Das christliche Abendland vom Untergang bedroht
von Norbert Dlugai
I. Thematische Vorbemerkungen
Unsere Gesellschaft wird derzeit in allen Lebensbereichen, wie selten zuvor, mit Schreckensmeldungen, so darf man sagen, "überschüttet". Sich mit Einzelheiten zu befassen, wäre müßig, denn insoweit 'bedienen' uns die Medien - mehr oder weniger sensationsreißerisch - allumfassend.
Der solchermaßen geschockte Bürger aber stellt sich immer fassungsloser und verängstigter die Frage nach dem Wieso und Warum, und wie es noch weitergehen und sich entwickeln wird, positiv oder aussichtslos negativ, oder ob wir uns gar auf einen Abgrund zubewegen, aus dem jedes Entrinnen zum Scheitern verurteilt ist. Fragen über Fragen, die uns alle auf's Massivste bedrängen.
Da nun zu den og. Geschockten und in ihrer Existenz zunehmend Verunsicherten nicht weniger auch die 'Christen' zählen, sollten sich diese mit den Antworten der Politiker und sonstigen 'Experten' im Hinblick auf die hereingebrochenen desaströsen Phänomene nicht begnügen. Denn alle entsprechenden Erklärungsversuche sind so gut wie nur allzu einseitig zeitgemäß weltoffen (global) getrimmt; allenfalls noch versehen mit einigen billigen nichtssagenden unglaubwürdigen 'moralischen' Akzenten und kaum überzeugenden abgehalfterten Floskeln.
Das sollte in Wahrheit dem Christen nicht genügen. Er ist vielmehr angehalten, wegen der Ursachen für das heillose chaotische Durcheinander in unserer Gegenwart sich nicht nur für das zeitliche Hier und Heute Gedanken zu machen, sondern Antworten auszuloten versuchen, deren Authenzitität und Ursprung in einem der Zeit und Welt entrückten Raum zu suchen sind, in welchem eine ewige unfehlbare Macht waltet, welche wir Gott nennen.
Denn er allein ist die Antwort auf alles mit dem Chaos heutzutage zusammenhängenden Fragen und menschlichen Herumrätseln. Und lehrt uns infolgedessen nicht von Ewigkeit her die Erfahrung, daß in dem Maße, wie man sich dieser Macht des unendlich heiligen Gottes verschließt, Verwirrung und Verkehrung die Oberhand gewinnen, Lüge und Scheinwahrheiten, die letztlich im Widersacher Gottes zentriert sind, im "Fürsten dieser Welt"? Wodurch sich Chaos und gesellschaftlicher Ruin zu einer nicht mehr zu bändigenden Unendlichkeit auswachsen.
Gestehen wir es ehrlich und ungeschönt ein: Es ist dies alles besorgniserregende Realität geworden. Und eine solche Realität gebiert das, was die damit heraufbeschworene "satanische Vernaturalisierung" darstellt. Sie beraubt die geistigen Fundamente des Abendlandes ihrer tragenden und stützenden Kraft. Verheerende Folge der mehr und mehr verwirkten Gnadenzuwendungen Gottes - durch unsere Schuld! Wohin ist der Wille entschwunden, die Schuld zu sühnen?
II. Nähere Gedanken über die satanisch-vernaturalisierte Verstrickung des christlichen Abendlandes
Für diese mehr als bittere heilsgeschichtliche Tragik, die sich im Abendland abspielt, haben wir - und damit sind nicht zuletzt bzw. vor allem die heutigen modern-modernistischen Theologen angesprochen - so gut wie gänzlich den Blick verloren. Denn wir sind geradezu Sklaven einer den heiligen und gerechten Gott beleidigenden und provozierenden 'Welt'-Hörigkeit geworden, die alles Bisherige bei weitem übertrifft (vgl. dazu 2 Kor. 4,4 und Jo. 5,19).
Einer der wenigen, der sich der heraufziehenden schweren Gefahren für das Abendland vollauf bewußt gewesen ist, und keine Mühe scheute, dem Christenvolk hierfür die blind gewordenen Augen zu öffnen, war der bekannte Schweizer Theologe Robert Mäder (1875-1945). Er hat eine einschlägige Schrift verfaßt, betitelt "Der heilige Geist und der dämonische Geist", deren Gedankengänge, soweit sie für unsere Thematik zutreffend sind, verarbeitet und nutzbar gemacht werden sollen.
Mäder läßt zunächst in seiner Abhandlung keinen Zweifel darüber aufkommen, daß der Dämon, der Satan, nicht ein amorphes Gebilde ist, eine imaginäre Figur bzw. ein Schreckgespenst, sondern in der Tat ein ganz reales biblisches und biblisch bezeugtes personifiziertes Wesen. Dessen Hauptmerkmal offenbart sich in einer unheimlich zerstörungswütigen Despotie, verbunden mit einer entsprechend überragenden Intelligenz, die der Satan zur Geltung und zum Einsatz bringt, wenn ihm nicht ganz bewußt entgegengewirkt wird.
Er ist in Wahrheit unleugbar das, als was ihn der Gottessohn Jesus Christus bezeichnet: "der Vater der Lüge und der Menschenmörder seit Anbeginn" (Jo. 8,44). Sein Agieren ist jetzt primär auf die gottabgewandte bzw. -dezentrierte Unterwanderung und Verrottung des Abendlandes ausgerichtet. Der "Abendländer" wird und wurde somit nach und nach seiner gratuiert gnadenhaften Übernatur beraubt. Und das bedeutet: Durch die satanische "Intelligenz des Lügens und Zerstörens" fällt das Ebenbild Gottes (Gen. 1,26) in den Zustand der Vernaturalisierung, ja Paganisierung, die von der Seele des Menschen Besitz ergreift mit allen schrecklichen Folgen, wie es z.B. der hl. Apostel Paulus in 2 Thess. 2,9-12 eindringlich zum Ausdruck bringt und dadurch das christliche Gewissen schärfen will: "Sein Auftreten wird sich zufolge der Kraftentfaltung des Satans mit allerlei Macht, trügerischen Zeichen und Wundern vollziehen, mit allerlei böser Verführung für jene, die verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben zu ihrer Rettung. Daher schickt Gott die Kraftentfaltung der Verführung, so daß sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht glaubten, sondern Gefallen hatten am Frevel."
Ein (theo-dezentrisches) Drama, das sich in immer offenkundigeren und verhängnisvolleren Ereignisketten bereits seit Jahrhunderten in unserem sog. Abendland vollzieht, insbesondere seit der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts.
Hierzu R. Mäder: "Das Heidentum lebte unter der Flagge des (Renaissance)-Humanismus wieder auf, (an der Wende vom Mittelalter zur Neuzeit - Anm.d.V.) zuerst in der Literatur und Kunst, dann in den Sitten, zuletzt in der Politik und im Wirtschaftsleben. Die moderne Welt ist wieder eine paganisierte und naturalisierte Welt geworden... Es wurde sozusagen ein neuer Mensch aus der Taufe gehoben, ein Mensch, der alles in sich vereint, weil er alles weiß, alles hat und alles genießt, und daher meint er, Gott nicht mehr zu brauchen".
Wer so denkt und seine Existenz darauf baut, für den sind z.B. Ehrfurcht und Gottesfurcht unerträgliche Fremdworte. Ihn trennen dann naturgemäß Welten von der Erkenntnis, daß die Rettung des Menschen einzig und allein darin besteht, durch den Heiligen Geist zu Christus zu gelangen und zum Vater allein durch denselben Jesus Christus (Jo. 14,6).
Gegenüber diesen heilsgeschichtlich elementaren Vorgaben, die das menschliche Schicksal bestimmen, hat der Widersacher, der "Fürst dieser Welt" das dichte Netz des Indifferentismus ausgespannt. Es sollte dadurch das Wissen um und der Gedanke an den geistigen Tod vor Gott und demzufolge an das ewige Verderben des aller Gnaden und Gnadengaben beraubten Menschen ausgelöscht werden. Ist der abendländische Mensch denn nicht schon längst in das genannte Netz gefallen, und das für immer und ewig? Und dem Anschein nach fühlen wir uns in dem Netz behaglich und wohl...
Möglicherweise erfährt das Wohlgefühl eine Steigerung z.B. durch die 'Vorfreude' auf den 'Ökumenischen Kirchentag' 2010, der ein Meisterwerk dessen sein soll dessen, was man als den 'Durcheinanderbringer den 'Diabolos' bezeichnet, der seine Gehilfen beim Kirchentag klug und strategisch geschickt einsetzen wird! Um alles, was evtl. noch den Geist katholischer Tradition atmet, auszumerzen.
'Christliches Abendland'? - Es ist bestenfalls noch, wie es vor einiger Zeit Eberhard Heller nannte, ein "Trachtenverein" - ein Verein, so darf man hinzufügen, dessen Tracht stets unansehnlicher und schmuckloser wird - bis nur noch ein graues Stück Stoff übrigbleibt...
III. So gut wie keine Rettung des christlichen Abendlandes mehr vor dem selbstverschuldeten Untergang?
Es gibt eine Spruchweisheit, die lautet: "Die Geschichte ist ein guter Lehrmeister, aber die Menschen sind schlechte Schüler." Diese Feststellung erhält, man kann es so sagen, einen todernsten Hintergrund mit Blick auf die Völker und Nationen, die im Laufe der Geschichte das Schicksal des Untergangs, des Verschwindens von der Weltbühne, ereilt hat.
Die Hauptursache hierfür lag erster Linie - außer Krieg - in einem nicht wahrgenommenen oder nicht gewollten Wahrnehmen des allmählichen Zerbröckelns der geistigen Fundamente, welche bisher für die jeweilige Nation, das jeweilige Volk die eigentlichen Stützen bildeten, die dann ihre Tragfähigkeit nach und nach verloren, sodaß der Zusammenbruch die zwangsläufige Folge bildete - ein Naturgesetz, entzogen jedwedem menschlichem Tun und Handeln. Denn insoweit ist allein die unbestechliche göttliche Gerechtigkeit am Werk und offenbart sich allumfassend. Auf diese Weise eröffnen sich dann nicht weniger eindeutige Parallelen und düstere Perspektiven für alles, was das sog. 'christliche Abendland' angeblich noch darstellt.
Die vorgenannten Parallelen und Perspektiven beziehen sich somit auf das Überleben unseres Kontinents. Letzteres bemißt sich an der Erkenntnis, ob und wie wir für die Gestaltung unserer Existenz Instrumentarien einsetzen und gebrauchen, die vor Gottes Angesicht bestehen können. Und insoweit, so sollte man es sehen, rüttelt R. Mäder unser Bewußtsein und Gewissen auf, wenn er klar und sehr dezidiert sagt: "Was nicht Gottes ist, das ist des Teufels, eine dritte Alternative gibt es nicht und kann es nicht geben".
Das besagt, daß unser Abendland im Begriff ist, sich selbst seinen Untergang zu bereiten, weil sein Aktionismus weitgehend ausgerichtet ist auf allzu vieles, was "nicht Gottes ist", indem man u.a. Gott zu einem theo-ideologischen Beliebigkeitsobjekt entwürdigt bzw. in eine vom Nebel eingehüllte Ecke des (imaginären) Nicht-mehr-ernst-Nehmens verbannt.
Triumph über Triumph für den Satan, - Urtyp des gegen den Menschen und gegen Gott gerichteten Bösen, der nur niederzureißen und zu zerstören vermag, wenn man ihm, auf welche Weise immer, die Wege ebnet. Und in der Tat macht eine solche Wegbereitung Fortschritte, die alles bisher Gewesene übertreffen.
Der finsterste der o.g. Wege ist die durch den "Weltfürsten" erfolgreich gelungene Verführung zur "Apostasie vom Reich der Gnade" wie es R. Mäder nennt, mit der Folge eines so gut wie nicht mehr zu überwindenden, satanisierten Naturalismus, denn er schafft einen mehr als guten und geeigneten Nährboden für das Abgleiten eines Volkes in ein nicht aufzuhaltendes ruinöses Desaster.
Ein Naturalismus, dessen giftige Früchte die Wurzeln der gesunden abendländischen Kultur vermodern ließ, denn wir haben die guten Früchte der göttlichen Übernatur nicht gepflegt, sondern sie vom immer höher aufgetürmten Müllhaufen einer apostatisch verseuchten Welt zuschütten und damit zerstören lassen. Kann man der auf das 'christliche Abendland' gerichteten Vernichtungswut der Satansmacht einen größeren Dienst erweisen?
Noch dazu, da dem 'Menschenmörder seit Anbeginn" eine triumphale Ermutigung für sein Werk dadurch zuteil wird, daß, wie R. Mäder beklagt, "die Jünger der Kirche schlafen, und deshalb die Irrtums - und Lügensaat der Hölle nicht sehen (bzw.nicht sehen wollen - Anm.d.V.) obwohl man die Früchte des verbotenen ausgewachsenen Baumes mit Händen greifen könne"!
Dürfen wir trotz allem so die Schicksalsfrage stellen, noch auf eine Rettung hoffen? Unser Heiland Jesus Christus belehrt uns durch das Wort der Heiligen Schrift, "daß bei Gott alles möglich ist" (Matt. 19,26; Mk. 1O,27; Lk. 18,27). Jedoch ergibt sich aus dem Schriftzeugnis nicht, daß das "Alles möglich machen durch Gott" eigenes menschliches Tun und die Entfaltung menschlicher Aktivitäten und Fähigkeiten verzichtbar werden ließe. Es bedarf nicht weniger einer durch Menschen zumindest ansatzweise herbeigeführten (geistigen) Bodenbereitung. In dem Maße wie dies nicht geschieht, wird ein rettendes "Möglich machen durch Gott" kaum zu erwarten sein.
Es war wiederum R. Mäder, der alle diese Zusammenhänge unter dem bestimmenden heilsgeschichtlichen Aspekt intuitiv erfaßt hat, als er in seiner Schrift "Der heilige Geist und der dämonische Geist" folgendes bedenkt und überzeugend klar zum Ausdruck bringt, wenn er sagt: "Die Alternative 'Rettung oder Untergang' gilt nicht nur für den Einzelnen, sondern für die Gesamtheit. Die Sünde des Abendlandes war und ist nicht nur eine Privatsünde, sondern eine Sünde der Gesellschaft. Und darum besteht die Rettung des Abendlandes nicht nur in der Bekehrung einer Privatperson, sondern in der Bekehrung des Volkes. Nicht nur in der Bekehrung des Deutschen, des Franzosen, des Engländers, des Italieners, des Schweizers, sondern in der Bekehrung Deutschlands, Frankreichs, Englands, Italiens, der Schweiz - weg vom Naturalismus, hin zur (allein die Rettung verbürgenden Anm.d.V.) Übernatur".
Doch bei den herrschenden global-geopolitischen Konstellationen, wo weitestgehend dem wahren christlich-abendländischen Geist diametral entgegengesetzt agiert wird, erweist sich die (rettung-verheißende) Vision eines R. Mäder fern jeglicher Realisierung, ferner denn je; denn dem Abendländer ist der vom Heiligen Geist dem Menschen eingegebene Spürsinn für die herausfordernde Brisanz der o.g. Alternative abhanden gekommen: die Alternative, Gott oder sein Widersacher - ein Mittleres ist und war niemals heilsgeschichtlich existent.
Bedenkt man das in seiner ganzen Spannungsgeladenheit und Tragweite, könnte sehr bald endgültig die Zeit vertan sein, da man zu spät erkennt, daß sich das Damoklesschwert immer tiefer und bedrohlicher auf das herabsenkt, was man bis heute noch als das sog. 'christliche Abendland' zu sehen glaubt!
Es ist blind und taub geworden für das, "was ihm zum wahren und dauernden Frieden dient" (vgl. Lk. 19,42 bzw. 2 Thess. 2,9-12). Daher wird, so muß befürchtet werden, für das Abendland das in Erfüllung gehen, was unser Heiland Jesus Christus in Lk. 19, 43-44 angedroht hat, also nicht allein für Jerusalem von damals, sondern für die genannte Stadt von heute: "Denn es werden Tage über dich kommen, an denen deine Feinde einen Wall aufwerfen rings um dich und dich einschließen und bedrängen von allen Seiten. Sie werden dich niedermachen und deine Kinder in dir und nicht Stein auf Stein in dir lassen, weil du nicht erkannt hast die Zeit deiner Heimsuchung." Die von Christus angedrohten Strafen betreffen vielmeher das allzeit Böse und Gottwidrige denn, so analysierte z.B. James Hitchcock, USA, die Situation von Glauben und Kirche als "Identitätskrise, die bereits nahezu kosmische Ausmaße angenommen und erreicht habe".
Die liberalistischen Irrtümer als Folge der Vernaturalisierung haben, wie es bereits 1878 Kardinal Newman sah, sich "Fallstricken vergleichbar, über die Erde ausgebreitet" (zitiert von P.G. Hermes in "Herrlichkeit der Gnade" S. 5/6). Und Hermes selbst ergänzt: "Der'Fortschritt' ist über die großen Rufer und Warner hinweggegangen, und nach dieser Erfahrung erscheint es aussichtslos, das Verlorene wieder in Geist und Herz der Gläubigen zurückzuholen, die 'kostbare Perle', die man ins Geschäft gesteckt hat, wiedergewinnen zu wollen... Es entscheidet sich alles daran, ob wir dem Stolz der Schlange verfallen oder Demut lernen wie die Magd des Herrn, die "Mater divinae gratiae" (s.a.a.O. S.6 u. 204).
Es spricht fast alles dafür, daß die Entscheidung zugunsten der "stolzen Schlange" gefallen ist, und das unumkehrbar. Das Schicksal des Abendlandes - ein immer größer werdender Fleck der Heilsgeschichte - dürfte, so scheint es, besiegelt sein.
|