bb. Die Kirche, der Gegenpol: „Mortalium animos“
Und was es im übrigen mit der Berechtigung auf sich hat, sich mit fremden Religionen zum Zwecke ‚brüderlicher Verbundenheit’ ‚auszutauschen’, dazu hat Papst Pius XI. in dem Apostolischen Rundschreiben „Mortalium animos“ vom 6.1.1928 (zitiert nach ‚Einsicht’ 12/ 2003, S. 342 ff.) das Notwendige gesagt, auch wenn er sich einen ‚interkonfessionellen Dialog’ mit denen, die das höchste Wesen des Islams verehren, nicht hat vorstellen können:
„Weil man nämlich der Überzeugung ist, daß Leute ohne jegliches religiöses Empfinden eher selten sind, so glaubt man wohl zu der Hoffnung berechtigt zu sein, es werde sich eine Einigung in gewissen religiösen Dingen ziemlich leicht erreichen lassen. Wenn auch bei den einzelnen Völkern die religiösen Auffassungen sehr verschieden seien, so wäre immerhin eine brüderliche Übereinstimmung im Bekenntnis einiger Lehrsätze, das als gemeinsame Grundlage des religiösen Lebens dienen könnte, keineswegs ausgeschlossen... Denn sie stützen sich auf die irrige Meinung jener, die die Auffassung vertreten, alle beliebigen Religionen seien mehr oder weniger gut und empfehlenswert; sie seien eben alle eine, wenn auch nicht einzigartige, so doch gleichmäßig berechtigte Äußerung des den Menschen von der Natur mitgegebenen und angeborenen Sinnes, der uns auf Gott hinordnet und zur gehorsamen Anerkennung seiner Oberherrschaft führt. Indes: diejenigen, die eine solche Ansicht haben, sind nicht nur in Irrtum und Selbsttäuschung befangen. Indem sie den Begriff der wahren Religion entstellen und dadurch die wahre Religion selbst zurückweisen, gleiten sie auch, wie man es ausdrückt, Schritt für Schritt zum Naturalismus und Atheismus ab; und daraus ergibt sich weiterhin als deutliche Folgerung, daß jeder sich von der göttlich geoffenbarten Religion ganz lossagt, der solchen Gedankengängen und Bestrebungen rückhaltslos beipflichtet. Manche lassen sich eher noch durch eine andere, von der Schminke des Tugendhaften gefälschte Gedankenreihe irreleiten, wenn es sich um die Förderung der Einigung der Christen handelt. Ist es nicht - so sagt man immer wieder - ist es nicht recht und geradezu pflichtmäßig, daß sich alle, die sich Christen nennen, jeglicher gegenseitigen Verunglimpfung enthalten und sich endlich einmal in gegenseitiger Liebe zusammenschließen?... Aber unter den Lockungen dieser Schmeichelworte liegt ein sehr schwerwiegender Irrtum verborgen, der die Grundlagen des katholischen Glaubens vollständig auseinandersprengt… Von Gott dem Herrn, dem Schöpfer der gesamten Welt, sind wir zu dem Zwecke geschaffen worden, daß wir ihn erkennen und ihm dienen sollen. Unser Schöpfer hat daher ein volles Recht, daß wir ihm dienstbar sind. Es hätte freilich Gott der Herr dem Menschen zur Leitung ein einziges Naturgesetz vorschreiben, dieses bei der Erschaffung ihm ins Herz graben und durch den gewöhnlichen Gang der Vorsehung die Entwicklung dieses Gesetzes regeln können. Aber Er hat es vorgezogen, Gesetze zu geben, denen wir mit unserem Willen gehorchen sollen. Und im Verlaufe der Jahrhunderte, von den Anfängen des Menschengeschlechtes an bis zur Ankunft und zur Lehrverkündigung Jesu Christi, hat Er die Menschen selbst die Pflichten gelehrt, die ein der Vernunft teilhaftiges Wesen ihm, dem Schöpfer, schuldet. ‚Gar oft und mancherlei sprach Gott vor Zeiten durch die Propheten zu den Vätern; jetzt, an der Tage Ende, sprach er zu uns durch seinen Sohn.’ Daraus geht klar hervor, daß keine Religion die wahre sein kann, die sich nicht stützt auf das geoffenbarte Wort Gottes; diese Offenbarung aber, zu Anfang begonnen und fortgesetzt unter dem Gesetze des Alten Bundes, hat Jesus Christus selbst unter dem Gesetze des Neuen Bundes zu Ende geführt. Wenn nun Gott gesprochen hat - daß Er wirklich gesprochen hat, steht geschichtlich fest - so ist es offenbar des Menschen Pflicht, Gottes Offenbarung absolut zu glauben und seinem Befehle unbedingt zu gehorchen; damit wir aber beides in rechter Weise zu Gottes Ehre und zu unserem Heile tun, dazu hat der Eingeborene Sohn Gottes auf Erden seine Kirche eingesetzt. Wer sich nun zum Christentum bekennt, der kann weiterhin wohl nicht umhin, zu glauben, daß irgendeine, und zwar eine einzige Kirche von Christus gestiftet worden ist… Seine Kirche aber hat Christus der Herr eingesetzt als eine vollkommene, von Natur aus äußere und sinnenfällige Gesellschaft, die das Erlösungswerk der Menschheit unter der Leitung eines einzigen Oberhauptes (Matth. 16, 18 f.; Luk, 22, 32; Joh. 21, 15-17.4), durch mündliche Belehrung (Mark. 16, 15.), durch Spendung der Sakramente, der Quellen himmlischer Gnade (Joh. 3, 5; 6, 48-59; 20, 22f. vgl. Matth. 18, 18 usw.), für die Zukunft fortsetzen soll. Daher verglich Er sie und betonte ihre Ähnlichkeit mit einem Reiche (Matth. 13.), einem Hause (vgl. Matth. 16, 18.), einem Schafstall (Joh. 10, 16.), einer Herde (Joh.21, 15-17.). Und diese so wunderbar begründete Kirche durfte sicherlich nicht aufhören und erlöschen, als ihr Stifter und als die Apostel, ihre ersten Verbreiter, durch den Tod hingerafft worden waren. Sie hatte ja den Auftrag, alle Menschen insgesamt ohne Unterschied von Ort und Zeit zum ewigen Heile zu führen: Darum gehet hin und lehret alle Völker. (Matth. 28, 19.) Und wird dieser Kirche in der ständigen Ausübung ihres Amtes jemals an Kraft und Wirksamkeit etwas fehlen, da Christus selbst ständig ihr gegenwärtig ist, der ihr das feierliche Versprechen gab: Seht, ich bin bei euch alle Tage bis zu der Welt Vollendung (Matth. 28, 20.)? Damit ist es ganz unbedingt gegeben, daß die Kirche Christi nicht bloß heute und für alle Zukunft tatsächlich existiert, sondern daß sie als ganz die selbe existiert, wie sie in der apostolischen Zeit war; man müßte sonst sagen — was ausgeschlossen ist — Christus der Herr habe entweder seinen Vorsatz nicht durchführen können, oder Er habe sich damals geirrt, als Er bestimmt behauptete, die Pforten der Hölle würden sie nicht überwältigen (Matth. 16, 18.)... Bei dieser Lage der Dinge liegt es auf der Hand, daß der Apostolische Stuhl unter keinen Umständen an ihren Tagungen (Anmerkung der Verf.: an den ‚interkonfessionellen’ Tagungen der Panchristen und der Modernisten, die die Vereinigung der Religionen anstreben) teilnehmen kann und daß Katholiken unter keinen Umständen solche Unternehmungen begünstigen oder fördern dürfen; sie würden ja dadurch das Ansehen und den Einfluß einer ganz irrigen christlichen Religion, die weitab von der einen Kirche Christi liegt, vermehren und stärken. Werden Wir denn das große Unrecht dulden, daß die Wahrheit, und zwar die von Gott geoffenbarte Wahrheit, auf den Boden der Diskussionen herabgezogen wird? Denn um den Schutz der geoffenbarten Wahrheit geht es in dieser Stunde. Alle Völker sollten zum Glauben des Evangeliums kommen. Deshalb sandte Jesus Christus die Apostel in die gesamte Welt; und damit sie nicht irgendwie irrten, wollte Er sie durch den Heiligen Geist vorher unterweisen lassen in aller Wahrheit (Joh. 16, 13.). Ist diese Lehre der Apostel in der Kirche, bei der Gott selbst als Leiter und Hüter gegenwärtig ist, völlig geschwunden oder jemals verwirrt worden? Unser Erlöser hat ganz deutlich zum Ausdruck gebracht, sein Evangelium solle nicht bloß für die apostolischen Zeiten, sondern auch für die kommenden Jahrhunderte gelten; konnte da der Gegenstand des Glaubens im Laufe der Zeit so dunkel oder ungewiß werden, daß man heute Meinungen ertragen muß, die unter sich ganz entgegengesetzt sind? Wenn das wahr wäre, müßte man auch sagen, die Herabkunft des Heiligen Geistes auf die Apostel, sein ständiges Verbleiben in der Kirche und Jesu Christi Lehrverkündigung selbst habe seit mehreren Jahrhunderten die Wirksamkeit und Brauchbarkeit vollständig verloren. Das zu behaupten, wäre aber geradezu gotteslästerlich. Der Eingeborene Sohn Gottes hat ja, als Er seinen Sendboten den Befehl gab, alle Völker zu lehren, gleichzeitig alle Menschen verpflichtet, dem Glauben zu schenken, was ihnen durch die von Gott vorherbestimmten Zeugen (Apg. 10, 41.) verkündet wurde, und Er hat diesem befehlenden Worte die Sanktion beigefügt: Wer glaubt und sich taufen läßt, der wird gerettet werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden (Mark. 16, 16.). Beide Gebote Christi aber, deren Beobachtung unbedingt notwendig ist: nämlich zu lehren und um der Erreichung des ewigen Heiles willen zu glauben; beide können nicht einmal verstanden werden, wenn die Kirche die Wahrheit des Evangeliums nicht ganz rein und deutlich vorlegt und dabei von jeglicher Gefahr des Irrtums frei ist… Gewiß, es mag den Anschein haben, daß jene Panchristen, die die Vereinigung der Kirchen anstreben, die sehr edle Absicht verfolgen, die Liebe unter allen Christen zu fördern. Wie sollte es aber möglich sein, daß die Liebe je dem Glauben zum Schaden gereiche? Johannes selbst, der Apostel der Liebe, der in seinem Evangelium wohl die Geheimnisse des heiligsten Herzens Jesu kundgetan hat, und der ständig dem Gedächtnis der Seinen das neue Gebot einzuschärfen pflegte: Liebet einander – Johannes selbst hat, wie alle wissen, durchaus verboten, mit denen Verkehr zu haben, die sich nicht zur ganzen und unverfälschten Lehre Christi bekannten: Wenn einer zu euch kommen sollte, ohne diese Lehre mitzubringen, nehmet den in euer Haus nicht auf und bietet ihm auch nicht den Gruß (2 Joh. 10.)! Die Liebe ruht auf lauterem und echtem Glauben wie auf ihrer Grundlage. Daher ist es auch nötig, daß die Jünger Christi vorzüglich durch das Band der Einheit des Glaubens zusammengeschlossen sind. Wie sollte man sich einen christlichen Bund denken können, bei dem jedes einzelne Mitglied, zumal wo es sich um den Gegenstand des Glaubens handelt, an seinem subjektiven Denken und Empfinden festhält, wenn es auch mit den Anschauungen der Übrigen im Widerspruch steht? Und auf welche Weise, fragen Wir, sollten an einem und demselben Bunde Leute teilnehmen, die ganz entgegengesetzte Glaubensauffassungen haben? Zum Beispiel solche, die betonen, und solche, die leugnen, daß die heilige Erblehre echte Quelle der göttlichen Offenbarung sei? Oder solche, die der Überzeugung sind, daß eine aus Bischöfen, Presbytern und Diakonen bestehende kirchliche Hierarchie von Gott eingesetzt ist, und solche, die behaupten, sie sei je nach der Lage der Umstände und der Zeitverhältnisse erst Schritt für Schritt eingeführt worden? Oder solche, die in der heiligen Eucharistie den durch jene wunderbare, Transsubstantiation genannte Verwandlung von Brot und Wein wahrhaft gegenwärtigen Christus anbeten, und solche, die behaupten, der Leib Christi sei nur zugegen durch den Glauben oder durch das Zeichen und die Kraft des Sakramentes; ferner solche, die in ihr das Wesen eines Sakramentes und eines Opfers anerkennen, und solche, die sagen, es sei nichts anderes als eine Erinnerung und Gedächtnisfeier an des Herrn Abendmahl? Oder endlich solche, die glauben, es sei gut und nützlich, die mit Christus im Himmel herrschenden Heiligen, vor allem die Gottesgebärerin Maria, demütig anzurufen sowie ihren Bildern Verehrung zuteil werden zu lassen, und solche, die darauf bestehen, ein derartiger Kult sei unzulässig, da er der Ehre des einen Mittlers zwischen Gott und Menschen (Vgl. 1 Tim. 2, 5.), Jesus Christus, Abtrag tue? Bei einem solchen Widerstreit der Meinungen wissen Wir nicht, wie sich da ein Weg freimachen lasse zu einer Einheit der Kirche, die doch nur von einem Lehramt, von einem Glaubensgesetz und einem Glauben der Gläubigen ihren Ursprung nehmen kann. Ganz bestimmt aber wissen Wir, daß man dabei leicht Schritt für Schritt zur Vernachlässigung der Religion oder zum Indifferentismus kommt und zum sogenannten Modernismus… Was dann ferner die zu glaubenden Wahrheiten anbelangt, so darf man sich keinesfalls des Unterschiedes bedienen, den man zwischen "grundlegenden" und "nicht grundlegenden" Glaubensstücken machen wollte: als wenn die einen von allen angenommen werden müßten, die anderen aber frei der Zustimmung der Gläubigen anheimgegeben werden könnten. Denn die übernatürliche Tugend des Glaubens hat zum Formalobjekt die Autorität des offenbarenden Gottes, die keine solche Unter-scheidung zuläßt… Denn das Lehramt der Kirche ist durch göttlichen Ratschluß zu dem Zwecke auf Erden eingerichtet worden, daß die geoffenbarten Wahrheiten unversehrt auf ewige Zeiten feststehen und leicht und sicher den Menschen zur Kenntnis gebracht werden können. Es wird zwar durch den Papst und die mit ihm in Gemeinschaft stehenden Bischöfe tagtäglich ausgeübt. Aber es kann auch einmal erforderlich sein, Irrtümern der Häretiker mit größerer Kraft entgegenzutreten oder Lehrstücke des heiligen Glaubens mit größerer Deutlichkeit und Bestimmtheit den Gläubigen einzuprägen. Da umfaßt das kirchliche Lehramt auch die Aufgabe, in geeigneter Weise mit feierlichen Zeremonien und Dekreten zu einer Glaubensentscheidung zu schreiten. Durch einen solchen außergewöhnlichen Gebrauch des Lehramtes wird keineswegs etwas Erfundenes eingeführt und keineswegs etwas Neues hinzugetan zu dem Inhalt der Wahrheiten, die wenigstens einschlußweise in der der Kirche durch Gott überlieferten Glaubenshinterlage enthalten sind. Sondern was vorher dem einen oder andern dunkel scheinen konnte, wird erklärt; oder es wird als Gegenstand des pflichtmäßigen Glaubens festgestellt, was vorher von manchen in Zweifel gezogen wurde. Daher ist es, ehrwürdige Mitbrüder, klar ersichtlich, weshalb der Apostolische Stuhl niemals zugegeben hat, daß die Seinen an Tagungen der Nichtkatholiken teilnehmen. Die Einigung der Christen läßt sich nämlich nicht anders fördern als dadurch, daß man die Rückkehr der Andersgläubigen zu der einen wahren Kirche Christi fördert, von der sie eben früher unglückseligerweise abgefallen sind… Denn da der mystische Leib Christi, die Kirche, nur einer ist (1 Kor. 12, 12.), zusammengefügt und zusammengeschlossen (Eph. 4, 16.) nach Art eines physischen Leibes, so wäre es unklug und töricht, zu meinen, der mystische Leib könne aus unzusammenhängenden und zerstreuten Gliedern bestehen: wer also nicht mit ihm verbunden ist, ist kein Glied an ihm und hängt mit seinem Haupte, Christus, nicht zusammen (vgl. Eph. 5,30; 1, 22.)… Zum Apostolischen Stuhle also in dieser Stadt, die die Apostelfürsten Petrus und Paulus mit ihrem Blute weihten, zu dem Apostolischen Stuhle, der Wurzel und Mutter der katholischen Kirche (Hl. Cyprian, Brief 48, an Cornelius, 3.), mögen sich die getrennten Söhne wenden. Nicht zwar in der Gesinnung, daß die Kirche des lebendigen Gottes, eine Säule und Grundfeste der Wahrheit 28), auf die Reinheit des Glaubens verzichte und die Irrtümer der getrennten Söhne dulde, sondern im Gegenteil: diese mögen sich ihrerseits dem Lehramte und der Leitung der Kirche anvertrauen.“
|