Die Göttlichkeit des Christentums
von H.H. Dr. theol. Otto Katzer
Vorbemerkung der Redaktion: Wir setzen die Veröffentlichung eines unedierten Manuskriptes unseres ehemaligen Mentors und Theologen H.H. Dr. Otto Katzer fort, das einer Schriftensammlung entnommen ist, in dem er das Wesen des Christentums und das der Kirche dogmatisch zu bestimmen versucht.
Eberhard Heller
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A. Die Göttlichkeit des Christentums, bewiesen aus der Ausbreitung der Kirche
I. Die Verkündigung der Kirche fand statt zugleich mit der Ausgießung des Heiligen Geistes über die Apostel. Die Versöhnung der Welt mit dem Vater durch den Sohn hat der Heilige Geist besiegelt, und die Apostel, an ihrer Spitze Petrus, vom Geiste erfüllt, predigen die Erfüllung des Alten Bundes, den Beginn des Neuen Bundes.
Ab demselben Tage war das alte Gesetz unter Donner und Blitz vor ca. 3250 Jahren den Israeliten am Sinai gegeben worden; jetzt erscheint statt Sinai Sion, statt des Moses Petrus, statt des Bundes des Gesetzes der Bund der Gnade, statt der Beschneidung die Taufe (Act 2,2 f). Die Wirkung der Feuertaufe in den Aposteln erscheint alsbald. Die sinnlichen Vorstellungen von einem weltlichen Messiasreiche (Lc 18,34. Jo 14,9. Mc 6,52. Jo 16,12) sind verschwunden, die innere Erleuchtung offenbart sich in der Sprachengabe; sie treten mutvoll vor ihre Feinde und bekennen Christum, den Erstandenen, vor Priestern und Volk. Für diese plötzliche Umwandlung, die alsbald tausende zu Anhängern der neuen Lehre machte, kann ein anderer Erklärungsgrund als der in der Apostelgeschichte gegebene nicht anerkannt werden. Die Gründung der Kirche selbst ist das Werk des Geistes und der Kraft Gottes.
Darüber sagt Walter Götz in der Einleitung zu den Propyläen der Weltgeschichte: Sein (des Christentum) größtes Wunder ist nicht die Offenbarung, sondern der Sieg des Offenbarungsgedankens in einer Welt von höchster Geistigkeit und kritischer Gesinnung.
II. Schon in dem ersten Menschenalter nach Christus hatte die von Ihm gegründete Kirche sich über die ganze damals bekannte Welt verbreitet und unter allen Völkern Anhänger gewonnen.
Es waren keineswegs bloß die Ärmeren und Ungebildeten, welche sich zum christllchen Glauben bekannten; unter den Juden waren es viele Priester, Sosthenes, Appalo, Crispus (Act 6,7; 18,8 24; 17,34); unter Griechen und Römern der Prokonsul Sergius Paulus, Dionysius der Areopagite (Act 13,12; 17,34); die Philosophen Justinus, Athenagoras, Flavius Clemens aus dem Geschlechte der Flavier, ein Vetter Vespasians, und sein Weib Domitilla usf. Die zahlreichen Geschenke an die arme Gemeinde zu Jerusalem (Act 11,28; Phil 4,14) sowie der Ankauf und die innere Einrichtung der Katakomben mit ihren gottesdienstlichen Orten und Gräbern beweisen dies zur Genüge. Vgl. Kraus, Roma Sotterranea; Tacit. Annales 13,32 bezüglich der Pomponia Gräcina, Eusebius (Chronicon ad annum 98) bezüglich der Flavia Domitilla.
III. Diese schnelle Ausbreitung der Kirche erscheint als ein Wunder insofern, als zwischen den natürlichen tätigen Ursachen und der Wirkung kein Verhältnis stattfindet, diese daher auf eine höhere Kraft zurückgeführt werden muß, in der allein der zureichende Grund ihrer Erscheinung gefunden werden kann.
IV. Das Missverhältnis zwischen Ursache und Wirkung ergibt sich zunächst aus der Betrachtung der Mittel, durch welche die Kirche Christi sich ausbreiten und Bestand gewinnen, der größte Umschwung in der Weltgeschichte sich vollziehen sollte. Christus verschmäht alle Wege, durch welche Menschen bei Menschen für ihre Lehre sich Eingang zu bahnen suchen, und schreibt dem apostolischen Amte Gesetze vor, die nach der Analogie der Geschichte gerade das Gegenteil eines Erfolges erzielen mußten.
Der Mensch wirkt auf den Menschen durch drei Dinge; durch die Macht der politischen Gewalt, die Macht der Sinne - Gold und Genuß, durch die Macht des Geistes - Wissenschaft und Kunst. die Macht schafft Weltreiche: Babylon, Rom; die erste und zweite Weltreligionen, wie der Koran; die dritte erobert friedlich die Welt und zieht ihre strebenden Geist an sich. Diese drei Mächte hat Christus sich nicht dienstbar gemacht zur Ausbreitung seines Reiches. Er verbietet Gewalt und Empörung (Mt 26,52. Lc 20.12 ff), Unreinheit und Haß (Mt 5,28 22); statt der Gewalt will er lieber leiden (Mt 5,40), statt Besitz Entsagung (Lc 14,33). Er verschmäht Wissenschaft und Kunst als Mittel zur Erreichung seines Zweckes (Lc 10,21. 1Cor 1,27). Dies bildete die Grundgedanken der apostolischen Predigt (vgl. 1 Cor 2,1-5; 1,21).
Die christliche Predigt selbst war nicht derart, daß sie aus sich, ohne übernatürliche Kräfte, die in und mit ihr wirkten, die Gemüter hätte gewinnen können. Sie verkündete einen unsichtbaren Gott, eine Vorstellung den Heiden oft so unfassbar, daß sie darum die Christen des Atheismus anklagten. Das Wirken entquoll voll und ganz der Gnade.
V. Das übernatürliche Moment in der Begründung der christlichen Kirche erscheint in noch höherem Maße bei Betrachtung der Werkzeuge, deren sich Christus zur Durchführung seines Planes bediente; es waren Juden, ohne Bildung und in geringer zahl.
Selbst unter ihren Landsleuten waren die Jünger Christi als Galiläer verachtet (weil ihre Nation viel mit Fremden vermischt war); vgl. Mt 26,73. Jo 1,47; 7,41 52. Act. 2,7 8. Der Haß aller Völker, besonders aber der Römer, gegen die Juden ist bekannt. Horat., Sat 1,5 (100). Cocero, Pro Flacco 28: barbara superstitie. Juvenalis, Sat 14,96; 3,14. Plinius, Hist.nat. 13,9: gens contumelia decrum insignis. Philostrat, Vita Apollonii Tyan. 5,33. Tacitus (Hist. 5,8) schaut in ihren Gebräuchen, gerade wie einst Herodot bei den Ägyptern, den entschiedenen Gegensatz zu den römischen Sitten, Contemnere Deos, exuere patriam, parentes, liberos, fratres vilia habere ... despectissima pars servientium, taeterrima gens.
Die Verachtung der Juden übertrug sich auf die Christen; ihre Lehre ist barbaron toléma, barbaron dogma (Orig. C. Ceàs. 1,2). Ihre niedrige Herkunft, ihr Mangel an jener Bildung, wie sie Griechen und Römer von den Männern der öffentlichen Rede forderten, ohre dem griechischen Ohre barbarisch klingende Sprache mußten ihr Auftreten und ihre Predigt wie ein Misston in der von formaler Bildung und Kunst gesättigten Welt erscheinen lassen.
VI. Hierzu kamen die inneren Schwierigkeiten, die sich ihrem Beginnen entgegenstellten, und zwar:
a) von seiten des Religions- und Staatswesens; b) von seiten der Wissenschaft und Kunst; c) von seiten der ererbten Sitte und Pietät.
Mit der Religion der Römer war der Nationalstolz auf innigste verbunden; alle Größe Roms war von den Göttern gegeben, jede Abkehr von ihnen mußte dem Staatswesen zum Unheil ausschlagen; daher die Anklage gegen die Christen, daß sie den Fall Roms verschuldet hätten.
Wie die Priesterschaften in Rom und im ganzen Reiche im Namen der Religion, Künstler und Kunstgewerbe (Act 19,24) in ihrem Interesse, so bekämpften die Philosophen im Namen der Wissenschaft christliche Predigt. Schon der Wissensstolz ließ diese ihnen verächtlich erscheinen (Euseb., Hist. eccl. 6,19), und Kaiser Julian weist der Einfalt der christlichen Predigt gegenüber auf den Glanz der griechischen Literatur hin. Gerade aus den Schulen des Neuplatonismus gingen die gefährlichsten Gegner des Christentums hervor: außer dem Eklektiker Celsus beonders Philostratus, Porphyrius, Hierokles, Julian, Lucian. Sie versprachen ein Besseres, Tieferes, Menschen und Gottes Würdigeres zu bieten als die superstitio existiabilis (Tacit., Annales 15,44) der Galiläer, als ihre amentia (Plinius, Ad Traianum ep 10, n. 96,) dementia (Tertull., Epolog. c.1) furiosa opinio (Minucius Felix, Octavius c.11), "Unsinn und Rohheit" (Greg. Naz. In Julian. sermo 1,102).
VII. Als trotz aller Bemühungen, das Christentum mit den Waffen der Wissenschaft zu bekämpfen, dieses immer mehr an Ausbreitung gewann, begann die Verfolgung von seiten der Staatsgewalt unter dem Vorwande geheimer Verbrechen und auf Grund von früheren Staatsgesetzen.
Zum Zwecke weiterer Verfolgungen konnten frühere Staatsgesetze herbeigezogen werden; zunächst die Lex Julia maiestatis, welche übertreten wurde verbis impiis, mirmuratioe contra felicitatem temporum, coetu nocturno, coitione, clandestina illicito collegio; das Sacrilegium, dessen man sich durch Weigerung der den Göttern und dem Genius des Kaisers zu bringenden religiösen Verehrung schuldig machte - (Summa haec causa, immo tota est; sacrilegi et maiestatis rei convenimur. Tertull., Apolog. c.10 28); die Magia, der die Christen schuldig erschienen durch wunderbare Heilungen (Tertull., Ad Scapulam c.4.), durch Aufbewahrung ihrer heiligen Schriften, die als magische vernichtet werden mußten; das Bekenntnis fremder Kulte (Livius 39,16. Die Cassius, Hist. rom. 52,36. Cicero, De legibus 2,8: Separatim nemo habessit deos. ... nisi pulbice adscitor). Trajan verweigerte den Christen jene Duldung, die allen andern Religionen gewährt war, indem sein Gesetz gegen die Hetärien auf die Christen angewendet wurde. Die Freiheit fremder Kulte schloß nur die eine Bedingung in sich, den offiziellen Göttern und namentlich dem Kaiser die gesetzlichen Zeremonien nicht zu verweigern; man konnte nach der Anschauung der Heiden darum doch Christ bleiben (Tertullian, Apologeticum c. 27. Euseb., Hist. eccles. 4,9 13). Allerdings brachte auch der Juden den heidnischen Göttern keine Opfer; aber man betrachtete ihre Religion als eine uralte und darum berechtigte (Orig. C. Celsum 5,25), während das Christentum mit seinem Drange zur Ausbreitung als Abfall und Angriff auf die Staatsreligon erschien ... Weil sie keinen sichtbaren Götzen anbeteten, klagte man sie des Atheismus an (Justin., Apologia I,6 u.a.).
VIII. Wiewohl im Heidentum alles aufgeboten ward, was immer geeignet war, die christliche Kirche zu vernichten, und während von dieser keines jener natürlichen Mittel angewendet wurde, welche den Menschengeist bestimmen und seinen Willen bewegen, das Christentum vielmehr in der Brust eines jeden seiner Bekenner den ersten Gegner fand, der durch die Macht der Gnade zu besiegen war, so hatte dieses dennoch schnell, vollständig, unwiderstehlich und für immer das Heidentum besiegt. Es kann darum diese Tatsache nur als die Wirkung übernatürlicher Kräfte begriffen werden.
IX. Ebendeswegen kann auch die Begründung und Ausbreitung anderer, falscher Religionen, wie des Mohammedanismus, Arianismus und der sog. Reformation, mit jener des Christentums nicht in Vergleich gebracht werden. Den Mohammedanismus kann kein Denkender der christlichen Missionstätigkeit und dem sie begleitenden Segen an die Seite setzen; Sinnenlust und Blutdurst haben kein Rech, sich an die Seite der Entsagung und Feindesliebe zu stellen, noch darf das Schwert gleiche Wirkung in Anspruch nehmen wie das Kreuz. Ausführlich hierüber Thom., C. Gent. 1,6. Auch der Arianismus war nur so lange mächtig, als Fürstenmacht ihn aufrecht hielt. Der Buddhismus hatte seinen Konstantin (König Asoka), aber keinen Decius oder Diokletian; seine Lehre spricht nicht im Namen Gottes und duldet Polytheismus und Abergleuben, seine Moral enthält eher Räte als Gesetze und hat die Sitten der Völker nicht umgestaltet. Die Erzählungen seiner Verfolgungen sind legendhaft. Der Protestantismus konnte deshalb sich so schnell verbreiten, weil er den menschlichen auf sich stolzen Vernunft das letzte Urteil auch in religiösen Dingen zuschriebe, indem er lehrte, daß Gott nicht durch das Lehramt der Kirche spreche, aber durch den Geist eines jeden selbst. Daß die der Selbstsucht nun vollauf entspricht ist nicht notwendig zu betonen ((Vgl. auch S. Weber, Die katholische Kirche und die wahre Kirche Christi, München 1907. Über die Ursachen der schnellen Verbreitung des Protestantismus: Marx, Ursachen der schnellen Verbreitung des Protestantismus. Bekann ist Friedrichs II. Wort ( Mémoires de Brandenbourg): Si on veut réduire les causes du progrès de la réforme à des principles simples, on verra qu'en Allemagne ce fut l'ouvrage de l'intérêt, en Angleterre celui de l'amour, et en France celui de la nouveauté.)) Den gößten Anteil an seiner Verbreitung hatten die Politik. Habgier und Gewalt der Fürsten.
X. Allerdings waren den Zeitverhältnissen und Zuständen des geistigen, sozialen und politischen Lebens verschiedene Momente gegeben, welche die Begründung und Ausbreitung der christlichen Kirche ermöglichten und selbst erleichterten. Doch können diese nur als Bedingungen, nicht als Ursachen derselben betrachtet werden und sind selbst nur ein weiterer Erweis der Vorsehung, welche in besonderer Weise über der jungen Kirche wachte.
Hoc nobis unum grande miraculum sufficit, quod eam terrarum orbis sine ullis miraculis credidit. Vgl. Thom. C. Gent. 1,6. Dante, Divina Commedia, Parad. XXIV, 108.
B. Die Göttlichkeit des Christentums, bewiesen aus der Erhaltung der Kirche durch alle Jahrhunderte.
I. Die Erhaltung der christlichen Kirche unter dem Anprall materieller und geistiger Angriffe, von äußeren und inneren Feinden bekämpft, in ihrem innersten Wesen der verderbten menschlichen Natur widersprechend und als hartes Joch erscheinend der Eigenliebe, besonders dem Hochmut und Wissensstolz stets zuwider, kann nur aus dem fortwährenden besonderen Schutze Gottes begriffen werden.
Wenn bei alledem, besonders dem heutigen Anprall aus eigenen Reihen, die Kirche besteht, blüht, täglich mehr sich ausbreitet, der Abfall der einen durch den Opfermut der anderen reichlich ersetzt wird, so gilt von der Kirche das Wort Gamaliels (Act. 5,38 39): Si est ex hominibus consilium hoc aut opus, dissolvetur; si vero ex Deo est, non poteritis dissovere illud.
II. Die Erhaltung des Judentums und Mohammedanismus sowie die lange Dauer des Brahmaismus und Buddhismus kann mit der Erhaltung der christlichen Kirche nicht in Vergleich gebracht werden.
Der Bestand des Judentums ist selbst ein Werk besonderer providentieller Fügung, die Erfüllung der Weissagungen des Herrn und des Apostels (Rom 11,25 26f), zum bleibenden Zeugnis der Göttlichkeit des Christentums, bis auch für Israel die Stunde der Erlösung geschlagen hat.
Der Mohammedanismus bildet nicht ein in sich geschlossenes einheitliches Lehr- und Kirchensystem, hat keine entwickelte Dogmatik, ist in zahllose Sekten zerfallen, hat keine entwickelte Dogmatik, ist in zahllose Sekten zerfallen, hat, wo er noch lebendig ist, die Kritik der Wissenschaft noch nicht erfahren und wird durch seine Einheit mit der Staatsgewalt ebeb auch großenteils von dieser gehalten. Der Kern von Wahrheit, der allein lebenskräftig ist, besteht auch nur in dem von dem Juden- und Christentum entlehnten, aber einseitig festgehaltenen Monotheismus.
Der Brahmaismus hat seit der Entstehung der Vedas die mannigfachsten Wandlungen erfahren und ist namentlich durch die drei philosophischen Hauptsysteme (Vedanta, Sankhya und Nyaya) vielfach modifiziert; dies gilt in einem noch viel höherem Grade von dem neueren Brahmaismus, der mehr und mehr in einen groben Götzendienst versunken, in viele verschiedene Sekten gespalten ist.
Der Buddhismus, ursprünglich eine Moral ohne Dogmatik, ist in Formeln erstarrt, mit fremden Religionen vermischt, in Sekten geteilt und in Götzendienst entartet.
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