Ein Blick in den HimmelvonProf Dr. Wigand SiebelEwiges Leben
Der heilige Erzmartyrer Stephanus hat kurz vor seinem seligen Ende einen Blick in den Himmel werfen dürfen: "Ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn zur Rechten Gottes stehen" (Apg 7,56). Und der Völkerapostel Paulus durfte in einer Vision in das Paradies entrückt (2 Kor 12,2-4) den dritten Himmel schauen, wobei er geheimnisvolle Dinge vernahm, die auszusprechen keinem Menschen vergönnt sind.
Können auch wir in den Himmel hineinschauen? Ganz gewiß können wir das mit unserem geistigen Auge, das uns der Glaube verleiht. Schließlich ist der Himmel ja unser Lebensziel. Wie sollen wir alle Kräfte auf dieses Ziel ausrichten, wenn wir darüber nicht einiges wissen? Wenn auch vieles dunkel bleibt, so ist doch genug darüber zu sagen, um uns in die Vorfreude zu versetzen, die alles in die Waagschale wirft, um das große Gut, die kostbare, alles an Wert überragende Perle (Mt 13,46) zu gewinnen. Die Gerechten empfangen im Himmel als Lohn das ewige Leben und eine Herrlichkeit, die in keinem Verhältnis steht zu den Leiden dieser Welt (Röm 2,7-,6,222 f). Gott hat ein Geschenk fur diese bereitet, das alle Vorstellungskraft übersteigt: "Kein Auge hat gesehen und kein Ohr hat gehört und in keines Menschen Herz ist gedrungen, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben" (1 Kor 2,9). Dennoch ist es möglich, einen Blick in den Himmel zu tun, um wenigstens in Andeutungen zu erfahren, was den beharrlich im Glauben und der Liebe Gebliebenen nach seinem Tod erwartet.
Der Himmel ist der Ort, in dem für alle darin Anwesenden ein Zustand vollständiger übernatürlicher Glückseligkeit herrscht. Diese ergibt sich aus der unmittelbaren Erkenntnis Gottes und der damit verbundenen vollkommenen Gottesliebe. Die im Himmel wohnenden Engel und die wie diese ganz reinen Seelen können die Wesenheit Gottes, die sich ihnen unverhüllt und klar darbietet, unmittelbar von "Angesicht zu Angesicht" schauen (DH 1000). Aufgrund dieser Schau und der innigen Liebe, die sie mit Gott verbindet, sind die Himmelsbewohner wahrhaft glückselig und haben darin das ewige Leben und die ewige Ruhe. Sie brauchen weder Tod noch Krankheit noch irgendeine andere Not zu fürchten. Mit Gott und untereinander befinden sie sich in höchster Harmonie. Dennoch herrscht aber keine Untätigkeit. Vielmehr nehmen sie nicht nur auf, sondern wirken in den Klang der Harmonie mit ein und erweisen einander in andauernden Liebesbezeigungen die höchsten Wohltaten.
Jesus hat die Seligkeit und Freude des Himmels mit dem Bild eines Hochzeitsfestes in einem Hochzeitssaal versehen (Mt 25,10). Darin ist der Mittelpunkt das Hochzeitsmahl, das von Gott als dem Gastgeber selbst angerichtet ist (Lk 14,15 ff). Daraus läßt sich schließen, daß die Himmelsbewohner ein Fest feiern, das von Gott selbst ausgerichtet und gestaltet worden ist und wozu er eingeladen hat. Von daher muß man im Auge behalten, daß der Himmel als eine Gemeinschaft vieler mit dem Hausvater erlebt wird. Der Heiland bezeichnet den Himmel ferner an vielen Stellen als das Leben oder als ewiges Leben (u.a. Mt 18,8 f, Jo 3,15 ff). Daraus ist zu schließen, daß der Mensch nur hier zu seiner vollen Verwirklichung gelangen kann. Nur hier werden alle Sehnsüchte wirklich erfüllt. Nur hier ist er in ein ewiges Glück eingetaucht, das ihn in voller Freiheit in ungeschmälerter Übereinstimmung mit dem ihm von Gott bestimmtem Ziel sein läßt. Der Himmel ist also kein Ort, auf dem Langeweile auftreten kann. Vielmehr erfaßt er Geist und (nach dem Endgericht) Leib mit der Glut der beständigen Freude.
Danach scheint es, als seien wir, die Lebenden, von diesem seligen Zustand unendlich weit entfernt. Dies ist aber nicht der Fall. Für denjenigen, der wahrhaft glaubt und in der Liebe wirkt, nämlich den Gerechten, hat Jesus sein Reich, das Reich Gottes, bereits auf diese Erde getragen. Der Gerechte, der mit der Taufe die Rechtfertigung in der heiligmachenden Gnade erhielt, ist damit auch Bürger dieses Reiches geworden. Als Bürger zweier Welten gewinnt er den Vorgeschmack des ewigen Lebens im Gottesreich der Kirche. Er ist ein Kind Gottes geworden, was ihm ein Anrecht auf den Himmel verleiht. Gott Vater "hat uns befähigt, am Erbe der Heiligen im Licht teilzunehmen. Er hat uns der Gewalt der Finsternis entrissen und uns in das Reich seines geliebten Sohnes versetzt" (Kol 1,12 f.). Der Gerechte lebt so in einem Übergangszustand, in dem er durch die Prüfung und das Kreuz sich mit Hilfe der Gnade immer mehr für den Einzug in den Himmel bereiten kann. Die Kirche soll ihn mit ihrer Lehre und ihrem Kult den schmalen Weg (Mt 7,14 ) zum Himmel führen, den man leicht verlieren kann. Wer diesem Reich treu bleibt, kommt nach dem Tode nicht in eine fremde Welt, sondern in die lang ersehnte Heimat.
Himmels-Ordnung
Ist der Himmel ein Ort? Sicher nicht. Dann müßte er sich nämlich in einem größeren Raum befinden. Wenn er sich also auch nicht in etwas befindet, so hat er doch eine "Grenze". Er ist nämlich ganz in Gott. Und zugleich weist der Himmel eine innere Ordnung auf, die es ermöglicht, innerhalb des Himmels von "Orten" oder "Plätzen" zu reden. Diese Ordnung ergibt sich grundlegend durch die allerheiligste Dreifaltigkeit selbst. Der Vater und der Sohn bilden ja eine Gemeinschaft, von der sie beide umfangen sind. Diese Gemeinschaft wird durch den Heiligen Geist gebildet. Er ist die Einheit, in der nicht nur Vater und Sohn sondern der ganze Himmel umfaßt wird. Die Erlösten bilden in Christus als seine Brüder den Leib Christi, dessen Haupt er ist. Sie stehen damit zugleich im Heiligen Geist und dem Vater gegenüber. Die anderen Mitbewohner des Himmels, die Engel, gehören nicht zum Leib Christi. Denn sie sind nicht durch Christus erlöst worden. Aber auch sie sind Gotteskinder, wie die seligen Menschen. Sie befinden sich auch im Heiligen Geist, aber nicht im Sohn und nicht im Vater. Sie nehmen folglich gewissermaßen den Zwischenraum zwischen Vater und Sohn ein.
Der Himmel besitzt aber auch noch eine Tiefendimension. Der heilige Paulus hat sie mit seiner Feststellung, daß er im dritten Himmel war - ob im Leibe oder außer dem Leibe, wußte er nicht zu sagen - diese Dimension angesprochen. Es sind die "Tiefen der Gottheit" (1 Kor 2,10), die in jeder der göttlichen Personen in die Unendlichkeit der Liebe und der Erkenntnis führen. Darüber kann man nichts weiter mehr sagen.
Über die Ordnung der Engel und Menschen im Himmel ist dagegen viel zu sagen. Eine Überund Unterordnung ist bei ihnen bereits damit gegeben, daß die göttlichen Personen zwar gleich, Gott aber der Herrscher über beide Arten von Geschöpfen ist. Doch setzt sich die Ranggliederung sowohl unter den Engeln als auch unter den Menschen fort. Die Engel bilden untereinander Ränge, wobei jede Rangstufe ihre eigene Würde besitzt. Ähnliches gilt für die Menschen. So lehrte Christus: "Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen" (Jo 14,2). Die Kirchenväter, so Tertullian, haben darin einen Hinweis auf die Über- und Unterordnung gesehen. Auch der heilige Augustinus ist dieser Ansicht. In den vielen Wohnungen im Haus des Vaters sieht er die verschiedenen Grade von Belohnungen. Gegen den Einwand, daß durch Ungleichheit Neid erzeugt werde, erwiderte er: "Es wird kein Neid sein wegen der ungleichen Herrlichkeit, weil in allen die Einheit der Liebe herrschen wird." 1)
Daneben muß es auch noch eine Gliederung nach den Tätigkeiten oder Ämtern geben. So kann man bei den Engeln von Schutzengeln, von Boten-Engeln und Anhetungs-Engeln sprechen, obwohl Genaueres über diese Gliederung nicht bekannt ist. Bei den seligen Menschen ist Vergleichbares zu erwarten. So wird die Tätigkeit der Priester im Himmel sich sicher von der Tätigkeit der übrigen Gläubigen unterscheiden. Sie sind ja auch durch ihr unauslöschliches Siegel, das in der Priesterweihe besteht, im Himmel unverwechselbar als solche erkennbar. Schließlich wird die Ordnung des Himmels auch durch den verschiedenartigen Lohn, den die einzelnen Seligen erhalten haben, bestimmt. Dabei kann sowohl die Höhe der Verdienste als auch die Art der (besonderen) Verdienste als Ordnungsgesichtspunkt infrage kommen.
Hierarchie
Hierarchie bedeutet, aus dem Griechischen übersetzt, "Herrschaft des Heiligen". Die Rangstufen in der Gesellschaft bilden in ihrer Gesamtheit und in ihrer Ausrichtung auf einen obersten Herrscher eine Hierarchie. Heilig ist eine Hierarchie dadurch, daß sie eine Abbild und Fortsetzung der himmlischen Ordnung ist. Eine wahre Ordnung muß stets gestuft sein. Hierarchie ist Ausdruck der Herrschaft und ihres Reiches, ist Abbild des Herrschers und der von ihm beherrschten bzw. vertretenen Sozialeinheit. Mit der Hierarchie ist folglich Ruhm und Ehre für den Herrscher und für sein Reich gegeben. Es zeigt sich die "Herrlichkeit". Dabei darf Herrschaft nicht im Sinne der bloßen Gewaltausübung verstanden werden. "Herrschaft" meint stets Vergegenwärtigung der geistigen Einheit des beherrschten Sozialsystems und verleiht diesem zugleich Handlungsfähigkeit. Dieses Bewußtsein war in der Ständeordnung des Mittelalters besonders stark ausgeprägt. Aber auch die moderne säkularisierte Gesellschaft kann Hierarchie nicht entbehren.
Die Hierarchie der Engel wird vielfach in der Heiligen Schrift (Is 6,2 ff.; Gn 3,24; Eph 1,21; 3,10; Röm 8,38 f; Jud 9; l Thess 4,16) angesprochen. So hat der Völkerapostel Paulus verschiedene Ränge genannt: In ihm (Christus) ist alles erschaffen, im Himmel und auf der Erde: Sichtbares und Unsichtbares, Throne, Herrschaften, Fürstentümer und Mächte" (1 Kol 1,16). Die gesamte Engelordnung ist eine Hierarchie. Seit dem heiligen Dionysius Areopagita 2) werden neun Chöre der Engel unterschieden. Sie sind einander übergeordnet, um in wunderbarer Weise den Raum des Himmels in der größeren oder geringeren Nähe zu Gott zu entfalten. Die Chöre oder Rangordnungen stehen jeweils wieder in einer Dreifach-Gliederung. Die unterste Gliederung besteht aus den (einfachen) Engeln, den Erzengeln und den Fürstentümern. Die mittlere Gliederung wird aus den Gewalten, den Mächten und den Herrschaften gebildet. Zur obersten Gliederung gehören die Throne, die Cherubim und an höchster Stelle die Seraphim. Wodurch stehen die Engel Gott mehr oder weniger näher? Es sind nicht ihre Dienste, die sie erfüllen. Vielmehr ist es die von oben fließende Gnade, die den Engeln mehr oder weniger gegeben ist.
Die Hierarchie der Engel wird am deutlichsten in der lateinischen Kirche abgebildet. Hier wie dort gibt es neun Ränge, wenn man die beiden Stände, Priester und Laien, zusammen betrachtet. Es sind dies die neun Stufen: der Getauften, der Pförtner (Ostiarier), der Vorleser (Lektoren), der Beschwörer (Exorzisten), der Meßdiener (Akoluthen), der Subdiakone, der Diakone, der Priester und der Bischöfe. Die jeweils höhere Stufe umfaßt dabei die unteren Stufen.; so ist der Bischof auch Getaufter und Exorzist. Der priesterliche Stand (Klerus) ist unterteilt in die vier Stufen der niederen Weihen denen die Aufnahme in den Klerus vorausgeht, und die drei Stufen der höheren Weihen. Die priesterliche Hierarchie bekommt ihre Bedeutung, wenn sie als eine Darstellung des Himmels auf dieser Erde verstanden wird, um die Menschen auf ihr ewiges Ziel deutlich aufmerksam zu machen. Sie ist für die wirksame Darstellung des Opfers und zugleich der himmlischen Hierarchie und ihrer Herrlichkeit notwendig. Der Himmel ist nämlich eine im Frieden und in der Gnade befindliche priesterliche Ordnung.
Das Konzil von Trient lehrte über die priesterliche Hierarchie folgendes: "Opfer und Priestertum sind nach göttlicher Anordnung so verknüpft, daß sich beides in jeder Heilsordnung findet. Da also im Neuen Bund die Katholische Kirche nach der Einsetzung des Herrn die heilige Eucharistie als sichtbares Opfer empfangen hat, so muß man auch bekennen, daß es in ihr ein neues, sichtbares, äußeres Priestertum gibt, in dem das alte aufgehoben und vollendet wurde . ... Da aber dieser heilige Priesterdienst eine göttliche Einrichtung ist, so war es entsprechend, daß es im feingegliederten Aufbau der Kirche verschiedene Ordnungen von Dienern gebe, auf daß er (der Priesterdienst) würdig und mit größerer Ehrfurcht geleistet werden könne. Sie sollen von Amts wegen dem Priestertum dienen und so verteilt sein, daß diejenigen, die schon die klerikale Tonsur tragen, durch die niederen Weihen zu den höheren aufsteigen. Denn die Heilige Schrift redet nicht nur von den Priestern, sondern ganz klar auch von den Diakonen, und sic lehrt mit ernsten Worten, auf was man bei ihrer Weihe zu achten habe.
Von Anfang an waren in der Kirche die Namen folgender Dienstordnungen und die den einzelnen Dienstordnungen entsprechenden Amtsverrichtungen in Gebrauch: Des Subdiakons, des Altardieners, des Beschwörers, des Vorlesers und des Pförtners, freilich nicht auf gleicher Stufe. Denn der Subdiakonat wird von den Vätern und Kirchenversammlungen zu den höheren Weihen gezählt. Wir lesen bei ihnen aber auch von den anderen, niederen Weihen". (DH 1764 f.)
Für die Feinde der Kirche ist jede Hierarchie ein zu bekämpfendes Ziel. Das gilt nicht nur für den Klerus, das gilt auch für den Staat, so deutlich für das Richtertum und für die Familie. Der Blick auf den Himmel soll möglichst verhindert oder wenigstens verdunkelt werden. So ist auch der Modernismus und mit ihm die ganze moderne Theologie gegen Hierarchien eingestellt. Folglich hat Paul VI., so weit er konnte, die kirchliche Hierarchie zurückgedrängt. Es verblieben nur die dogmatisch gesicherten Weihestufen vom Diakon an aufwärts. Nicht genug damit löste er auch den Klerus als eigenen Stand gegenüber den Laien auf, was nach Vorbild der protestantischen Gemeinschaften das Priestertum treffen muß.
Eng mit der Weihehierarchie ist die Ämter- (Jurisdiktions-) Hierarchie verbunden. Diese läuft vom Papst über die Bischöfe bis zu den Pfarrern. Die Ämter verleihen die Herrschaftsmacht als Befehls- und Strafberechtigung gegenüber den Untergebenen. Während die Weihestufen unverlierbar sind, können die Ämter aufgegeben oder entzogen werden.
Bilden die in der Seligkeit befindlichen Menschen auch eine Hierarchie? Jedenfalls gibt es eine klare Überordnung. Denn alles ist durch Christus "und für ihn erschaffen. Er steht an der Spitze des Alls. Das All hat in ihm seinen Bestand. Er ist das Haupt des Leibes, der Kirche. Er ist der Anfang, der Erstgeborene von den Toten. So hat er in allem den Vorrang" (Kol 1,17-19). Die Menschen in der Seligkeit sind Christus also untergeordnet, er hat den höchsten Rang. Das spricht dafür, daß es auch innnerhalb des Leibes Christi im Himmel noch Rangunterschiede gibt.
Gleichheit
Bevor die Frage nach der Hierarchie der Himmelsbewohner genauer geklärt werden kann, ist zunächst darauf hinzuweisen, daß Gleichheit nicht nur unter den göttlichen Personen gegeben ist. Auch bei den im Himmel befindlichen Gerechten ist eine fundamentelle Gleichheit festzustellen. Alle sind Selige auf ewig, sie befinden sich im Gnadenstand vor Gott, alle sind Gotteskinder, die die Erbschaft, die Christus für sie erwarb, angetreten haben. Alle sind Glieder des verklärten Leibes Christi. Auf diese Gleichheit weist das Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg hin (Mt 20, 1-16). Die Arbeiter, gleich ob am Morgen oder erst am Abend in den Weinberg geschickt, erhalten alle einen Denar. Alle, die im Weinberg arbeiteten, bekommen diesen, unabhängig von ihrer zeitlichen Leistung und ihrem Verdienst.
Im allgemeinen lehren die Theologen, daß der Heilige Geist in allen Gerechtfertigten ohne Ausnahme wohnt. Dagegen hatte sich Petavius ausgesprochen, der lehrte, daß der Heilige Geist in den Gerechten des Alten Bundes nicht dem Wesen nach (substantialiter) gewohnt habe. Leo XIII. lehrte in seiner Enzyklika über den Heiligen Geist die gegenteilige Meinung sei sichere Lehre. In ähnliche Richtung geht die Annahme von Karl Adam, durch die Taufe werde nur eine dynamische Gegenwart vermittelt, die substantiale Einwohnung sei dem Sakrament der Firmung vorbehalten. Dagegen spricht nach Brinktrine Römer 8.9 :"Wenn jemand den Geist Christi nicht hat, der ist nicht sein" und schließt daraus: "Zweifellos gehören wir aber bereits durch die Taufe Christo an. Es wird also auch in der Taufe der Geist Christi wirklich mitgeteilt, wenn er auch in vollerem Maße in der heiligen Firmung geschenkt wird." 3)
Es leuchtet aber dann nicht ein, warum ein eigenes Sakrament des Heiligen Geistes eingesetzt worden ist, das den bereits vorhandenen Heiligen Geist nur stärker gegenwärtig macht. Die Schwierigkeiten sind zu lösen, wenn man die drei grundlegenden Sakramente der Taufe, der Eucharistie und der Firmung den drei göttlichen Personen zuordnet. 4) Dann ist völlig klar, wie Eucharistie und Firmung zuzuordnen sind. Es sind die Sakramente des Sohnes und des Heiligen Geistes. Es verbleibt die Taufe, die als das Sakrament Gott Vaters angesehen werden muß. In ihr wird ja die Gotteskindschaft vermittelt, die insbesondere gegenüber dem Vater besteht. In der Taufe erhält der Täufling also die Einwohnung des Vaters. Nun gibt es aber das Dogma von der Einwohnung der drei göttlichen Personen ineinander (Perichorese). Damit sind für die göttlichen Personen zwei verschiedene Anwesenheitsweisen gegeben. Entweder sind sie als solche oder in einer der anderen Personen anwesend. So sind der Sohn und der Heilige Geist im Vater anwesend. Wird also im Sakrament der Taufe der Vater dem Täufling mitgeteilt, so ist auch der Heilige Geist in ihm. Im vollen personalen Sinn, d.h. als Person für sich, kommt Christus aber erst in der Eucharistie und der Heilige Geist in der Firmung in den Gerechten.
Von hier aus gesehen besteht die Gleichheit im Innewohnen des Vaters (mit dem Sohn und dem Heiligen Geist) in den Seligen. Ob Christus wie der Heilige Geist als Personen für sich ebenso im Himmel in den Gerechten wohnen werden wie der Vater, kann dabei offenbleiben.
Einheit von Gnade und Glorie?
Eine Ungleichheit im Himmel ist eine Forderung der Vernunft. Vermöge seiner Weisheit muß Gott die Befolgung seines Sittengesetzes belohnen, vermöge seiner Heiligkeit muß er die Tugend und die Guten lieben und vermöge seiner Gerechtigkeit muß er jedem gemäß seinen Werken vergelten. Und dies kann sich nicht nur auf das Leben auf Erden beziehen. Es muß sich auch im Himmel zeigen, und das schon deswegen, weil die genannten Forderungen im diesseitigen Leben nicht voll zum Tragen kommen.
Die Heilige Schrift stellt die Ungleichheit im Himmel heraus. So soll im Gleichnis von den zehn Pfunden (Lk 19,12-27) dem Knecht, der seine zehn Pfunde verdoppelt hat, die Aufsicht über zehn Städte gegeben werden, demjenigen, der fünf Pfunde hinzugewann, die Aufsicht über fünf Städte. So hat auch die Kirche stets die Ungleichheit im Himmel gelehrt. Von zentraler Bedeutung ist hier die Aussage des Konzils von Trient, das definierte: Der Gerechtfertigte verdient "durch die guten Werke ... eine Vermehrung der Gnade, das ewige Leben und, wenn er im Gnadenstand hinübergeht, den Eintritt in das ewige Leben, sowie auch ... eine Vermehrung seiner Glorie" (DH 1582). Danach ist der Gegenstand des Verdienstes ein dreifacher. Er ist
1. die Vermehrung der heiligmachenden Gnade, 2. das ewige Leben und dessen wirkliche Erreichung, falls der Gerechtfertigte in der Gnade stirbt, und 3. die Vermehrung der ewigen Glorie.
Wie ist dieser Lehrsatz zu verstehen?
Es ist völlig klar, daß mit der Gnade die heiligmachende Gnade gemeint ist, die mit der Rechtfer-tigung dem Sünder eingegossen wird und ihn zu einem Kind Gottes macht. Auch der zweite Punkt ist keinen Unklarheiten ausgesetzt. Das ewige Leben ist die dem Gerechten zugesagte Existenzweise im Himmel. Aber was bedeutet Glorie in diesem Zusammenhang? Die Theologen haben verschiedene Lösungen vorgeschlagen. So versuchte Leonhard Atzberger zu klären, inwieweit die "sogen. gloria prima, d.h. dasjenige Maß der jenseitigen Herrlichkeit", welches der heiligmachenden Gnade "entspricht", Gegenstand des Verdienstes ist. Im Hinblick auf die Definition des Konzils von Trient kommt er zu dem Schluß, "daß das ewige Leben und die Vermehrung der Glorie verdient werden könne, während es bezüglich der Gnade bloß heißt, deren Vermehrung sei Objekt des Verdienstes. Hiermit scheint deutlich genug gelehrt zu sein, daß nicht bloß die Vermehrung der Glorie, sondern auch die erste Glorie verdient werden könne im Unterschiede von der ersten (habituellen) Gnade." 5)
Ähnlich führt Brinktrine aus: "Wie die Theologen zwischen der ersten und zweiten Rechtfertigung unterscheiden, so unterscheiden sie auch zwischen der ersten und zweiten Glorie, d. h. zwischen der Erlangung der ewigen Seligkeit und ihrer Vermehrung. Welche Glorie meint hier das Konzil? Offenbar die prima gloria. Es lehrt nämlich, daß die Gerechten 'die Vermehrung der Gnade, das ewige Leben ... und die Vermehrung der Glorie' verdienen. Es macht einen deutlichen Unterschied zwischen der Gnade und der Glorie. 'Von der ersten sagt es, daß der Gerechtfertigte die Vermehrung der Gnade verdienen könne, es schließt also die Verdienbarkeit der gratia prima aus; von der Glorie aber behauptet das Tridentinum ein Doppeltes: sowohl das ewige Leben als auch die Vermehrung der Glorie kann verdient werden. Da unter der Vermehrung der Glorie zweifellos die zweite Glorie verstanden ist, muß man unter dem ewigen Leben die gloria prima verstehen." 6)
Für Atzberger wie für Brinktrine gilt, daß sie zwar einen Unterschied zwischen der Gnade und der Glorie machen, aber nur indem sie auf die erste Gnade bzw. Glorie zurückgreifen. Dadurch daß die Glorie mit der ewigen Seligkeit gleichgesetzt wird, können dann die zweite Gnade und die zweite Glorie als gleichlaufend nebeneinander gestellt werden. Dann aber gibt es nur die Vermehrung eines Gegenstandes, obwohl zweimal von "Vermehrung" bei dem Lehrsatz des Konzils die Rede ist. Der Maßstab der Glorie geht in dem Maßstab der Gnade auf. - Im Unterschied zu den Genannten kennt Franz Diekamp keine erste Glorie (gloria prima). Aber auch er vermag zwischen der Gnade und der Glorie keine eigentliche Differenz zu sehen. So heißt es bei ihm: 'Gegenstand des Verdienstes ist die Vermehrung der Glorie. Das Maß der Glorie richtet sich aber nach dem Maße der heiligmachenden Gnade." 7) Wenn sich das Maß der Glorie nach dem Maß der Gnade richtet, dann gibt es nur einen einzigen Maßstab, nämlich den der Gnade.
So bleibt zu fragen, was das Tridentinum mit seinem Lehrsatz eigentlich sagen wollte. Sollte nur gesagt werden, daß der Gerechte sich mit seinen Werken ein höheres Maß an Gnade und so ein höheres Maß an Seligkeit verdient? Dann wäre nur eine einzige Quelle der Ranggliederung im Himmel angegeben. Dies nehmen alle drei genannten Theologen an. Oder sollte gesagt sein, daß durch die guten Werke dreierlei gewonnen werden kann: Das ewige Leben (als Grundbestand) und darauf aufbauend eine Vermehrung der Gnade und eine Vermehrung der Glorie? Dann gäbe es zwei verschiedene Maßstäbe, die für die ewige Seligkeit von Belang sind. Der eine wäre die von Gott kommende heiligmachende Gnade, von der dem Seligen ein bestimmtes Maß zugeteilt wird und der andere wäre der vom Gerechten errungene Verdienst, der mit einer spezifischen Gnade, nämlich der Glorie, belohnt wird. Dieses Verständnis dürfte eher in der Absicht des Konzils gelegen haben. Zur deutlicheren Klärung sind die Ungleichheiten in der (heiligmachenden) Gnade und in der Glorie genauer zu untersuchen.
Ungleichheit der Gnade
Grundlegend ist die erste Rechtfertigung, die normalerweise mit der Taufe erlangt wird. Die dort erhaltene heiligmachende Gnade ist beim unmündigen Kind vollkommen unverdient. Beim Erwachsenen ist ein Verdienst gegeben, das aus dem Glauben stammt sowie aus weiteren Akten, wie dem Anfang der Gottesliebe. Die empfangene heiligrnachende Gnade als ein von Gott eingegossenes, der Seele anhaftendes, durch die Sünde verlierbares, übernatürliches Sein, steht jedoch in keinem Verhältnis zu der Größe des Verdienstes. Die heiligmachende Gnade heiligt nicht nur die Seele, sie verleiht eine Teilnahme an der göttlichen Natur und macht den Gerechten zu einem Kind Gottes mit Anrecht auf das Erbe des Himmels. Die Gnade, zumal die Rechtfertigungsgnade, kann im eigentlichen Sinn nicht verdient werden. Das macht gerade das Wesen der Gnade aus, daß sie umsonst, daß sie ungeschuldet ist. Es kann aber, aus einem Gnadenversprechen Gottes, die Gewährung bestimmter Gnaden für bestimmte, verdienstvolle Tätigkeiten gewährt werden.
Daß die Gnadengaben verschiedene Art und verschiedenen Umfang haben, lehrt die Heilige Schrift. So stellt der Völkerapostel fest: "Dies alles wirkt ein und derselbe Geist, der einem jeden zuteilt, wie er will" (1 Kor 12,11). Und in Eph 4,7 heißt es: "Einem jeden von uns ist die Gnade in dem Maße verliehen, wie Christus sie gegeben hat." Daraus ergibt sich, daß der Grad der Gerechtigkeit schon beim Empfing bei den einzelnen ungleich ist. Sehr deutlich hebt das Gleichnis von den fünf Talenten (Mt 25,14-30) hervor, daß die Gnade verschieden gegeben wird und vermehrt werden werden kann. Für die Vermehrung der Gnade spricht auch Offb 22,11: "Der Gerechte handle noch gerechter, und der Heilige heilige sich noch mehr." Das Konzil von Trient lehrt, daß Gott die Gerechtigkeit schenkt "nach dem Maße, das der Heilige Geist den einzelnen zuteilt wie er will (1 Kor 12,1 1), und nach der eigenen Vorbereitung und Mitwirkung eines jeden" (DH 1529). sodaß der Gerechte die Gerechtig-keit durch von Gott begnadete gute Werke vermehren kann. Dabei sind die guten Werke wie gegen den reformatorischen Irrtum ausgeführt wird, nicht bloß Früchte und Zeichen der erlangten Rechtfer-tigung, sondern auch Ursache der Vermehrung der Gerechtigkeit (DH 1574).
Jedes gute Werk vermehrt die heiligmachende Gnade, so insbesondere die Teilnahme an den Sakra-menten. Der Gerechte erhält dadurch eine größere Heiligkeit. Hat er am Ende seines Lebens die heiligrnachende Gnade bewahrt oder nach deren Verlust durch die Sünde wiedergewonnen, so bleibt das erhaltene Maß ihm dauerhaft im Himmel. Der dem Gerechten gewährte Umfang der heiligmachenden Gnade spiegelt jedoch nicht genau den Umfang der Verdienste wieder. So ist es möglich, daß ein nach der Taufe verstorbenes Kind ohne Verdienste eine größere Gnade erhält als ein Gerechter mit einigen Verdiensten. Und worin wird sich die größere oder geringere Gnade im Himmel zeigen, die der einzelne Selige erhalten hat? Es wird so wie bei den Engeln sein. Sie besteht in der größeren oder geringeren Nähe zu Gott.
Ungleichheit des Verdienstes
Das Verdienst ist ein gewisses Recht auf die Belohnung, das in einem guten Werk gelegen ist. Auch das Werk selbst, das der Belohnung würdig ist, kann als Verdienst bezeichnet werden. Dabei ist das gute Werk ein Wirken, das der Gläubige im Stande der Gnade verrichtet, um Gott zu gefallen. Die himmlische Seligkeit ist nun bei den einzelnen Seligen verschieden, je nach dem Grade ihrer Verdienste. Jesus versicherte: Der Menschensohn "wird einem jeden vergelten nach seinem Tun" (Mt 16,27). Und der heilige Paulus lehrt: "Jeder wird seinen Lohn empfangen gemäß seiner Arbeit" (1 Kor 3,8) und "Wer spärlich sät, wird auch spärlich ernten; wer reichlich sät, wird auch reichlich ernten" (2 Kor 9,6).
Danach muß es im Himmel auch eine Rangordnung nach dem Verdienst geben, die sich von der Rangordnung nach der Gnade unterscheidet. Jeder der Seligen nimmt auf dieser Rangordnung seinem Verdienst entsprechend - eine bestimmte Stufe ein. Worin besteht nun diese Rangordnung? Es ist die Art der Gottesschau, die Helligkeit des Glorienlichtes. So definierte das Unions-Konzils von Florenz (1439): "Die Seelen der vollendeten Gerechten "schauen klar den dreieinigen und einen Gott wie er ist, jedoch entsprechend der Verschiedenheit der Verdienste der eine vollkommener als der andere" (DH 1305). Während die Rangordnung nach der Gnade von oben, von Gott her festge-legt ist und von außen erkennbar sein muß, scheint die Rangordnung nach dem Verdienst unsichtbar zu sein. Denn wie vollkommen ein Seliger Gott schaut, das ist von außen nicht erkennbar. Die Un-sichtbarkeit aber würde einer sozialen Rangordnung widersprechen. Und die Erkennbarkeit von außen gehört zu Ordnung und Schönheit im Himmel hinzu. Deshalb ist dieser Punkt genauer zu prüfen.
Der Lohn im Himmel kann nicht nur aus einem, den anderen verborgenen, Geschenk bestehen. Vielmehr hat dcr Lohn auch eine öffentliche Seite. Es sollen auch die anderen sehen, was und wieviel der einzelne erhalten hat. Beim jüngsten Gericht ist dieser Lohn bereits insofern öffentlich, als alle erkennen können, wer in den Himmel aufgenommen und wer in die Hölle hinabgezwungen wird. Aber dann wird auch jedem Einzelnen sein Lohn öffentlich zuteil. "Denn der Menschensohn wird kommen mit seinen Engeln in der Herrlichkeit seines Vaters und dann einem jeden vergelten nach seinen Werken" (Mt 16,27). Diese Vergeltung, dieser Lohn, wird bestehen in dem Glanz der Glorie, die den Gerechten umhüllt. Ein Hinweis darauf ist der Heiligenschein, den die christliche Kunst jedem Heiligen zugebilligt hat. Damit ist eine Ehrung gegeben, die Christus versprochen hat: "Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren" (Joh 12,26). Die Ehrung muß öffentlich sein. Diese werden die Gerechten am Jüngsten Gericht erleben, und die Ehrengaben bleiben auf Dauer im Reich Gottes erhalten. Während die Übeltäter in den Feuerofen geworfen werden, werden die "Gerechten leuchten wie die Sonne im Reiche ihres 'Vaters" (Mt 13,43). Christus selbst hat sich bei seiner Verklärung in seiner, allerdings noch verschleierten, Glorie den auserwählten Jüngern auf dem Berg Tabor gezeigt (Mt 17,1). Und die apokalyptische Frau, die die allerseigste Jungfrau darstellt, erschien "mit der Sonne umkleidet" (Offb 12,1).
Die Glorie hat also gewissermaßen zwei Seiten. Einerseits ist sie das Erkenntnislicht, das es erlaubt, Gott zu erkennen wie er ist. Andererseits wird durch dieses Erkenntnislicht der Selige selbst derart erfüllt, daß es nach außen dringt, und den Glanz der Glorie bildet. Dieser Glanz der Glorie ist nicht bei jedem der Seligen gleich. So lehrt der Völkerapostel: "Anders ist der Glanz der Sonne, anders der Glanz des Mondes, anders der Glanz der Sterne; ja, ein Stern ist vom anderen im Glanz verschieden. So verhält es sich auch mit der Auferstehung der Toten" (1 Kor 15,41 f.). Der heilige Thomas von Aquin bemerkte dazu: "Der Glanz des Körpers zeigt die Klarheit des Geistes an. Also werden einige klarer schauen. 8) Die Vermehrung der Glorie als Wirkung des erworbenen Verdienstes besteht also nicht nur in einer voilkommeneren Schau Gottes sondern auch in einer Ranggliederung nach der Helligkeit und dem Umfang der Strahlung, in die jeder Selige eingetaucht ist.
Für die folgenden Überlegungen ist noch ein weiterer Punkt von Wichtigkeit. Wenn die Gerechten im Himmel alle den dreieinigen Gott schauen, dann muß es eine Grundstufe auf dieser Rangordnung geben, die mit keinem Verdienst versehen ist. Denn die Kinder, die nach der Taufe gestorben sind, haben ja keinen Verdienst aufzuweisen, schauen aber auch den dreieinigen Gott. Jeder der Seligen im Himmel ist also mit dem Erkenntnislicht der Glorie ausgestattet. So heißt es: "Denn bei dir ist die Quelle des Lebens, schauen wir Licht in deinem Licht" (Ps 35.10). Jedermann im Himmel besitzt den Grundbestand der Glorie, aber nicht jeder hat diesen vermehrt erhalten.
Zwei Rangordnungen
Es hat sich somit ergeben, daß es nicht nur eine Rangordnung im Himmel gibt, sondern deren zwei. Zweierlei Rangordnungen lassen sich auch in zivilen und militärischen Organisationen auf der Erde feststellen. So gibt es eine Rangordnung in allen größeren Sozialsystemen, so schon in der Familie, deutlich bei Soldaten und Offizieren, bei Beamten und in Industriebetrieben. Diese Rangordnung stellt die Hauptordnungslinie dar. Sie wird von der höchsten Autorität erstellt und getragen. Die Herrschaftspersonen dienen dabei der Herrschaftsmacht-Vergegenwärtigung. Auf dieser Rangordnung kann der Einzelne emporsteigen. Je höher jemand auf der Stufenleiter steht, desto stärker kommt in ihm die Herrschaftsmacht zum Ausdruck, desto näher steht er der obersten Autorität. Mit der Hierarchie wird also die Herrschaftsmacht in ihrer ganzen Fülle dargestellt. Von hier aus ist die Begründung der Ausübung der jeweiligen Herrschaftsmacht gegeben. Daneben wird aber auch, wenn auch weniger bedeutsam, eine Hierarchie nach dem Verdienst erkennbar. Diese zeigt sich beispielsweise in der Verleihung von Orden und Titeln, die in verschiedene Ränge (Klassen) gestuft sein können. Beim Militär ist diese Rangordnung nach dem Verdienst aus den Uniformen, aus Orden und Ehrenzeichen sowie aus verliehenen Titeln deutlich gegeben und bleibt in der Regel auch dann erhalten, wenn keine Herrschaftsmacht mehr ausgeübt wird.
Wie verhalten sich die beiden Rangordnungen nach der verliehenen Gnade und nach dem Verdienst im Himmel zueinander? Grundlegend ist die Ordnung nach der Gnade. Die in der ersten Rechtfertigung gewährte Gnade bildet das Eingangstor für die Ewigkeit. Die darauf beruhende Gliederung stellt die tragende Ordnung des Himmels dar. Die Stellung des einzelnen Seligen auf dieser Rangordnung wird zwar auch durch den erworbenen Verdienst bestimmt. Die Rangordnung nach dem Verdienst bildet jedoch eine eigene Dimension und kommt ergänzend hinzu.
Bei der Ordnung nach der verliehenen Gnade wird auch von den einzelnen Personen, je nach ihrer Ranghöhe die Herrschaft und Herrlichkeit der höchsten Autorität, nämlich Gottes, repräsentiert. Aber der Inhalt dieser Ordnung liegt nicht allein darin. Die freie Zuteilung der Gnade gemäß der ersten Rangordnung muß als die Gewährung der Liebe Gottes an den jeweiligen Gerechten verstanden werden. Gott liebt die einzelnen Seligen, und auch die Engel, mit unterschiedlichem Maß, wobei er jedem nach seinem Belieben seine Zuneigung schenkt, dabei aber auch die Verdienste berücksichtigt.
Und worin hat die zweite Rangordnung ihren eigentlichen Inhalt? Worin besteht das "volkomme-nere" Schauen Gottes? Das Konzil von Florenz hatte ja erklärt, daß die Seelen der vollendeten Gerechten "klar (clare)" Gott schauten, wie er ist, aber "der eine vollkommener (perfectius) als der andere". Worin die größere oder geringere Vollkommenheit der Schau Gottes liegen könnte, ist nicht einfach zu entscheiden. Unter Bezugnahme auf die Erkenntnis der außergöttlichen Dinge ist nach Ludwig Ott "der Umfang dieser Erkenntnis verschieden, je nach dem Grad ihrer unmittelbaren Gotteserkenntnis". 9) Nach Karl Forster ergibt sich "eine Stufenfolge in der Anschauung Gottes, und zwar nach dem Intensitätsgrad des Schauaktes und nach dem Umfang der erkannten sekundären Objekte. Im Raum dieser sekundären Objekte ist auch ein Fortschritt innerhalb der Anschauung Gottes möglich. Dagegen scheint ein Fortschreiten in der Schau des primären Objektes mit der Einfachheit des göttlichen Wesens schwer vereinbar. 10) Nach Thomas von Aquin "erblickt ein jeder, von denen, die Gott in seinem Wesen schauen, in seinem Wesen umso mehr, je klarer er das Wesen Gottes schaut. Und daher kommt es, daß der eine den anderen darüber belehren kann. Und so kann sich das Wissen der Engel und heiligen Seelen bis zum Tage des Gerichts mehren." 11)
Gegen Ott ist einzuwenden, daß der Umfang der Erkenntnis der außergöttlichen Dinge von dem Grad der Gotteserkenntnis nicht abhängen kann, da ja jeder Selige das göttliche Wesen sieht. Zu Forster ist weiterhin zu sagen, daß ein Fortschritt der Erkenntnisse mit einem Fortschritt im Hinblick auf die Verdienste verbunden sein müßte. Das Gleiche gilt für einen Fortschritt in der Schau des Wesens Gottes. Wohl aber spricht nicht die Einfachheit Gottes dagegen, daß der eine Selige ihn tiefer als der andere erkennt. Denn die Einfachheit Gottes verbindet sich mit seiner Unendlichkeit und Unergründ-lichkeit. Daher ist auch eine Belehrung von oben nach unten möglich, wie sie Thomas für gegeben hält. Ob diese Belehrung aber mit dem Jüngsten Gericht endet, scheint weniger sicher.
Es kann also nicht die verschiedene Deutlichkeit sein, in der man Gott sieht. Dagegen spricht das Wort "klar" des Lehrsatzes. Auch wer nur die Grundstufe der Glorie besitzt, schaut Gott nicht weniger deutlich als die anderen Seligen. Dabei werden die Seligen alles, was geschaffen ist, in Gott sehen, so weit Gott es ihnen nicht vorenthalten will. Sie überschauen aber nicht alles mögliche Wissen mit einem Male, sondern sie erschauen erhebende und beglückende Weiten und auf jedes Wissenwollen sogleich die Antwort. Das vollkommenere Schauen liegt in der Weite und Intensität der Erkenntnis der Tiefen der Gottheit. Wer vollkommener erkennt, steigt tiefer in die Gottheit hinab, sodaß bestimmte Tiefen nicht mehr allen oder nicht mehr allen voll zugänglich sind. Zugleich werden die Seligen, die vollkommener erkennen, das Geschaute besser begreifen, obwohl Gott letztlich - auch für die Seligen im Himmel - unbegreiflich ist. Anstatt von den Tiefen der Gottheit könnte man auch von den "Höhen" der Gottheit und insofern von den "Himmeln" in Gott sprechen. Denn bei Gott gibt es kein Oben und kein Unten, sondern nur ein Inneres, die nach innen gehende Unendlichkeit.
Mit den Verdiensten sind die Liebesgaben bezeichnet, die von den Seligen zur Zeit der Prüfung an Gott geschenkt wurden. So kommt in den Verdiensten die Größe der Liebe zum Ausdruck, mit der Gott geliebt wurde. Maßgebend ist die Liebe, die der Selige im letzten Augenblick seiner Pilgerschaft auf Erden besaß. Die Rangordnung nach dem Verdienst ist daher die Rangordnung der Liebe der Seligen zu Gott. Beide Rangordnungen sind folglich durch die Liebe begründet: Die Rangordnung der Gnade beruht auf der Liebe Gottes zu den Geschöpfen, die Rangordnung nach dem Verdienst beruht auf der Liebe der Geschöpfe zu Gott.
Der Himmel nach der allgemeinen Auferstehung
Nach der Klärung der beiden Rangordnungen, in denen die Seligen im Himmel stehen, ist es möglich geworden, ein Thema wieder aufzunehmen, das in der Dogmengeschichte im Mittelalter eine größere Rolle gespielt hat. Es ist die Frage, ob mit dem allgemeinen Gericht nach der Auferstehung eine Vergeltung - Lohn oder Strafe - verbunden ist, - so, ob die Seelen der Seligen schon voll die Schau Gottes genießen dürfen. Ohne dies erweckt das jüngste Gericht weniger den Eindruck eines Gerichtes als einer Bekanntmachung bisheriger Urteile, die bereits vollzogen wurden. Dazu ist bei Ott zu lesen: "Während beim besonderen Gericht der Mensch als Einzelner gerichtet wird, wird er beim allgemeinen Gericht als Glied der menschlichen Gesellschaft vor der ganzen Menschheit gerichtet. Der Lohn und die Strafe werden durch die Ausdehnung auf den wiedererweckten Leib vervollständigt." 12) Also nur eine Vervollständigung vorangegangener Geschehnisse?
Dieser relativen Bedeutungslosigkeit des jüngsten Gerichtes in den Vorstellungen suchte Papst Johannes XXII. zwischen 1331-1333 entgegenzuwirken, indem er lehrte, "die Seelen der Verstorbenen besäßen lediglich die Anschauung der menschlichen Natur Christi und erlangten erst nach dem allgemeinen Weltgericht die volle Seligkeit", sodann "die Schau Gottes werde als Lohn nur dem in der Auferstehung aus Leib und Seele geeinten Menschen als Subjekt geschuldet, nicht aber schon der vom Leib getrennten Seele", schließlich "sowohl die Dämonen als auch die verworfenen Menschen würden erst nach dem allgemeinen Gericht die ewige Strafe der Hölle antreten". 13) Als Widerspruch auftrat, ließ er die Angelegenheit klären und widerrief seine Lehre kurz vor seinem Tode. Sein Bekenntnis wurde schriftlich festgehalten. Darin heißt es, "daß die von den Leibern getrennten gereinigten Seelen im Himmel, Himmelreich und Paradies und mit Christus in der Gemeinschaft der Engel versammelt sind und nach allgemeiner Anordnung Gott und das göttliche Wesen von Angesicht zu Angesicht klar sehen, soweit es der Zustand und die Verfassung der getrennten Seele gestattet" (DH 991). Sein Nachfolger, Papst Benedikt XII., erließ zur Sache eine endgültige Entscheidung und stellte darin fest, daß die Schau des Wesens Gottes "ohne irgendeine Unterbrechung oder Verminderung besagter Schau und besagten Genusses ununterbrochen besteht und fortgesetzt wird bis zum Endgericht und von dann bis in Ewigkeit" (DH 1001). Im Hinblick auf diese Sichtweise gab es Vorwürfe protestantischer Theologen, daß die katholische Theologie das Heil so sehr in den Zwischenzustand verlagere, daß die eigentlichen biblischen Aussagen zum Endgericht nicht mehr hinlänglich zum Tragen kämen.
Nach dem Evangelium wird Christus nämlich zu den Gerechten am Gerichtstag sprechen: "Kommt, ihr Gesegneten meines Vaters! Nehmt in Besitz das Reich, das seit der Weltschöpfung für euch bereitet ist" (Mt 25,34). Wenn die meisten, nämlich die bereits verstorbenen Gerechten, dieses Reich jedoch schon besitzen, wie können sie dieses dann in Besitz nehmen? Deshalb ist nach einer besseren Lösung unter Berücksichtigung der bisher gewonnenen Ergebnisse zu suchen. Festgestellt war, daß die Seligen alle, ob sie Verdienste besitzen oder nicht, die Grundstufe der Schau Gottes besitzen. Dies darf nicht infrage gestellt werden. Wohl aber wäre es denkbar, daß denjenigen, die Verdienste und somit die Vermehrung der Glorie erworben haben, die vermehrte Glorie erst auf dem Weltgericht übertragen wird. Dies wäre jedenfalls ein öffentlicher Akt zur Veranschaulichung für alle Erschienenen.
In dieser Sicht der Dinge wird man bestärkt, wenn man die Parallele der Bestrafung in der Hölle berücksichtigt. Die Verdammten in der Hölle, sollen neben der Strafe des Verlustes der Anschauung Gottes (poena damni) auch die positive Strafe von Leiden (poena sensus = Strafe der Sinne) erdulden. Nach Franz Diekamp sind dies "Strafen, die entweder rein geistig oder (nach der Auferstehung unter Vermittlung des Leibes) auch in den sensitiven Kräften der Seele erlitten werden." 14) Dann aber wäre die Strafe bis zum Weltgericht noch nicht vollständig vollzogen. Die Bestrafung Satans und der Dämonen mit dem Einschluß in der Hölle ist bis zum Weltgericht jedenfalls noch nicht vollständig geschehen. So wird Christus ja zu den Verworfenen sagen: Hinweg "ins ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist" (Mt 25,41). Tatsächlich haben die Dämonen noch eine gewisse Freiheit, da sie in den Seelen der Menschen wirken und dort bleiben dürfen. Sie wehren sich, wenn sie hinausgetrieben werden sollen, weil sie dann in der Hölle in Zustände gelangen, die für sie erheblich schwerer zu ertragen sind. Sie wissen, daß auf sie eine Zeit der Qual zukommt (Mt 8,30). Sind aber die Dämonen noch nicht an ihre Plätze in der Hölle gebunden, so spricht das dafür. daß auch die Menschen dort den Ort ihrer Qual noch nicht voll erreicht haben. Dies wiederum stärkt die Überlegung, daß die endgültige Belohnung der' Seligen aus dem Verdienst an das Weltgericht gebunden ist.
So ist anzunehmen, daß die Menschen erst nach der Auferstehung im jüngsten Gericht die volle Vergeltung, Lohn bzw. Strafe, erhalten. Der durch die Verdienste erworbene "Schatz im Himmel" wird vor aller Augen zugeteilt werden. Die Seligen werden ferner eine Neugestaltung ihrer Umwelt erfahren. Um ihren Lohn vollständig zu machen, reicht der Himmel, in dem die seligen Seelen geweilt haben, nicht mehr aus. Deshalb läßt Gott den bisherigen Himmel vergehen, und die Erde, die so viel Sünde gesehen hat, wird verbrennen. Dafür schafft er "einen neuen Himmel und eine neue Erde" (2 Petr 3,13). Es ist anzunehmen, daß die Seligen auf der neuen Erde wohnen werden, aber auch im neuen Himmel mit den Engeln verkehren. Dabei wird die neue Erde dem Paradies in dem Adam und Eva lebten, in mancher Hinsicht gleichen, aber es in vieler Hinsicht auch überragen.
Die Seligkeit der Seligen
Voraussetzung des Eintritts in die Seligkeit ist der Empfang des Siegeskranzes (aurea, corona) durch die Gerechten (1 Petr 5,4). Er ist die Auszeichnung für die Sieger im Kampf. "Niemand empfängt den Siegeskranz, außer er habe ordnungsmäßig gekämpft" (2 Tim 2,5). Er enthält das Glorienlicht in seinem Grundbestand. Die Seligkeit der Gerechten im Himmel wird grundlegend bestimmt durch die Schau Gottes, so wie er ist. Alles Glauben und Hoffen ist zu Ende. Es bleibt nur die Schau, die Liebe und die damit verbundene Freude (der Genuß). Nach der Auferstehung bewirkt das Glorienlicht die Verklärung des Leibes. Dessen Strahlung wird je nach den vom göttlichen Richter anerkannten 'Verdiensten größer werden. Dann werden sie mit Gott die Menschen richten (1 Kor 6,2). Darauf treten die Seligen in das Reich Gottes ein, um es zu besitzen, um über die neue Erde zu herrschen mit Gott in Ewigkeit, verherrlicht durch die Teilnahme an seiner Herrlichkeit (Mt 1343; Offb 22,5).
Jeder Einzelne hat aber eine andere Seligkeit. Sie wird bestimmt durch die Stellung auf den beiden Rangordnungen nach der Gnade und dem Verdienst. Darüberhinaus gibt es noch besondere Ehrenerweise, die Gott einigen Gruppen von Seligen zuteil werden läßt. Es sind dies die Siegeszeichen (auch aureola genannt), mit denen besondere Verdienste im Kampfe von Gott ausgezeichnet werden. Sie sind ein Sonderlohn für den errungenen hervorragenden Sieg. Die Jungfrauen erhalten, wie der heilige Thomas von Aquin ausführt 15), das Siegeszeichen für ihren Sieg über das Fleisch (gemäß Offb 14,4), die Martyrer für ihren Sieg über die Welt (gemäß Mt 5,11) und die Glaubenslehrer für ihren Sieg über den Teufel, den Vater der Lüge (gemäß Dan 12,3 und Mt 5,19). Das Siegeszeichen gewährt eine besondere Freude über die im Kampf gegen die Feinde des Heilswerkes vollbrachten Werke und läßt auch die anderen Personen des Himmels eine Mitfreude spüren.
Darüberhinaus wird Gott auch einzelnen Personen bestimmte Ehrungen gewähren. Wie ein Bräutigam seine Braut mit Geschmeide schmückt, so wird es auch Gott mit den Heiligen im Himmel machen. Jesus selbst trägt ja mit seinen verklärten Wunden nur ihm zustehende Ehrenzeichen. Daher wird er den heiligen Johannes, den Täufer, als dem Größten der vom Weibe Geborenen (Mt 11,10), sicher mit einer besonderen Ehrung, die ihn als den Vorläufer erkennen läßt, auszeichnen.
Jeder Selige wird durch alle diese dauerhaften Geschenke und durch weitere Gnadenerweise Gottes überglücklich sein. Dies geschieht nicht deswegen, weil alle Gerechten jeweils ein bestimmtes Maß, ein Gefäß, voll gefüllt mit Glückseligkeit erhielten, sondern weil jeder weit über das verdiente und erwartete Maß hinaus belohnt sein wird. Schließlich wird die individuelle Seligkeit bestimmt durch das Erlebnis des Himmels als einer wunderbaren Gemeinschaft von Gott mit den Engeln und Heiligen. Insofern kann man auch von einer Seligkeit des Himmels sprechen.
Die Seligkeit des Himmels
Der Himmel ist das vollendete Gottesreich. Er bildet die Gemeinschaft in ihrer vollkommensten Form. Die Liebe in ihrer höchsten Form hat nun ewigen Bestand. So bilden die Himmelsbewohner den engsten Liebesbund mit Gott. Dazu gehört, daß sie einander einwohnen: die Seligen sind in Gott, und Gott ruht in ihnen. In diesem Reich der Liebe herrscht keine Sünde mehr, kein Aufruhr und kein Zwang. Alle befinden sich in größter Harmonie, in Glück und Freiheit. Denn ihr Wollen stimmt völlig mit dem Willen Gottes überein. Diese Vollendung wird in erster Linie durch die enge Gemeinschaft mit den göttlichen Personen hervorgerufen. Aber der Himmel wäre nicht vollkommen, wenn nicht die Vereinigung des einzelnen Seligen mit den anderen ebenfalls gegeben wäre. Gemeinsam erleben sie nicht nur die wunderbare Schönheit Gottes, sondern auch seiner geschaffenen Ordnungen, die in den Himmel aufgenommen worden sind und des Himmels selbst. So kann auch die Liebe zur Sozialeinheit des Reiches Gottes ihre volle Verwirklichung finden.
Diese Verbundenheit mit den anderen Seligen und Engeln wird im vollen Sinne erst nach dem allgemeinen Gericht hergestellt. Das Glorienlicht gewährt zwar die Schau des Wesens Gottes, es ermöglicht aber nicht die direkte, sinnenhaft erfahrene Verständigung mit den anderen Personen im Himmel. Zu dieser Gegenseitigkeit sind unter den seligen Menschen die Augen erforderlich. Diese gewinnt der Selige erst mit der Auferstehung zurück. Dadurch wird er zu gemeinschaftlicher Feier, zu dem Hochzeitsmahl fähig, zu dem viele geladen sind. Mit der Auferstehung wird insofern eine gewisse Einschränkung der Freiheit des Seligen aufgehoben. Erst jetzt ist der Selige voller Bürger im Gottesreich.
Die Gliederungen der Millionen von Engeln und Menschen folgen den Rängen der Gnade. Aber innerhalb dieser Ordnung gibt es auch noch Untergliederungen. Wie sollte man sich sonst durch die vielen Wohnungen hindurchfinden? Eine solche entspricht in gewissem Sinne einer Ämter-Hierarchie. So ist bereits durch die allerseigste Jungfrau, die mit Recht die Königin der Engel und die Mutter der Christen genannt wird, eine Gliederung gegeben. Sie ist diejenige, die auf der Rangfolge nach der Gnade die höchste Stellung einnimmt, denn sie ist "voll der Gnade" (Lk 1,28). Sie hat aber auch auf der Rangfolge nach dem Verdienst die höchste Stellung inne, denn durch ihren Glaubenssieg über Satan (Lk 1,45) hat sie den Beginn des Erlösungswerkes ermöglicht. Unter ihr sind die verschiedenen Stände und Berufungen der Kirche angesiedelt. So die Martyrer, die Jungfrauen, die Witwen, die Kirchenlehrer, die Diakone, die Priester, die Bischöfe und die Päpste. Alle diese Untergliederungen haben besondere Aufgaben zu erledigen und besitzen auch Autoritäten, die diese führen. Die Schar der Väter des Alten Bundes wird von Abraham angeführt werden, die Schar der Propheten von Moses, die Schar der Apostel von Petrus. Innerhalb dieser Gliederung ist es wahrscheinlich, daß auch nach dem Endgericht noch Wissen von oben nach unten weitergegeben werden wird. Denn wer hat bessere Einsicht in die Gottheit als Maria? Kennt sie ihren Sohn doch am besten und hat das hellste Glorienlicht. So wird sie von ihrem Wissen auch in der Ewigkeit weitergeben und ähnlich die anderen, die in der Hierarchie nach der Glorie höher stehen.
Dann gibt es aber auch noch eine Verbundenheit, die aus dem Erdenleben herrührt. So verbleiben die Angehörigen der verschiedenen religiösen Orden im Himmel als eine Gemeinschaft. Aber auch die verwandtschaftliche Verbindung, besonders zu den eigenen Kindern, wird im Himmel noch Bedeutung haben. Nicht zuletzt besteht im Himmel eine Verbindung mit denjenigen weiter, für die man mit Gebet und Opfer die Aufnahme in den Himmel mitbewirkt hat. Schließlich wird die auf Erden geübte Verbindung in Jesus mit anderen von Bedeutung sein. Denn alles Gute, was andere, durch uns veranlasst, tun, trägt zur eigenen Seligkeit bei. So heißt es in der Offenbarung des heiligen Johannes (14,13) für die Seligen: "Die Werke folgen ihnen nach". Das gilt auch für viele Personen.
Was für Aufgaben bestehen aber im Himmel? Vor der Auferstehung nimmt die Fürbitte für die anderen Teile des Gottesreiches, der kämpfenden Kirche auf Erden und der leidenden Kirche im Fegfeuer, einen wichtigen Platz ein. Aber die Hauptaufgabe liegt hierin nicht. Diese besteht im Vollzug des himmlischen Kults, der gemeinsamen Anbetung Gottes. Christus ist "Priester auf ewig nach der Ordnung des Melchisedech" (Hbr 7,17; Ps 109,4). Dieses Priestertum hat er nicht nur durch sein Leiden und Sterben am Kreuz ausgeführt. Vielmehr ist er auch im Himmel weiterhin der Priester, der Gott Vater zusammen mit seinem Volk, den Erlösten, einen Kult der Verehrung und Anbetung darbringt. So heißt es im Hebräerbrief: "Wir haben einen Hohenpriester, der sich zur Rechten des Thrones der Majestät im Himmel niederließ. Er verrichtet den Dienst im Heiligtum, im wahren Zelte, das der Herr erbaut hat und nicht ein Mensch" (Hbr 8,1 f.). Zugleich wird aber auch dem Lamm, das wie geschlachtet dasteht, Lob, Ehre und Ruhm dargebracht von den Gerechten, die von diesem für Gott Vater zu "Königen und Priestern gemacht" (Offb 5,10) worden sind. In diesen himmlischen Kult sind die verschiedenen Gliederungen der Engel und Menschen in großer Schönheit und ergreifender Hingabe und Harmonie einbezogen. Und diesen Kult beantwortet Gott mit ständig neuen Wohltaten, die im Bild des Hochzeitsmahles angedeutet sind.
Die ewige Heimat, in der Gott mit den seligen Menschen und Engeln in engster Gemeinschaft lebt, in der die göttliche Gnade Unerhörtes gibt, wird als Ort der unaufhörlichen Glücklichkeit und Geborgenheit, der Liebe und der Schau der unvergleichlichen Schönheit der neuen Erde, der sozialen Ordnungen in ihr und der Schau der Heiligkeit Gottes, das den Auserwählten von Anfang vorbestimmte Ziel sein. Hier wird jede Sehnsucht vollkommen erfüllt werden. Die Heiligen werden sich beim Einzug in die neugeschaffene Welt zurufen: "Laßt uns froh sein und jubeln und ihm die Ehre geben! Die Hochzeit des Lammes ist gekommen, seine Braut hält sich bereit. Sie durfte sich in glänzend reines Linnen kleiden." Mit dem Linnen sind die Verdienste der Gerechten bezeichnet. "Selig, die zum Hochzeitsmahle des Lammes geladen sind" (Offb 19,7-9).
Anmerkungen: 1. Augustinus: In Ioan. tr. 67, 2. 2. Vgl. Gerd-Klaus Kaltenbrunner: Dionysius vom Areopag - Das Unergründliche, die Engel und das Eine, Zug 1996, insbes. S. 1039 ff. 3. Johannes Brinktrine: Die Lehre von der Gnade, Paderborn 1957, S. 244. 4. Wigand Siebel: Die Stellung der Firmung unter den Initiationssakramenten, in: Theologie und Glaube, 3/1988, S. 223-241. 5. Leonhard Atzberger: Handbuch der katholischen Dogmatik (Scheeben), Vierter Band, Freiburg 1903, S. 136. 6. Brinktrine a.a.O., S. 244. 7. Franz Diekamp: Katholische Dogmatik, 2. Band, Münster/W. 1952, S. 584. 8. Thomas von Aquin: In Sent. 4 d. 49 q. 2 ad 4 9. Ludwig Ott: Grundriß der Dogmatik. Freiburg 1957, S. 26. 10. Karl Forster: Artikel Anschauung Gottes, in: LThK, Bd 1, Freiburg 1957, Sp. 590. 11. Thomas von Aquin: S. th. Suppl. q. 92. a.3. 12. Ott a.a.O., S. 588. 13. Nach DS (Denzinger-Hünermann), S. 404. 14. Diekamp a.a.O., 3. Band, Münster 1954, S. 464. 15. Thomas von Aquin: S. th. Suppl. q. 96, a. 11.
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