Gedanken über die Geburt unseres Herrn und die Schuld, die der moderne Mensch gegenüber dem fleischgewordenen Wort hat
Der hl. Johannes beginnt sein Evangelium mit folgenden erhabenen Worten: Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und das Wort war Gott.Alles ist durch dasselbe geworden, und nichts, was geworden ist, ward ohne Es... Und das Wort ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.
Durch das ewige Wort, das sich in der Zeit mit unserer sterblichen Natur vereinigte, wurde die Welt aus dem Nichts hervorgebracht; und da nichts ohne Es wurde, wurden auch wir durch Es geschaffen und Ihm verdanken wir folglich die Wohltat unserer Existenz in der Zeit und später in der Ewigkeit, da die eine von der anderen untrennbar ist.
In diesen Tagen, in denen wir uns vorbereiten, den Tag der zeitlichen Geburt des Wortes würdig zu feiern, ist es ganz natürlich, dass wir auch an den Tag unserer Geburt denken und an den Urheber einer so großen Wohltat. Mit welch hingebungsvoller Liebe und Dankbarkeit aber müssen wir nicht daran denken, besonders wir, die wir die Fülle der Gaben des Lebens empfangen haben, da wir durch eine providentielle Wohltat nach der Menschwerdung des Sohnes Gottes geboren sind und in einem Land, in dem mit strahlendem Glanz das Licht leuchtet, das in der ganzen Welt zu verbreiten Er gekommen ist! Wollen wir oft an diese große Wohltat denken? Wollen wir daran denken mit genug Liebe und Dankbarkeit?
Die wunderbare Erlösung ist eine weitere Wohltat, wegen der wir Schuldner des fleischgewordenen Wortes sind. Sie ist ein Werk unbeschreiblicher Liebe, durch die Es den Fluch, unter dem wir seufzten, auf sich nehmen und in seiner Person die Sünde Adams, die auf uns alles lastete sühnen und mit seinem Blut die Makel unserer Ungerechtigkeiten abwaschen wollte. Christus hat uns losgekauft, sagt der hl. Paulus, aus dem Fluch des Gesetzes, indem er sich für uns zum Fluch machte (Gal 3, 13), und er hat uns rein gewaschen von unseren Sünden mit seinem Blute, fügt der hl Johannes hinzu (Offb 1, 5). Diese zweite Wohltat müssen wir als größer ansehen als die der Erschaffung; denn es hätte uns nichts genützt, geboren worden zu sein, wenn wir nicht erlöst worden wären, worauf die Kirche am Karsamstag, in der Feier der Osternacht, hinweist. Und auch in dem Sinn, daß in der Wohltat der Erlösung der Beweis einer größeren Liebe des göttlichen Wortes erbracht wird als in der Schöpfung. Die Schöpfung kostete Es nur ein einziges Wort: Er sprach, und alles wurde geschaffen (Ps 32). Die Erlösung kostete Es die Vergießung seines Blutes. Ihr seid erkauft durch das kostbare Blut Jesu Christi, sagt der hl. Paulus (1 Petr Kap 1).
Es war im Stall von Bethlehem, wo das fleischgewordene Wort das Werk unserer Erlösung begann, indem es der göttlichen Gerechtigkeit seine ersten Tränen aufopferte und sich als Sühneopfer darbot. Was muss die Frucht dieses Geheimnisses unbeschreiblicher Liebe sein bei uns allen, die wir dieses Opfer betrachten? Der Apostel gibt die Antwort: dass die, welche so, vom Tode erkauft, leben, nicht mehr sich selbst leben sondern Ihm, der für sie gestorben und für sie auferstanden ist (2 Kor 5, 15). Wie undankbar und schuldig wären wir, wenn wir unserem göttlichen Erlöser nur den zweiten Platz in unseren Gedanken und Gefühlen einräumen würden! Wenn wir den Bequemlichkeiten und unserer Ehre mehr Bedeutung beimessen würden als dem heiligen Willen unseres Erlösers! Und ist es vielleicht nicht das, was wir oft tun?
Es war für die Liebe des fleischgewordenen Wortes nicht genug, uns aus der Sklaverei der Sünde herausgeholt und mit seinem himmlischen Vater versöhnt zu haben: Es wollte noch dazu, dass wir Adoptivkinder Gottes und damit Erben Gottes würden. Für diese Wohltat der göttlichen Annahme an Kindes statt legte Es den Grund, indem Es in seiner Person unsere Natur mit der seinigen vereinte, um uns, wie der hl. Petrus sich ausdrückt, der göttlichen Natur teilhaftig zu machen (2 Petr 1, 4).“ Bewirkt wird diese Teilhabe durch die Taufe). Als die Fülle der Zeit kam, so fügt der Apostel Paulus hinzu, sandte Gott uns seinen Sohn, um uns an Kindes statt anzunehmen (Gal 4). Wenn wir aber Kinder Gottes sind, dann sind wir auch Erben, Erben Gottes und Miterben Christi (Röm 8, 17).
Wir wollen hoffen, geliebte Brüder, dass wir die oben beschriebenen Wohltaten in der besten Weise bedenken und betrachten können, und das soll uns motivieren, diesen schönen Tag der Geburt unseres Erlösers mit unseren Lieben in Frieden und Freude zu verbringen. Zugleich möge der liebe Gott wollen, dass alle unsere guten Pläne und Vorsätze ausgeführt werden, die wir für dieses zu Ende gehende Jahr gemacht hatten. Und dass wir mit den Gnaden uns Segnungen, die wir gewiss in diesen heiligen Tagen empfangen werden, ein weiteres neues Jahr beginnen können auf unserer Pilgerschaft durch dieses Leben.
Dies sind meine aufrichtigsten Wünsche, und es segnet Sie
Mons. Martín Dávila Gándara, katholischer Missionsbischof
(aus dem Spanischen übersetzt von Elfriede Meurer)
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