b. "Dieses Vatikanische Konzil erklärt, daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat."
Zu den Gründungsdokumenten der Konzilskirche gehört ferner zweifellos die Erklärung über die Religionsfreiheit „Dignitatis humanae“, 9. öffentliche Sitzung des sog. II. Vat. Konzils, 7.12.1965; dort heißt es (zitiert nach Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 4240, 4241):
„Dieses Vatikanische Konzil erklärt, daß die menschliche Person das Recht auf religiöse Freiheit hat.“… „Demnach gründet das Recht auf religiöse Freiheit nicht in einer subjektiven Verfassung der Person, sondern in ihrer Natur selbst. Deshalb bleibt das Recht auf diese Freiheit auch gegen diejenigen erhalten, die der Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen und an ihr festzuhalten, nicht nachkommen“…
‚Religion’ bedeutet nach katholischem Verständnis entweder die Verehrung des wahren Gottes auf die wahre Art und Weise oder eben die Verehrung Gottes auf eine ungenügende, verkehrte Weise oder die gottgleiche Verehrung eines anderen Wesens: Nach katholischem Verständnis ist Religion also entweder die Anerkennung der (höchsten) Wahrheit oder des Irrtums.
Religiöse Freiheit bedeutet demnach die Freiheit, die (höchste) Wahrheit anzuerkennen oder zu verwerfen und dem Irrtum zu folgen. Die mittels dieser Erklärung der Kirche des sog. II. Vat. Konzils vollzogene Deklaration des ‚Rechtes auf religiöse Freiheit’ hat damit gleichermaßen das ‚Recht auf Befolgung der Wahrheit’ wie auch das ‚Recht auf Befolgung des Irrtums’ in Geltung gesetzt: Die Verkündung des ‚Rechts auf religiöse Freiheit’ bedeutet die Gleichsetzung von Wahrheit und Irrtum und zugleich die Anerkennung, die moralische Erlaubnis des gelebten Irrtums. Mehr noch, hier wird das Recht auf religiöse Freiheit, das Recht auf Wahrheit oder auf Irrtum zum ‚Naturrecht’ erklärt: Ein derartiges jedem Menschen unbedingt zukommendes Naturrecht ist kein bürgerliches, auf menschlicher Gesetzgebung beruhendes und daher mit den Zeitverhältnissen wandelbares Recht, sondern es handelt sich um ein universelles, von den Zeitläufen, den örtlichen wie den kulturellen Gegebenheiten unabhängig und gegen jedermann geltendes Recht, um ein Gut, das dem Menschen kraft seiner Natur und ihm damit unbedingt zusteht, vom Schöpfer dem Rechtsträger kraft der Natur des Menschseins gleichsam eingegossen. Heutzutage meidet man allerdings den Ausdruck ‚Naturrecht’; man redet von ‚Menschenrechten’, die dem Menschen kraft der ‚Würde’ seines Menschseins zukommen. Der Begriff ‚Naturrecht’ ist ihnen ‚zu sehr konfessionell’, also christlich geprägt, denn jegliches dem Individuum zukommende Naturrecht setzt ein Naturgesetz voraus, aus dem sich dieses einzelne Naturrecht herleitet. Da der Mensch aber gerade nicht imstande ist, sich seine Natur selbst beizulegen, weist der Begriff ‚Naturrecht’ auf einen überweltlichen Gesetzgeber hin, auf die Existenz eines Schöpfergottes als Gesetzgebers dieses Naturrechts, die es ihrem Willen nach zu verschweigen gilt.
Also gilt dieses universell geltende Naturrecht auf religiöse Freiheit, das Recht zur Befolgung der Wahrheit wie auch das Recht zur Befolgung des Irrtums, das Recht zur Verneinung der Wahrheit, auch gegenüber dem höchsten Gesetzgeber, der obersten Instanz, also Gott gegenüber. Und dieses auch Gott (als Schuldner) gegenüber geltende Naturrecht hat nach Ansicht der ‚Neuerer’ auch Bestand zugunsten derjenigen, „die der Verpflichtung, die Wahrheit zu suchen und an ihr festzuhalten, nicht nachkommen“.
Dann folgt daraus: Jegliche Aufforderung zur Glaubensverkündigung einer bestimmten Religion, und sei es auch der wahren, und jegliche Aufforderung zur Annahme dieses so verkündeten Glaubens, und sei es auch des wahren, unter Ankündigung ewiger Strafen bei schuldhafter Nichtbefolgung enthält einen nur schwer zu verzeihenden Verstoß gegen das universell geltende Menschenrecht jeder Person auf religiöse Freiheit, gegen das universell geltende unbeschränkte Recht zur Wahl oder Verwerfung der Wahrheit.
Damit setzen die ‚Neuerer’ der Sache nach folgende Doktrin in Kraft: „Die bisherige naturrechtswidrige Lehre und Praxis der katholischen Kirche verstößt gegen das Menschenrecht auf Religionsfreiheit, gegen das Naturrecht auf Verwerfung der Wahrheit. Denn die folgenden Weisungen haben wir für ungültig erklärt: ‚Darum gehet hin und machet alle Völker zu Jüngern und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohne und des Heiligen Geistes und lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe.’ (NT, Matthäus 28, 19 und 20); ‚Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet, wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet, weil er an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.’ (NT, Johannes 3, 18); ‚Der Vater liebt den Sohn und hat ihm alles in die Hand gelegt. Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber ungehorsam gegen den Sohn ist, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.’ (NT, Johannes 3, 35 und 36) - Keineswegs also entsprang das Gebot ihres Gründers dem Willen Gottes, der ja die universellen Menschenrechte selbst geschaffen hat und also auch achten wird, sondern ganz offensichtlich menschlicher Irrtumsanfälligkeit jenes Jesus von Nazareth und seiner Jünger. Es handelt sich also um ein nur zeitgeschichtlich und kulturbedingt zu erklärendes Mißverständnis, das auf der unzutreffenden Annahme beruhte, es gäbe allgemeingültige Wahrheiten auf dem Gebiet der Religion, die alle Menschen verpflichteten, diese Wahrheit nach Kräften zu suchen und der einmal erkannten Wahrheit zu folgen. Jedoch die Kirche des II. Vat. Konzils anerkennt unumschränkt, daß aufgrund des universellen Menschenrechts auf religiöse Freiheit Gott insoweit keine Rechte gegenüber den Menschen zukommen, da er mittels der Schaffung des Naturrechts auf religiöse Freiheit insoweit Verzicht geleistet hat, so daß jedermann nach seiner Facon selig werden möge. Kraft des ‚Menschenrechts auf religiöse Freiheit’ gilt das Recht auf Befolgung oder Verwerfung der Wahrheit; Gott und Abgott sind gleich-gültig zu erachten.“
Das ist die scheinbar von der katholischen Kirche erklärte „universelle Erklärung der Menschenrechte“: „Die Fürsten Judas gleichen Grenzverrückern; drum gieße ich auch über sie wie Wasser meinen Grimm.“ (AT, Osee 5, 10)
Was aber lehrt die katholische Kirche? Selbstverständlich das, was für uns ‚moderne Menschen’ eine ‚Belästigung’, eine ‚Kriegserklärung’ bedeutet: Zum einen: Es gibt die fundamentale, die höchste Wahrheit und also gibt es den fundamentalen Irrtum. Genauer: es gebe allgemeingültige Wahrheiten betreffend die Religion; des weiteren: sie, die hl. Kirche, sei mittels ihres Lehramtes Vertreterin, Lehrerin und Hüterin eben dieser Wahrheiten:
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Dazu aus der Enzyklika „Libertas praestantissimum“ Papst Leo XIII. vom 20.6.1888 (vergl. auch Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 3252): „Jene Freiheit also, von der Wir hier reden, würde dem Menschen das Recht zugestehen, die heiligste Pflicht ungestraft zu verletzten und zu vergessen. Wir sagten schon, daß dies keine Freiheit ist, sondern das Verderben der Freiheit und die Knechtschaft des Geistes, der unter die Gewalt der Sünde geraten ist… Richten wir zuerst unser Augenmerk auf das, was für die Einzelnen verlangt wird und was so sehr der Tugend der Religion widerstreitet, nämlich auf die sogenannte Kultusfreiheit. Sie besteht in ihrem innersten Wesen darin, daß es einem jedem überlassen bleibe, eine beliebige Religion oder auch gar keine zu bekennen.
Und dennoch gibt es unter allen Pflichten des Menschen keine, die so erhaben und so heilig ist, wie die Pflicht, die uns Frömmigkeit und Gottesverehrung gebietet. Es folgt dies notwendig daraus, daß wir stets in der Gewalt Gottes sind, durch Gottes Willen und Vorsehung geleitet werden und zu ihm zurückkehren müssen, von dem wir ausgegangen sind… Da aber Gott befohlen hat, daß die Kirche diese höchsten und heiligsten Dinge zu schützen hat, so gibt es nichts Verkehrteres, als zu verlangen, die Kirche solle Irrtum und Ungerechtigkeiten stillschweigend dulden oder nachsichtig sein gegen das, was der Religion schadet. Aus dem Gesagten ergibt sich, daß es niemals erlaubt ist,… unterschiedslose Religionsfreiheit zu fordern, zu verteidigen, oder zu gewähren, als seien dies ebensoviele Rechte, welche die Natur dem Menschen verliehen habe. Hätte die Natur diese Rechte verlieren, so wäre es erlaubt, Gottes Oberherrlichkeit zu bestreiten, und der menschlichen Freiheit könnte durch kein Gesetz Schranken gezogen werden…
Die Religion ist nämlich eine sittliche Tugend, welche jene Pflichten umfaßt, die sich auf das beziehen, was uns zu Gott hinführt, insofern er das höchste und letzte Gut ist; deshalb ist die Religion, ‚welche sich in dem bestätigt, was direkt und unmittelbar auf die Ehre Gottes gerichtet ist’ (Thomas Summa Theol. II. II. q. 81. a. 6), die Fürstin und Leiterin aller Tugenden. Wenn aber die Frage aufgeworfen wird, welcher von den vielen und sich widerstreitenden Religionen wir zu folgen haben, so antworten Vernunft und Natur: jene, die Gott vorgeschrieben hat… Jene Freiheit also, von der Wir hier reden, würde dem Menschen das Recht zugestehen, die heiligste Pflicht ungestraft zu verletzten und zu vergessen. Wir sagten schon, daß dies keine Freiheit ist, sondern das Verderben der Freiheit und die Knechtschaft des Geistes, der unter die Gewalt der Sünde geraten ist… Es bleibt ewig wahr: jene Freiheit, die allen gewährt wird und unterschiedslos sich über alles erstreckt, ist, daß der Irrtum dasselbe Recht besitze wie die Wahrheit…
Was aber die Toleranz betrifft, so weichen die Anhänger des Liberalismus himmelweit ab von dem gerechten und klugen Vorgehen der Kirche. Indem sie den Bürgern in all den Dingen, von denen wir geredet, unbegrenzte Zügellosigkeit gewähren, überschreiten sie alles Maß und gelangen schließlich dahin, daß sie der Sittlichkeit und Wahrheit nicht mehr Recht zuzuerkennen scheinen als dem Irrtum und der Unsittlichkeit. Die Kirche wird als unduldsam und hart geschmäht, sie die Säule und Grundfeste der Wahrheit und unfehlbare Lehrerin der Sitten, weil sie diese Art von zügelloser und schmachvoller Toleranz stets pflichtmäßig verwirft und für unerlaubt erklärt… Kein Zeitalter kann die Religion, die Wahrheit und die Gerechtigkeit entbehren. Da aber der Kirche anbebefohlen ist, diese höchsten und heiligsten Dinge zu schützen, so gibt es nichts Verkehrteres, als zu verlangen, die Kirche solle Irrtum und Ungerechtigkeit stillschweigend dulden oder nachsichtig sein gegen das, was der Religion schadet.“
Zum zweiten: Gott hat den Menschen nicht erschaffen, damit er irre, sondern er hat ihn erschaffen nach seinem Ebenbild: auf daß er die Wahrheit suche, finde und so an ihr teilhabe:
„Die Weisheit ist strahlend und unverwelklich. Leicht sieht man sie, wenn man sie liebt; man findet sie, wenn man sie sucht. Sie kommt denen, die sie begehren, zuvor und gibt sich zu erkennen. Wer schon früh nach ihrer späht, braucht sich nicht mehr zu mühen: er findet sie sitzen an seiner Tür. Denn sich in Gedanken mit ihr zu beschäftigen, ist schon Vollendung der Einsicht. Wer um ihretwegen wacht, ist bald frei von Sorgen. Denn sie selbst geht umher, die zu suchen, die ihrer würdig sind. Sie tritt ihnen wohlwollend auf dem Wege entgegen und begegnet ihnen bei jedem Gedanken. Ihr Anfang ist aufrichtiges Verlangen nach Belehrung. Das Streben nach Belehrung aber ist Liebe zu ihr. Liebe zu ihr aber besteht in der Beobachtung ihrer Gebote. Das Halten ihrer Gebote aber ist Sicherstellung der Unsterblichkeit. Unsterblichkeit aber führt in Gottes Nähe. So führt also das Verlangen nach Weisheit zur Herrschaft… So betete ich: da ward mir Einsicht zuteil. Ich flehte: da zog in mich ein der Geist der Weisheit… Denn ein Geist ist in ihr, verständig, heilig, einzigartig, vielgestalt, fein, beweglich, durchdringend, unbefleckt, klar, unverletzlich, das Gute liebend, scharf, unhemmbar, wohltätig, menschenfreundlich, fest, unwandelbar, sorgenfrei, allmächtig, alles überschauend, alle Geister durchdringend, die denkenden, reinen, feinen. Denn die Weisheit ist beweglicher als jede Bewegung. Sie durchgeht und durchdringt alles vermöge ihrer Reinheit. Sie ist ja ein Hauch aus Gottes Kraft, des Allherrschers Herrlichkeit lauterer Ausfluß. Drum kann kein Makel sie je berühren. Sie ist ja des ewigen Lichtes Abglanz, von Gottes Wirksamkeit ein makelloser Spiegel und seiner Güte Abbild. Wenn gleich nur eine, vermag sie doch alles. Sie bleibt in sich selbst, und schafft doch alles neu. Von Geschlecht zu Geschlecht übergehend in heilige Seelen, gestaltet sie Freunde Gottes und Propheten. Nur den liebt Gott, der trauten Umgang hat mit der Weisheit… Ich sah ein, daß ich nur dann in den Besitz der Weisheit gelangen könnte, wenn Gott sie mir gäbe – und zwar war das schon ein Beweis von Einsicht, daß ich erkannte, wessen Gnadengabe sie ist. - So wandte ich mich an den Herrn, flehte zu ihm und sprach von ganzem Herzen:
‚Gott der Väter und Herr des Erbarmens! Der du das All durch dein Wort geschaffen, den Menschen durch deine Weisheit gebildet, daß er den Geschöpfen gebiete, die ins Dasein traten durch dich, daß er die Welt in Heiligkeit und Gerechtigkeit leite, in Geradheit des Herzens die Herrschaft führe - : Gib mir die Weisheit, die bei dir sitzt auf dem Throne! Schließ mich nicht aus aus der Zahl deiner Kinder! Ich bin ja dein Knecht, der Sohn deiner Magd, ein schwacher Mensch, der nicht lange lebt, nur wenig versteht von Recht und Gesetz. Wäre jemand auch vollkommen unter den Menschen: ginge die Weisheit, die von dir ausgeht, ihm ab, so wäre er für nichts zu achten… Bei dir ist die Weisheit. Sie kennt deine Werke. Sie war zugegen, als du das Weltall schufst. Sie weiß, was deinen Augen gefällt, was Recht ist nach deinen Geboten. Vom heiligen Himmel sende sie her! Vom Thron deiner Herrlichkeit schick sie herab! Daß sie mir helfe bei meinem Tun, daß ich erkenne was dir gefällt. Sie weiß und versteht ja alles. Mit Besonnenheit wird sie mich leiten bei meinem Tun, durch ihr helles Licht mich behüten. Wohlgefällig werden dann meine Werke sein.’… Denn wer vermag zu erkennen den Ratschluß Gottes? Wer wird ergründen den Willen des Herrn? Denn furchtsam sind die Gedanken der Sterblichen, trügerisch unsere Überlegungen… Der vergängliche Leib beschwert ja die Seele, die irdische Wohnung ist lästig dem viel sinnenden Geist. Selbst die irdischen Dinge erkennen wir kaum. Nur mit Mühe verstehen wir, was offen uns liegt. Wer kann denn ergründen, was im Himmel ist? - Wer hat je deinen Ratschluß erkannt, so du ihm nicht Weisheit verliehen, deinen heiligen Geist ihm nicht aus der Höhe gesandt? Nur so wurden gerade gerichtet die Pfade der Erdenbewohner und die Menschen belehrt über das, was dir wohl gefällt. Nur durch die Weisheit ward ihnen Rettung.“ (Henne/Rösch, AT, Weisheit 6, 12 – 20 und 7, 7 und 7, 22 – 28 und 8, 21 und 9, 1 -6 und 9, 9 -12 und 9, 13 - 18)
Der Irrtum widerspricht demnach der (ursprüglich erschaffenen) menschlichen Natur. Er ist Folge der Verdunkelung dieser menschlichen Natur nach dem Fall des Menschengeschlechtes.
„Betrachten wir nun auch in Kürze die Rede- und Pressefreiheit. Wir brauchen kaum zu erwähnen, daß eine solche unbeschränkte, alles Maß und alle Schranken überschreitende Freiheit kein Recht auf Existenz besitzen kann. Das Recht ist nämlich eine sittliche Macht, und es ist daher töricht zu glauben, dasselbe sei von der Natur unterschiedslos und in gleichem Maße sowohl der Wahrheit wie der Lüge, der Sittlichkeit wie dem Laster verliehen. Es besteht ein Recht: das, was wahr und sittlich ist, frei und weise im Staat auszubreiten, damit es möglichst vielen zugute komme; mit Recht unterdrückt aber die Obrigkeit, so viel sie kann, lügenhafte Meinungen, diese größte Pest des Geistes, wie auch Laster, welche die Seelen und die Sitten verderben, damit sie nicht zum Schaden des Staates um sich greifen.“ (aus der Enzyklika „Libertas praestantissimum“ Papst Leo XIII. vom 20.6.1888; vergl. auch Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 3252)
Und eben deswegen gibt es vor Gott – und also auch vor den Menschen - kein ‚Recht auf Irrtum’ und schon gar kein ‚Naturrecht auf Verwerfung der Wahrheit’, und es gibt vor allem kein Recht auf einen Propagandafeldzug für den Irrtum. Der Irrtum mag allenfalls entschuldigt sein, sofern die irrtümliche Anschauung unverschuldet (erworben worden) ist. Eltern, Verwandte, Freunde, Vorgesetzte, kurz: andere Mitglieder der betreffenden Gemeinschaft haben das Recht und teilweise die strenge Pflicht, den Irrenden zu unterrichten: Das ist wahre Aufklärung, wahre Barmherzigkeit. Die Eltern, die weltliche und die geistliche Gewalt haben darüberhinaus das Recht und zuerst die Pflicht, den schädlichen praktischen Folgen des Irrtums vorzubeugen oder diese - auch im Wege der Strafsanktion - abzuwenden oder zu mildern, denn der Irrtum in moralischen Fragen ist nicht unbeachtlich, er ist fast immer folgenreich; er löst einen Domino-Effekt aus. Sie haben die Pflicht, die den unmündigen Irrenden oder die die Gemeinschaft schädigenden Früchte des Irrtums, das aus dem Irrtum folgende tätige Aufbegehren gegen die Wahrheit und die nur vorgeschobene Blindheit zu unterbinden, das zweckgerichtete Nicht-sehen-wollen, um möglichst unbehelligt schädliche Wege beschreiten zu können; das ist die eine Seite der Medaille.
Aber es gibt das Naturrecht eines jeden Menschen, also auch des Irrenden auf Offenbarung seiner Anschauungen, seines Denkens, seiner Person; das ist die Kehrseite der Medaille: Ein Naturrecht auf menschliche Kommunikation, auf Entäußerung, auf Wahrhaftigkeit. Der Mensch ist ein Gemeinschaftswesen, er existiert nur, indem er von anderen aufnimmt und anderen gibt, sowohl in materiellen wie in geistigen Dingen:
„Von Natur aus ist es dem Menschen angeboren, in der bürgerlichen Gesellschaft zu leben. In der Vereinzelung fehlt ihm die zum Leben notwendige Pflege und Obsorge. Ebenso ist so auch die Vervollkommnung von Charakter und Geist nicht möglich. Deshalb hat die göttliche Vorhersehung es so angeordnet, daß er in eine zwischenmenschliche Verbindung und Gemeinschaft, sowohl in die häusliche wie die bürgerliche, hineingeboren wird. Denn nur diese Gemeinschaft kann ihn vollkommen mit allen Bedürfnissen des Lebens versehen.“ (aus dem Apostolischen Rundschreiben „Immortale Dei“ Papst Leo XIII. vom 1.11.1885)
Keiner hat daher das Recht, dem Irrenden den Irrtum selbst mit Gewalt ‚auszutreiben’, ihm um des Irrtums willen Gewalt anzutun: Wo Unterweisung, Aufklärung, fürbittendes Gebet und Sühne nicht zu greifen vermögen, vermag aller Zwang die nicht vorhandene Einsicht - und nur um diese geht es betreffend die Korrektur des Irrtums - nicht zu ersetzen. Der Irrtum trennt geistig; das Wissen um diese gläserne Wand ist schmerzlich. Dennoch müssen die Sehenden der unvernüftigen Versuchung widerstehen, dem Blinden das Augenlicht mit dem Prügel verschaffen zu wollen. In solchen Fällen ist, was den Verkehr mit den hartnäckig Irrenden angeht, wo möglich Erdulden und - wo nötig - tatsächliche Trennung, Abbruch des Verkehrs, Exkommunikation gefordert: „Da traten die Knechte des Hausvaters herzu und sprachen zu ihm: Herr, hast du nicht guten Samen auf deinen Acker gesät? Woher hat er denn das Unkraut? Er sprach zu ihnen: Das hat ein Feind getan. Die Knechte aber sagten zu ihm: Willst du, daß wir hingehen und es zusammenlesen? Er antwortete: Nein, ihr möchtet sonst beim Sammeln des Unkrautes zugleich mit diesem den Weizen ausreißen. Lasset beides zusammen wachsen bis zur Ernte; und zur Zeit der Ernte will ich den Schnittern sagen: Sammelt zuerst das Unkraut und bindet es in Büscheln zum Verbrennen, den Weizen aber sammelt in meine Scheune… Die Ernte ist das Ende der Welt, und die Schnitter sind die Engel.“ (NT, Matthäus 13, 27 - 30 und 39)
Es ist eine Gratwanderung, die in der Tat höchste Weisheit erfordert, die Pflicht, fremden, nicht mit friedlichen Mitteln zu überredenden Irrtum zu erdulden, ohne ihn in irgendeiner Weise zu billigen, mit der Pflicht, das bewußte Aufbegehren gegen die Grundsätze der Vernunft, die gemeinschädigenden Folgen des Irrtums nötigenfalls auch mit den Mitteln der Gewalt und der Stafsanktion zu unterbinden, miteinander in Einklang zu bringen.
Was jedoch die Behandlung des Irrtums im Bezug auf den wahren Glauben angeht, so liegen die Dinge ganz eindeutig auf der Hand:
„Doch wenn es auch Unser Wunsch ist, es möchten unaufhörlich die Gemeinschaftsgebete des ganzen Mystischen Leibes um möglichst baldigen Eintritt aller Irrenden in die eine Hürde Christi zu Gott emporsteigen, so müssen Wir doch betonen, daß solch ein Schritt aus freiem Willensentschluß geschehen muß, da niemand glauben kann, der es nicht freiwillig tut. Sollten also Menschen, die nicht glauben, wirklich zum Eintritt in den äußerlichen Bau der Kirche, zum Hintreten an den Altar und zum Empfang der Sakramente genötigt werden, so können dies gewiß keine wahren Christgläubigen sein. Denn der Glaube, ohne den man Gott unmöglich gefallen kann, muß eine völlig freie Hingabe des Verstandes und des Willens sein. Sollte daher einmal der Fall eintreten, daß jemand gegen die beständige Lehre dieses Apostolischen Stuhles wider seinen Willen zum katholischen Glauben gezwungen würde, so müßten Wir dies im Bewußtsein Unserer Amtspflicht unbedingt zurückweisen. Weil aber die Menschen einen freien Willen haben und ihre Freiheit infolge ihrer verkehrten Neigungen und Leidenschaften auch mißbrauchen können, kann nur der Vater der Erleuchtung sie durch den Geist Seines geliebten Sohnes wirksam zur Wahrheit bewegen. Wenn also bedauerlicherweise so viele Menschen noch außerhalb der Wahrheit des katholischen Glaubens stehen und dem Walten der göttlichen Gnade ihre Freiheit nicht unterwerfen, so hat dies seinen Grund nicht nur darin, daß sie selbst, sondern auch darin, daß die Christgläubigen keine glühenden Gebete um diese Gnade an Gott richten. Stets aufs neue wiederholen Wir darum unsere Mahnung, daß alle in brennender Liebe zur Kirche und nach dem Beispiel des Göttlichen Heilandes solche Gebete beharrlich verrichten.“ (aus dem Apostolischen Rundschreiben „Mystici corporis Christi“ Papst Pius XII. v. 29.6.1943)
c. aa. „die“… „mit uns den einzigen Gott anbeten“
Zu den Gründungsdokumenten der ‚Konzilskirche’ zählen ohne Zweifel u.a. die „Dogmatische Konstitution über die Kirche, Lumen gentium“, 5. öffentliche Sitzung vom 21.11.1964 des sog. II. Vat. Konzils und die „Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen, Nostra aetate“, 7. öffentliche Sitzung vom 28.10.1965 des sog. II. Vat. Konzils. In „Lumen gentium“ (vergl. Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 4140) heißt es: … „die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen die Muslim(e), die“… „mit uns den einzigen Gott anbeten, den barmherzigen“… In „Nostra aetate“’ (Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 4197) heißt es: … „auch die Muslime, die den einzigen Gott anbeten“… „und verehren Gott“… „Jesus, den sie freilich nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten“…
Und was lehrt und gebietet der Koran (zitiert nach Max Henning, a.a.O.) den Muslimen? Über die Wesenheit des höchsten Wesens des Islams? „Wahrlich, ungläubig sind, die da sprechen: ‚Siehe, Allah, das ist der Messias, der Sohn der Maria.’ Sprich: ‚Und wer hätte über Allah Macht, so er den Messias, den Sohn der Maria, und seine Mutter und, wer auf der Erde allzumal, vernichten wollte.“ (Sure 5, 17 (19)); „Wahrlich, ungläubig sind, welche sprechen: ‚Siehe, Allah, das ist der Messias, der Sohn der Maria.’ Und es sprach doch der Messias: ‚Siehe, wer Allah Götter an die Seite stellt, dem hat Allah das Paradies verwehrt, und seine Behausung ist das Feuer; und die Ungerechten finden keine Helfer.“ (Sure 5, 72 (76)); „Und es sprechen die Nazarener: ‚Der Messias ist Allahs Sohn.’ Solches ist das Wort ihres Mundes. Sie führen ähnliche Reden wie die Ungläubigen von zuvor. Allah schlag sie tot! Wie sind sie verstandeslos!“ (Sure 9, 30, S. 2 ff.); „Wahrlich, ungläubig sind, die da sprechen: ‚Siehe, Allah ist ein Dritter von drei.’ Aber es gibt keinen Gott denn einen einigen Gott. Und so sie nicht ablassen von ihren Worten, wahrlich, so wird den Ungläubigen unter ihnen schmerzliche Strafe.“ (Sure 5, 73 (77))
Über die Barmherzigkeit des höchsten Wesens des Islams und die gebotenen Mittel der Missionierung? „Siehe sie, die da glauben und auswandern und streiten in Allahs Weg, sie mögen hoffen auf Allahs Barmherzigkeit“… (Sure 2, 218 (215)); „Ihr sollt gerufen werden zu einem Volk von großem Mut; ihr sollt mit ihnen kämpfen oder sie werden Muslime.“ (Sure 48, 16); „Siehe, den Ungläubigen wird zugerufen werden: ‚Wahrlich, Allahs Haß ist größer als euer Haß gegen euch selber, da ihr zum Glauben gerufen wurdet und ungläubig waret.“ (Sure 40, 10); „Wahrlich in die Herzen der Ungläubigen werfe ich Schrecken. So haut ein auf ihre Hälse und haut ihnen jeden Finger ab.“ (Sure 8, 12); „Sie wünschen, daß ihr ungläubig werdet, wie sie ungläubig sind, und daß ihr (ihnen) gleich seid. Nehmt aber keinen von ihnen zum Freund, ehe sie nicht auswanderten in Allahs Weg. Und so sie den Rücken kehren, so ergreifet sie und schlagt sie tot, wo immer ihr sie findet; und nehmt keinen von ihnen zum Freund oder Helfer.“ (Sure 4, 89 (91)); „Und wenn ihr die Ungläubigen trefft, dann herunter mit dem Haupt, bis ihr ein Gemetzel unter ihnen angerichtet habt; dann schnüret ihre Bande. Und dann entweder Gnade hernach oder Loskauf, bis der Krieg seine Lasten niedergelegt hat. Solches! Und hätte Allah gewollt, wahrlich, er hätte selbst Rache an ihnen genommen; jedoch wollte er die einen von euch durch die anderen prüfen. Und diejenigen, die in Allahs Weg getötet werden, nimmer leitet er ihre Werke irre.“ (Sure 47, 4 (4) und (5); „Vorgeschrieben ist euch der Kampf, doch er ist euch ein Abscheu. Aber vielleicht verabscheut ihr ein Ding, das gut für euch ist“… (Sure 2, 216 (212) und 213, 1. HS.); „Kämpfet wider jene von denen, welchen die Schrift gegeben ward, die nicht glauben an Allah und an den Jüngsten Tag und nicht verwehrten, was Allah und sein Gesandter verwehrt haben, und nicht bekennen das Bekenntnis der Wahrheit, bis sie Tribut aus der Hand gedemütigt entrichten.“ (Sure 9, 29); „Und kämpft wider sie, bis kein Bürgerkrieg mehr ist und bis alles an Allah glaubt.“ (Sure 8, 39 (40))
Und was lehrt und gebietet Christus und seine Kirche? Über die Wesenheit Gottes?
„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Niemand kommt zum Vater als durch mich. Hättet ihr mich erkannt, so würdet ihr auch meinen Vater kennen. Von nun an kennt ihr ihn und habt ihn gesehen. Philippus sagt zu ihm: Herr, zeige uns den Vater, und es genügt uns. Jesus erwidert ihm: So lange bin ich bei euch, und du hast mich nicht erkannt? Philippus, wer mich gesehen hat, hat auch den Vater gesehen. Wie kannst du da sagen: Zeige uns den Vater? Glaubst du nicht, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist? Die Worte, die ich zu euch rede, rede ich nicht von mir aus, vielmehr tut der Vater, der in mir bleibt, seine Werke. Glaubet mir, daß ich im Vater bin und der Vater in mir ist. Wenn nicht, dann glaubet doch um der Werke willen.“ (NT, Johannes 14, 6 – 11); „Jesus antwortete: Ihr kennet weder mich noch meinen Vater. Wenn ihr mich kennen würdet, so würdet ihr wohl auch meinen Vater kennen.“ (NT, Johannes 8, 19); „Mein Vater ist es, der mich verherrlicht, von dem ihr saget, er sei euer Gott. Doch ihr habt ihn nicht erkannt. Ich aber kenne ihn. Würde ich sagen, ich kenne ihn nicht, so wäre ich ein Lügner, gleich wie ihr. Ich aber kenne ihn und halte sein Wort.“ (NT, Johannes 8, 54 und 55); „Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern daß die Welt durch ihn gerettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet, wer aber nicht glaubt, ist schon gerichtet, weil er an den Namen des eingeborenen Sohnes Gottes nicht geglaubt hat.“ (NT, Johannes 3, 17 und 18); „Wer an den Sohn glaubt, der hat ewiges Leben; wer aber ungehorsam gegen den Sohn ist, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm.“ (NT, Johannes 3, 36); „Der Vater richtet nämlich auch niemand, sondern hat das ganze Gericht dem Sohne übergeben, damit alle den Sohn ehren, wie sie den Vater ehren. Wer den Sohn nicht ehrt, der ehrt auch den Vater nicht, der ihn gesandt hat.“ (NT, Johannes 5, 22 und 23); „Wer anders ist der Lügner, als der, welcher leugnet, daß Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Wer den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht.“ (NT, 1. Johannesbrief 2, 22 und 23); „Wer an den Sohn Gottes glaubt, der hat das Zeugnis (Gottes) in sich. Wer Gott nicht glaubt, hat ihn zum Lügner gemacht, weil er an das Zeugnis nicht glaubt, das Gott von seinem Sohne gegeben hat.“ (NT, 1. Johannesbrief 5, 10 – 12); „Viele Verführer sind in die Welt hinausgegangen, die nicht bekennen, daß Jesus Christus im Fleische erschien. So einer ist der Verführer und der Antichrist. Sehet euch vor, daß ihr nicht verlieret, was ihr erarbeitet habt, sondern daß ihr vollen Lohn empfanget. Jeder, der darüber hinausgeht und in der Liebe Christi nicht verharrt, hat Gott nicht. Wer in der Lehre verharrt, der hat den Vater und den Sohn. Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre nicht mitbringt, so nehmt ihn nicht ins Haus auf und grüßt ihn nicht.“ (NT, 2. Johannesbrief 7 – 10) (1)
Über die Barmherzigkeit Gottes und die gebotenen Mittel der Missionierung?
„’So wahr ich lebe’, ein Spruch des Herr, des Herrn, ’ich habe kein Gefallen an des Bösen Tod, nein, daran aber, daß der Böse sich von seinem Wege kehre und dadurch lebe.’ “ (AT, Ezechiel 33, 11); „Denn wie ein Stäubchen an der Waage, so ist vor Dir die ganze Welt, und wie ein Tautropfen, der morgen zur Erde fällt. Doch Du bist gegen alle voll Erbarmen; Du kannst ja alles, darum zeigst Du Nachsicht mit der Menschen Sünden, sofern sie Buße tun. Du liebst ja alles, was da ist, verabscheust nichts von dem, was Du gemacht. Denn hättest Du etwas gehaßt, so hättest Du es nicht erschaffen. Wie könnte etwas sein, wenn Du es nicht gewollt? Wie könnte etwas sich erhalten, wenn es von Dir ins Dasein nicht gerufen wäre? Doch schonst Du alles, weil es Dir gehört, Herr, Freund des Lebens. In allem ist Dein Geist, der unvergängliche. Darum strafst Du Fehlende nur mäßig und warnest sie, erinnerst sie an das, worin sie fehlten, damit sie von der Bosheit lassen und, Herr, an Dich allein nur glauben.“ (AT, Weisheit 11, 22 – 26; 12, 1 und 2);
„Mir gelten alle Seelen gleich… Wer sündigt, der allein soll sterben; kein Sohn soll büßen für des Vaters Schuld. Den Frommen soll die Frömmigkeit, den Bösen Schlimmes Tun in Rechnung kommen. Doch kehrt der Bösewicht sich ab von allen Sünden, die er tat, und hält, was ich geboten, und übt Gerechtigkeit und Recht, so soll er leben und nicht sterben. Von seinen Sünden all, die er begangen, soll keine einzige ihm angerechnet werden. Er lebe wegen der Gerechtigkeit, die er geübt! Soll ich Gefallen finden an des Sünders Tod?“ (AT, Ezechiel 18, 4 und 20 - 23);
„Was ist der Mensch? Wozu ist er nur nütze? Was ist an ihm das Gute? Und was das Schlechte? Die Zahl der Tage eines Menschen sind, wenn`s viel sind, hundert Jahre. Ein Wassertropfen aus dem Meer,ein Körnchen Sand, sind diese kurzen Jahre in der Zeit der Ewigkeit. Drum ist der Herr langmütig gegen sie und schüttet über sie sein Mitleid aus. Er sieht und weiß, daß schlimm ihr Ende; drum macht er sein Erbarmen groß. Des Menschen Mitleid geht auf seinen Nächsten, jedoch auf alles Fleisch des Herrn Erbarmen; er weist zurecht, erzieht, belehrt und führt zurück sie wie der Hirte seine Herde. Und er erbarmt sich derer, die seine Zucht annehmen, und derer, die sich seiner Satzungen befleißigen. Zum Guten fügt er nicht den Vorwurf, zu keiner Gabe Worte, die nur kränken, Kind!“ (AT, Sirach 18, 8 – 15);
„Selbst ein Gerechter, ordnest Du auch alles in Gerechtigkeit. Du achtest es nicht Deiner Macht gemäß, den zu verdammen, der keine Schuld auf sich geladen. Denn Deine Macht ist Ursprung der Gerechtigkeit; das über alles Herrschen läßt Dich alles schonen. Du zeigst dann Stärke nur, wenn Deine Machtvollkommenheit bezweifelt wird, und strafst den Übermut bei denen, die sie kennen. Obgleich Du über Macht verfügst, Du richtest doch mit Milde und leitest uns mit großer Nachsicht. Sobald Du willst, vermagst Du auch, es zu vollbringen. Durch solch Verfahren lehrtest Du Dein Volk. Es soll recht menschenfreundlich der Gerechte sein, und Du erfüllst mit froher Hoffnung Deine Kinder, daß Du nach Sünden Reue schenkst. Denn wenn Du Deiner Kinder Feinde, die dem Tode verfallen waren, mit solcher Schonung und mit Mahnung strafest, - Du gabst Gelegenheit und Zeit, ganz von der Bosheit loszukommen, - mit welcher Sorgfalt erst bestrafst Du Deine Kinder, sie, deren Väter, unter Eid und Bundesschluß, Du herrliche Verheißungen gegeben! So uns erziehend, hast Du tausendfältig unsre Feinde schon gegeißelt. Wir sollten, wenn wir selber richten, für uns zum Muster Deine Güte nehmen, und werden selber wir gerichtet, Barmherzigkeit erhoffen.“ (AT, Weisheit 12, 15 – 22); „Der Herr ist nahe den zerknirschten Herzen; zerschlagenen Gemütern hilft er auf.“ (AT, Psalm 34 (33), 19); „Du bist so gütig, Herr, versöhnlich und gegen jeden, der Dich anruft, liebevoll.“ (AT, Psalm 86 (85), 5);
„Barmherzig ist der Herr und gnädig, langmütig und von großer Huld. Er zürnt nicht immerfort; noch trägt er ewig nach. Er tut uns nicht nach unsren Sünden, vergilt uns nicht nach unsren Missetaten. So hoch der Himmel über dieser Erde, so überragend seine Liebe über denen, die ihn fürchten. So fern der Morgen von dem Abend ist, entfernt er unsere Schuld von uns. So innig, wie ein Vater seine Kinder liebt, so liebt der Herr die, so ihn fürchten. Er kennt ja unsere Art, ist eingedenk, daß wir aus Staub. Der Sterbliche! Wie Gras sind seine Tage, er blüht wie eine Blume auf dem Felde.“ (AT, Psalm 103 (102), 8 – 15); „Gütig ist der Herr und gerecht; drum weist er den Sündern den Weg. Die Frommen führt er auf rechtlichem Pfad; seine Wege lehrt er die Frommen. Die Wege des Herrn sind all nur Güte und Treue für den, der ihm Bündnis und Satzung hält. Um deines Namens willen, oh Herr, vergib meine Schuld; sie ist ja so groß! Wo nur ein Mensch in Gottesfurcht wandelt: Er weist ihm den Weg, den er wählen soll.“ (Henne/Rösch, AT, Psalm 25 (24), 8 – 12); „’Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel größere Freude sein über einen einzigen Sünder, der sich bekehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die der Bekehrung nicht bedürfen’.“ (NT, Lukas 15, 7); „Der Gute nährt sich von der Hilfe anderer, die Gier der Bösewichter von Gewalttat.“ (AT, Sprüche 13, 2); „Dem Frommen fällt nie Böses ein; die Frevler aber sind voll Bosheit“ (AT, Sprüche 12, 21); „… das Herz des Bösen ist erbarmungslos“ (Sprüche 12, 10); „Sprich nicht: ‚So wie er mir getan, so will auch ich ihm tun; ich will dem Mann nach seinem Tun vergelten!’ “ (AT, Sprüche 24, 29); „Nicht wandle auf der Frevler Pfad! Beschreite nicht der Bösen Weg! Vermeide ihn! Begeh ihn nicht! Lenk von ihm weg! Und geh daran vorbei! Sie können gar nicht einschlafen, falls sie zuvor nicht Böses schon getan; geraubt ist ihnen jeder Schlaf, falls sie nicht Ärgernis gegeben. Sie nähren sich vom Brot der Gottlosigkeit und trinken der Gewalttat Wein.“ (AT, Sprüche 4, 14 – 17); „Ereifere dich nicht der Bösewichte wegen! Beneide nicht die Übeltäter!“… „Ereifere über den dich nicht, der sich Erfolg erzwingt, nicht über einen Mann, der Schwindel treibt! Gib auf den Ärger! So ereifere dich nicht, daß selbst du Böses tätest! Denn ausgerottet werden Übeltäter; die auf den Herrn vertraun, bleiben im Besitz des Landes. Noch kurze Zeit! Dann ist der Bösewicht dahin! Du schaust nach seiner Stätte. Er ist nicht mehr.“ (AT, Psalm 37 (36), 1 und 7 – 10); „Erstaunlich wär’s, blieb einer nur mit hartem Nacken ungestraft; denn Zorn und Gnade sind bei ihm. Er ist ja der Vergebung Herr und ebenso der Zornausgießer. So groß wie sein Erbarmen ist auch seine Strenge; nach seinen Taten richtet er den Mann. Mit seinem Raub entkommt der Sünder nicht; des Frommen Hoffnung zieht er nicht auf ewig hin.“ (AT, Sirach 16, 11 – 13); „Denn der Menschensohn ist gekommen, zu suchen und zu retten, was verloren war.“ (NT, Lukas 19, 10; Matthäus 18, 11); „Geknicktes Rohr zerbricht er nicht; zerdrückt den Docht nicht, den verlöschenden“ (AT, Isaias 42, 3); „Da sie nicht nachließen, ihn zu fragen, richtete er sich auf und sagte zu ihnen: Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe zuerst einen Stein auf sie. Hierauf bückte er sich wieder und schrieb auf die Erde. Da sie dies hörten, ging einer nach dem anderen hinaus, die ältesten zuerst, bis zum letzten. Jesus blieb allein mit der Frau zurück, die in der Mitte stand. Jesus aber richtete sich nun auf und sagte zu ihr: Frau, wo sind sie? Hat dich niemand verurteilt? Sie erwiderte: niemand, Herr! Und Jesus sprach zu ihr: So will auch ich dich nicht verurteilen. Gehe hin und sündige von nun an nicht mehr!“ (NT, Johannes 8, 7 – 11); „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es reichlich haben. Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte setzt sein Leben ein für seine Schafe.“ (NT, Johannes 10, 10 und 11) „Nehmet mein Joch auf euch und lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen; und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Bürde ist leicht.“ (NT, Matthäus 11, 29 und 30); „Aber euch, die ihr zuhöret, sage ich: Liebet eure Feinde, tut Gutes denen, die euch hassen! Segnet die, welche euch fluchen, betet für die, welche euch beschimpfen! Schlägt dich einer auf die eine Wange, so halte ihm auch die andere hin; (2) nimmt dir einer den Mantel weg, so verweigere ihm auch den Leibrock nicht. Jedem, der dich bittet, gib und fordere von dem nichts zurück, der dir das deinige wegnimmt! Wie ihr wollt, daß euch die Menschen tun, so tut auch ihr ihnen! Wenn ihr die liebt, welche euch lieben, welchen Dank habt ihr da zu erwarten?“ (NT, Lukas 6, 27 – 32)
„Wie ihr wollt, daß euch die Menschen tun, so tut auch ihr ihnen! Wenn ihr die liebt, welche euch lieben, welchen Dank habt ihr da zu erwarten? Lieben doch auch die Sünder die, welche sie lieben. Und wenn ihr denen Gutes tut, die euch Gutes tun, welchen Dank verdient ihr? Tun dies doch auch die Sünder! Und leiht ihr denen, von welchen ihr das Geliehene wieder zu erhalten hofft, welchen Dank wollt ihr dafür erwarten? Leihen doch auch die Sünder den anderen Sündern, um die gleiche Summe wieder zu erhalten. Liebet vielmehr eure Feinde; tut Gutes und leiht ohne Hoffnung auf Wiederersatz! Dann wird euer Lohn groß sein, und ihr werdet Kinder des Höchsten sein, der gütig ist gegen Undankbare und Böse. Seid barmherzig, wie euer Vater barmherzig ist! Richtet nicht, so werdet ihr nicht gerichtet werden! Verdammt nicht, so werdet ihr nicht verdammt werden! Vergebt, so wird auch euch vergeben werden! Gebt, und es wird euch gegeben werden! Ein gutes, eingedrücktes, gerütteltes und übervolles Maß wird man euch in euren Schoß geben. Denn mit demselben Maß, mit dem ihr messet, wird auch euch wieder gemessen werden.“ (NT, Lukas 6, 31 – 38; vergl. auch NT, Matthäus 7, 12; …“und vergib uns unsere Schuld, (Anmerkung des Verf.: so viel) wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“…); „Niemandem vergeltet Böses mit Bösem; seid auf das Gute bedacht (nicht nur vor Gott, sondern auch) vor allen Menschen. Habet womöglich, soviel an euch liegt, Frieden mit allen Menschen. Rächet euch nicht selbst, Geliebteste, sondern laßt dem Zorngericht Gottes Raum; denn es steht geschrieben: Mein ist die Rache; ich will vergelten, spricht der Herr (Deuteronomium 32, 35).“ (NT, Römerbrief 12, 17 – 19); „Vergeltet nicht Böses mit Bösem, noch Schmähung mit Schmähung! Im Gegenteil, segnet, weil ihr ja dazu berufen seid, Segen zu ererben. Denn wer seines Lebens froh werden und gute Tage haben will, der halte seine Zunge von Bösem fern und seine Lippen von trügerischem Gerede; er wende sich weg vom Bösen und tue Gutes, er suche Frieden und trachte ihm nach. Denn die Augen des Herrn sind auf die Gerechten gerichtet, und seine Ohren hören auf ihr Flehen; das Angesicht des Herrn wendet sich wider die Übeltäter (Ps 34, 13 – 17).“ (1. Petrusbrief 3, 9 – 12); „Nicht jubele über deines Feindes Fall, und über seinen Sturz frohlocke nicht dein Herz!“ (AT, Sprüche 24, 17); „Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Land besitzen. Selig sind, die Hunger und Durst haben nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die ein reines Herz haben; denn sie werden Gott schauen. Selig sind die Friedensstifter; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.“ (NT, Matthäus 5, 5 – 9); „Bleibt niemand etwas schuldig, außer, daß ihr einander liebet; denn wer den Nächsten liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn die Gebote: Du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht töten; du sollst nicht stehlen; (du sollst kein falsches Zeugnis geben;) du sollst nicht begehren, und jedes andere Gebot ist enthalten in dieser Vorschrift: Deinen Nächsten sollst du lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses an. Erfüllung des Gesetzes also ist die Liebe.“ (NT, Römerbrief 13, 8 – 10); „Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel größere Freude sein über einen einzigen Sünder, der sich bekehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die der Bekehrung nicht bedürfen.“ (NT, Lukas 15, 7); „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ (NT, Johannes 18, 36); „Wo man euch nicht aufnimmt und auf eure Worte nicht hört, da gehet hinaus aus dem Hause oder der Stadt und schüttelt den Staub von euren Füssen.“ (NT, Matthäus 10); „Sehet, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe. Seid daher klug wie die Schlangen und arglos wie die Tauben! Nehmet euch in acht vor den Menschen. Denn sie werden euch den Gerichten ausliefern und in ihren Synagogen geißeln. Und vor Statthalter und Könige werdet ihr geführt werden um meinetwillen, um vor ihnen und den Heiden Zeugnis zu geben.“ (NT, Matthäus 10, 16 – 18); …“ja es kommt die Stunde, da jeder, der euch tötet, glaubt, Gott einen (heiligen) Dienst zu leisten. Solches werden sie euch antun, weil sie weder den Vater noch mich kennen.“ (NT, Johannes 16, 2 und 3)
Gott ist gut, Gott ist die Liebe; die Bestimmung des Menschen, erschaffen als Gottes Ebenbild, besteht zum Gut-sein. Verdrehen wir hingegen Wahrheit in Lüge, Wahrhaftigkeit in Verstellung, Zustimmung in Auflehnung, Ordnung in Unordnung, Kraft in Schwäche, Eintracht in Zwietracht, Zuneigung in Kälte, Frieden in Krieg, Liebe in Haß, Leben in Tod, versagen wir durch Mißbrauch der uns zum Gottes-Ebenbild-sein gegebenen Kräfte und machen sie wirkungslos, indem wir ihre Wirkung und damit gleichzeitig ihren Zweck in ihr Gegenteil verkehren. Wir verneinen ihren Ursprung, Gott, indem wir die Kraft gegen ihren Ursprung, Gott, verkehren – das ist der Kern der Sünde. „Als Werke des Fleisches sind offenkundig: Unzucht, Unkeuschheit, (Schamlosigkeit,) Wollust, Abgötterei, Zauberei, Feindschaft, Hader, Eifersucht, Zorn, Ränke, Spaltungen, Parteiungen, (Haß),) Mord, Trunkenheit, Schlemmerei und dergleichen. Was ich euch zuvor gesagt, wiederhole ich: Die solches treiben, werden das Reich Gottes nicht erben.“ (NT, Galaterbrief 5, 19 – 21)
Dieses Versagen, dieses Verkehrt-sein empfinden, fühlen, erkennen wir im Regelfall: Das Naturgesetz des Menschen sind die in seine Geist-Seele eingegrabenen Vorstellungen von Moral, das Gewissen samt dessen Pflichtenmahnung; in Bezug auf sein Verhältnis zum Mitmenschen zusammengefaßt in dem kurzen Sinnspruch: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg’ auch nicht dem anderen zu“: Wir, die wir in frühester Kindheit die Liebe der Mutter und die Fürsorge des Vaters empfangen haben, lügen, rebellieren, zerstören, hassen, töten nicht ‚einfach so’, eben weil wir diese Verhaltensweisen als ‚verkehrt’, als ‚brutal’, als ‚häßlich’ empfinden, daher führen wir für solche Handlungen einen ‚Grund’ ins Feld, eine Rechtfertigung oder eine Entschuldigung. Und genau da zeugt unser Gewissen gegen uns selbst: „Ein solches Gesetz ist an erster Stelle das Naturgesetz, welches geschrieben steht und eingegraben ist in die Seele jedes einzelnen Menschen; es ist nämlich die menschliche Vernunft selbst, die das Gute befiehlt und das Böse verbietet.“ (aus der Enzyklika „Libertas praestantissimum“ Papst Leo XIII. vom 20.6.1888; vergl. auch Denzinger/Hünermann, a.a.O., Rdn. 3252)
Wir empfinden also ein solches Verhalten grundsätzlich nicht als ‚natürlich’, nicht unserer menschlichen Natur, unserer menschlichen ‚Bestimmung’ gemäß, sondern als ‚verkehrt’ in Bezug auf unsere moralische Pflichtenmahnung, also als Unrecht, als ‚schlecht’ – und so suchen wir uns in solch einem Falle zu rechtfertigen (“ich mußte mich aber doch verteidigen“; „ich habe doch nur eine Forderung meines Gottes und meiner Religion erfüllt, die ich doch erfüllen mußte“; „ich durfte das aber; der andere hat doch schließlich angefangen und hätte sonst niemals damit aufgehört“), oder zu entschuldigen, um dem Handeln ‚unter diesen Umständen’ und daher in diesem ‚Ausnahmefall’ den Makel des ‚Verkehrten’, des Unrechts oder wenigstens der Schuld zu nehmen. Das Gewissen aber ist oberste Richtschnur eines jeden: „Wenn nämlich die Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus die Vorschriften des Gesetzes erfüllen, so sind sie, die das Gesetz nicht haben, sich selbst Gesetz. Sie zeigen damit, daß der Inhalt des Gesetzes in ihre Herzen geschrieben ist, indem das Gewissen Zeugnis gibt und untereinander die Gedanken sich anklagen oder verteidigen, an dem Tage, da Gott richten wird das Verborgene der Menschen nach der Heilsverkündigung durch Jesus Christus.“ (NT, Römerbrief 2, 14 – 16); „Was das Gewissen rät, laß gelten! Niemand ist treuer dir als dies. Dem Manne pflegt sein Herz oft mehr zu künden, als sieben Wächter, die auf hoher Warte stehen.“ (AT, Sirach 37, 13 und 14) Diese natürliche Schranke des (unverbildeten) Gewissens tasten jenes Buch, jener Prophet und dessen höchstes Wesen an, indem sie die Gewissen im Namen ‚Gottes’ zum Kampf, zur Gewalttätigkeit verpflichten: „Vorgeschrieben ist euch der Kampf, doch er ist euch ein Abscheu. Aber vielleicht verabscheut ihr ein Ding, das gut für euch ist“… (Koran, Sure 2, 216 (212) und 213, 1. HS)
Anmerkungen: (1) Nicht gemeint ist damit, demjenigen Unfreundlichkeit durch feindseliges
Nichtbeachten zu erweisen, ihm ‚die Tageszeit’ zu verweigern: Wir haben
es hier mit einer ‚entschleunigten’ Gesellschaft zu tun
ohneTageszeitungen, ohne Radio, ohne Fernsehen und
Internet-Zerstreuung, ohne Eisenbahn, Autobus, Automobil und Flugzeug.
„Grüßen“ bedeutet daher mehr als nur das flüchtige Entbieten der
‚Tageszeit’, das „Guten Morgen“ oder das „Grüß’ Gott“, um seiner Wege
zu enteilen, nämlich dem Gegenüber ‚seine Aufwartung’ zu machen, ihn in
seine eigene Welt einzuführen und aufzunehmen, mit ihm die gemeinsame
Wegstrecke zu durchwandern und die persönlichen Ansichten,
Angelegenheiten und Sorgen zu erörtern: „Wie geht es Dir, Deiner
Familie, der Familie Deiner Frau, der Großfamilie, der Familie des
fünften Sohnes des dritten Bruders Deines Großvaters väterlicherseits;
was bedrückt Dich zur Zeit; wie stehen die Verhältnisse in der
Gemeinde, wie stehst Du zu folgenden Fragen?...“ „Grüßen“ ist hier
zu verstehen als mit dem Gegrüßten vertrauten Umgang zu pflegen, ihn
ins Vertrauen zu ziehen, den so Gegrüßten in die eigene Gesellschaft
als Gleichgesinnten einzuführen, obwohl jener, der Christus nicht
bekennt, nicht gleichgesinnt sein kann. (2)
Wenn
mich jemand unberechtigt auf die Wange schlägt, und ich ihm daraufhin die
andere Wange einladend zum erneuten Schlag hinhalte, ist auch dieser zweite
Hieb ebenso unberechtigt und sündhaft. Ein solches Verhalten zeugte,
menschlicher Vernunft nach beurteilt, nicht von überragender Intelligenz und
enthielte möglicherweise eine sündhafte Handlung meinerseits: Ich habe
schließlich den Zuschlagenden zu dieser erneuten Sünde eingeladen, wenigstens
aber sie ihm ermöglicht. Das am reinen Wortlaut haftende Verständnis würde
unter Umständen auf ein ‚Gebot des Bettelns um Backpfeifen’ hinauslaufen und
enthielte vielleicht sogar das Gebot zur Teilnahme an fremder Sünde. Mit dieser
Textstelle ist also gerade nicht der ‚Beweis’ erbracht, daß die christliche
Religion ‚verschroben und masochistisch angelegt’ und von ‚geistig gesunden
Menschen unmöglich zu erfüllen’ ist, wie gelegentlich Neuheiden mit Häme
anmerken: Die Auslegung dieses Gebotes muß vielmehr mit Sinn und Verstand
erfolgen; gemeint ist die praktische Ausformung des für die Stolzen so überaus
harten Gebotes des vorbehaltslosen Verzeihens:Wenn jemand dich ‚ins Angesicht
geschlagen’, dich also grundlos ungerecht behandelt hat, so ‚halte ihm auch die
andere Wange hin’: So tritt ihm bei späterer Gelegenheit
ohne Groll, ohne die Tendenz des nachträglichen Einforderns von ‚genugtuender
Gerechtigkeit’ für das früher erlittene Unrecht entgegen‚ wenn du zu späterer
Zeit mit ihm erneut zusammentriffst. Du sollst nicht denken: „Dieser Mensch hat zwar Besserung
signalisiert, daher habe ich ihm ‚verziehen’, aber ich werde ihm nie wieder Gelegenheit geben,
mir so nahezukommen, daß er mich erneut hintergehen und verletzen könnte!“: „Du sollst nicht Rache suchen, noch des
Unrechts deiner Mitbürger gedenken. Du sollst deinen Freund
lieben wie dich selbst. Ich bin der Herr.“ (Allioli-Bibel, AT,
Levitikus 19, 18);„So ziehet nun an als Gottes
Auserwählte, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen, Güte, Demut, Sanftmut,
Geduld. Ertraget einander und verzeihet einander, wenn einer dem anderen etwas
vorzuwerfen hat; wie der Herr euch verziehen hat, so sollt auch ihr tun. Über
das alles aber habet die Liebe; denn sie ist das Band der Vollkommenheit. Der
Friede Christi herrsche in euren Herzen; zu diesem seid ihr ja berufen in einem
Leibe.“ (NT, Kolosserbrief 3, 12 – 15) „Nimmt
dir einer
den Mantel weg, so verweigere ihm auch den Leibrock nicht“: Auch hier handelt es sich nicht um das
‚Gebot freiwilliger weiterer Beuteaushändigung an die Räuber’, sondern: „Auch dem, der dir etwas schuldig
geblieben ist, gib, wenn er in Nöten
ein anderes mal dich darum bittet. Fordere nicht
‚Genugtuung’ ein und sage nicht entrüstet: ‚Genug ist genug!’ “: „Herr, wie oft
muß ich meinem Bruder verzeihen, wenn er wider mich sündigt? Bis siebenmal?
Jesus antwortete ihm: Ich sage dir: Nicht bis zu siebenmal, sondern bis zu
siebzigmal siebenmal. Darum ist das Himmelreich einem Könige gleich, der mit
seinen Knechten abrechnen wollte. Als er damit anfing, brachte man ihm einen,
der ihm zehntausend Talente schuldig war. Da er nichts hatte, um zu bezahlen,
befahl sein Herr, ihn und sein Weib und seine Kinder und alles, was er hatte,
zu verkaufen und zu bezahlen. Da warf sich der Knecht vor ihm nieder und bat
ihn: Habe Geduld mit mir, ich will dir alles bezahlen. Voll Mitleid mit diesem
Knechte ließ der Herr ihn frei und schenkte ihm seine Schuld.“ (NT, Matthäus
18, 21 – 27) Dieses Verständnis des Gebots „Schlägt dich einer auf die eine Wange, so
halte ihm auch die andere hin“, „Nimmt dir einer den Mantel weg, so verweigere
ihm auch den Leibrock
nicht“ führt zur untersten Stufe der Vollkommenheit. Notwehr, die Verteidigung
eigener Rechtsgüter gegen unrechtmäßige Angriffe ist nach der Lehre der Kirche
stets erlaubt – aber nicht geboten. Es soll aber nicht verschwiegen werden, daß
die Vollkommenheit verschiedene Stufen aufweist, und daß solche, die auf dem
Weg der Heiligkeit fortgeschritten sind, in manchen Fällen mehr gewagt – und
mehr gewonnen - haben: Von etlichen Heiligen ist bekannt, daß sie bei
bestimmten Anlässen dieses Gebot den Worten und dem Beispiel Christi gemäß im
Wortsinne nachgeahmt haben. In diesem Sinne handelt es sich allerdings nicht um
ein Gebot, sonst wäre nämlich Notwehr und Nothilfe unerlaubt, was sie nicht
sind, sondern um einen Rat, eine Ermutigung, sozusagen eine Eingebung an die
Fortgeschrittenen, an diejenigen, die in der Nachfolge Christi mehr Ertrag
bringen: Jene haben nämlich gelegentlich sogleich, im selben Atemzug – und
nicht erst zu einem späteren Datum - ihren wegen ihrer Anhängerschaft zu
Christus feindlich gesonnenen Mitmenschen um Christi willen „die andere Wange
hingehalten“ und „auch den Leibrock nicht verweigert“ und so oft genug, man
könnte meinen: unverständlicherweise, die Konversion jener Feinde Christi
erwirkt. Dieselbe Kraft und derselbe Geist rieten ihnen das ‚Unverständliche’ zu
tun: Eben durch die Zulassung der wiederholten Bosheit machten sie deren
sinnloses Wesen, deren Unwert offenbar und damit zu allererst dem Agierenden
selbst bewußt und überwanden und entwaffneten so die Gegner Christi und ließen
sie das einst Verhaßte und ‚Unverständliche’ erkennen und annehmen: „Laß dich
nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse durch das Gute!“ (NT,
Römerbrief 12, 21); „Selig
sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Land besitzen.“ (NT, Matthäus 5, 5)
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