich den kirchlichen Vorgesetzten nicht entziehen. Sie können unabhängig von der kirchlichen Gewalt für ihre eigene Heiligung nicht Sorge tragen.“ (Holböck, a.a.O., Bd. 1, S. 55) Dementsprechend lautet Kanon 107 S. 1 CIC: „Nach göttlicher Anordnung sind in der Kirche die Kleriker und die Laien voneinander verschieden.“ (Wörtliche Zitate des Gesetzestextes des CIC in deutscher Übersetzung sind entnommen: Jone, a.a.O.)
6. Sind etwa die Kirchenämter in der Konzilskirche erhalten geblieben?
a. Der Unterschied zwischen der Weihegewalt und der Hirtengewalt
Wieso sollten die Amtspersonen der katholischen Kirche, die in die ‚Konzilskirche’ übergingen, nicht Hirten der katholischen Kirche geblieben sein? Wie steht es um die Ämter in der heiligen Kirche? Was ist der Unterschied zwischen dem sakramentalen Priestertum einerseits und dem Priester-, dem Hirten- und dem Lehramt andererseits? Man muß hier streng zwischen der ‚Mächtigkeit’, dem ‚Können’, der ‚Tauglichkeit’ einerseits und der ‚Ermächtigung’, dem ‚Dürfen’, dem ‚Erlaubtsein’, dem zu diesem Handeln ‚Ausgesendet-sein’, der ‚missio’ andererseits unterscheiden: Man muß unterscheiden einerseits zwischen dem – später abzuhandelnden - sakramentalen Priestertum, dem Priestersein, der Fähigkeit, der Mächtigkeit also, z.B. das hl. Meßopfer darbringen zu können, die den Priestern als Sakramentenspendern vorbehaltenen Sakramente ‚gültig’, also wirksam spenden zu können, und andererseits den hier abzuhandelnden Ämtern, nämlich von der Befugnis, diese und andere Aufgaben in der Kirche erlaubtermaßen ausüben zu dürfen, z.B.: die priesterliche Gewalt, das Priestertum also ausüben zu dürfen und deshalb ein Priesteramt innezuhaben oder ein kirchliches Amt, z.B. ein Amt als Lehrer und Hirte oder ein kirchliches Richteramt ausüben zu dürfen:
„Wahrlich, wahrlich ich sage euch: Wer nicht durch die Türe in den Schafstall eintritt, sondern anderswo einsteigt, der ist ein Dieb und ein Räuber. Wer aber durch die Türe eintritt, der ist ein Hirt der Schafe“ (NT, Johannes 10, 1 und 2). „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ich bin die Tür zu den Schafen.“ (NT, Johannes 10, 7).
„Die Gewalt, die Christus seiner Kirche verliehen hat, ist doppelter Art. Wir finden in ihr die Weihegewalt und die Hirtengewalt. Dies entspricht der Aufgabe, die Christus seiner Kirche gestellt hat. Sie soll ja die Menschen zur ewigen Seligkeit führen, und zwar dadurch, daß sie ihnen die heilsnotwendigen Mittel bietet und sie in ihrer eigenen Tätigkeit leitet. So erstreckt sich die Gewalt der Kirche auf jene Mittel, die geeignet sind, die heiligmachende Gnade hervorzubringen oder zu erflehen, auf die Sakramente und Sakramentalien, aber auch auf die Handlungen der Gläubigen, durch welche sie, unterstützt von der Gnade Gottes, ihr Leben im Geiste Christi formen sollen. Die Weihegewalt ist also auf den Vollzug und die Verwaltung der Sakramente und Sakramentalien, die Hirtengewalt auf die notwendige Mitwirkung der Gläubigen hingeordnet. Die Träger der doppelten Kirchengewalt bilden innerhalb der Kirche einen eigenen Stand, den geistlichen Stand, den Klerus, der von den übrigen Gläubigen, den Laien, deutlich unterschieden ist. Weil diese Unterscheidung in Angehörige des geistlichen und des Laienstandes auf göttlicher Anordnung beruht, muß die Kirche als ungleiche Gesellschaft bezeichnet werden; weil nicht alle Geistlichen die gleiche Weihe- und Hirtengewalt besitzen, es vielmehr verschiedene Grade sowohl der Weihe- wie auch der Hirtengewalt gibt, bezeichnen wir die Kirche als eine hierarchisch gegliederte Gesellschaft. Die kirchliche Hierarchie ist auf Grund göttlicher Einsetzung eine doppelte: Wir unterscheiden eine Hierarchie der Weihegewalt und eine solche der Hirtengewalt. Jene besteht aus Bischöfen, Priestern und den Geistlichen der untergeordneten Weihestufen, diese gliedert sich in die oberste Hirtengewalt und die oberhirtliche Gewalt der Bischöfe. Auf Grund kirchlicher Einsetzung finden sich in beiden Hierarchien noch weitere Grade. Die Weihegewalt ist direkt und unmittelbar auf die innere Heiligung der Menschen durch die zu diesem Zwecke von Christus eingesetzten Sakramente hingeordnet. Sie geht entweder auf göttliches oder auf kirchliches Recht zurück. Dem einzelnen Träger wird sie durch einen besonderen Ritus, durch die Weihe (ordinatio, ordo) verliehen. Ihre Wirkungen bringt sie aus eigener Wirkmächtigkeit (ex opere operato) hervor. Die Hirtengewalt ist direkt und unmittelbar auf die Leitung der Gläubigen hingeordnet. Sie hat zum Ziel, die Gläubigen zum rechten Handeln zu bewegen, sie zu veranlassen, daß sie mit der Gnade Gottes an der Erreichung ihres ewigen Heiles mitwirken. Die Hirtengewalt wird durch die kirchliche Sendung (missio canonica) verliehen und bringt ihre Wirkungen ex opere operantis hervor. Wir reden von der Hirtengewalt im allgemeinen Sinne, von der öffentlichen, durch Christus selbst oder durch hoheitlichen Akt der Kirche verliehenen Gewalt, die Gläubigen im Hinblick auf ihr ewiges Heil zu lenken.“ (Holböck, a.a.O., Bd. 1, S. 56, f.)
„Unter der potestas ordinis (Anmerkung d. Verf.: Weihegewalt) versteht man die Befähigung zur Vornahme gewisser heiliger, gnadenvermittelnder Handlungen. Unter der potestas iurisdictionis (Anmerkung d. Verf.: Hirtengewalt) versteht man zunächst die Befugnis, die in der potestas ordinis enthaltene Befähigung auszuüben, sodann das Recht, die Kirche Gottes zu leiten und zu regieren.“ (Sägmüller, a.a.O., S. 24) „In der hierarchia ordinis erhalten sie ihren Rang allein durch die heilige Weihe. In der hierarchia iurisdictionis erlangt der Papst seine Obergewalt gemäß dem göttlichen Recht selbst (ipsomet iure divino) durch die rechtmäßige Wahl und ihre Annahme. Alle übrigen Grade erhalten ihre Jurisdiktion durch die kanonische Sendung (missio canonica).“ (Retzbach, a.a.O., S. 29)
Diese Zweiteilung der kirchlichen Gewalt in Priestertum, Weihegewalt, hierarchia ordinis einerseits und Amtsgewalt (die Gewalten des Hirten- und Lehr- und des Priesteramtes), Jurisdiktion (-sgewalt), hierarchia iurisdictionis andererseits ist Gegenstand von Kanon 108 § 3 S. 1 und 2 CIC:
„Nach göttlicher Anordnung besteht die Weihehierarchie (Anmerkung des Verfassers: das Priestertum, das Priestersein) aus Bischöfen, Priestern und anderen Klerikern (ministri). Die Jurisdiktionshierarchie (Anmerkung des Verfassers: die Amtsgewalten des Priester-, Hirten- und Lehramtes) aber besteht nach göttlicher Anordnung aus dem Primat (Anmerkung des Verf.: gemeint ist der Apostolische Stuhl, der römische Episkopat, der Stuhl Petri, die höchste kirchliche Autorität, der Papst also in Verbindung mit den Behörden und Organen des Apostolischen Stuhls, die unter ihm eine Einheit bilden) und aus dem untergeordneten Episkopat (Anmerkung des Verf.: gemeint ist das Amt der Bischöfe).“
„Entsprechend den beiden Hauptbestandteilen der Kirchengewalt, nämlich der Weihegewalt und der Jurisdiktionsgewalt (zu der auch die Lehrgewalt gehört), unterscheidet man eine doppelte Hierarchie, nämlich eine Weihe- und eine Jurisdiktionshierarchie. Zur Weihehierarchie gehören jene Personen, welche die Gewalt haben, das hl. Meßopfer darzubringen, die Sakramente und Sakramentalien zu spenden. Zur Jurisdiktionshierarchie gehören jene Personen, welche die öffentliche Gewalt haben, die Gläubigen zu lenken und zu leiten. Jemand kann auch zu beiden Hierarchien gehören, z.B. ein regierender Bischof, der Weihegewalt und Jurisdiktionsgewalt hat; es kann jemand aber auch nur zu einer Hierarchie gehören, z.B. ein Weihbischof, der wohl Weihegewalten, aber keine Jurisdiktionsgewalten hat.
Während die Jurisdiktionsgewalt durch kanonische Sendung (Anmerkung des Verf.: vergl. Kanon 147 § 1 und 2 CIC) erworben wird (Anmerkung des Verf.: einzige Ausnahme ist die Erlangung der obersten (päpstlichen) Jurisdiktionsgewalt, die unmittelbar von Gott nach Annahme der rechtmäßig vollzogenen Papstwahl erteilt wird – Kanones 109 S. 3, 219 CIC), kommt jemand in den Besitz der Weihegewalt als solcher durch den Empfang einer Weihe. Während ferner die Jurisdiktionsgewalt wieder verlorengehen kann, ist die Weihegewalt unverlierbar.“ (Jone, a.a.O., Bd. 1, Anmerkung zu Kanon 108 § 2) Als Grundsatz bestimmen Kanones 118 und 153 § 1 CIC insoweit: „Nur die Kleriker sind fähig, Träger der Weihegewalt und der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt zu werden.“ In der Kirche besteht eine dreifache Amts(-Jurisdiktions)-gewalt: „So gab der Herr den Aposteln und damit der Kirche alle die Befugnisse, welche sie zur Erreichung ihres Zweckes nötig hat. Der Inbegriff dieser Befugnisse wird als Kirchengewalt, potestas ecclesiastica, bezeichnet. Im Anschluß an die angeführten Schriftstellen spricht man von einem dreifachen Amt der Kirche, von dem Lehramt (prophetisches Amt), dem priesterlichen und dem Hirtenamt (königliches Amt)“... (Sägmüller, a.a.O., S. 24)
Zum ersten das Priesteramt: Es betrifft die Befugnis, das durch die sakramentale Weihe empfangene Priestertum, die priesterliche Gewalt also ausüben zu dürfen - z.B. als – von der Kirche ordinierter, in sein Amt eingesetzter - Bischof einer anderen Person die Bischofs- oder Priesterweihe erteilen, als – von der Kirche ordinierter - Priester das hl. Messopfer darbringen, das Bußsakrament erteilen, andere dem Priestertum zur Spendung vorbehaltene Sakramente spenden zu dürfen.
Zum zweiten: das Hirtenamt und schließlich: das Lehramt. Auch bei letzteren beiden geht es nicht um das sakramentale Priestertum oder um die Fähigkeit, lehren und leiten zu können, sondern um das Amt, also die Befugnis, als (wahrer) Papst der katholische Kirche diese Kirche lehren zu dürfen (Lehramt), sie leiten und ordnen zu dürfen (Hirtenamt); als Bischof der katholischen Kirche die ihm zugewiesene Diözese lehren, leiten und ordnen zu dürfen, Pfarrern und Laien gegenüber Anordnungen treffen zu dürfen; als Pfarrer der katholischen Kirche predigen zu dürfen, die Lossprechung erteilen zu dürfen und die Pfarrkinder anleiten zu dürfen usw... Aus systematischer Sicht ist das Lehramt Teil des Hirtenamtes (s. Holböck, a.a.O., Bd. 1, S. 59); „Der CIC hat die übliche Dreiteilung in Lehr-, Priester- und Hirtengewalt nicht übernommen, sondern kennt nur zwei Gewalten: die Weihe- und Hirtengewalt ...; in letzterer ist die Lehrgewalt ... eingeschlossen.“ (Retzbach, a.a.O., S. 47)
b. Die ‚Neuerer’ wollten die Kirche in ihrem Wesen brechen.
Damit ist freilich die Frage nicht beantwortet, was mit den Ämtern jener Amtsträger der katholischen Kirche geschah, die in die Konzilskirche übergingen. Für die Frage, ob denn jene Amtsträger, die Hirten der (‚vorkonziliaren’) katholischen Kirche weiterhin rechtmäßige Amtsträger der katholischen Kirche blieben, nachdem sie in die ‚nachkonziliare Kirche’ eingegangen waren, muß man diese Amtspersonen auf zwei Gruppen verteilen: Motoren und Verfechter der ‚Reformen’ einerseits und von den ‚Reformen’ ‚nur’ Erfaßte andererseits. Handelte es sich bei den Motoren und Verfechtern der ‚Neuerungen’ um Ungetaufte (z.B. um ‚Eingeschleußte’, die auf die Kirche ‚angesetzt’ waren, um durch einen ‚langen Marsch durch die Instanzen’ an jene ‚Schaltstellen’ zu gelangen, von denen aus sie die katholische Kirche effektiv zerstören konnten – wenn sie denn zerstörbar wäre), so konnten sie als Ungetaufte niemals irgendein Amt in der Kirche (gültig) erlangen, denn Kanon 87 CIC bestimmt, daß nur durch die Taufe jemand eine Person mit Rechten und Pflichten in der Kirche wird. „Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Wenn jemand nicht wiedergeboren ist aus dem Wasser und dem Geiste, so kann er nicht in das Reich Gottes eingehen“ (NT, Johannes 3, 3 und 5) Jene haben also niemals die Fähigkeit und das Recht erlangt, ein Amt innerhalb der Kirche bekleiden zu können – jene waren stets nur scheinbare Amtsinhaber:
„Siehe Leute aus der Synagoge Satans führe ich zu dir, Leute, die sich Juden nennen, doch sie sind es nicht, sondern lügen.“ (NT, Offenbarung des hl. Johannes 3, 9) (1)
„Seit kurzem haben sie dein heilig Volk in ihrer Macht, und unsere Feinde treten jetzt dein Heiligtum mit Füßen. Und schon ist’s uns, als hättest Du nie über sie geherrscht, als wär Dein Name über ihnen nie genannt gewesen.“ (AT, Isaias 63, 18 und 19)
Die getauften ‚Reformer’ wollten ebenfalls – aus eigenem Wollen - aus der Kirche ein ‚modernes’, ‚zeitgemäßes’, ‚den Bedürfnissen der modernen Welt gerecht werdendes’ Gebilde schaffen und haben es geschaffen; über (persönliche) Schuld oder Unschuld der einzelnen Handelnden kann und soll hier nicht geurteilt werden, aber auch nichts beschwichtigt und beschönigt werden:
Die Kirche hat hier im sog. Rechtsbereich zu urteilen, sie hat die äußeren Tatsachen zu berücksichtigen, sie hat äußere, kundgegebene Tatbestände des Glaubensabfalls, der Apostasie also, ferner von Häresie und von Trennung von der Kirche, von Schisma also als solche zu benennen – um eben überhaupt die Tatbestände von Apostasie, Häresie und Schisma benennen zu können. Ihr Urteil lautet insoweit wie folgt: diejenigen, die sich in dieser oder jener Weise verhalten, verhalten sich wie Apostaten, Häretiker oder Schismatiker, sie gehören zur ‚Gruppe’ der Personen, die vom Glauben abgefallen sind oder sich von der Kirche getrennt haben. Und die Kirche muß sie als solche behandeln, als Warnung und um die Gläubigen von der Gefahr der Ansteckung mit ihren Ansichten zu schützen. Dieses Urteil im Rechtsbereich ist vom Urteil im Gewissensbereich zu unterscheiden: dort wird ein persönliches Urteil über jene einzelne Person, über deren Verantwortlichkeit gefällt.
Dazu aus dem Brief „Testem benevolentiae“ Papst Leo XIII. vom 22.1.1899 (Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 3340, f.):
„Folgendes bildet also ungefähr die Grundlage der neuen Meinungen, die Wir erwähnten: damit die Andersdenkenden leichter zur katholischen Weisheit geführt würden, müsse sich die Kirche der Menschheit einer fortgeschrittenen Zeit erheblich annähern und unter Lockerung der alten Strenge den neuerdings vorgetragenen Ansichten und Auffassungen der Völker willfahren. Dies sei aber nach der Meinung vieler nicht nur von der Lebensordnung zu verstehen, sondern auch von den Lehren, in denen die Hinterlassenschaft des Glaubens enthalten ist. Sie behaupten nämlich, es sei geeignet, den Willen der Abweichenden anzulocken, wenn bestimmte Lehrkapitel gleichsam leichteren Gewichts übergangen oder so gemildert würden, daß sie nicht (mehr) denselben Sinn behalten, den die Kirche beständig festgehalten hat. In welchem verwerflichen Bestreben dies... aber ausgedacht wurde, bedarf keiner langen Rede... Die Geschichte aller vergangenen Zeiten aber ist dafür Zeuge, daß dieser Apostolische Stuhl, dem nicht nur das Lehramt, sondern auch die höchste Leitung der ganzen Kirche überantwortet ist, einerseits beständig in derselben Lehre, demselben Sinn und derselben Auffassung verharrte, andererseits die Lebensordnung immer so zu regeln pflegte, daß er, solange das göttliche Recht unbeeinträchtigt blieb, die Sitten und Gebräuche der so verschiedenen Völker, die er umfaßt, niemals außer acht ließ.“
Und aus dem Apostolisches Rundschreiben „Mortalium animos“ Papst Pius XI. vom 6.1.1928, zitiert nach P. Sanborn: Beten wir alle denselben Gott an? in ‚Kyrie eleison’ 1/1995, S. 13 ff. (33, f.):
"Durch die Erkenntnis der Tatsache, daß es nur sehr wenige Menschen gibt, denen jeder religiöse Sinn abgeht, glauben sie sich zu der Hoffnung berechtigt, es werde sich bei aller Verschiedenheit der Völker in den religiösen Ansichten doch ohne Schwierigkeit eine brüderliche Übereinstimmung im Bekenntnis gewisser Wahrheiten als gemeinsamer Grundlage des religiösen Lebens erreichen lassen. Zu diesem Zwecke halten sie vor einer zahlreichen Zuhörerschaft Konferenzen, Versammlungen und Vorträge, zu denen sie alle ohne jeden Unterschied zur Aussprache einladen: Heiden jeder Art und Christen, und endlich auch jene, die unseligerweise von Christus abgefallen sind oder die seine göttliche Natur und seine göttliche Sendung erbittert und hartnäckig bekämpfen. Derartige Versuche können von den Katholiken in keiner Weise gebilligt werden. Sie gehen ja von der falschen Meinung jener aus, die da glauben, alle Religionen seien gleich gut und lobenswert, weil alle, wenn auch in verschiedenen Formen, doch gleichermaßen dem uns angeborenen und natürlichen Sinn Ausdruck geben, durch den wir nach Gott verlangen und uns seiner Oberherrschaft gehorsam unterwerfen. Die Vertreter solche Ansichten sind nun nicht nur in Irrtum und Selbsttäuschung gefangen, sondern sie lehnen auch die wahre Religion ab, indem sie ihren Begriff verfälschen. Auf diese Weise kommen sich Schritt für Schritt zum Naturalismus und Atheismus. Daraus ergibt sich dann ganz klar die Folgerung, daß jeder, der solchen Ansichten und Bemühungen beipflichtet, den Boden der von Gott offenbarten Religion vollständig verläßt."
Ebenso aus dem Apostolischen Rundschreiben „Humani generis“ Papst Pius XII. vom 12.8.1950 (vollständiger Abdruck: ‚Einsicht’ 7/1985, S. 62 ff., Fortsetzung: ‚Einsicht’ 10/1985, S. 115, ff., vergl. auch Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 3875, ff.):
„Immerhin, wenn Wir auch wissen, daß die katholischen Gelehrten sich im allgemeinen vor diesen Irrtümern hüten, so ist es dennoch eine Tatsache, daß es heutzutage… nicht an solchen Leuten fehlt, die mehr als billig auf Neues sinnen und geradezu befürchten, sie könnten bezüglich der wissenschaftlichen Errungenschaften unseres fortschrittlichen Zeitalters als unwissend gelten; deshalb trachten sie, sich der Leitung des heiligen Lehramtes zu entziehen und laufen mithin Gefahr, allmählich und unmerklich sich von der offenbarten göttlichen Wahrheit zu entfernen und auch andere mit sich dem Irrtum auszuliefern. Ja, es zeigt sich noch eine andere Gefahr, die umso schwerwiegender ist, als sie sich noch mehr in den Schleier der Tugend hüllt. Zahlreich sind nämlich jene, die… unter dem Antrieb eines unklugen Seeleneifers den mächtigen Drang und das glühende Verlangen in sich spüren, die Schranken niederzureißen, wodurch rechtschaffene und anständige Menschen voneinander geschieden sind; sie huldigen dermaßen dem Irenismus (Friedensliebe), daß sie, ohne die trennenden Probleme zu berücksichtigen, nicht nur darauf bedacht sind, den Ansturm des Atheismus mit vereinten Kräften niederzuschlagen, sondern auch die Gegensätze in dogmatischen Fragen zu überbrücken. So fehlt es auch heute nicht an Waghalsigen, die so weit gehen, daß sie allen Ernstes die Frage aufwerfen, ob die Theologie und ihre Methoden, wie sie mit Billigung der kirchlichen Autorität in den Schulen Geltung haben, nicht nur zu vervollkommnen, sondern überhaupt ganz zu erneuern seien, damit Christi Reich überall auf Erden, unter den Menschen jeglicher Kultur und jedweder religiösen Anschauung mit größerem Erfolg ausgebreitet werden könne… In dem unklugen Übereifer ihres ‚Irenismus’ halten anscheinend einige auch die Dinge für Hindernisse der brüderlichen Verständigung, die auf den Gesetzen und Grundsätzen Christi und den von ihm gegründeten Einrichtungen selbst beruhen, oder die als Bollwerk und Stütze des unversehrten Glaubens dastehen; wenn diese fallen, dann ist zwar alles geeint, aber nur zum allgemeinen Ruin. Moderne Ansichten dieser Art… werden nicht immer in der… selben Deutlichkeit oder den gleichen Ausdrücken vorgelegt… Was heute von einigen mit gewissen Einschränkungen und Unterscheidungen in mehr verdeckter Weise gelehrt wird, das bringen morgen andere, die weniger zurückhaltend sind, offen in übertriebener Weise vor; und zwar zum Ärgernis für viele, besonders den jüngeren Klerus und zum Schaden der kirchlichen Autorität. Was bei Veröffentlichungen in Buchform mit mehr Vorsicht behandelt wird, das wird offener vorgestellt in privat verbreiteten Schriften, in Vorlesungen und Besprechungen. Diese Auffassung findet ihre Verbreitung nicht nur beim Welt- und Ordensklerus und in den Seminaren, sondern auch in Laienkreisen, besonders bei den Jugenderziehern. In der Theologie gehen einige darauf aus, den Begriff der Dogmen möglichst abzuschwächen; das Dogma selbst möchten sie von der in der Kirche seit langem üblichen Ausdrucksweise und den Begriffen der katholischen Philosophie freimachen,… um dann so den Weg zu finden, das katholische Dogma und die von ihm abweichenden Ansichten aneinander anzugleichen... Die bisherigen Ausführungen zeigen deutlich, daß diese Versuche nicht nur zum sogenannten dogmatischen ‚Relativismus’ führen, sondern ihn bereits enthalten… Leider gehen diese Neuerer von der Verachtung der scholastischen Theologie sehr leicht dazu über, das Lehramt der Kirche selbst, das diese Theologie mit ihrer Autorität so sehr stützt, nicht zu beachten oder sogar zu verachten. Sie stellen dieses Lehramt als ein Hemmnis für den Fortschritt und als ein Hindernis für die Wissenschaft hin… Mit Absicht haben sich einige daran gewöhnt, das nicht zu beachten, was die Rundschreiben der Römischen Päpste über die Natur und die Einrichtung der Kirche sagen… Die Päpste, so pflegen sie zu sagen, wollen kein Urteil abgeben in den Fragen, über die die Theologen disputieren, und darum sei es nötig, zu den ersten Quellen zurückzugehen und die neueren Konstitutionen und Erlasse des kirchlichen Lehramtes nach den Schriften der Alten zu erklären. Wenn das auch geistreich gesagt zu sein scheint, es liegt doch ein Irrtum darin. Wahr ist, daß die Päpste im allgemeinen den Theologen die Freiheit lassen in den Fragen, in denen hervorragende Geisteslehrer verschiedener Meinung sind; die Geschichte lehrt aber auch, daß in verschiedenen Fragen, die vorher umstritten waren, nachher keine Verschiedenheit der Meinungen mehr geduldet wurde. Man darf ebenfalls nicht annehmen, man brauche den Rundschreiben nicht zuzustimmen, weil die Päpste darin nicht ihr höchstes Lehramt ausüben. Sie sind aber doch Äußerungen des ordentlichen Lehramtes, von dem auch das Wort Christi gilt: ‚Wer euch hört, der hört mich’ (Luc. 10, 16). Sehr häufig gehört das, was die Enzykliken lehren und einschärfen, sonstwie zum katholischen Lehrgut. Wenn die Päpste in ihren Akten ein Urteil über eine bisher umstrittene Frage aussprechen, dann ist es für alle klar, daß diese nach der Absicht und dem Willen dieser Päpste nicht mehr der freien Erörterung der Theologen unterliegen kann… Mehrere Dinge werden von einigen vorgetragen und den Herzen eingeflößt zum Schaden der göttlichen Autorität der Heiligen Schrift. Sie verdrehen kühn den Sinn der Definition des Vatikanischen Konzils über Gott als den Urheber der Heiligen Schrift und erneuern den bereits öfters verworfenen Satz, nach dem sich die Irrtumslosigkeit der Heiligen Schrift nur auf die Gegenstände bezieht, die über Gott und Fragen der Moral und der Religion handeln. In falscher Weise sprechen sie über einen menschlichen Sinn der heiligen Bücher, unter dem nach ihrer Erklärung der göttliche Sinn verborgen liege… Es braucht uns nicht zu wundern, daß das Gift dieser Neuerungen in alle Teile der Theologie gelangte. So wird in Zweifel gezogen, daß der menschliche Verstand ohne Hilfe der göttlichen Offenbarung und der Gnade mit Beweisen aus der Schöpfung die Existenz eines persönlichen Gottes beweisen könne; geleugnet wird, daß die Welt einen Anfang hat, und gezeigt, daß die Schöpfung notwendig ist, daß sie aus der notwendigen Freigebigkeit Gottes hervorgehe; verneint wird ebenfalls das ewige und unfehlbare Vorherwissen Gottes um die freien Handlungen der Menschen: All diese Ansichten stehen im Widerspruch zu den Erklärungen des Vatikanischen Konzils. (Anmerkung des Verf.: des (I.) Vat. Konzils, 1869, 1870)“
Indem die ‚Neuerer’ die Kirche zu ‚erneuern’, zu ‚reformieren’ suchten, wollten sie das vormals Bestehende nicht erhalten, nicht fortführen: nicht das in dogmatischen Erklärungen erläuterte von Gott gestiftete Wesen der Kirche, nicht ihr von Gott geleitetes bindendes Hirtenamt, nicht ihr von Gott geleitetes unfehlbares Lehramt, nicht ihre substantielle Unveränderbarkeit und nicht ihren daraus folgenden wesensgemäßen Antimodernismus, nicht ihren dogmatisch begründeten ‚Alleinvertretungsanspruch’ im Hinblick auf die Erlangung des Heiles: ‚außerhalb der Kirche kein Heil!’, und ihre daraus resultierende Gegnerschaft zur ‚Welt’, die alle möglichen und unmöglichen Glücks- und ‚Heilswege’ feilbietet mit Ausnahme des einzig wahren, nicht den ihr allein auferlegten Missionsauftrag, nicht das Priestertum, nicht die die Weihegewalt aufrecht erhaltenden Sakramente, nicht das heilige Meßopfer, nicht den Glauben der Kirche, nicht den Glauben an die Gefährung des Menschen durch die reale Möglichkeit endgültiger Verwerfung. Sie waren des Wesens der Kirche und also der Kirche selbst überdrüssig.
Hochfeierlich – und in bewußter Abkehr von der stetigen Lehre der Kirche - haben sie dem Alleinvertetungsanspruch der Kirche auf die sichere Vermittlung des Weges zur Seligkeit - ‚außerhalb der Kirche kein Heil!’ – auf dem sog. II. Vat. Konzil abgeschworen:
„Die Kirche … ist verwirklicht in der katholischen Kirche…, auch wenn sich außerhalb ihres Gefüges etliche Elemente der Heiligung und der Wahrheit finden….“ (Dogmatische Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, 5. öffentliche Sitzung 21.11.1964, Nr. 8; vergl. Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 4119)
„Es gibt also nur eine Kirche Christi und zwar für alle Zeiten. Wer abseits von ihr lebt, erfüllt nicht den Willen und die Vorschrift Christi; da er den Weg des Heiles verlassen hat, geht er dem Verderben entgegen. ‚Wer sich von der Kirche trennt, verbindet sich mit einer Ehebrecherin und hat kein Anrecht auf die Verheißungen der Kirche; wer die Kirche Christi im Stiche läßt, gelangt nicht zu den Belohnungen Christi ... Wer nicht zu dieser Einheit steht, hält das Gebot Gottes nicht, hält nicht den Glauben an den Vater und den Sohn, behält nicht das Leben und nicht das Heil’. (Cyprianus).“ (aus der Enzyklika „Satis cognitum“ Papst Leo XIII. vom 29.6.1896)
Und all diese öffentlich und hochoffiziell im Namen der (wahren) Kirche vorgenommenen zielgerichteten Handlungen jener Amtsträger zwecks Abkehr vom Wesen der Kirche sollten nicht als öffentlich bekundeter Ausdruck einer längst oder jüngst eingenommenen Haltung wenigstens von hartnäckiger Häresie, eher aber noch von Apostasie, des Abfalls vom Glauben zutreffend zu werten sein? Denn diejenigen, die die katholische Religion‚ die ‚das Christentum’ als einen unter vielen anderen möglichen Wegen zum ‚Göttlichen’ erachten, wird man nicht berechtigtermaßen als ‚Christen’ bezeichnen können.
Die ‚Neuerer’ waren hinlänglich und immer wieder gewarnt worden; unter vielem anderen sei hier aus dem Apostolischen Rundschreiben „Haerent animo“ Papst Pius X. vom 4.8.1908 zitiert:
„Unsere Vorgänger (Anmerkung des Verf.: Papst Leo XIII.) seligen Angedenkens hat voll Weisheit darüber geurteilt: … ‚daß die christlichen Tugenden nach den Zeitverhältnissen wechseln und sich diesen anzupassen hätten, kann nur derjenige wünschen, der das Wort des Apostels vergessen hat: ‚die ER vorhergesehen hat, diese hat ER auch vorherbestimmt, dem Bilde seines Sohnes gleichförmig zu werden’ (Röm. 8, 29). Der Lehrer und das Vorbild aller Heiligkeit ist Christus. Alle die nach Aufnahme in die Reihen der Seligen Verlangen tragen, müssen sich nach seiner Vorschrift ausrichten. Christus ändert sich nun aber nicht im Laufe der Jahrhunderte, sondern er ist ‚derselbe gestern, heute und in Ewigkeit’ (Hebr. 13, 8). Den Menschen aller Zeiten gilt also jene Aufforderung: ‚Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen’ (Mt. 11, 29). Und es gibt keine Zeit, in der Christus nicht unser Beispiel sein wollte, er, ‚der gehorsam war bis zum Tode’ (Phil. 2, 8); und in jedem Zeitalter bleibt der Ausspruch des Apostels in Kraft: ‚Die, welche zu Christus gehören, haben ihr Fleisch gekreuzigt samt den Lastern und Begierden’ (Gal. 5, 24)… Hier dürfte es ganz am Platz sein zu bemerken, daß der höchst weise Papst mit gutem Recht die Enthaltsamkeit ganz besonders erwähnt, welche wir nach biblischem Sprachgebrauch als Selbstverleugnung bezeichnen. Gerade in diesem Hauptstücke, geliebte Söhne, liegt die Kraft, die Stärke und der Erfolg des gesamten priesterlichen Amtes: wo darauf nicht geachtet wird, da pflegt sich in den Wandel des Priesters das einzuschleichen, was dem Auge und dem Sinn der Gläubigen zum Anstoß werden kann. Wenn irgendwo ein Priester in seinem Handeln häßlicher Gewinnsucht frönt, wenn er in weltliche Geschäfte sich hineinverwickelt, wenn er nach den ersten Plätzen strebt und die anderen gering schätzt, wenn er Fleisch und Blut zu befriedigen sucht, wenn er nach Menschengunst sucht, wenn er sich stützt auf die Überredungskunst de menschlicher Weisheit, so kommt das daher, daß er das Gebot Christe außer acht gelassen und die ihm selbst gestellte Bedingung abgewiesen hat, die da lautet: ‚Wer mehr nachfolgen will, er verleugnet sich selbst’ (Mt. 16, 24)… Doch wehe! Welch ein Gegensatz dazu! Nur allzu häufig kommt es in unserer Zeit vor, daß Angehörige des Klerus allmählich von der Finsternis des Zweifels umhüllt werden und den Verkehrtheiten dieser Welt nachlaufen, meist deswegen, weil sie den frommen und göttlichen Büchern andere Bücher aller Art und dem verwirrenden Schwarm der Tagesblätter vorziehen, die voll sind von verlockenden Irrtümern und Verderbnis. Seid auf der Hut, geliebte Söhne! Verlaßt euch nicht etwa auf euer reiferes, fortgeschrittenes Alter, auch möge euch nicht die trügerische Hoffnung täuschen, daß ihr auf diese Weise besser für das allgemeine Wohl wirken könntet. Die festen Grenzen, die einerseits die Gesetze der Kirche gezogen haben, und die andererseits durch Einsicht und heilige Selbstachtung einsehbar sind, müssen eingehalten werden, denn hat man einmal seelisch jenes Gift eingezogen, so wird man selten dem Schaden der verderblichen Ansteckung entgehen… Ihr seht selbst überall, wie gefährlich die Zeiten geworden sind, die nach Gottes geheimnisvollem Ratschluß über die Kirche gekommen sind. Erwägt darum gleichermaßen mit klarem Blick, welche heilige Verpflichtung Euch bindet, in dieser Not der Kirche ihr tatkräftig und hilfreich zur Seite zu stehen, der Ihr die Auszeichnung einer so hohen Würde verdankt.“
Und dennoch: die ‚Neuerer’ wollten und haben das Wesen der Kirche, ihre wesentliche Unwandelbarkeit hartnäckig ‚vergessen’ und hatten daher bewußt oder unbewußt, aber eben einschlußweise die Absicht, die Kirche in dem einen oder anderen wesentlichen Punkt zu ‚verbessern’, zu ‚reformieren’ und zu ‚erneuern’ – und sie damit in ihrem Wesen zu brechen. „Gar alles hat der Feind im Heiligtum geschändet. In Deiner Sammlungsstätte wüten Deine Feinde; sie stellen ihre Flaggen dort als Zeichen auf. So ist’s, wie wenn man hohen Schwunges auf Waldgehölz die Äxte hebt. Und nun sein Schnitzwerk allzumal zerschlagen sie mit Beil und Hammer. Sie werfen Feuer in Dein Heiligtum, entweihen in den Staub die Wohnung Deines Namens. In ihrem Herzen sprechen sie: ‚Wir wollen alle sie zu Heiden machen.’“ (AT, Psalm 74 (73), 3 – 8) Die ‚Reformer’ haben die folgenden Mahnungen allesamt nicht beachtet: „Und machet euch nicht dieser Welt gleichförmig, sondern wandelt euch um durch Erneuerung eures Sinnes, daß ihr prüfet, was der Wille Gottes, was gut, wohlgefällig und vollkommen sei.“ (NT, Römerbrief 12, 2) „Habet die Welt nicht lieb, noch das, was in der Welt ist. Die Liebe des Vaters ist nicht in dem, der die Welt lieb hat. Denn alles, was in der Welt ist, ist Fleischeslust und Augenlust und Hoffart des Lebens. Dies ist nicht vom Vater, sondern von der Welt. Die Welt vergeht samt ihrer Lust. Wer aber den Willen Gottes tut, bleibt in Ewigkeit.“ (NT, 1. Johannesbrief 2, 15 – 17)
„Die Kirche ist ja, um Uns der Worte der Väter des Konzils von Trient zu bedienen, von Jesus Christus und seinen Aposteln unterrichtet worden, und sie wird vom Heiligen Geist belehrt, der sie in aller Wahrheit fortwährend eingeführt. Daher wäre es völlig unsinnig und für die Kirche auf das höchste beleidigend, von einer ‚Erneuerung und Wiederbelebung’ zu sprechen, die ‚notwendig wäre, um ihren Bestand und ihr Wachstum sicherzustellen’, so als ob man sie dem Untergang, der Verdunkelung oder anderen derartigen Mängeln ausgesetzt glaubte. Mit solchen Bestrebungen zielen die ‚Neuerer’ darauf ab, die Grundlagen zu einer neuen, rein menschlichen Einrichtung zu legen und eben das zu erreichen, was Cyprian verabscheute, nämlich die Kirche, die eine göttliche Angelegenheit ist, zu einer menschlichen Sache werden zu lassen.“ (aus dem Apostolischen Rundschreiben Papst Gregor XVI. „Mirairi vos arbitramur“ vom 15.8.1832)
Anmerkung: (1) Der Schlüssel zum Verständnis dieser und ähnlicher die
‚Juden’, ‚Juda’ oder die ‚Judäer’ betreffenden Textstellen liegt in der
Zentralität einer Aussage Christi, deren Inhalt, deren Bedeutung und
deren Konsequenzen meines Erachtens bisher nicht einmal im Ansatz
erfaßt wurde: „Bist du der König der Juden? Er antwortete: Ja, ich bin
es.“ (NT, Lukas 23, 3; ebenso Matthäus 27, 11 und Markus 15, 2) Die
in den drei Sprachen der damaligen Welt (…“sie war hebräisch,
lateinisch und griechisch geschrieben.“; NT, Johannes 19, 20), der
Sprache der Verehrung des wahren Gottes, der Sprache der auf Expansion
und Unterjochung beruhenden, sich als ‚pax’ bezeichnenden zentralen
Macht und der öffentlichen Gewalt und der Sprache der aus der ‚polis’,
quirliger, mißgünstiger Kleinstaaterei und Konkurrenz entstandenen
Wissenschaft, Kunst und Kultur verlautbarte Inschrift auf Golgotha:
„Iesus Nacarenus rex Iudaeorum“ (Vulgata, Johannes 19, 19), „Jesus von
Nazareth, König der Juden“ trägt über jene Stunde hinaus prophetischen
Charakter in sich und hat diese Bedeutung bereits vollständig und
ausdrücklich ausgesprochen: Die Frage des Pilatus lautete nicht
etwa: „Möchtest du der König der Juden sein?“, sondern: „Bist du der
König der Juden?“, die Antwort enthält also die Behauptung eines
tatsächlich bestehenden Königtums und nicht nur den Ausdruck eines
Wunsches nach einem angestrebten Königtum. Da das Judentum nach Christi
Erscheinen Christus bisher nicht als König anerkannt hat, Christus
demnach nicht ‚König dieser Juden’ ist, müssen andere als ‚Juden’
bezeichnet sein: die, die das Königtum Christi nicht nur anerkennen,
sondern es auch leben. Wenn man IHN nicht der Lüge bezichtigen
will und der Hl. Schrift nicht die Tatsache der göttlichen Inspiration
absprechen und sie als bloßes, fehlbares Menschenwerk abtun will: Jesus
bekannte sich nicht als ein ‚König aus den Juden’, also als ein König
aus jüdischem Geblüt, sondern als ‚der König der Juden’, also ist ER
‚der König der Juden’. Notwendig folgt daraus: Wenn er also der
König ‚der Juden’ ist, dann sind mit jenen ‚Juden’ die Angehörigen
seines Reiches bezeichnet. Seine ‚Parteigänger’, die seinem Reich
Zugehörigen, die ‚Getauften’, die ‚Christen’ sind ‚Gottes auserwähltes
Volk’, sie sind die ‚Juden’. „’ICH selber habe MEINEN König
eingesetzt zu Sion über MEINEN heiligen Berg.’ – Des Herrn
Entschließung will ich künden; ER sprach zu MIR: ‚Du bist MEIN SOHN;
ICH habe heute DICH gezeugt.“ (AT, Psalm 2, 6 und 7) „Er hat uns befreit aus der Macht der Finsternis und in das Reich seines geliebten Sohnes versetzt.“ (NT, Kolosserbrief 1, 23) Dazu aus dem Apostolischen Rundschreiben „Quas primas“ Papst Pius XI. vom 11.12.1925:
„Daß
Christus König ist, lesen wir das nicht immer wieder in der Heiligen
Schrift? So wird er als der Herrscher bezeichnet, der von Jakob
ausgehen wird (4 Mos. 24, 19). Er ist vom Vater eingesetzt auf Sion,
Seinem heiligen Berge. Er erhält als Sein Erbe die Völker, und zu
Seinem Eigentum die Grenzen der Erde (Ps. 2)... Die katholische Kirche,
die das Königtum Christi auf Erden ist, muß unbedingt zu allen Menschen
hin und in alle Länder ausgedehnt werden, auf daß sie ihren Urheber und
Gründer durch den jährlich wiederkehrenden Ablauf der heiligen Liturgie
mit ständig zunehmender Ehrbezeugung als den König und Herrn und als
den König der Könige huldigend begrüße... Gleichwohl gilt von eben
diesem Königtum in ganz besonderer Weise,daß es geistlicher Art ist und
sich auf den Bereich der geistigen Dinge erstreckt… Vor dem römischen
Statthalter erklärt Er ausdrücklich, Sein Königtum sei nicht von dieser
Welt. Und dieses Königtum stellt sich in den Evangelien dar als ein
Reich, zu dem die Menschen dadurch Zutritt gewinnen, daß sie Buße tun,
und in das sie nicht anders einzutreten vermögen, als durch den Glauben
und durch die Taufe.“
Folgt man dieser Aussage, dann sind damit die
Seinem Reiche, der hl. Kirche Zugehörigen folglich als ‚Juden’
bezeichnet. Damit wird diese Textstelle wie folgt zu verstehen sein:
„Siehe
Leute aus der Synagoge Satans führe ich zu dir, Leute, die sich
Mitglieder der hl. Kirche nennen, doch sie sind es nicht, sondern
lügen.“ Dann liegt hierin die Mitteilung, daß die Revolution des sog.
II. Vat. Konzils nur scheinbar von obersten Hirten innerhalb der Kirche
vollzogen wurde, tatsächlich aber von solchen, die nur vorgaben,
‚Juden’, Gläubige, Christen, Katholiken zu sein: solche, die sich
fälschlich ‚Juden’, also Gläubige, Christen, Katholiken nannten, doch
es nicht waren, sondern logen und lügen…
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