Die Geburt Christi nach den Visionen der Anna Katharina Emmerich
Ankunft in Bethlehem
Der Weg von der letzten Herberge nach Bethlehem mochte etwa drei Stunden sein. Sie zogen an der Nordseite von Bethlehem herum und nahten der Stadt von der Abendseite. Eine Strecke Wegs vor der Stadt, etwa eine Viertelstunde, kamen sie an ein grosses Gebäude mit Höfen und kleineren Häusern umgeben. Es standen auch Bäume davor und vielerlei Volk lagerte in Zelten drum her. Es war das ehemalige väterliche Haus Josephs und das Stammhaus Davids. Jetzt ist hier das Einnahmehaus der römischen Schätzung.
Joseph hatte auch noch einen Bruder in der Stadt. Er war ein Wirt; aber nicht sein rechter Bruder, er war ein Nachkind. Joseph ging gar nicht zu ihm. Er hatte fünf Brüder gehabt, drei rechte und zwei Stiefbrüder. Joseph war fünfundvierzig Jahre alt. Er war dreissig Jahre und ich glaube, drei Monate älter als Maria. Er sah hager aus, hatte eine weisse Gesichtsfarbe und hervorstehende rötliche Backenknochen, eine hohe reine Stirne und bräunlichen Bart.
Die Eselin geht hier nicht mit, sie läuft weg. Sie läuft gegen Mittag um die Stadt herum. Es ist da etwas eben, ein Talweg. Joseph ging gleich in das Haus; denn jeder der ankam, musste sich da melden und erhielt einen Zettel, den er am Tore abgeben musste, um in die Stadt eingelassen zu werden. Die Stadt hatte nicht eigentlich ein Tor; aber es führte der Weg doch zwischen ein paar Mauerresten hinein, wie durch ein zerstörtes Tor. Joseph kam etwas spät zu der Steuer; doch wurde er ganz freundlich behandelt.
Maria ist in einem kleinen Haus am Hof bei Frauen. Sie sind ganz artig und geben ihr was. Die Frauen kochen für die Soldaten. Es sind Römer, sie haben solche Riemen um die Lenden hängen. Es ist hier schönes Wetter und nicht kalt. Die Sonne scheint auf den Berg zwischen Jerusalem und Bethanien. Man sieht es recht schön von hier. Joseph ist in einer grossen Stube, sie ist nicht ebener Erde. Sie fragen ihn, wer er sei und sehen auf lange Rollen, welche an der Wand in grosser Menge hangen. Sie rollen sie ab und lesen ihm sein Geschlecht vor, auch das von Maria. Er wusste nicht, dass sie von Joachim her auch so gerade von David abstamme. Der Mann fragte ihn: wo hast du dein Weib? Sieben Jahre sind es, dass die Leute hier im Lande ordentlich geschätzt worden sind wegen allerlei Verwirrung. Ich sehe die Zahl V und II, das macht ja sieben. Diese Steuer ist schon mehrere Monate im Gang. Die Leute müssen noch zweimal bezahlen, sie bleiben teils drei Monate hier. Sie haben zwar in den sieben Jahren hie und da etwas bezahlt: aber nicht ordentlich. Joseph hat heute noch nicht gezahlt: aber seine Umstände sind ihm abgefragt und er hat gesagt, dass er keine Gründe habe und von seinem Handwerk und der Unterstützung seiner Schwiegereltern lebe. Maria ist auch vor die Schreiber gerufen worden, aber nicht oben, sondern unten in einem Gang; es wurde ihr aber nichts vorgelesen.
Es sind eine grosse Menge von Schreibern und vornehmen Beamten im Haus in mehreren Sälen. Oben sind Römer und auch viele Soldaten. Es sind Pharisäer und Sadduzäer, Priester, Älteste und allerlei Art solcher Beamten und Schreiber da, von jüdischer und römischer Seite. In Jerusalem ist keine solche Kommission, aber an mehreren andern Orten des Landes, z. B. in Magdalum am galiläischen See, wohin Leute aus Galiläa bezahlen müssen, und auch Leute von Sidon, ich meine teils wegen Handelsgeschäften. Nur jene Leute, welche nicht ansässig sind und nicht nach ihren liegenden Gründen geschätzt werden können, müssen nach ihrem Geburtsort ziehen.
Es wird die Steuer von nun an in drei Monaten in drei Teilen entrichtet. An der ersten Zahlung hat der Kaiser Augustus, Herodes und noch ein König teil, der in der Nähe von Ägypten wohnt. Er hat etwas im Kriege getan und hat ein Recht oben im Lande an eine Gegend, weswegen sie ihm etwas abgeben müssen. Die zweite Zahlung hat auf Tempelbau Bezug; es ist, als werde eine vorgeschossene Schuld zurückgezahlt. Die dritte soll für die Witwen und Armen sein, die lange nichts erhalten haben; aber es kommt alles, wie auch heutzutage, wenig an den rechten Mann. Es sind lauter rechte Ursachen und bleibt doch in den Händen der Grossen hängen.(...)
Joseph zog dann mit Maria gerade nach Bethlehem, das weit auseinander liegend gebaut war, hinein bis in die Mitte der Stadt. Er liess Maria mit dem Esel immer am Eingang einer Strasse halten und ging hinein, eine Herberge zu suchen. Maria musste oft lange warten, bis er betrübt wieder zurückkam. Überall war es voll, überall wurde er abgewiesen. Endlich sagte er, als es schon dunkel war, sie wollten nach der anderen Seit der Stadt hinziehen, da fände sich gewiss noch ein Unterkommen. Sie zogen nun eine Strasse, die mehr ein Feldweg, als eine eigentliche Strasse war, denn die Häuser lagen an Hügeln zerstreut und kamen am Ende derselben an einen tiefer liegenden freien Platz oder ein Feld. Hier stand ein sehr schöner Baum mit glattem Stamm; die Äste breiteten sich wie ein Dach umher. Darunter führte Joseph die heilige Jungfrau und das Lasttier und verliess sie wieder, um Herberge zu suchen. Er geht von Haus zu Haus. Seine Freunde, von welchen er Maria gesprochen, wollen ihn nicht kennen. In diesem Suchen kehrt er einmal zu Maria unter dem Baum zurück und weint. Sie tröste ihn. Er sucht von Neuem; da er aber die nahe Entbindung seiner Frau als Hauptbeweggrund anführt, weisen sie ihn noch leichter ab.
Es war unterdessen ganz düster geworden. Maria stand unter dem Baum. Ihr Kleid war voller Falten und gürtellos, ihr Kopf weiss verschleiert. Das Lasttier stand mit dem Kopf gegen den Baum gekehrt. Joseph hatte für Maria einen Sitz von dem Gepäck unter den Baum gemacht. Es war ein grosses Geläufe in Bethlehem. Viele Menschen kamen vorüber und schauten aus Neugierde nach ihr hin, wie man das tut, wenn man jemand im Dunkeln lange stehen sieht. Ich meine, es redeten sie auch einzelne an und fragten, wer sie sei. Sie ahnten nicht, dass der Erlöser ihnen so nahe war. Maria war so geduldig, still und erwartungsvoll, so demütig. Ach sie musste gar lange warten! Sie setzte sich nieder, die Hände unter der Brust gekreuzt, das Haupt gesenkt. Endlich kam Joseph ganz betrübt wieder. Ich sah, dass er weinte und aus Betrübnis, weil er keine Herberge gefunden zu nahen zögerte. Er sagte, dass er von seiner Jugend her noch einen Ort vor der Stadt wisse, der den Hirten gehöre und wo sie ihre Niederlage hätten, wenn sie Vieh zur Stadt brächten, er habe sich dort oft zum Gebet abgesondert und vor seinen Brüdern verborgen. Zu dieser Jahreszeit seien keine Hirten da; oder kämen sie auch, so würde er doch leicht mit ihnen einig werden. Sie wollten da einstweilen ein Obdach finden; er wolle dann, wenn sie erst in Ruhe sei, von Neuem zu suchen gehen.
Nun zogen sie einen Weg links herum, als wenn man durch verfallene Mauern, Gräben, und Wälle eines Städtchens hinzieht. Sie kamen über einen Wall oder Hügel hinab; der Weg stieg dann wieder etwas. Es standen da vor einem Hügel verschiedene Bäume, Nadelholz, Terebinthen oder Zedern und Bäume mit kleineren Blättern wie Buchsbaum. In diesem Hügel war eine Höhle oder Gewölbe. Es war der Ort, den Joseph meinte. Es waren keine Häuser in der Nähe. Das Gewölbe war an einer Seite mit rohem Mauerwerk ergänzt, von wo aus der Zugang ins Tal der Hirten offen stand. Joseph setzte die leichte geflochtene Türe los. Als sie hier ankamen, lief ihnen die Eselin entgegen, welche gleich bei Josephs Vaterhaus schon von ihnen weg ausserhalb der Stadt herum hieher gelaufen war. Sie spielte und sprang ganz lustig um sie herum und Maria sagte noch: sieh, es ist gewiss der Wille Gottes, dass wir hier sein sollen. Joseph war aber sehr betrübt und ein wenig stille beschämt, weil er so oft von der guten Aufnahme in Bethlehem gesprochen hatte. Es war ein Obdach vor der Tür, worunter er den Esel stellte und Maria einen Sitz bereitete. Es war ungefähr acht Uhr, als sie hier waren, und dunkel. Joseph machte Licht und ging in die Höhle. Der Eingang war sehr eng, es stand allerlei dickes Stroh an den Wänden, wie Binsen und es waren braune Matten darüber gehängt. Auch hinten in dem eigentlichen Gewölbe, wo oben einige Luftlöcher herein waren, war nicht in Ordnung. Joseph räumte aus und gewann hinten so viel Raum, dass er Maria eine Lager- und Sitzstelle machen konnte. Maria setzte sich auf eine Decke und hatte ihr Bündel neben sich liegen, worauf sie sich lehnte. Auch der Esel wurde herein gebracht. Joseph heftete eine Lampe an die Wand und als Maria ruhte, ging er auf das Feld gegen die Milchhöhe zu und legte einen Schlauch in ein sehr kleines Bächlein, dass er voll laufen sollte. Er ging auch noch zur Stadt und holte kleine Schüsseln und Reiserbündel und ich meine auch Früchte. Es war Sabbath, aber wegen der vielen Fremden in der Stadt, die allerlei Unentbehrliches brauchten, waren an den Strassenecken Tische aufgerichtet, worauf die nötigsten Lebensbedürfnisse und Geräte lagen. Der Wert wurde dabei niedergelegt. Ich meine, es standen Knechte oder heidnische Sklaven dabei, ich weiss es nicht mehr recht.
Als er zurückkam, brachte er ein Bündelchen dünnes Knüppelholz, welches mit Binsen schön zusammen gebunden war und in einer Büchse mit einem Stiel glühende Kohlen, die er am Eingange der Höhle ausschüttete, um Feuer zu machen; er holte den gefüllten Wasserschlauch und bereitete einige Speise. Es war ein Mus von gelben Körnern und eine dicke Frucht, welche gekocht wurde und viele Körner enthielt und kleine Brote. Nachdem sie gegessen hatten und Maria auf dem Binsenlager, worüber Decken gelegt wurden, zur Ruhe gegangen war, bereitete sich auch Joseph sein Lager im Eingang der Höhle und ging dann nochmals in die Stadt. Er hatte aber alle Öffnungen Höhle gegen Zugluft verstopft. Ich sah da zum erstenmal die heilige Jungfrau in den Knien liegend beten. Sie legte sich dann auf den Teppich nieder an die Seite und lehnte den Kopf mit dem Arm auf ihr Bündel.
Es war das Ende des Bergrückens von Bethlehem, an welchem die Höhle lag. Vor dem Eingang war ein Platz mit schönen Bäumen, von denen aus man einzelne Dächer und Türme der Stadt sehen konnte. Über dem Eingang, der mit einer Tür aus Flechtwerk geschlossen wurde, war ein Vordach. Von der Türe führte ein mässig breiter Gang in die eigentliche Höhle, ein unregelmässiges Gewölbe, das halb rund, halb dreieckig war. Dieser Gang hatte auf einer Seite eine Eintiefung, welche Joseph durch vorgehängte Decken zu einem Schlafraum für sich abgrenzte. Soweit die Decken aus der Eintiefung in den Gang selber noch herein reichten, schied Joseph diesen Teil des Ganges bis zur Türe hin durch vorgehängte Matten zu einem Raum ab, in dem er allerlei aufbewahren konnte.
Der Gang war nicht so hoch, als die Höhle selber, welche von Natur gewölbt war. Die inneren Wände der Höhle waren, wo sie von Natur gewachsen, wenn gleich nicht ganz glatt, doch angenehm und reinlich und hatten für mich etwas Anmutiges. Sie gefielen mir besser, als wo etwas dran gemauert war; das war plump und rauh. Die rechte Seite des Eingangs war von unten auf auch ein gutes Stück weit im Felsen und nur oben scheint es mir gemauert; da hatte es auch einige Löcher in den Gang. Oben in der Mitte des Höhlengewölbes war eine Öffnung und ich meine noch drei schräg in halber Gewölbshöhe, um welche die Wand der Höhle etwas glatter behauen war; sie schienen von Menschenhänden vollendet. Der Boden lag tiefer, als der Eingang und war auf drei Seiten mit einer erhöhten Steinbank breiter und schmäler umgeben. Auf einer solchen breiteren Bank stand der Esel. Er hatte keinen Trog vor sich, es wurde ihm ein Schlauch hingestellt oder an die Ecke angehängt. Hinter dem Esel war eine kleine Seitenhöhle, nur so gross, dass der Esel darin stehen konnte. Es wurde das Futter hier aufbewahrt. Neben dem Stand des Esels war eine Rinne und ich sah, dass Joseph täglich die Höhle reinigte.
Auch da, wo Maria lag, ehe sie gebar und wo ich sie in der Geburt erhoben sah, war eine solche Steinbank. Der Ort, wo die Krippe stand, war eine tief einspringende Seitenwölbung der Höhle. Nahe an dieser Einwölbung befand sich ein zweiter Eingang in die Höhle. Über der Höhle zog sich ein Bergrücken hin, der zur Lage der Stadt führte. Im Rücken der Höhle senkte sich der Hügel nach einem sehr anmutigen, mit Bäumen reihenweise bepflanzten Talgrund, der zur Säughöhle Abrahams führte, welche in einem Vorsprunge der gegenüberliegenden Höhe lag. Das Tal mochte eine halbe Viertelstunde breit sein und hier floss die Quelle, aus der Joseph sich das Wasser holte.
Ausser der eigentlichen Krippenhöhle lagen in dem Hügel etwas tiefer noch zwei andere Höhlen, in deren einer die heilige Jungfrau sich auch manchmal verborgen hielt. Als später die heilige Paula die erste Anlage ihres Klosters zu Bethlehem machte, sah ich ein leichtes Kapellchen in dem Tal so an die Morgenseite der Höhle angebaut, dass die Kapelle an die hintere Seite der Krippenhöhle gerade an der Stelle anlehnte, wo Jesus geboren wurde. Dieses Kapellchen aus Holz und Flechtwänden war inwendig mit Teppichen ausgehängt. Es schlossen sich daran vier Reihen von Zellen, welche so leicht wie die Herbergshäuser im Gelobten Lande gebaut waren. (...)
Die Geburt des Jesuskindes
Ich sah, wie Joseph am folgenden Tag für Maria in der sogenannten Säughöhle, der Grabhöhle der Amme Abrahams MAraha genannt, die geräumiger war, als die Krippenhöhle, Sitz und Lager bereitete. Sie brachte dort einige Stund zu, während welcher Joseph die Krippenhöhle mehr ausräumte und besser in Ordnung brachte. Er holte auch aus der Stadt mancherlei kleinere Gerätschaften und getrocknete Früchte. Maria sagte ihm, dass in der kommenden Nacht die Stunde der Geburt ihres Kindes eintrete. Es seien dann neun Monate, dass sie vom Heiligen Geiste empfangen habe. Sie bat ihn, von seiner Seite alles zu tun, damit sie das von Gott verheissene, übernatürlich empfangene Kind so gut auf Erden ehrten, als sie vermöchten. Er möge auch mit ihr sein Gebet für die Hartherzigen vereinigen, welche ihm keine Herberge hatten gewähren wollen. Joseph bot sich Maria an, ihr einigefromme Frauen aus Bethlehem zum Beistand zu holen, die er kenne; aber Maria nahm es nicht an und erklärte, dass sie niemanden bedürfe. Es war fünf Uhr abends, als Joseph die heilige Jungfrau wieder in die Krippenhöhle zurückbrachte. Hier hängte er noch mehrere Lampen auf; auch versorgte er unter dem Obdach vor der Tür die freudig aus dem Feld herbeigeeilte Eselin.
Als Maria ihm sagte, es nahe ihre Zeit, er möge sich ins Gebet begeben, verliess er sie und ging nach seinem Schlafraum zurück, um zu beten. Er sah noch einmal, ehe er in sein Kämmerchen eintrat, nach dem Hintergrund der Höhle zurück, wo Maria ihm den Rücken kehrend knieend auf ihrem Lager betete, das Angesicht nach Morgen gewendet. Er sah die Höhle voll Licht, es war Maria ganz wie von Flammen umgeben. Es war, als sähe er wie Moses in den brennenden Dornbusch hinein. Er sank aber betend auf sein Angesicht und sah nicht mehr zurück. Ich sah den Glanz um Maria immer grösser werden. Die Lichter, welche Joseph angesteckt hatte, waren nicht mehr zu sehen. Sie kniete in einem weiten, weissen Gewand, das vor ihr ausgebreitet war. In der zwölften Stunde war sie im Gebet entzückt. Ich sah sie von der Erde empor gehoben, dass man den Boden unter ihr sah. Sie hatte die Hände auf der Brust gekreuzt. Der Glanz um sie vermehrte sich. Ich sah die Decke der Höhle nicht mehr. Es war wie eine Strasse von Licht über ihr bis zum Himmel empor, in der ein Licht das andere und eine Gestalt andere durchdrang und Lichtkreise in himmlische Gestalten übergingen. Maria betete aber nieder zur Erde schauend. Da gebar sie das Jesuskind. Ich sah es wie ein leuchtendes, ganz kleines Kind, das heller war, als der übrige Glanz, auf der Decke vor ihren Knien liegend. Es war mir, als sei es ganz klein und werde vor meinen Augen grösser. Es war aber dieses alles eine blosse Bewegung in so grossem Glanz, dass ich nicht weiss, ob ich und wie ich das sah. Selbst die tote Natur war in innerer Bewegung. Die Steine des Bodens und der Wände der Höhle waren wie lebendig.
Maria war noch eine Zeit lang so entzückt, und ich sah sie ein Tuch über das Kind legen und es noch nicht aufnehmen, noch anfassen. Nach einer geraumen Zeit sah ich das Kind sich regen und hörte es weinen. Maria war, als komme sie zu sich. Sie nahm das Kind, mit dem Tuche einhüllend, das sie auf dasselbe gedeckt, an die Brust und sass verschleiert ganz mit dem Kinde eingehüllt und ich glaube, sie säugte es, und ich sah ganz menschlich gestaltete Engel um sie her auf dem Angesicht liegen. Es mochte wohl eine Stunde nach der Geburt sein, als Maria den heiligen Joseph rief, der noch immer im Gebet lag.
Als er ihr nahte, warf er sich in Andacht, Freude und kniend auf sein Angesicht und Maria bat ihn nochmals, er solle das heilige Geschenk des Himmels ansehen. Da nahm er Kind auf seine Arme. Die heilige Jungfrau wickelte nun das Jesuskind in eine rote und darüber in eine weisse Hülle bis unter die Ärmchen und nach oben in ein anderes Tüchlein. Sie hatte nur vier Windeln bei sich. Sie legte es hierauf in die Krippe, welche mit Binsen und anderen feinen Pflanzen gefüllt und worüber eine Decke an den Seiten überhängend gebreitet war. Die Krippe stand über dem Steintrog, der ebener Erde lag rechts, vom Gang in die Höhle, da, wo sie einen weiteren Ausbug gegen Mittag machte. Der Grund dieses Teiles der Höhle lag mit stufenförmig sich abschieferndem Boden etwas tiefer, als der andere Teil, wo das Kind geboren worden war. Als sie das Kind in die Krippe gelegt, standen sie beide wenend und lobsingend dabei.
Die heilige Jungfrau hatte ihr Lager und ihren Sitz neben der Krippe. Ich sah sie aufrecht sitzen und auch an der Seite liegen in den ersten Tagen. Doch sah ich sie auf keine Art besonders krank oder erschöpft. Sie war vor und nach der Geburt ganz weiss gekleidet. Wenn Leute zu ihr kamen, sass sie meist neben der Krippe und war mehr eingewickelt.
Es entsprang in der Nacht der Geburtsstunde eine schöne Quelle in der anderen, rechts gelegenen Höhle, welche herauslief und welcher Joseph am folgenden Tag einen Lauf und Brunnen grub.
Ich habe zwar in diesen Gesichten, welche das Ereignis selber und nicht die kirchliche Festfeier zum Gegenstand hatten, keine solche schimmernde Freudigkeit in der Natur gesehen, wie ich es sonst in der heiligen Weihnacht sehe, wo diese Lust eine innere Bedeutung hat; aber ich sah doch eine ungewohnte Freude und an vielen Orten bis in die fernsten Gegenden der Welt etwas Ungewöhnliches in der Mitternacht, das viele gute Menschen mit freudiger Sehnsucht und böse mit Angst erfüllte. Auch sah ich viele Tiere freudig bewegt, viele Quellen entspringen und anschwellen, an vielen Orten sich Blumen erheben, Kräuter und Bäume wie Erquickung schöpfen und duften. In Bethlehem war es trübe und am Himmel ein trübes rötliches Licht. Auf dem Tale der Hirten aber, um die Krippe und in dem Tal der Säughöhle lag ein erquickender, glänzender Taunebel.
Ich sah die Herden bei dem Hügel der drei Hirten-Ältesten unter Schuppen; an dem ferneren Turm der Hirten aber teilweis noch unter freiem Himmel. Ich sah die drei Hirten-Ältesten von der wunderbaren Nacht bewegt zusammen vor ihrer Hütte stehen und umherschauen und einen herrlichen Glanz über der Krippe erblicken. Auch die Hirten bei dem entfernteren Turm waren in voller Bewegung. Sie waren auf das Turmgerüst gestiegen und sahen nach der Krippe hin, über welcher sie einen Glanz bemerkten. Ich sah, wie eine Lichtwolke zu den drei Hirten niederkam. Ich bemerkte in derselben auch ein Übergehen und Verwandeln in Formen und hörte die Annäherung eines süssen, lauten und doch leisen Gesangs. Die Hirten erschracken anfangs; aber es standen bald fünf oder sieben leuchtende liebliche Gestalten vor ihnen, welche ein grosses Band wie einen Zettel in den Händen trugen, worauf Worte mit handlangen Buchstaben geschrieben waren. Die Engel sangen das Gloria.
Denen am Turm erschienen sie auch und ich weiss nicht mehr wo sonst. Die Hirten sah ich nicht augenblicklich zur Krippe eilen, wohin die drei ersten wohl eine und eine halbe Stunde hatten, und die am Turm der Hirten wohl noch einmal so weit. Aber ich sah sie sogleich bedenken, was sie dem neugebornen Heilande zum Geschenk mitbringen wollten, und so schnell wie möglich diese Geschenke zusammen suchen. Die kamen schon am frühen Morgen zur Krippe.
Ich sah, dass in dieser Nacht Anna in Nazareth, Elisabeth in Juta, Noemi, Hanna und Simeon am Tempel Gesichte und Eröffnungen von der Geburt des Heilandes hatten. Das Kind Johannes war unbeschreiblich froh. Nur Anna wusste, wo das neugeborne Kind war; die anderen und selbst Elisabeth wussten zwar von Maria und sahen sie im Gesicht, aber sie wussten nichts von Bethlehem. Im Tempel sah ich eine wunderbare Sache. Es wurden die Schriftrollen der Sadduzäer mehrmals aus ihren Behältern geschleudert. Es entstand grosser Schrecken darüber. Sie schrieben es der Zauberei zu und zahlten vieles Geld, um es verschwiegen zu halten.
Ich sah, dass in Rom über dem Fluss in einer Gegend, wo viele Juden wohnten, eine Quelle wie Oel entsprang und dass alles in grosser Verwunderung war. Auch platzte, als Jesus geboren war, eine prächtige Statue des Götzen Jupiter, wo alles im Schrecken war. Sie opferten und fragten ein an Götzenbild, ich meine die Venus, und der Teufel musste aus ihr sagen: es ist dieses, weil eine Jungfrau ohne Mann einen Sohn empfangen und geboren hat. Sie sagte ihnen auch das Wunder vom Oelbrunnen. Wo dieser war, ist jetzt eine Mutter-Gottes-Kirche. Ich sah aber, dass die Götzenpriester über das Ereignis sehr bestürzt waren und sie schlugen in Rollen folgende Geschichte nach. Sie hatten vor etwa siebzig Jahren dieses Götzenbild sehr prächtig mit Gold und Edelsteinen verziert und hatten grossen Spektakel und Opfer damit. Es war aber in Rom damals eine ganz gute, fromme Frau, sie lebte von ihrem Vermögen. Ich weiss nicht recht, ob sie nicht eine Jüdin war. Sie hatte Gesichte und musste weissagen, sie sagte auch manchmal Leuten von der Ursache ihrer Unfruchtbarkeit. Diese Frau hatte sich öffentlich verlauten lassen, sie sollten den Götzen nicht so kostbar verehren, er werde einst mitten auseinanderbersten. Sie wurde deswegen eingezogen und so lange gepeinigt, bis sie von Gott die Weisung erbetet hatte, wann dieses geschehen würde; denn das wollten die Götzenpriester von ihr wissen. Da sagte sie endlich: das Bild werde zerbrechen, wenn eine Jungfrau einen Sohn gebären werde. Als sie dieses gesagt, lachte man sie aus und entliess sie als eine Närrin. Nun erinnerten sich die Leute daran und sahen, dass sie Recht gehabt. Ich habe auch gesehen, dass die Bürgermeister von Rom, wovon einer Lentulus hiess und von dem Freunde des heiligen Petrus in Rom und von dem Martyrer-Priester Moses ein Vorfahre war, sich von diesem Ereignis unterrichten liessen und auch von dem Oelbrunnen.
Den Kaiser Augustus sah ich in dieser Nacht auf dem Kapitol, wo er die Erscheinung eines Regenbogens mit dem Bild der Jungfrau und des Kindes hatte. Von dem Orakel, das er befragen liess, empfing er den Ausspruch: es ist das Kind geboren, dem wir alle weichen müssen. Darauf liess er dem Sohn der Jungfrau als dem «Erstgebornen Gottes» einen Altar erbauen und opfern.
In Ägypten sah ich auch ein Bild, es war weit hinter Matarea, Heliopolis und Memphis. Da war ein grosser Götze, der sonst allerlei Aussprüche tat. Der ward auf einmal stumm und der König befahl im ganzen Land grosse Opfer zu tun. Da musste der Götze auf Gottes Befehl sagen: er schweige und müsse weichen, weil der Sohn von der Jungfrau geboren sei und es würde ihm hier ein Tempel errichtet werden. Der König wollte ihm dann einen Tempel daneben errichten. Ich weiss die Geschichte nicht mehr recht. Es kam aber der Götze fort und ein Tempel der Jungfrau mit dem Kind hin, die er verkündet und die dann auf heidnische Weise verehrt wurde.
Im Lande der Heiligen drei Könige sah ich ein grosses Wunder. Sie hatten auf einem Berg einen Turm, wo sich abwechselnd immer einer von ihnen mit mehreren Priestern aufhielt, um die Sterne zu beobachten. Was sie in den Sternen sahen, schrieben sie auf und teilten es einander mit. In dieser Nacht waren zwei der Könige hier, Mensor und Sair. Der dritte, welcher gegen Morgen des kaspischen Meeres wohnte und Theokeno hiess, war nicht dabei. Es war ein bestimmtes Sternbild, nach dem sie immer schauten und dessen Veränderungen sie beobachteten. Sie empfingen dabei Gesichte und Bilder am Himmel. So auch in der heutigen Nacht und zwar in mehreren Veränderungen. Es war nicht ein Stern, in dem sie das Bild sahen, es waren mehrere Sterne in einer Figur und es war eine Bewegung in den Sternen. Sie sahen einen schönen, farbigen Bogen über dem Bild des Mondes, auf dem eine Jungfrau sass. Das linke Bein hatte sie in sitzender Stellung, das rechte hing mehr gerade herunter und stand auf dem Mond. Auf der linken Seite der Jungfrau erschien über dem Bogen ein Weinstock, auf der rechten ein Bündel Ären. Vor der Jungfrau sah ich die Gestalt eines Kelches, wie der beim heiligen Abendmahl, erscheinen oder heller aus ihrem Glanz hervortreten. Aus dem Kelch stieg ein Kind empor und über dem Kind erschien eine helle Scheibe, wie eine leere Monstranz, aus der Strahlen wie Ären ausgingen. Ich hatte den Begriff des Sakraments dabei. Zur Linken der Jungfrau stieg eine achteckige Kirche mit einem goldenen Tor und zwei kleinen Seitentüren empor. Die Jungfrau bewegte mit der rechten Hand Kind und Hostie in die Kirche, die während dem sehr gross wurde und in der ich die heiligste Dreifaltigkeit erblickte. Über der Kirche erhob sich ein Turm. Die gleichen Bilder hatte auch Theokeno, der dritte der Könige in seiner Heimat.
Über dem Haupt der auf dem Bogen sitzenden Jungfrau stand ein Stern, der plötzlich aus seiner Stellung heraus und vor ihnen am Himmel hinschwebte. Und sie empfingen dabei wie sonst nie, eine Stimme und Verkündigung, dass die Geburt des von ihnen und ihren Voreltern schon so lange erwarteten Kindes in Judäa nun eingetreten sei und dass sie dem Stern folgen sollten. Schon in den letzten Tagen vor der heiligen Nacht hatten sie von ihrem Turme aus allerlei Bilder am Himmel gesehen und wie Könige zu dem Kind zogen und es verehrten. Darum nahmen sie jetzt ohne Säumen ihre Schätze zusammer machten sich mit Gaben und Geschenken auf die Reise. Sie meinten, sie wollten nicht die letzten sein. Ich sah, dass nach wenigen Tagen alle drei auf dem Weg zusammentrafen.
Ich sah, dass das Jahr der Welt 3997 noch nicht voll war, als Jesus geboren wurde. Die nicht vollen vier Jahre von seiner Geburt bis zum Schluss des vierten Jahrtausends hat man nachher ganz vergessen und dann vier Jahre später unsere neue Jahrzahl angefangen. Christus ist also nicht ganz volle 8 Jahre früher, als unsere Zeitrechnung geboren. Der eine Konsul in Rom hiess damals Lentulus, er war ein Vorfahre des Martyrers und Priesters Moses, dessen Reliqie hier bei mir ist und der zur Zeit des heiligen Cyprian lebte; von ihm stammte auch jener Lentulus in Rom, der dort ein Freund des heiligen Petrus war. Christus ist im 45. Jahre des Kaisers Augustus geboren. Herodes hat überhaupt bis zu seinem Tod 40 Jahre regiert. Sieben Jahre war er zwar noch abhängig, aber quälte das Land schon sehr und übte viele Grausamkeiten aus. (...)
Die Geburt Christi geschah in einem Jahr, in welchem die Juden 13 Monate zählten. Es war dies wohl so eine Einrichtung, wie mit unsern Schaltjahren. Ich meine auch, dass die Juden zweimal im Jahr Monate von 21 und 22 Tagen hatten. (...) Ich glaube, Christus ist im Monat Casleu geboren; dass es aber gerade einen Monat früher geschah, als es in der Kirche gefeiert wird, das kommt, weil einmal bei einer Kalenderveränderung einige Zeiten und Tage ganz ausgelassen worden sind.
(Emmerick Visionen, 1. Bd., aus den Tagebüchern des C. Brentano, hrsg. von Schmöger, Reussbühl 1970, S. 300 ff.) |