"Alles, was Christus betrifft, verwandelt sich in ein Fest"
Ernest Hello (1828-1885), ein Pionier des "Renouveau catholique"
von
Gerd-Klaus Kaltenbrunner
Der französische Schriftsteller, Laientheologe, Zivilisationskritiker
und Schriftausleger Ernest Hello bildet gleichsam die Brücke von Joseph
de Maistre (1753-1821) zu Leon Bloy (1846-1917). Den einen bewunderte
er, mit dem andern war er befreundet. Hello, der noch in den vierziger
und frühen fünfziger Jahren des 20. Jahrhunderts fast jedem literarisch
aufgeschlossenen Katholiken bekannt war, ist inzwischan ein so gut wie
vergessener Autor. Nur ein zunehmend kleiner werdender Kreis von
eingeweihten Bibliophilen, die sich von Bestsellergetrommel und
Lesemoden nicht anfechten lassen, ist diesem Außenseiter der
christlichen Literatur treu geblieben. Wer Ernest Hello kennt und
liebt, bekundet diese Neigung vielfach auch unabsichtlich. Es kommt
vor, daß man mit einem fremden Menschen ein Gespräch anknüpft, um schon
nach kurzer Zeit zu gewahren, daß er zur winzigen Gemeinde der
Hello-Freunde gehört. Ohne daß der Name genannt zu werden braucht,
verraten gewisse Formulierungen, daß jemand von diesem "erstaunlichen
Hello" geprägt worden ist, dem Joris-Karl Huysmans einmal nachgesagt
hat, daß "dessen unheilbare Erfolglosigkeit ans Wunderbare grenzt."
Ich wage zu behaupten, daß die unerwartete Begegnung mit einem Kenner
Hellos niemals unersprießlich sein kann. Es gibt Freundschaften, die
sozusagen im Medium Ernest Hellos entsprungen und besiegelt worden sind.
Wer war dieser seltsame Mann, dem der soeben erwähnte Romancier
Huysmans bewundernd bescheinigte: "Er war unter seinesgleichen der
einzige Schriftsteller, der Gedanken hatte"? Hello wurde vor 175
Jahren, am 4. November 1828, in der bretonischen Hafenstadt Lorient
geboren, und daselbst ist er auch gestorben, am 15. April 1885. Obwohl
seiner Ausbildung nach Jurist, entschlug er sich trotzdem des
Anwaltamtes, weil er es nicht über sich brachte, dem im neunzehnten
Jahrhundert allenthalben siegreichen "Rechtspositivismus", der sich von
sämtlichen ethischen, religiösen und naturrechtlichen Bindungen
emanzipiert hatte, kniefällig zu huldigen.
Ernest Hello war allzeit ein leidender, ein von Krankheiten geplagter
und in dürftigen Verhältnissen lebender Mann, ein homo patiens, vor
allem aber ein glühender Katholik, dessen Glaubensinbrunst nicht nur
Außenstehende, sondern auch laue, dem Zeitgeist frönende
Bekenntnisgenossen befremdete. Nach der Bibel bildeten die Kirchenväter
und die Bollandisten seine hauptsächlichste Geistesnahrung, Augustinus,
Ambrosius, Gregor der Große und Dionysius Areopagita waren seine
vorzüglichsten Lehrmeister, die er in allen Glaubensfragen konsultierte
und über deren Lehren er besser unterrichtet war als viele studierte
Theologen. Von den später aufgetretenen Gottesgelehrten schätzte er vor
allem Anselm von Canterbury und Thomas von Aquin. Unter den Franzosen,
die er bewunderte und verhältnismäßig oft zitiert, ragt der
Geschichtstheologe, Kirchenpolitiker und Kanzelredner Bossuet hervor.
Dabei unterschied Hello scharf zwischen dem sprachgewaltigen, aus den
Quellen der Väter schöpfenden asketischen Schriftsteller und dem in
vielen Hinsichten fragwürdigen Charakter dieses Zeitgenossen Ludwigs
XIV. Voltaire und die sogenannte Aufklärung verachtete Hello mit
unverhohlenem Spott. Gern führte er aus den "Soirées de Saint
Petersburg" des Grafen Joseph de Maistre (1754-1821) das beißende Wort
an: "Wenn jemand beim Durchstöbern seiner Bücher auf die Werke des
Philosophen von Ferney stößt und sich zu ihnen hingezogen fühlt, dann
ist er kein von Gott geliebter Leser."
Die Welt der Mystik war ihm wohlvertraut. Er ließ sich inspirieren von
den Schriften Angelas von Foligno, Bernhards von Clairvaux, Katharinas
von Genua und Antonius' von Padua. Auch einige deutsche Männer und
Frauen nennt Hello mit hoher Ehrerbietung, so die Heilige Gertrud die
Große, Anna Katharina Emmerich und Friedrich Schlegel, dem er
nachrühmt, ein "großer Betrachter der Geheimnisse des Lebens zu sein."
Dem "Deutschen Idealismus" verschließt er sich. Die Gedankengebäude
Kants und Hegels hält der von klassischer Metaphysik und philosophia
perennis beflügelte französische Selbstdenker für verhängnisvolle
Labyrinthe; doch steht er nicht an, ihnen spekulative Kühnheit
zuzubilligen und gelegentlich einzugestehen: "Seit ich lebe, seit ich
denke, hat Hegels Philosophie meinen Geist beschäftigt." Von Goethe
sagt er: "Wenn der Friede möglich wäre ohne Gott, so hätte Goethe ihn
erobert und die Welt damit beschenkt." Wie so oft kennzeichnet dieser
heutzutage zu Unrecht völlig vergessene Franzose mit einem einzigen
Satz sowohl die Größe als auch die Begrenztheit eines Genies. Immer
wieder, beinahe auf jeder Seite seiner Werke finden sich knappe,
geballte, durch ihre luzide Prägnanz und aperçugleiche Plötzlichkeit
gleichermaßen verblüffende wie erleuchtende Formulierungen.
Ein prophetischer Antimodernist
Ernest Hello hat biblische Meditationen, hagiographische Essays,
religionsphilosophische Studien, polemische Arbeiten, Erzählungen und
anderes mehr verfaßt. In den dreißiger Jahren, zuletzt noch in den
fünfziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind etliche seiner Bücher
auch in deutschen Übersetzungen erschienen, überwiegend bei Jakob
Hegner in Leipzig, dann bei Kerle in Heidelberg: "Heiligengestalten"
("Physiognomies des Saints", 1858), "Der Mensch" ("L'Homme, la vie, la
science, l'art", 1872). "Worte Gottes" ("Paroles de Dieu", 1877), "Welt
ohne Gott" ("Philosophie et athéisme", postum 1888), "Die Arbeiter von
Babel" (Auswahl aus "Le Siècle" postum 1895). Im Rahmen der berühmten
"Insel-Bücherei" ist als Bändchen Nr. 264 eine von Hans Kanders
besorgte Übersetzung der Novelle "Ludovik" herausgekommen.
Alle diese Werke sind nun schon seit langem vergriffen. Für den
normalen Buchhandel hat Hello umsonst gelebt. Keiner der ehedem
glaubenstreuen katholischen Verlage hält es für lohnenswert, diesem
religiösen Schriftsteller hohen Ranges wieder seinen gebührenden Platz
einzuräumen. Nur in Antiquariaten tauchen die oben genannten Bücher
noch gelegentlich auf. So stieß ich auf einen Erzählungenband "Abglanz
der Liebe. Seltsame Geschichten", 1938 im Verlag Anton Pustet,
Salzburg, erschienen. Wie der Bibliotheksstempel auf der Titelseite
erweist, stammt mein Exemplar aus einer inzwischen wohl aufgelösten
oder drastisch entrümpelten Klosterbücherei der Missionsschwestern vom
heiligsten Herzen Jesu in Westfalen...
Obwohl Ernest Hello, ein Glaubens- und Zeitgenosse des rheinländischen
Theologen Matthias Joseph Scheeben (1835-1888), schon vor mehr als
hundertundfünfzehn Jahren das Zeitliche gesegnet hat, erscheint er
jener immer schmaler werdenden Auslese, die ihn noch kennt und zu
genießen versteht, als ein völlig unverstaubter, in vielen Hinsichten
überaus aktueller, ja geradezu als prophetischer Autor. Er vereint in
sich die herbe Strenge Pascals mit dem die Schönheit der ursprünglichen
Schöpfung rühmenden Jubel Paul Claudels. Er war ein "Antimodernist"
schon in einer Zeit, als der theologische Modernismus sich noch gar
nicht erhoben hatte. Soviel mir bekannt ist, hatte er, der
Laientheologe und religiöse Denker, niemals Schwierigkeiten mit der
Hierarchie und der kirchlichen Zensur, obwohl in seinen Büchern
ungeheure Dinge stehen, die einem sentimentalen, verkitschten, auf
bourgeoise Wohlanständigkeit und sonntäglichen Kirchgang reduzierten
Christentum dezidiert den Krieg erklären.
Jene Heiden, welche die Urchristen bezichtigten, Roms Paläste und
Tempel mit Brandfackeln verwüstet zu haben, waren gewiß verleumderische
Greuelpropagandisten. Doch ist diesen antiken Glaubensfeinden
zuzubilligen, daß sie das Wesen des authentischen Christentums
richtiger erfaßten, als jene gnadenlosen Samariter, die uns vormachen
wollen, die frühen Jünger Jesu seien eine humanitäre Sekte gewesen und
mit Feuer, Schwert oder Kreuzigung dezimiert worden, weil sie
Menschenrechte und Nächstenliebe gepredigt hätten. "Ignem veni mittere
in terram: et quid volo, nisi ut accendatur?" ("Ich bin gekommen, Feuer
auf die Erde zu werfen, und wie wünsche ich, es würde schon brennen" -
Lukas 12,49; vgl. Matthäus 10,34) - ein Christentum, dem diese
Dimension abhanden gekommen ist, hat aufgehört eines zu sein. Eine
Kirche, die nicht radikal missionarisch ist und das heißt: unumwunden
die ungeteilte geistige Weltherrschaft erstrebt, kann nicht die Kirche
Christi sein!
Ans Wunderbare grenzende Erfolglosigkeit ...
So dachte Ernest Hello, in dessen Lebenszeit die Marienerscheinungen
von La Salette (1846) und Lourdes (1858) fallen. Hello ist überdies ein
jüngerer Zeitgenosse Jean Baptist Vianneys, des am 4. August 1859
verstorbenen "Pfarrers von Ars". Und es ist beglückend, daß von diesem
Heiligen eine Außerung über den heute weithin ignorierten
Schriftsteller überliefert worden ist: "Hello hat von Gott die Gnade
des Genies erhalten." Zu den Bewunderern Hellos im deutschen Sprachraum
gehörten einst der Priester-Essayist Karl Pfleger, der österreichische
Literaturkritiker und Dramatiker Hermann Bahr, der 1971 verstorbene
Philosoph Amadeo Graf von Silva-Tarouca und die Mystikforscherin Diana
C. Wyssdom.
Doch das allerletzte Wort habe nicht ich, sondern der vor mehr als100
Jahren verewigte apostolische Schriftsteller, dem Joris-Karl Huysmans
bescheinigte, "daß er ein Mann mit eigenen Gedanken, ein scharfsinniger
Exeget und wirklich bedeutender Analytiker war (...) Der wahre
Psychologe des Jahrhunderts ist nicht Stendhal, sondern dieser
erstaunliche Hello, dessen unheilbare Erfolglosigkeit ans Wunderbare
grenzt." Vielleicht stößt einer der wenigen katholischen Verleger, die
es da und dort noch gibt, auf dieses kleine Gedenkblatt und entschließt
sich endlich dazu, Ernest Hello erneut herauszubringen - möglichst
preiswert und am besten in Taschenbuchformat. Die nun folgenden
Hello-Zitate mögen die verlegerische Entscheidung erleichtern.
Von der Seligkeit, ein Christ zu sein
"Wenn bei den ersten Christen einer vom andern sprach, so nannte er
ihn: den Glückseligen. Man sagte: der glückselige Petrus, der
glückselige Dionysius. Das war keine vorweggenommene Seligsprechung,
sondern ganz einfach ein Ausdruck des Glückes, das man empfand auf
Grund der Gnade, ein Christ zu sein. Heute sagen die Menschen gern,
wenn sie von einem ihrer Freunde sprechen: 'Der arme Teufel'."
"Die sakramentale Beichte gibt dem Menschen, der spricht, die Kraft zu
bekennen, was man sonst nicht bekennt, und dem Menschen, der ihn
anhört, die Kraft, den nicht zu verachten, der sich als verächtlich
bekennt. Die, welche die sakramentale Beichte verwerfen, ersetzen sie
oft genug, besonders in unserer Zeit, durch 'Selbstbekenntnisse', die
mit frechem Pomp vor der Welt ausgebreitet werden."
"Der höchste und sicherste Schutz, den die Vernunft besitzt, ist der
Glaube. Der Glaube befriedigt das Bedürfnis der Anbetung, ohne es zu
verwirren. Wundervoll erscheint mir dieses: so hoch die Vernunft auch
selbst stehen mag, sie bedarf des Schutzes durch einen Glauben, der
noch höher ist als sie. Sie hat ihr Dasein für sich und kann, in der
Theorie, allein leben. Aber hütet euch, in der Praxis, vor der
Vernunft, die sich selbst anbetet. Sie ist nahe daran, sich zur Göttin
zu erklären, und wenn es so weit ist, dann denkt an 1793!"
Die Heiligen als die Wahrheit Wissenden
"Die katholischen kontemplativen Geister sind die demütigsten Seelen.
Je stärker ihre Verbundenheit mit dem Göttlichen ist und je mehr die
heilige Flamme sie verzehrt, desto unermeßlicher erscheint ihnen der
Abgrund, der sie von der Gottheit trennt. Die Heiligen sind die
einzigen Menschen, die wissen, bis zu welchem Grade der Mensch nicht
Gott ist. Die Unendlichkeit des Abstands, die der Wahnsinn ganz, die
gewöhnliche Hoffart halb verschleiert, liegt klar vor ihren Augen. Sie
leben am Gegenpol der Hoffart und des Wahnsinns, durch die Demut
erleuchtet über das Verhältnis der Dinge."
"Die Menge, die nichts weiß und die insbesondere von Metaphysik nichts
weiß, bildet ihren Geist nach den metaphysischen Irrtümern einiger
Männer, von denen sie nicht einmal den Namen kennt. Die Menge gleicht
einem Volk, das fremden Eroberern in die Hände gefallen ist. -
Prinzipien leiten die Welt, ohne daß die Welt weiß, von wem sie
geleitet wird. Auch ein leichter Abfall von der Religion wirkt sich aus
in Katastrophen. Man leugnet die Glaubenssätze, und man meint, damit im
Bereich philosophischer Theologie zu bleiben. Indessen, es wird Blut
fließen. Dann ist man erschrocken über die Wirkung, aber die Ursache
sieht man nicht. Dies ist aktueller als die Stierkämpfe. Es ist von
wirklich erschütternder Aktualität. Blind ist, wer es nicht sieht."
"Eines der auffälligsten Merkmale der katholischen Kirche ist die
Gleichgültigkeit, mit der sie es hinnimmt, wenn man ihr mit dem Tode
droht. Solche Drohungen empfängt sie seit ihrer Geburt, und alles um
sie hat sich geändert, nur sie hat sich nicht geändert. Die Kirche sagt
nicht, daß sie trotz des Ansturms und der Wut ihrer Feinde hofft,
sondern daß sie es tut wegen ihres Ansturms und wegen ihrer Wut. Die
Kirche zählt stets den Zorn ihrer Feinde zu ihren Hoffnungen und zu den
Unterpfändern ihres Triumphes. Sie brüllen, und die Kirche singt, ja
sie schmückt noch ihre Gesänge mit dem Schrei jener. Man erklärt
feierlich, daß ihre letzte Stunde gekommen sei. Sie aber schreitet
voran und sie singt. Die Kirche tut keinen Schritt, ohne dabei zu
singen. Die alten Psalmen sind die ewige Wirklichkeit des Menschen. Für
die Kirche, für die Völker, für die Einzelnen sind sie das tägliche
Gebet, und es ist jeden Tag neuer und zutreffender als am Tag zuvor:
Propter inimicos meos dirige in conspectu tuo viam meam. Noch nie hat
jemand die Kirche hindern können zu singen. Sie sang in den Katakomben,
sie sang unter den Fäusten der Henker. Es ist eine niemals hinreichend
bemerkte geschichtliche Tatsache, daß die Märtyrer sangen. Durch welche
Krise die Kirche auch hindurch mußte, man hat nie erreicht, daß sie
aufhörte, ihr ewiges Leben, ihren ewigen Sieg zu feiern und ihn unter
Gesang zu feiern."
"Der Mensch kann sich an sich selbst berauschen, aber er kann sich
nicht von sich ernähren. Er ist so klein, daß er sich nur in sich
selbst gefällt; aber er ist so groß, daß er nur in Gott sein Genügen
findet."
Keine Einheit durch Minderung der Wahrheit!
"Der christliche Apologet steht vor einer furchtbaren Klippe: vor der
Versuchung, in gewissen Dingen nachzugeben mit der Absicht, in der
Hoffnung, gewisse Leute anzuziehen. Er fürchtet zu reizen, er möchte
mildern und er wird zaghaft. Das durch Nachgiebigkeit lau gewordene
Christentum wird keine Flammen mehr entzünden. Jede Wahrheit ist nur
mächtig in ihrer Ganzheit. Das Christentum kann nur in seiner Fülle
angenommen werden. Das Christentum ist unteilbar. Der kühne
Verteidiger, der es darstellt, wie es ist, in seiner herben Fülle, mag
mißfallen, aber er macht Eindruck, und er wird vielleicht eines Tages
selbst erstaunt sein, wenn er aus dem Samen, den er gestreut hat, den
Baum wachsen sieht. Die Einigung kann kein Abstieg sein, sie kann nur
ein Aufstieg sein. Sie wird niemals erreicht werden durch die Verarmung
derer, die mehr besitzen, sondern durch die Bereicherung derer, die
weniger besitzen. Sie ist unmöglich in der Minderung, sie ist wirklich
und stark in der Fülle der Wahrheit."
"Außerhalb der Kirche erinnert man sich wenig. Der Mensch ist von Natur
vergeßlich. (...) Die Kirche erinnert sich nicht nur immer, sie
erinnert sich auch freudig. Sie singt ihre Loblieder auf den kostbaren
Tod ihrer Kinder. In der Art ihres Erinnerns tut sich ihre Macht kund.
Sie verherrlicht die Namen, die sie verkündet. Die Kirche ist in ihren
Erinnerungen von göttlichem Glanz umstrahlt. Wer außer ihr legt die
Reliquien des Menschen auf den Altar des lebendigen Gottes? Die Kirche
behandelt den Tod mit einer Verachtung, die nicht menschlicher Art ist.
Sie fesselt ihn, wie man einst die Besiegten fesselte, an den
Triumphwagen, auf den sie die Sieger steigen heißt. Der Tod wird eine
kleine Einzelheit, ein Schmuckstück ihres Ruhmes. (...) Gott und die
Freude sind so innig vereint, daß alles, was Christus betrifft, sich in
ein Fest verwandelt. Der Erlöser sät die Feste in die Menschheit, wie
der Schöpfer die Blumen auf die Erde gesät hat. Wo es kein Fest gibt,
ist Christus unbekannt. Die Gewalt, Feste anzuordnen, und die Gewalt,
Ruhm zu verleihen, sind zwei unmittelbare Kräfte, die der Kirche
gehören. Das Fest ist ihr Element, ihr Leben. Sie zählt ihre Tage nach
ihren Festen. Die Kirche und die Ewigkeit, eine der andern vertraut,
betrachten die Ereignisse mit demselben Blick. Daher haben die Feste
der Kirche zu Ur- und Vorbildern die Feste der Ewigkeit. Die Kirche
ruft alle Pracht der Erde herbei, als wollte sie dem Glanz des Himmels
ein Vorspiel geben. Die Kirche ist das Vaterland der Pracht."
|