Papst Pius VI.
(aus: http://www.damian-hungs.de)
I. Werdegang
Papst Pius VI. wurde am 25. Dezember 1717 in Cesena als Giovanni Angelo Braschi geboren. Er war das älteste Kind des Conte Marcantonio Braschi und der Contessa Anna Teresa Bandi und besass noch drei Brüder und vier Schwestern. Ursprünglich für die Advokatenlaufbahn bestimmt und seine erste Bildung bei den Jesuiten erhaltend, erwarb er nach klassischen und juristischen Studien in Ferrara mit 17 Jahren den Doktor beider Rechte. 1735 wurde er Sekretär und Auditor des Kardinals Antonio Ruffo, welcher als päpstlicher Legat in Ferrara weilte. Als Kardinal Ruffo 1740 zum Kardinalbischof von Ostia ernannt wurde, vertrat ihn Braschi dort als Administrator. 1753, nach dem Tode Kardinal Ruffos, ernannte ihn Papst Benedikt XIV. zu seinem Privatsekretät. Obwohl Braschi verlobt war, bot der Papst ihm ein Kanonikat an St. Peter im Vatikan an. Nach einigem Zögern trennte er sich von seiner Braut und trat in den geistlichen Stand, so das er am 17. Januar 1755 Kanoniker an St. Peter in Vaticano wurde. Im Jahre 1758 zum päpstlichen Hausprälaten erhoben und zum Priester geweiht, wurde er in diesem Jahre zugleich Referendar der Apostolischen Signatur. Im folgenden Jahr war er, bekannt als Besitzer einer erlesenen Bibliothek, dann als Uditore Civile des Camerlengo für die Stadt Rom zuständig und Uditore des Kardinals Carlo Rezzonico, welcher dann zum Papst gewählt wurde. Seit Herbst 1766 Schatzmeister der Apostolischen Kammer, wurde er am 26. April 1773 von Papst Klemens XIV. zum Kardinalpriester von San Onofrio erhoben. Dies verdankte er wohl besonders der Fürsprache der bourbonischen Höfe, welche ihm zu Dank verpflichtet waren, hatte er doch dem König von Neapel 1744 bei einem Überfall der Österreicher die Kriegskanzlei gerettet. Kurz darauf zum Kommandatarabt von Subiaco ernannt, nahm er mitte September Besitz von ihr und begann mit einer persönlichen Visitation der Kirchen und Klöster seines Sprengels. Hierbei besuchte er selbst die abgelegenen Berggemeinden und kehrte erst um Weihnachten nach Subiaco zurück, da der einsetzende Schneefall weitere Reisen unmöglich machten. Doch bemühte er sich nicht nur um die geistlichen Angelegenheiten seiner Territorialabtei, sondern auch um eine Verbesserung der Justiz in seiner Diözese. Kurze Zeit später wurde Braschi auch zum Kommandatarabt von San Gregorio in Rom erhoben, welche er ebenfalls persönlich verwaltete. Nun wohl zumeist in Subiaco lebend, hielt er gute Kontakte nach Rom, wo man ihm tadellose Sitten und einen makellosen Lebenswandel bescheinigte.
II. Konklave
Nach dem Tode Papst Klemens XIV. begann am 5. Oktober 1774 ein schwieriges Konklave, welches ein Tauziehen der politischen Mächte Europas war. Nachdem 28 von 55 Kardinälen in die Appartamenti Borgia, wo das Konklave stattfand, eingezogen waren, stieg die Zahl bis Mitte Dezember auf 39 Kardinäle an, nämlich 34 Italiener, zwei Franzosen, ein Spanier, ein Deutscher und ein Engländer. Obwohl nun alle Parteien wussten wen sie nicht wollten, so konnten sie sich doch auf keinen Kandidaten einigen. Kardinal Zelada trat nun im Januar als Vermittler auf und stellte nach zahlreichen Gesprächen eine Liste von sechs Namen zusammen, von welchen aber keiner eine Mehrheit erreichte. Auch eine zweite Liste brachte keinen Durchbruch. Unterdessen wurden die Verhandlungen über einzelne Papabile weiter geführt, so dass Braschi, welcher der Favorit der Zelantenpartei war, am 25. Februar bereits 25 Stimmen sicher hatte. Letzte Verhandlungen mit den Höfen und eine Erklärung Braschis, dass er mit den Höfen im Einvernehmen regieren und die Jesuiten - aufgehoben am 21.7.1773 - auf keinen Fall wieder errichten wolle, führten am 15.2.1775, also nach einem Konklave von 174 Tagen, zur Wahl Kardinal Braschis. Die Verehrung zum 1712 heiliggesprochenen Papst Pius V. liess ihn den Namen Papst Pius VI. annehmen.
III. Pontifikat
Da der neue Papst noch keine Bischofsweihe besaß, wurde er am 21. Februar 1775 von Kardinal Giovanni Francesco Albani zum Bischof geweiht und am folgenden Tag, dem 22. Februar, in der Loggia von St. Peter mit der Tiara gekrönt. Schon bald zeigte der neue Papst eine große Selbständigkeit, die seinen Mitarbeitern keinen Raum zu stärkerer Einflussnahme mehr ließ. Er betrachtete sie eher als Berichterstatter, denn als Ratgeber. Entgegen allen Strömungen war Pius VI. ein Freund der Jesuiten, welche mit seiner Zustimmung in Preußen und Weissrussland weiterbestanden. Im Kirchenstaat begann er sogleich mit zahlreichen Reformen. Er verbesserte das Straßenwesen, ließ Sümpfe trockenlegen, die Häfen von Ancona und Terracina instandsetzen, führte ein einheitliches Zollwesen ein und erneuerte das Katasterwesen. Auch um eine Reform der Staatsfinanzen bemüht, erhöten der große Umfang dieser Arbeiten das Defizit der Staatskasse. Für seinen Neffen Luigi Onesti erbaute er den Palazzo Braschi und erwarb das Herzogtum Nemi. Dies führte zu einer Einschränkung der Wirksamkeit seiner Vorkehrung zur Neuordnung der Finanzverwaltung und zum Wachstum der Wirtschaft.
Mitte März 1779 kam es zu einer schweren Erkrankung. Ein Gelenkrheumatismus, welcher mit Aderlässen behandelt wurde, führte ihn wohl an den Rand des Todes, so dass es schon Gedanken an ein Konklave gab. Nachdem es dann im April zu einer merklichen Besserung seiner Gesundheit kam, auch wenn er seine Finger noch nicht bewegen konnte. Dann traten jedoch Ohnmachtsanfälle und Beschwerden im Unterleib auf, und auch das Rheuma kehrte zurück. Wenn er ab Juni auch wieder bei Kräften war, so konnte er erst einmal doch nur schwer seine Finger bewegen. Auch fiel ihm noch einige Zeit das Gehen schwer, wozu noch Übelkeit und Schlaflosigkeit kam. Erst im Oktober konnte man von einer gänzlichen Genesung sprechen.
Das sich ausweitende aufgeklärte Staatskirchentum führte die päpstliche Diplomatie in eine schwierige Position. So ließ Pius VI. Kaiser Joseph II. im Dezember 1781 offiziell von seinem Wunsch über ein Zusammentreffen informieren, informierte das Kardinalskollegium am 25. Februar 1782 von seiner bevorstehenden Reise nach Wien und brach zwei Tage später auch mit einem kleinen Gefolge dahin auf. Zwar bemühte er sich auf seiner viermonatigen Reise vergeblich um eine Mäßigung Kaiser Joseph II., welcher das Staatskirchentum in Österreich bereits durchführte, doch machten die zahlreichen Freude- und Treuebekundungen der Bevölkerung großen Eindruck auf ihn. Seine Sorge um die Ausbreitung des Staatskirchentums führten ihn 1788 auch in das Königreich Neapel und 1794 in das Großherzogtum Toskana. Als der Josephinusmus und Gallikanismus auf der Synode von Pistoia auch von Italien Besitz ergreifen wollte, verdammte er 85 Beschlüsse derselben am 28. August 1794 in der Bulle Auctorem fidei.
Die chronische Misswirtschaft des Kirchenstaates hatte mit der Zeit eine schwelende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit sich gebracht, so das Papst und Kurie nach Ausbruch der Französischen Revolution um Ruhe und Ordnung in Rom bangen mussten. Schon 1789 wurden erste Maßnahmen gegen Verdächtige eingeleitet. Im Februar 1790 wurde der Karnevalsumzug in Rom abgesagt, da man Unruhen befürchtete. Maßnahmen wie diese schürten natürlich noch die Missstimmung der Öffentlichkeit, welche ihrer Empörung dann auch Luft machte und zu einem Einschreiten mit Waffengewalt zwang. Allenthalben stieg die Zahl der Verhaftungen, so dass im Sommer die Gefängnisse gestürmt wurden. Zwar gelang es den Behörden, die Unruhen zu unterdrücken, aber der Papst und die Kurie hatten das Gefühl, auf einem Vulkan zu leben, dessen Ausbruch nahe bevor stand.
Mit einer Verurteilung der Prinzipien und Kirchenpolitik der Französischen Revolution hielt sich Pius zunächst zurück, zumal ihm auch Aufstände in den päpstlichen Territorien des Venaissin und Avignon drohten. Erst mit dem Inkrafttreten der Verfolgungsgesetze gegen die Kirche und der Abspaltung der konstitutionellen Kirche verurteilte er die Revolution, die Zivilverfassung und die konstitutionelle Kirche (1791). Kritisch betrachten wir hierbei heute einen Satz wie "Kann man etwas Unsinnigeres ausdenken als eine derartige Gleichheit und Freiheit für alle zu dekretieren". Sein Beitritt der Koalition gegen Frankreich, wie auch die Aufnahme vieler Royalisten, verärgerte die dortigen Machthaber, doch schlug er spanische Vermittlungsversuche aus, so dass ihn der Gesandte als den "unverbesserlichsten Mann der Welt" bezeichnete. Selbst als Napoleon im Frühjahr 1796 bereits in Mailand stand, weigerte er sich seine Verurteilung zurückzunehmen.
Als Napoleon dann in den Kirchenstaat einmarschierte, musste Pius im Frieden von Tolentino, am 19. Februar 1797, hohe Reparationszahlungen, die Übergabe von Kunst- und Kulturgütern, wie auch der Abtretung weiter Teile des Kirchenstaates zustimmen. In seinem Breve Pastoralis sollicitudo (5. Juli 1796) anerkannte er zwar die Republik Frankreich, forderte die Katholiken jedoch explizit zum Gehorsam auf. Als es in Rom dann zu erneuten Unruhen und der Ermordung des französischen Generals Duphot kam, besetzten die Franzosen den Kirchenstaat. Am 10. Februar 1798 übergab man ihnen Rom, was zu einem vorläufigen Ende des Kirchenstaates führte. Bereits am 11. Februar 1797 hatte Papst Pius VI., welchen Napoleon als den letzten Papst bezeichnet hatte, die Kardinäle in einem Breve von der Wartezeit für das Konklave entbunden und genehmigte ihnen in einem weiteren Breve vom 30. Dezember 1797 Ort und Zeit des Konklaves selbst via Mehrheitsbeschluss festzulegen. Auch befreite er sie von der Zweidrittelmehrheit für seinen Nachfolger, die einfache Mehrheit sollte für diese Wahl ausreichen, und beauftragte den ältesten Kardinal mit der Zusammenrufung des Kollegiums.
IV. Gefangenschaft und Tod
Noch am 10. Februar 1798 bemächtigten sich die Besatzer des Apostolischen Palastes. Nachdem man sich selbst der beiden Ringe des Papstes bemächtigt hatte (er trug noch einen weiteren neben dem Fischerring), wurde der schwerkranke und altersschwache Mann am 20. Februar 1798 abgeführt. Noch vor Tagesanbruch, begleitet von zwei Geistlichen und seinem Leibarzt, bestieg er die Kutsche. Nachdem er etwa ein Jahr in Siena und der Certosa von Florenz verbleiben konnte, ging im März 1799 die Reise in Richtung Norden. Als er im April in Turin eintraf, war Pius körperlich völlig erschöpft. Der nun anstehende Alpenübergang war für den alten Mann eine einzige Strapaze und wurde bei schneidender Kälte mittels einer Sänfte bewältigt. Bis Anfang Juni in Briancon, ging es nun nach Grenoble weiter, wo er nahezu gelähmt eintraf, und von hier nach Valence, wo der Reisewagen am 14. Juni ankam. In dem verwahrlosten Hotel du Gouvernement interniert, konnte nur der Protest des Arztes eine Weiterreise verhindern. Der Kräfteverfall war zu weit fortgeschritten. In der Morgenfrühe des 29. August 1799 verschied Papst Pius VI. nach kurzem Todeskampf.
V. Lebensgewohnheiten
Papst Pius VI. war ein unermüdlicher Arbeiter. Im Gegensatz zu seinen Vorgängern blieb er auch über den Sommer in Rom. In den ersten drei Jahren seiner Regierung gewährte er über den Oktober, wenn alles in der Sommerfrische war, keine Audienzen, sondern widmete sich geistlichen Übungen und dem Besuch der Wallfahrtsorte und Gärten um Rom herum, wobei er meist zu Fuß ging. Später erfreute er sich dann im Herbst zuweilen an der Vogeljagd. Der Papst, welcher den Sommer im Quirinal und den Winter im Vatikan zubrachte, aß wenig und machte sich viel Bewegung. Oftmals besuchte er am Morgen die Villen der Stadt mit ihren Gärten und am Abend in einer Kirche das vierzigstündige Gebet.
VI. Persönlichkeit
Pius VI. war von hoher, aufrechter Gestalt und zum Zeitpunkt seines Amtsantrittes, ungeachtet seiner bereits 58 Jahre, eine fast noch jugendlich wirkende, frische Erscheinung. Das weiße, mit besonderer Sorgfalt gepflegte Haar, zu dem die großen dunklen Augen in lebhaftem Gegensatz standen, die liebenswürdigen, adelig vornehmen Gesichtszüge, das gemessene, stets auf Würde bedachte Auftreten, all dies verfehlte seinen Eindruck auf die Zeitgenossen nicht, auch nicht auf Goethe. Ein deutscher Pilger schrieb: "Er hat eine vorteilhafte Gestalt und in allen seinen Manieren etwas Majestätisches und Edles, welches er mit der natürlichen Sanftmut seines Charakters gut zu verbinden weiss. Er bezaubert jedermann durch sein Betragen." Pius war sich der von seiner Erscheinung ausgehenden Faszination sehr wohl bewusst und trug dem bei seinem Auftreten Rechnung. Seine weltmännische Gewandtheit und seine höfische Beredsamkeit paarten sich mit einer Prunkliebe, welche immer mehr zum Ärgernis wurden. Eine zu große Vertrauensseligkeit und ein gefallsüchtiges Auftreten führten zu einem Ausnützen seiner Person durch Schmarotzer und Schmeichler. Zudem liess er den Nepotismus erneut aufleben, wobei ihn besonders sein Neffe Luigi Onesti-Braschi zur eigenen Bereicherung ausnützte. Diesem flossen aus päpstlichen Geldmitteln erhebliche Summen zu und verstrickten den Papst schließlich in einen Prozess um eine Millionenerbschaft, welche seine Person immer wieder zum Klatschstoff werden ließ. Nachdem der Malteserpriester Amanzio Lepri den Papst als Universalerben eingesetzt hatte, um so die Geldentwendungen seines Vaters aus den päpstlichen Zöllen zu sühnen, focht Lepris Nichte das Testament an. (...) Als Amanzio Lepri an Weihnachten 1785 verstarb, kam ein neues Testament zum Vorschein, welches alle früheren umstieß. Der Papst, von seinem guten Recht überzeugt, erhob Einspruch. Die Sache kam aufs Neue vor die Rota, welche das Erbe im Jahre 1789 zwischen Marianne Lepri und dem Neffen des Papstes teilte. Der Charakter Papst Pius VI., welcher sein Amt mit rastloser Hingabe versah, zeigt auffallende Widersprüche. Schlichte Frömmigkeit, ein offener Blick für die wirtschaftlichen Nöte seines Landes, schmiegsame Gefälligkeit, Mäßigung in der Politik wechseln ab mit Ehrgeiz, Selbstsucht und Unschlüssigkeit. Weitgehend selbständig regierend, wozu er sich einen belanglosen Staatssekretär hielt, hatte er in personalen Fragen keine glückliche Hand. Auch fehlten ihm die tieferen Einsichten in die geistigen Strömungen seiner Zeit.
VII. Letzte Ruhestätte
Nach seinem Tode wurden die sterblichen Überreste Papst Pius VI. in der Krypta der Kapelle des von ihm bewohnten Schlosses in Valence beigesetzt und im Januar 1800 mit militärischen Ehren in einem Grabmal auf dem Friedhof St. Katharina bestattet. Erst das Konkordat des Jahres 1801 ermöglichte es Papst Pius VII. Napoleon um die Überführung seines Vorgängers nach Rom zu bitten. Auf Wunsch des Bischofs von Valence wurden die Eingeweide Pius VI. in einer Urne in der dortigen Kathedrale beigesetzt, währen der Leichnam seine letzte Ruhestätte in den Grotten von St. Peter zu Rom fand.
Nach dem Tod des Papstes in Gefangenschaft schien die katholische Kirche am Ende. Erst im folgenden Winter konnten die Kardinäle unter österreichischem Schutz in Venedig zu einem Konklave zusammentreten, aus dem im März 1800 Pius VII. hervorging. |