Die Erfassung der Einheit (des Wesens) Gottes in der Offenbarung der Trinität der göttlichen Personen
von Günther Storck
Zweifellos ist die trinitarische Gottesvorstellung das Spezifikum der christlichen Offenbarung. 1) Dieser Grundsatz gilt ebenso für die Theologie als Reflexion der Offenbarung, so daß man sagen darf, eine Theologie, die die Trinität aufgebe, verzichte darauf, als christliche Theologie, als Theologie der christlichen Offenbarung gelten zu wollen.
Der entscheidende Grund für die Annahme der Trinität und die Entwicklung einer ihr adäquaten Lehre ist zunächst die positive Offenbarung Gottes. Sie ist vorausgesetzt. Die Repräsentation Gottes erzwingt die doppelte Annahme, daß es einerseits Gott selbst ist, der erscheint - sonst könnte man nicht von einer Offenbarung bzw. der Offenbarung Gottes sprechen; daß es sich aber andererseits wiederum nicht um das Sein Gottes in sich handelt, das erscheint, denn Gott in sich ist absolut und transzendent. Als solcher kann er gar nicht erscheinen. Identität und Differenz müssen zugleich erscheinen, damit von einer Offenbarung Gottes, die seine absolute Transzendenz aber nicht alteriert, gesprochen werden kann. In dem Begriff der Repräsentanz, der Erscheinung oder des Bildes sind jene zwei Momente der Identität und der Differenz ursprünglich verbunden. Das Bild ist nicht leeres Bild, sondern erfülltes Bild. Die Erscheinung nicht bloßer Schein, sondern die Wahrheit (in sich) in die Offenbarkeit treten lassende Äußerung. Trotz dieser Qualifizierung aber handelt es sich um die Erscheinung Gottes, seine Äußerung, nicht aber sein Sein in sich!
Von diesem Begriff der Erscheinung oder der Repräsentation her ist der Sohnestitel zu deuten, der grundliegend die Identität Gottes zum Ausdruck bringt. Da aber andererseits auch eine Differenz ausgesagt wird - Gott muß die Bedingungen der Erscheinung annehmen, um in ihnen und unter ihnen sich offenbaren zu können - 2) muß in und trotz der Differenz der nicht aufgehobene Bezug zum Sein Gottes in sich in Erscheinung treten. Dieser Bezug aber ist wechselseitig: der Bezug des Seins Gottes in sich zu seiner Offenbarung und der Bezug der Offenbarung Gottes zum Sein Gottes in sich.
Die Theologie hat diesen wechselseitigen Bezug als Relation des Vaters zum Sohn und des Sohnes zum Vater ausgedrückt und sie ihrerseits personal als wechselseitige Liebe in der dritten göttlichen Person des Heiligen Geistes artikuliert.
Die Lösung der Theologie in der Frage der Einheit Gottes und seiner Trinität lautet: Es ist ein einziger Gott der Wesenheit nach, der in drei Personen (Vater, Sohn und Heiliger Geist) existiert. Una essentia - tres personae. 3)
Die von der Theologie mit dieser Lösung aber nicht entschiedene Frage ist die, in welcher Weise die Einheit Gottes und die Trinität gleicherweise ausgesagt und verstanden werden können. 4)
Es ist wenig bzw. nichts damit gewonnen, in diesem Zusammenhang vom Mysterium zu sprechen und die Unauflösbarkeit eines Problems einzuwenden. Wissenschaftlich müßte als Mindestforderung (und zwar einsichtig!) gezeigt werden, warum eine bzw. diese Frage nicht gelöst werden kann. Sonst erliegt man allzu leicht der Gefahr, die Grenzen des individuellen Erkennens zu verallgemeinern. Positiv ist zu sagen, daß, wenn das Absolute trinitarisch erscheint, es als absolute Erscheinung angenommen und erkannt werden muß. Sonst bliebe der trinitarische Glaube dem Verstehen so äußerlich und unzugänglich wie dem Blinden die Farbe. Historisch ist auf die bemerkenswerte Tatsache hinzuweisen, daß von der Offenbarung der Trinität ausgehend der positiv zu bewertende Versuch unternommen wurde, trinitarische Analogien als »vestigia trinitatis« zu entdecken. Grundsätzlich hat das Axiom, das diese Bemühung begründet und rechtfertigt, Augustinus formuliert: »Oportet igitur ut creatorem per ea quae facta sunt intellectum conspicientes, trinitatem intelligamus, cuius in creatura quomodo dignum est, apparet vestigium.« 5)
K. Barth nennt als vorkommende Typen solcher Analogien in der Theologie die Natur, die Kultur, die Geschichte, die Religion und die Seele. 6) Barth wird letztlich trotz einiger positiver Würdigung (»Der ... Eindruck ist doch unleugbar der, daß irgend etwas, wenn auch bald mehr bald weniger >dran sein< muß an der Beziehung zwischen der Trinität und all den Dreiheiten, auf die wir da hingewiesen werden ... Es fragt sich nur: was?« 7) auf Grund seines systematischen Ansatzes in der Leugnung der »Analogia entis« diesem theologischen Bemühen nicht gerecht. 8)
Die merkwürdige Unsicherheit Barths in dem zitierten Wort rührt m.E. daher, daß die zentrale Analogie in der theologischen Argumentation eben doch nicht, jedenfalls nicht deutlich artikuliert wurde. Sonst müßte es in die Augen springen, was an der Beziehung der Trinität zu ihrem eigentlichen Analogon »dran« ist! Barth müßte sich dann freilich zu einer grundlegenden Korrektur seines systematischen Grundprinzips veranlaßt sehen.
Der allgemeine Fehler in den aufgewiesenen Analogien ist der, daß es sich um abgeleitete, mittelbare Analogien handelt. Darin ist Augustinus jedenfalls allen Theologen, die so verfahren, voraus, daß er die Analogien im Geist aufsucht. Der Geist selbst ist ja das Ebenbild Gottes und, da Gott trinitarisch ist, das trinitarische Ebenbild Gottes! »Wie lange, o Mensch, schweifst du durch die Schöpfung? Zu dir kehre zurück, dich betrachte, über dich rede! ... Wenn du in der Schöpfung suchst, so suche in dir selber!« 9)
Die Einheit und Trinität zugleich zu prädizieren, bedeutet die Zulassung eines Widerspruchs, der auch in Gott nicht angenommen werden darf. Hilft man sich mit dem Hinweis, daß in der theologischen Aussage der Unterscheidungscharakter durch die Hinsicht auf die »essentia« und die »personae« angegeben werde, so müßte aufgezeigt werden, wie diese Unterscheidung von »essentia« und »personae« in Gott gewonnen wird und worin die Einheit in den unterschiedenen Hinsichten besteht. 10)
Man sieht, wie die wissenschaftliche Fragestellung, wird sie einmal zugelassen, mit innerer Notwendigkeit und Stringenz dazu zwingt, die absolute Einsicht zu suchen. Und das ist nicht etwa ein Manko der Wissenschaft, das man verdächtigen muß, das ist keine curiositas, sondern die aus der (prinzipiellen und konkreten) Offenbarung Gottes sich ergebende Forderung, Gott ganz zu lieben und ihn in dieser Liebe zugleich ganz zu erkennen. Fides quaerens atque (da das Suchen sinnvollerweise die reale Möglichkeit des Findens impliziert) inveniens intellectum!
Man muß hier - um einem entsprechenden Einwand zu begegnen - auch nicht befürchten, der Charakter des Mysteriums werde etwa angetastet. Um im Bilde zu sprechen: Wenn man alle begrifflichen Bestimmungen, die wissenschaftlich möglich und notwendig sind, an einer Blume getroffen hat, hört die Blume auf, ihren zauberhaften Charakter zu verlieren? Keineswegs! Wenn man alle wissenschaftlich-reflexiv möglichen Aussagen über die Liebe gemacht hat, verliert die Liebe dadurch ihren Charakter des Mysteriums?
In der Liebe (und im Mysterium) ist nichts Irrationales. 11) Und gerade die Liebe ist es, von der und in der die eigentliche Erkenntnis möglich ist.
Der Verzicht auf die notwendige und gesolite Einsicht ist keine Tugend, sondern eher Indiz eines Glaubens, der seiner bzw. Gottes letztlich doch nicht ganz gewiß ist und von der Sorge beunruhigt sein mag, es könne letztlich doch etwas nicht stimmen. 12)
Die Lösung der für die ratio bestehenden Fragen hebt den Charakter des Mysteriums nicht auf. Im Gegenteil! Sie fährt tiefer hinein! Wenn es anders wäre, wäre das Erkennen und vor allem das wissenschaftliche Erkennen das größte Übel, und man müßte eindringlich auf die fatalen Folgen hinweisen. 13)
Vor einer solchen Konsequenz aber, die heute in manchen Kreisen der Kirche besonders naheliegt und die letztlich in einen Fideismus führt, der das Leben stranguliert, kann man nur warnen! Das Christentum wird unter dieser Voraussetzung unweigerlich zu einer provinziellen Religion verkehrt!
Um nun zur eigentlichen Fragestellung zurückzukommen: Wie ist die Einheit Gottes und die Trinität zu verstehen, ohne daß der Vorwurf des Widerspruches erhoben werden kann?
Um die Antwort auf diese Frage zu geben, muß ein wenig weiter ausgeholt werden. 14)
Die prinzipielle Form der (bloßen) Erscheinung, als Bewußtsein für sich, ist die Reflexivität. Ich bin mir meiner bewußt. Der Differenzierung von Subjekt (Ich) und Objekt (meiner) liegt notwendig eine Einheit zugrunde. Ohne diese (in intellektueller Anschauung erfaßte) Identität könnte es zu keinem Ich kommen. Und diese Identität wird zugleich im Wissen und als Wissen gewußt.
Ebenso erscheint das Absolute als absoluter Wert in der Erscheinung als reflexiver Wille. Die Wahrheit tritt nicht als indifferenter Wille auf, sondern als Wille, der etwas Spezifisches will, und das Gegenteil wertnegierend ausschließt. 15)
Und zwar geht dieser wertimmanente Wille, der etwas will, zunächst auf sich selbst. Er ist bezogen auf sich selbst. Er will (als wahrer Wertwille) sich (als wahren Wertwillen) selbst. Wille ist als Wille und in der Form des Wollens auf sich bezogen. Material gesprochen: Wahrheit will sich selbst. In der ethischen Qualität des Wertes heißt das: Die Liebe will (in der Form des liebenden Willens) Liebe. Die Liebe liebt die Liebe bzw. sich selbst. Die Liebe bejaht oder will sich selbst. Die Liebe will die Liebe.
Nun ist in der prinzipiellen Offenbarung dieser materielle Wertwille zugleich gerichtet an eine formale, indifferente Freiheit, die sich in Freiheit und aus Freiheit dem materialen Wertwillen eröffnen soll. Wird der absolute Wert bejaht, so wird die spezifische Qualität des Wertes bejaht, deren Wille reflexiver Wille ist. Da dieser materiale Wille Liebe wollende Liebe ist, so muß die Formalfreiheit eine Liebe wollen, die ihrerseits die Liebe will.
Nun kann der Geist als bloßes Individuum aber nicht eine Liebe wollen, die ihrerseits Liebe will. Er kann allenfalls lieben, aber er kann nicht eine Liebe wollen, die ihrerseits (freie) Liebe will, weil es dazu eines zweitenfreien Willens bedürfte. Das Individuum ist nur bezogen auf sich als freies Wollen. Es soll aber etwas wollen, was seinerseits als freier Wille (Liebe) will. Es soll als Wille bezogen sein auf ein Wollen, das seinerseits bezogen ist auf das erste Wollen. Beide Willen sollen sich gegenseitig wollen als Wille, der die Liebe will. Der sittliche Wille kann sich also in einfacher Potenz als sittlicher Wille gar nicht realisieren.
»Der sittliche Wert erfordert demnach eine Wirklichkeit, in der das Ich des Bewußtseins zur Interperson schematisiert ist.« 16) Aus diesem Sachverhalt, der abgeleitet ist aus der immanenten Qualität des absoluten Wertes, ergibt sich die einsichtige Begründung der Interpersonalität und der Theorie der Interpersonalität. Die Person kann demnach nur als auf die andere Person bezogene Realität gedacht werden.
»Eine Person ist eine vernünftige Freiheit, die durch eine andere vernünftige Freiheit ermöglicht, eingegrenzt und vollendungsfähig wird.« 17)
Diese Realität ist einerseits Bedingung der Möglichkeit der Individualität und andererseits zugleich deren Grenze. Würde man allein diese Momente der interpersonalen Relation sehen, so wäre das Ich zwischen der Bejahung seiner durch die Interpersonalität ermöglichten Existenz und der Negation dieser Interpersonalität, die die wesentliche Grenze des Ich darstellt, hin und her gerissen. 18)
Es könnte die Interpersonalität nicht bejahen, weil sie die Grenze des Individuums ist. Es könnte sie nicht (jedenfalls nicht total) negieren, weil die Interpersonalität die Bedingung der Möglichkeit der eigenen Existenz als Individuum ist.
Entscheidend für die interpersonale Relation - und dieser Aspekt führt über die angegebene Dialektik hinaus - ist aber die in ihr und mit ihr immer als Möglichkeit gesetzte Vollendung in der Einheit der beiden Willen. 19)
Diese Vollendung des einen Individuums durch das andere und des anderen durch das erste wird nämlich in der interpersonalen Beziehung durch das Erscheinen des sittlichen Wertes eröffnet. Die Realität dieser Vollendung gelingt im Falle der Bejahung des sittlichen Wertes durch die eine und durch die andere Person. In diesem Fall der positiven Annahme des sittlichen Wertes will die erste Person das, was auch die zweite Person will: sittliche Liebe wollende Liebe. Beide vollenden sich im gemeinsamen Wollen des sittlich Gesoilten. Die eine Person ist nicht mehr die Grenze der Individualität bzw. deren Negation, sondern ihre Erfüllung. Beide einen sich in der Einheit der materialen Liebe. 20)
In der konkreten Offenbarung erscheint der reflexive materiale Wert der Liebe als das konkret erscheinende Urbild der interpersonalen Relation. Die konkrete Offenbarung kann als Offenbarung der konkreten Liebe sich nur personal manifestieren und, da die Materialität des sittlichen Wertes nicht Liebe in einfacher Potenz ist, sondern Liebe im reflexiven Sinne (Liebe wollende Liebe) ist, muß sie sich als interpersonale Liebe manifestieren. Die Reflexivität des prinzipiellen materialen Wertes ist dabei der für die Erkenntnis der trinitarisch sich offenbarenden konkreten Liebe eigentliche und zureichende vernünftige Grund. 21)
An dieser Stelle zeigt sich die Genialität des augustinischen Gedankens, daß die Gottebenbildlichkeit des Menschen, da Gott sich in drei Personen in Relationen offenbart, sich trinitarisch entfalten und darstellen lassen müsse. Aus diesem Gedanken der trinitarischen Ebenbildlichkeit entspringen die Bemühungen um die Auffindung der »vestigia trinitatis« im geschaffenen Bereich und vor allem im Menschen selbst. 22)
Auch hierin ist Augustinus späteren theologischen Versuchen überlegen, daß er die »vestigia« vor allem im Menschen als dem Ebenbild Gottes aufsucht. 23)
Die Defizienz der augustinischen Entfaltungen der trinitarischen Ebenbildlichkeit des endlichen Wesens liegen aber darin, daß Augustinus die Analogie in ontischen Einzelmomenten des Individuums sucht und zu finden glaubt. Daher rührt der Eindruck, daß es sich letztlich doch nicht um Nachweise handelt, die den Charakter der Stringenz zu beanspruchen vermögen. K. Barth hat sicher recht, wenn er bemerkt, daß manches an diesen (und den) Bemühungen (späterer Theologen) den heutigen Leser als »spielerisch« berührt. 24)
Die trinitarische Gottebenbildlichkeit kann aber stringent nachgewiesen und eingesehen werden, wenn die Person nicht als Individuum, 25) sondern als Glied der interpersonalen Beziehung verstanden wird. Dann ist nicht die Person als Individuum, sondern die Interperson die eigentliche Entsprechung zur göttlichen Trinität.
Dabei kann man, wenn man will, die philosophische Struktur der Interpersonalität als formale Ebenbildlichkeit und den konkreten Liebesschluß von zwei Personen als eigentlich reale oder materiale trinitarische Ebenbildlichkeit charakterisieren. Es ist aber auf jeden Fall hervorzuheben, daß auf die materiale Ebenbildlichkeit alles ankommt. Die formale Interpersonalität ist lediglich die transzendentale Bedingung der Möglichkeit der realen Liebesbeziehung. 26)
Diese formale Interpersonalität vermag sogar nur in und aus der material erfüllten konkreten Liebe erkannt und aus ihr als reflexive Einsicht der Bedingung ihrer Möglichkeit erkannt zu werden.
Es ist also in concreto gar nicht zu leugnen, daß die Offenbarung der Trinität Gottes hier vorausgesetzt wird. Erst in der durch sie ermöglichten Liebe wird die Liebe (in der Interpersonalität) als Abbild der urbildlichen trinitarischen Beziehung der göttlichen Personen zueinander erfaßbar. 27)
Aber hier gilt wiederum, daß dieser Hinweis keine Beeinträchtigung des Erkenntnischarakters darstellt. Die Erkenntnis wird in der Offenbarung der Liebe und deren Annahme im Individuum als Erkenntnis vollzogen. Die Erkenntnisdignität wird aber nicht durch das Individuum sozusagen konstituiert. Ratiocinatio non facit, sed invenit cognitionem!
Jedenfalls wird durch diese Entsprechung in der interpersonalen Relation der Liebe zwischen den drei göttlichen Personen als dem Urbild und ihrem abbildlichen Vollzug in der Liebe der endlichen Personen die ursprüngliche Ebenbildlichkeit des Vernunftwesens als des trinitarischen Bildes Gottes erkennbar.
Hier liegt die Antwort auf die von Barth gestellte Frage, was eigentlich an der Beziehung zwischen der Trinität und den Dreiheiten als »vestigia trinitatis« »dran« sei. Nur in der aufgewiesenen Entsprechung hat die Ebenbildlichkeit einen unmittelbaren und ursprünglichen Sinn, und ist dieser Sinn ursprünglich einsehbar.
Die konkrete Offenbarung ermöglicht dabei dem Vernunftwesen eine über seine eigenen Energien hinausgehende Liebe. Denn in der konkreten Beziehung zur unmittelbar erscheinenden Person Gottes, in dieser konkreten Liebe und aus ihr ist auch eine unendlich intensivere Form der endlichen interpersonalen Beziehung möglich und gesollt.28)
Die endliche interpersonale Beziehung kann so selbst Liebe im qualifizierten absoluten Sinn werden, in der Gott erfahren wird. Aber freilich hat diese Liebe ihre absolute Qualität als Liebe nur in und aus der Liebe Gottes. 29)
Es ist deshalb darauf hinzuweisen, daß die Absolutheit Gottes auch in seiner Schöpfung bzw. seinem Abbild durchaus erhalten bleibt. Aus sich (in einem absoluten Sinne verstanden) vermag die endliche Person und Interperson die ursprüngliche Einheit nicht zu erreichen. Die aus sich lebende Person und Interperson scheitert gerade in ihrer Einigung und ihrer Bemühung um die Fülle des Lebens. Die Position Sartres kann als klassischer Beleg hier die (historische) Bestätigung darstellen.
Die Absolutheit der Qualität der Liebe, in der und durch die die materiale Abbildlichkeit in der interpersonalen endlichen Liebe möglich ist, verbietet auch, diese Liebe als geschlechtliche Liebe zu verstehen. 30)
Andererseits ist ebenso der heute besonders naheliegende theologische Versuch abzuweisen, der in der Annahme, die trinitarischen göttlichen Personen seien in ihrer Beziehung als geschlechtliche Bestimmtheiten zu verstehen, besteht.
Beide Ansätze projizieren ein endliches Verhältnis, und zwar ein defizientes, in dem das Spezifikum der absoluten Liebe nicht erscheint, als absolut.
Es handelt sich in der Qualität der Liebe um eine metaphysische Qualität, die nur in der bedingungslosen und uneingeschränkten Annahme ihrer selbst vollzogen werden kann. Mit diesem Hinweis ist auch der Einwand Barths widerlegt, es gehe bei dem Nachweis der »vestigia trinitatis« um etwas ganz anderes: » Vestigia trinitatis in creatura sagte man und meinte doch vielleicht eigentlich vielmehr so etwas wie vestigia creaturae in trinitate ... « 31)
Die Absolutheit Gottes ist auch auf einem anderen Wege zu erweisen.
In der endlichen interpersonalen Relation ist die Einheit und die in ihr mögliche Erfüllung immer gefährdet, da die Personen faktisch weiter Individuen bleiben, die sich in der Zeit zu realisieren haben. Faktisch sind die Prinzipien des Willens der zwei Personen also weiterhin nicht identisch, sondern verschieden. Daher rührt die ständig lauernde Gefahr, daß die Einheit der Liebe zerbricht bzw. zerbrechen kann. Nur die höchste Wachsamkeit, Konzentration und die energische Attention darauf, in der Liebe bleiben zu wollen, vermöchte, sofern diese Anstrengung auf beiden Seiten geschieht, die Liebe dauernd zu realisieren.
In Gott sind die drei Personen aber nicht voneinander getrennt, sondern gerade eine Einheit in der Einheit des Wesens. Nichts vermag - sei es von außen, was gar nicht angenommen werden kann, weil es eine Einwirkung von außen auf Gott nicht geben kann, noch vom inneren Wollen, was nicht angenommen werden soll bzw. darf, weil Gott unzeitlich reiner Wille (reine Liebe) ist, in dem keine Abweichung von seinem Wollen, keine sittliche Defizienz auftritt - die Einheit des Wesens der Liebe zu tangieren.
Um nun zu der Frage, wie die Einheit Gottes und die Trinität der göttlichen Personen zugleich anzunehmen ist, zu kommen, sei darauf hingewiesen, daß die Vorstellung Gottes als Einheit dem Wesen nach und als Trinität der Personen dem realen Gehalt nach identisch sein muß. Es kann in Gott gerade keine reale Differenz zwischen seinem Wesen und der Trinität der Personen angenommen werden. Also muß die hier zur Rede stehende Differenzierung durch die Art der Hinsicht begründet sein. Die Einheit des Wesens muß ebenso wie die Trinität der göttlichen Personen Liebe sein. Auch wenn die konkrete Fülle des Lebens Gottes nicht ausgeschöpft werden kann, sein Sein nicht umfassend erfaßt werden kann, so kann und muß doch gesagt werden, daß die Einheit des Wesens Gottes nichts von der Trinität der göttlichen Personen realiter Verschiedenes sein kann. Sonst müßte in Gott eine Verschiedenheit des Seins angenommen werden, was undenkbar ist. 32)
Wie schon angedeutet, muß die Differenzierung, wenn ein Widerspruch in Gott vermieden werden soll, durch die Art der Einsicht begründet sein.
So ist es m.E. tatsächlich! Die Differenzierung ist begründet durch die Unterscheidung Gottes, insofern er sich offenbart (und er kann - wie gezeigt - sich als Liebe nur personal offenbaren!) und insofern das Sein Gottes in sich betrachtet wird. Die Offenbarung Gottes in drei Personen ist nicht etwa Schein - wie der Modalismus annimmt, nachdem es sich in der Offenbarung in drei Personen bloß um Modi der Einheit Gottes handelte -' sondern wahrhafte Erscheinung der Liebe Gottes. Allein in der Trinität der Personen ist eine Inkarnation Gottes und die Anteilgabe der göttlichen Liebe an den endlichen Adressaten möglich. Aber unabhängig von dieser Offenbarung der Liebe in den drei Personen ist die Liebe in sich absolute Einheit, die unverletzbar, unaufhebbar, unzeitlich absolut ist.
Die Trinität ist so aus der oikonomia [d.i. Heilsordnung] des göttlichen Willens zur Offenbarung seiner Liebe zu verstehen und ist in diesem Sinne als »ökonomische« Trinität zu charakterisieren. 33)
Unabhängig von dieser Offenbarung der Trinität seiner Liebe bleibt Gott aber in sich absolute Einheit. Wie die Trinität der Personen und die Einheit des Wesens identisch sein können, ist m.E. auch intelligierend zu erfassen. In der Wesenseinheit Gottes sind nämlich die drei Personen als jede dasselbe wollend eins. Jede will Liebe wollende Liebe. Was in der ökonomischen Trinität als Relation der drei Personen zueinander erscheint, ist in der Einheit des Wesens eine ungeschiedene Willenseinheit, reiner Lichtakt, absolute Liebe. Insofern in der Offenbarung Gottes in der Trinität die gleiche absolute Qualität der Liebe in Erscheinung tritt, die Gott in sich ist, muß mit vollem Recht die Einheit von Trinität und dem göttlichen Wesen behauptet werden. Gott in sich ist nicht different von seiner Erscheinung! Insofern er in der Offenbarung als Liebe erscheint, erscheint diese Liebe als personale Liebe, d. h. in interpersonaler Relation, die notwendig ist, damit die Liebe sich als Liebe manifestieren kann.
Die absolute Liebe - Gott in sich - tritt nämlich in der Offenbarung der Liebe, die ja zugleich die Liebe einem Adressaten eröffnen soll, aus sich heraus, um sich diesem Adressaten mitteilen zu können. Die Liebe muß also nicht nur interpersonal in der Geschichte begegnen, sondern sie muß sich auch dem inneren Wollen der endlichen Person einen, denn sonst könnte diese die absolute Liebe nicht (in der Form absoluter Liebe) erwidern. Interpersonal-geschichtliche Erscheinung und Geistbegnadung sind so die durch die Auffaltung der Einheit der Liebe Gottes zur Trinität ermöglichte und die endliche Person in die trinitarische Relation der Liebe aufnehmende Offenbarungsweise der Liebe Gottes.
Jetzt wird verständlich, warum die Trinität so zentral die christliche Gottesvorstellung zum Ausdruck bringt. Denn Gott ist einem Wesen nach Liebe und diese Liebe ist ihrem Wesen nach offenbarende, sich mitteilende Liebe: amor est diffusivus sui! Insofern muß sowohl die Trinität wie die Einheit der Liebe ausgesagt werden, um ihre Absolutheit und die in ihrem Wesenscharakter liegende diffusio zu wahren.
Freilich ist diese Aussage von dem inneren Wesen der Liebe als Mitteilung ihrer selbst ermöglicht von einem absoluten Faktum her, das man nicht (und niemals!) deduzieren kann: dem geschichtlichen Ereignis der Inkarnation und Geistsendung, von dem her diese Einsicht für das individuelle Erkennen eröffnet ist.
Gott mußte sich nicht offenbaren, obwohl, wenn er sich offenbart, diese Offenbarung seiner selbst als seinem Wesen entsprechend eingesehen werden kann. Aber zwischen Gott und seiner Offenbarung liegt ein Hiat, der prinzipiell nicht überwindbar ist, 34) von dem sogar eingesehen werden kann, daß er und warum er prinzipiell nicht einsehbar ist.
Gott ist in sich absolute Einheit, absolute Identität, die keinen Gegensatz und nichts außer sich hat oder eines anderen bedarf. Es ist nicht einmal ein »Schatten« oder Einheit außer Gott anzunehmen, auch nicht eine reine Potentialität, das »Vielfache«, das Teilhard in seiner Einigungsmetaphysik ansetzt, um das Absolute und die Schöpfung der (absoluten) Gesetzmäßigkeit des Einigungsprozesses zu unterwerfen.35)
Gott eint sich nicht, weil er keinen Gegensatz hat. Er ist absolute Einheit; die Akteinheit der materialen Liebe, die - unbeschadet der Offenbarung seiner Liebe in der Trinität - in sich vollendet und erfüllt ist. Bezeichnenderweise benutzen Autoren wie Schelling und Hegel 36) nämlich gerade die theologische Trinitätskonzeption, um das philosophische Konzept des Grund-Folge-Prinzips im Wechsel an ihr zu verifizieren bzw. sie als (scheinbare) Bestätigung der eigenen völlig anders gearteten philosophischen Konzeption vorzuführen.
Die Konzeption Fichtes geht in ihren Prinzipien wie in ihrer Ausführung darauf hinaus, die Absolutheit des Absoluten durchgängig philosophisch durchzusetzen. Der von ihm zu Recht erhobene Ein-wand, daß das Absolute sowohl in der Philosophie wie weitgehend in der Theologie depotenziert sei, daß in ihnen vielmehr nur das endliche Sein absolut projiziert werde und deshalb als Resultat ein toter Gott erscheine, sollte gerade auf die grundlegende Differenz zwischen dem Absoluten und seiner Erscheinung aufmerksam machen und in der Synthese von Absolutem und der in ihm bewährten Erscheinung zugleich eine echte Erkenntnislehre und eine wahrhafte Sittlichkeit begründen.
Nur auf diese Weise ist der grundlegende biblische Satz, daß der Mensch nach dem Bilde Gottes geschaffen sei, wissenschaftlich einsichtig zu machen und gegen die Theoreme und Ideologien, nach deren letztem Grundsatz der Mensch es ist, der sich Gott nach seinem Bilde erschafft, in einem rational geklärten Leben und im lebendigen Wissen wirksam zu vertreten.
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Anmerkungen: 1) Vgl. etwa K. Barth, Kirchliche Dogmatik I, 1, S. 311 ff.; »Sie (die Trinitätsiehre) ist auch ein Bestandteil, und zwar der entscheidende Bestandteil der ... Gotteslehre ... Man kann in einer Dogmatik der christlichen Kirche vom Wesen und von den Eigenschaften Gottes nicht recht reden, wenn nicht vorausgesetzt ist: es ist Gott Vater, Sohn und Heiliger Geist, von dem da die Rede ist«. Ebd., 5. 329. »Der biblische Offenbarungsbegriff ist selbst die Wurzel der Trinitätslehre«. Ebd., S. 353. Von dieser Voraussetzung aus ist es also falsch, zu sagen: »Spezifisch ist das Christologische, woher biblisch und dogmengeschichtlich alles Trinitarische abgeleitet erscheint«. H. Küng, Christsein, München / Zürich 1975, S.465. Die Offenbarung Gottes setzt als Bedingung ihrer Möglichkeit die Trinität voraus. Die Trinität kann also nicht als eine Ableitung der Christologie charakterisiert werden. Eine derartige These wäre nur möglich, wenn der »Sohn Gottes« als nicht mit Gott identisch aufgefaßt würde. Aber dann ist die Rede von der Trinität nur noch als symbolisches Sprechen unter Verwendung einer ausgezeichneten Zahl zu verstehen. 2) Er muß die forma hominis annehmen, damit eine Inkarnation möglich ist! 3) Vgl etwa DS 804. In diesem Kanon wird zugleich ausdrücklich hervorgehoben, daß es sich um eine »Trinitas« und nicht um eine »Quaternitas« handelt. Es scheint also nicht so belanglos, wie man es gelegentlich bei modernen Theologen lesen kann, ob Gott in drei (oder beliebig vielen Personen) existiert. Vgl. auch etwa H.Küng, Christsein, a.a.O., S.464 f.: »Aber gerade die seit Urgedenken als ursprünglichste Einheit in Vielfalt faszinierende, für Religion, Mythos, Kunst und Literatur und selbst den Alltag ungemein wichtige Zahl 3 und die (von Rom und Griechenland bis Indien und China sich findende) Dreiergottheit sind offensichtlich alles andere als spezifisch christlich.« 4) Damit hängt zusammen die - auch historisch - entscheidende Frage, wie die Position des Monotheismus, der schon im Alten Testament das Charakteristikum des Offenbarungsglaubens ist, mit der trinitarischen Auffassung des Neuen Testamentes zu verbinden sei. Der Einwand der jüdischen Theologie gegen den Ditheismus bzw. Tritheismus ist m.E. von christlicher Seite nicht gelöst, jedenfalls reflexiv nicht einsichtig gelöst. 5) De Trinitate, VI, 10. 6) Kirchliche Dogmatik, I, 1, S. 355 ff. 7) Ebd., 5. 358. 8) Vgl. ebd., S. 360 ff. 9) Augustinus, Sermo 52, c. 6 n. 17. Diese Stelle wird zitiert von M. Schmaus, Die psychologische Trinitätsiehre des Heiligen Augustinus, Münster 1967, 5. 197. Auf die behutsamen Interpretationen in diesem Buch sei besonders hingewiesen! 10) Wollte man diesen Einwand als Argument der »garrula logica« diskreditieren, so gerät man unvermeidlich in einen Panlogismus bzw. Pantheismus, in dem alles und nichts vom Absoluten prädiziert werden kann. Diese Position ist so zugleich ein eindeutiger Agnostizismus, mit dem wissenschaftlich bzw. theologisch nichts gewonnen ist. Man hat dann zwar einen lästigen Einwand auf die Seite gebracht, muß aber einen fatalen Tribut dafür entrichten. Wird der Widerspruch einmal zugelassen, wird überhaupt nichts mehr gesagt bzw. erkannt! H. Albert bemerkt mit Recht, daß »die Aufgabe des Prinzips der Widerspruchsfreiheit zugunsten eines oft >dialektisch< genannten Denkens ... zwar in gewissen Fällen äußerst bequem sein« möge; sie mache aber »wie wir wissen, beliebige Konsequenzen ableitbar«, bedeute »also gewissermaßen eine logische Katastrophe, da sie den Zusammenbruch jeder sinnvollen Argumentation« involviere; Traktat über kritische Vernunft, Tübingen 1975, S. 105. 11) Wer eine intellektuelle oder reflexive Ungeklärtheit zum Mysterium erhebt, der muß sich mit Recht den Vorwurf gefallen lassen, er wolle die wissenschaftliche Fragestellung abschneiden. Jedenfalls wird das Mysterium dann mystifiziert. Das Mysterium ist aber wesentlich Licht, nicht Dunkel! Es sei in diesem Zusammenhang hingewiesen auf die interessante Bemerkung Hans Alberts, a.a.O., S. 114, A 27. Der Vorwurf, der gegen den unbedachten und unkritischen Gebrauch spezifisch theologischer Termini erhoben wird, besteht m.E. zu Recht. Daß diese theologische Sprechweise dem Verdacht des »Immunisierungsversuches« unterzogen wird, indiziert, wie behutsam man verfahren sollte, wenn man dem Anspruch, Wissenschaft zu treiben, entsprechen will. Und das heißt eben, Sachverhalte einsichtig zu machen, und nicht, sie der Einsicht - ohne Angabe von Gründen - zu entziehen! Ein Geheimnis muß mindestens als Geheimnis begriffen sein, um für jemanden ein Geheimnis zu sein. Sonst wäre es buchstäblich nicht oder nichts! 12) Historisch gesprochen sind natürlich die Einwände der »Wissenschaft« gegen den Glauben eine erhebliche und belastende Instanz. Es wäre aber ganz verkehrt, diese Einwände ernster zu nehmen, als sie es verdienen, und sich die entscheidende Waffe aus den Händen schlagen zu lassen. Das im Glauben als Gehorsam dem sich offenbarenden Gott gegenüber begründete Erkennen ist das wirkliche Erkennen. Und dieses Erkennen ermöglicht und fordert das über das primäre Erkennen hinausgehende reflexive, wissenschaftliche Erkennen, das nicht im Gegensatz oder gar Widerspruch zum primären Erkennen steht, sondern nach seinem Durchvollzug zur Einfachheit - um nicht zu sagen: zur Einfalt des - jetzt geklärten Glaubenslebens zurückfindet. 13) Zweifellos liegt diese Tendenz in der Philosophie Jacobis, die den Gegensatz von Vernunft und Ratio bzw. Glauben (im Sinne Jacobis) und Wissenschaft nicht gelöst hat. Der von Jacobi praktizierte »Salto mortale« aus den bedrängen-den wissenschaftlichen Fragen (Vgl Akad.-Ausg., III, 3, 5. 244; Werke, IV (1), 5. 59; 5. 74; III, 5. 43; IV (2), L) ist keine Lösung in dieser Frage. Die Reflexion ist möglich, sie ist gesollt (denn die Wahrheit soll auch in der Reflexion Erkenntnis sein)! Also ist auch die Einheit von Glauben und Wissenschaft in echter Erkenntnis möglich. 14) Es sei angemerkt, daß diese systematische Fragestellung bei Fichte nicht erscheint. Aber die Lösung dieser Frage ist auf Grund der Prinzipien der Transzendentalphilosophie Fichtes möglich. Und darum geht es im Folgenden! Historisch sei auf die Ausführungen Fichtes in der sogenannten Staatslehre hingewiesen: SW, IV, S. 550 ff. 15) Hier liegt der metaphysische Grund, der den weltanschaulichen Liberalismus einsichtig aufhebt. Übrigens muß auch der Liberalismus, nach dem alle weltanschaulichen Positionen zugleich Geltung haben und toleriert werden, notwendig insofern Absolutheitsanspruch erheben, als er die Position ablehnen muß, die den Liberalismus als Position ablehnt. Tut er das nicht, hebt er sich selbst auf. Das Beispiel der liberalistischen Demokratie, die natürlich notwendig das Prinzip des Rechtsstaates aufgeben muß, ist in diesem Zusammenhang illustrierend. Das hat Platon schon klar gesehen und formuliert: Staat, 562 a ff. Auch eine Kirche als sittliche Gemeinschaft von Individuen kann nur bestehen, wenn sie interessiert ist, die Grundsätze, deren sie ihre Existenz verdankt, zu vertreten und durchzusetzen. Sie bedarf also der Abgrenzung! Der Durchsetzung der Abgrenzung dient das Dogma. - Zugleich ersieht man daran, daß echte Toleranz nur auf Grund einer eigenen Position geübt werden kann. Eigentlich ist sie nur in der Wahrheit möglich. Denn nur in der Wahrheit ist der Geist frei und wird gehalten, die andere Person nicht als Mittel zu betrachten, sondern als Selbstwert zu achten. Jede andere Position muß die andere Person in ihrem Wert relativieren und sie politisch und geistig-moralisch unterwerfen. 16) R. Lauth, Ethik, Stuttgart 1969, S. 67. Vgl. ebd., S. 38 die Analyse der Reflexivität des sittlichen Wertes. 17) R. Lauth, ebd., S. 67. Hier sei auch auf die erkenntnistheoretische Begründung der Interpersonalität als Bewußtseinskonstitutivum hingewiesen: ebd., S. 67 ff. Die Interpersonaltheorie als philosophische Disziplin ist zum ersten Mal von Fichte konzipiert und in ihrer wesentlichen Bedeutung erfaßt worden. Bereits in der Grundlage der gesamten Wissenschaftslehre ist in der Konzeption des Ich die grundlegende Bedeutung des (interpersonal funktio-nierenden) Anstoßes berücksichtigt, der das auf das Unendliche gehende Ich begrenzt (vgl. Akad.-Ausg., I, 2, 5. 355 ff.). Dieser Anstoß kann nicht eine einfache Gegebenheit sein, die das Ich nur determiniert. Er kann auch nicht auf eine bloße Freiheit zurückgehen. Es muß sich um eine Gegebenheit handeln, die das Ich weder ausschließlich determiniert noch ausschließlich Freiheit ist. Dieser Anstoß ist der durch die interpersonale Beziehung vermittelte bzw. in ihr ergehende Aufruf! Oder wie Fichte in der Einleitung zur Grundlage des Naturrechts definiert: Es handelt sich um ein »Bestimmtsein des Subjektes zur Selbstbestimmung« (Akad.-Ausg., I, 3, 5. 342), um eine Andetermination, die das Subjekt zur freien Selbstbestimmung frei läßt. Erst durch diesen Aufruf ist der bewußtseinskonstitutive Gegensatz von Freiheit und Notwendigkeit eröffnet, durch den das Ich sich als Freiheit konzipieren kann, sich einem Du als anderem Ich und einer Außenwelt, in der zugleich beide als leibliche Bestimmtheiten erscheinen, entgegensetzen kann. An dieser Stelle wird auch die unaufhebbare Bedeutung des Leibes und der Außenwelt, die Bedingungen der Möglichkeit der Interpersonalität darstellen, sichtbar. Die endliche Vernunft ist nur als individuierte möglich. Die Individuation wiederum ist nur durch den Anstoß möglich, dessen determinierendes Moment Leib- und - als Medium der Beziehung von Leib zu Leib - die Außenwelt voraussetzt. 18) Man vergleiche zu dieser Spannung die Dialektik des Herr-Knecht-Verhältnisses, das Hegel in der Phänomenologie des Geistes, a.a.O., 5. 141-150 darstellt. Noch einseitiger ist die Position Sartres, der das Ich immer als das von dem Anderen unterworfene Subjekt darstellt. Das Ich ist Objekt des Anderen. Vgl. Das Sein und das Nichts, a.a.O., 5. 338 ff. In der Konsequenz, die in dieser Position liegt, kann Sartre sagen: »Die Hölle, das sind die Anderen«; zitiert nach G.-G. Hana, Freiheit und Person, München 1965, S. 74. Die ursprüngliche Einheit der interpersonalen Beziehung in der sittlichen Liebe kennen beide Philosophen überhaupt nicht, da der sittliche Wert im Grundansatz jeweils keine Anerkennung und Beachtung findet. 19) Leider wird diese mögliche Vollendung des Individuums viel zu wenig und zu selten gesehen. Philosophisch ist sie in der Regel übersehen, weil man das interpersonale Verhältnis einseitig und bevorzugt in seinen negativen Charakteren betrachtet. Der aber vorzüglich interessante und viel entscheidendere Fall ist aber die positive Seite in der Vollendung der Liebe. 20) Auch diese Einheit ist wiederum eine Einheit des Aktes, keine substanzhafte Einheit im realistischen Sinne. Faktisch sind die beiden Personen weiterhin (natur rationabilis) individuae substantiae. Dem wertmäßigen Wollen nach sind sie die höchstmögliche Realität der Einheit. 21) Man sieht, daß die Trinität der Personen also keineswegs eine bloß zufällige historische oder eingebildete Annahme ist. Es ist also absurd, anzunehmen, an die Stelle der drei Personen könnten auch vier oder beliebig viele Personen treten. Man kann sicher sein, daß die Vertreter derartiger Hypothesen das Spezifikum des christlichen Glaubens gar nicht erfaßt haben, sondern ihn lediglich historisch nehmen. Die Gottesvorstellung der christlichen Offenbarung ist die wahrhafte und als solche auch wahrhaft einsehbare Gottesvorstellung. Nur in ihr erscheint Gott als lebendiger Gott und dieser lebendige Gott als wahrhafte Liebe. Und dieser Offenbarungsanspruch ist ursprünglich und reflexiv als wahr einzusehen. Wenn es nicht so wäre, dann wäre in der Tat die Trias der Personen völlig uninteressant und beliebig austauschbar. Aber die Manifestation des absoluten Geistes als Liebe ist nur als interpersonale Manifestation - und in ihr - als Beziehung von Person zu Person in der (personal verstandenen) Einheit der Liebe möglich. Der Wille, in der die Liebe der ersten Person sich auf die zweite und die der zweiten sich auf die erste bezieht, ist selbst Liebe. Als Wechselliebe ist sie das Band der Liebe der zwei Personen. 22) Vgl. dazu M. Schmaus, Die psychologische Trinitätslehre des Heiligen Augustinus, a.a.O., 5. 225 ff. 23) Dieser Gedanke beruht auf der Unmittelbarkeit der Beziehung des endlichen Vernunftwesens zu Gott. Dieser Gedanke ist leider in der Theologie - ja bereits bei Augustinus nicht durchgängig erhalten geblieben. Gibt man ihn auf, so ist sowohl der Schöpfungsgedanke wie der Offenbarungsgedanke und damit auch die Einheit von Schöpfung und Offenbarung preisgegeben. Die Folgerungen, die sich für die Beobachtung des ersten Gebotes aus diesem Fehlansatz ergeben, liegen auf der Hand. 24) Kirchliche Dogmatik, a.a.O., I, 1, S. 358. 25) Nicht nur die Philosophie, sondern auch die Theologie hat sich - wie man an diesem Punkte besonders eindrucksvoll sieht und zeigen kann - die aus dem griechischen Intellektualismus kommende Auffassung des Menschen als einer Monade zu eigen gemacht. Die Definition der Person bei Bcethius (»Persona est natur rationabilis individua substantia«, Liber de Persona et duabus naturis contra Eutychen et Nestorium, c. III; PL 64, 1343) markiert diese Auffassung geradezu klassisch. Bis zur Monadologie Leibniz' (die Monaden haben nach ihm bekanntlich keine Fenster!) laßt sich dieser Solipsismus verfolgen. - Der entscheidende Grund ist der, daß man die Freiheit als das den Menschen spezifisch von der toten Sache Unterscheidende ignoriert hat. Deshalb konnte auch die Berücksichtigung der »rationabilitas« keine durchgreifende Wirkung finden. In der Definition des Menschen als »animal rationale« erscheint die »animalitas« als das generelle, die rationalitas lediglich als das spezifizierende Moment. Der generelle Unterschied, den die rationalitas (mit ihrem Proprium: der Gottbeziehung) gegenüber der Sache und dem Tier darstellt, ist damit gerade eingeebnet worden. Vgl. dazu die Anmerkung Fr. H.Jacobis: »Daß der Mensch von dem Thiere, daß die Vernunft von dem Verstande - nicht der Art sondern nur der Stufe nach, nicht qualitativ sondern bios quantitativ, unterschieden sey: ist im Grunde die Meynung aller Nichtplatonischen Philosophen gewesen, von Aristoteles bis auf Kant, wie sehr auch ihre Lehrgebäude übrigens von einander abweichen, ja wohl scheinbar bis auf den Grund einander entgegengesetzt seyn mögen«. Fr. H.Jacobi, Werke, II, 5. 28. Die erkenntnistheoretische Frage, wie man eine Freiheit (den anderen Menschen) erkennen kann, ist gegenüber der vorrangig interessierenden Frage, wie man Sachen erkennt, unterlassen worden. An all diesen Zusammenhängen vermag man die grundlegenden geistigen Interessen und Wertungen zu ersehen, die in der Geschichte dominierten und ihren Beitrag zur »Gottesfinsternis« geleistet haben. 26) Theologisch gesprochen könnte man sagen: Die Schöpfungsrealität, die auch hier durch die Sünde nicht total aufgehoben ist, ist das Substrat, das vorausgesetzt werden muß, damit die materiale Erfüllung in der Liebe möglich ist. 27) Darin wird ersichtbar, daß mit der Offenbarung der Liebe und ihrer Annahme auch eine potenzierte Form des Erkennens eröffnet wird, die dem natürlichen Erkennen des Individuums vor bzw. außerhalb der Offenbarung nicht zugänglich ist. 28) Daraus ergibt sich die Einheit von Gottesliebe und Menschenliebe. In der Realität der Liebe ist diese Differen-zierung, die ja lediglich eine gedankliche Unterscheidung ist, überhaupt sinnlos. Es gibt dann lediglich noch die Einheit der Liebe bzw. die Liebe der Liebe. 29) Hier muß die notwendige Abgrenzung gegenüber einem »theologischen« Humanismus erfolgen, der die Beziehung von endlichen Personen als göttlich deklariert, Gott zur zwischenmenschlichen Beziehung depotenziert. Der geistige Vater dieser These ist in der Nachfolge Hegels Feuerbach, der durch allerlei dialektische Tricks zu dem Ergebnis kommt, der Mensch (die menschliche Liebe) sei Gott, nicht Gott habe den Menschen nach seinem Bilde geschaffen, sondern der Mensch Gott nach seinem eigenen Bilde. Es handelt sich hier um eine nachchristliche Interpretation bzw. Uminterpretation des Glaubens, in dem nur die litter noch darauf verweisen, in welchem Zusammenhang sie ursprünglich einmal standen. 30) m einem heute üblichen Mißverständnis vorzubeugen, sei angemerkt, daß die geschlechtliche Beziehung durchaus keine Liebe sein muß. Sie kann - im Fall der Liebe - in diese Liebe integriert werden und ist so eine besonders geadelte Beziehung. 31) Kirchliche Dogmatik, I, 1, a.a.O., 5. 360; vgl auch die auf den folgenden Seiten formulierten Bedenken (»Gefähr-liche Profanation des Heiligen«: ebd., 5. 361; »Jener Eindruck des Spielerischen, ja Frivolen«: ebd., 5. 363). 32) Die Wahrheit, die ich als wahr erkenne, das Licht, das ich einsehe, müßte dann von dem Licht in sich realiter verschieden sein. Dann ergäbe sich aber die unlösbare Aporie, woher ich denn von dieser Differenz weiß, bzw. wie ich von ihr wissen kann, denn sie wird ja im Wissen angesetzt und muß also doch als Wissen gewußt sein. Wenn aber eine reale Differenz besteht, darf ich gar nicht um diese Differenz wissen können. 33) Wenn man in der Theologie neben der ökonomischen Trinität von der immanenten Trinität spricht, was durchaus möglich ist, so verschiebt sich die Frage nach der Beziehung der Trinität der Personen zur Einheit des Wesens Gottes um eine Stufe. Das wissenschaftliche Desiderat, den Unterscheidungsgesichtspunkt zu bestimmen und die Einheit des Wesens Gottes unabhängig von der Trinität der Personen einsichtig zu machen, bleibt auch dann gleicherweise bestehen. Vor allem darf man den Gedanken der Einheit Gottes nicht vernachlässigen, der ein genuin christlicher Gedanke ist. An ihm hängt der Monotheismus der christlichen Offenbarung, die dem Jahwismus des Alten Testamentes entspricht, ihn sogar noch radikaler vertritt. Da in der Theologie heute die wesentlichen Grundfragen immer weniger beachtet zu werden scheinen, hat man die Frage nach der Einheit Gottes und der Trinität der Personen leider mehr oder weniger vernachlässigt. 34) Man kann den Sinn der Offenbarung, wenn sie wirklich geschieht, einsehen. Man kann emsehen, warum Gott sich manifestierte. Nämlich: um seine Liebe mitzuteilen. Man kann aber nicht deduzieren, daß er sich mitteilen mußte. Denn dann wird das Grund-Folge-Gesetz als Notwendigkeit zum absoluten Prinzip erhoben und die frei sich begründende und rechtfertigende Qualität der Liebe wird eliminiert und aufgehoben. 35) Dazu vergleiche man besonders die Schrift Comment je crois (1948) in ihrem metaphysischen Teil (Teilhard de Chardin, IEeuvres XI, Les directions de l'avenir, Paris 1973, 5. 207 ff.; bes. 5. 209 f.). - Es ist gar kein Zufall, daß in den scheinbar hochwissenschaftlichen Abhandlungen uralte Mytholo geme ihre Renaissance feiern. Tatsächlich handelt es sich um eine irrationale, weder begründete noch einsehbare Konzeption, die wissenschaftlich unhaltbar ist. 36) In dieser genealogischen Linie steht auch Teilhard. Alle drei ignorieren die absolute Einheit Gottes. Deshalb können sie - von der trinitarischen Differenzierung ausgehend - im dialektischen Verfahren die Realität als prozesshaft sich entwickelnde Wirklichkeit (scheinbar) gesetzmäßig ableiten. Daß in der Eschatologie dieser Konzeptionen der Gerichtsgedanke verlorengeht, ist eine letzte Auswirkung des angesetzten Prinzips. Am Ende der Geschichte steht das »Reich des Geistes« und die immanente Vollendung. Vgl. zu diesem Zusammenhang die interessante Arbeit von K. Löwith, Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie, Stuttgart 1953, S. 55-61, S. 190-195. Als Absolutes erscheint dann die Moira oder das Fatum, das keine Freiheit, Vorsehung und Liebe kennt bzw. zuläßt.
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