Pauls' IV. Bulle "Cum ex apostolatus officio"
- Variationen über dasselbe Thema -
von Tomás Tello übers. von Alberto Ciria
Vorspann
Zahlreich sind die Teil- und Gesamtkommentare zu dieser Bulle, die anläßlich des Verhaltens der Konzilpäpste Anfang der 70er exhumiert wurde.
Der Leser wird sich vielleicht fragen: "Wozu denn ein weiterer Kommentar, wenn bereits so viele davon vorliegen?" Ich antworte: es wird immer gut sein, daß dieses Thema, das nämlich lebhafte Auseinandersetzungen hervorgerufen hat, aus neuen Gesichtspunkten aktualisiert wird. Ich beabsichtige nicht, dem Text von der Einleitung bis hin zum 10. Punkt gemäß des Vorgehens vieler Verfasser in einen linearen Kommentar nachzugehen, wie bereits der Untertitel nahelegt: "Variationen..."
Eher handelt es sich sozusagen um eine Querdurchdringung, indem Betrachtungen bzw. Überlegungen zu verschiedenen auf die Bulle anwendbaren Seiten gemacht werden: gesetzliche, kanonisch-theologische, geschichtliche, sprachliche, kritische Seiten...
Es erübrigt sich zu sagen, daß ich mich zum Aufbau meiner Arbeit der von den Kommentaren meiner Vorgänger beigetragenen Materialien und Ideen möglichst ausgiebig bediene.
Ich betrachte diese Bulle als ein kirchliches Dokument größter Bedeutung für die Bewahrung des Glaubens -die Funktion der Nachfolger von Petrus- und unüberbietbar geeignet, um die heutige Krise vermieden zu haben, wäre sie berücksichtigt und eifrig betrachtet worden, „ad unguem", so wie es Hl. Pius V. vorgeschrieben hat.
Hier steckt meines Erachtens der Schlüssel des von Hl. Paulus verkündeten Mysteriums der Ungerechtigkeit. Daher wird es nie unanständig sein, dieses ausgezeichnete Dokument in Betracht zu ziehen, das während so viele Jahrhunderte unterschätzt wurde.
Nach dieser kurzen Einleitung biete ich eine Grundbibliographie von Autoren verschiedener Länder und entgegengesetzter Richtungen an.
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Bibliographie: Kommentare zu der Bulle "Cum ex apostolatus officio"
Daly, J.S., Bull: "Cum ex apostolatus officio", Britons Catholic Library, 1988. Ceriani, Juan Carlos: "Papólatras y papoclastas", ROMA ETERNA, Nr. 113, 1989, 65 Seiten. Davidoglou, Myra:
1. LA VOIE, Nr. V., Dez. 1981, S. 34. 2. Ebend. Nr. IX., Dez. 1983, S. 22. 3. Ebend. Nr. XXII, 1992, S. 38.
Denyoelle, Alfred, „A propos d'une Bulle", MYSTERIUM FIDEI, Nr. 75, Sept. 1986, S. 6-14. Disandro, Carlos A., Bulla "Cum ex apostolatus officio". Zweisprachige Ausgabe. Übersetzung, Einleitung und Kommentar. Córdoba/Argentinien 1978. Graviers (des) Abbé, "La Bulle Cum ex apostolatus officio", COURRIER DE ROME, Nr. 156, 15. April 1976, und Nr. 158, 18. Jun. 1976. Gwynne, Martin: "Under the Laws of the Catholic Churche the papal See is vacant." Britons Catho-lic Library, 1983. Johas, Homero:
1. "La Bula Cum ex apostolatus officio", ROMA, Nr. 128, Okt. 1993. 2. "La definición de la vacancia IPSO FACTO. La Bula Cum ex apostolatus officio y la Herejía del Hereticismo", ROMA Nr. 122, Ostern, 1992, 41 S.
Lucien, Bernard: "La situation actuelle de l'Autorité dans l'Eglise. La Thèse de Cassiciacum." Niza, 1985. Riestra De Wolff, Gloria: "Zum Problem der gegenwärtigen Vakanz des römischen Stuhles", EIN-SICHT XXIII, 1992, S. 119-123 sowie 153-154. Rothkranz, J., Die Konzilserklärung über die Religionsfreiheit. Excursus VII (S. 1541-1547). Herausgegeben von A. Schmid Ä, Durach, 1998. Wildfeuer, Michael: "Häresie vor dem Amtsantritt", Auszug aus der Bulle Papsts Paulus IV. Cum ex apostolatus officio. EINSICHT II (2), Mai 1972.
I. Gesetzliche Seite „in genere"
In diesem Teil soll die CUM EX APOSTOLATUS OFFICIO in ihrem Stand als Gesetz betrachtet werden. Diese Bulle von Paulus VI stellt ein Gesetz auf. Sie ist ein Gesetz unter den ganzen dazugehörenden Bedingungen. Sie hat allerdings all die Strukturmomenten ihres Wesens, sowie all die konstituierenden Elementen. Das fällt ins Auge und es wäre nicht notwendig, darauf zu bestehen, außer um die Bemühungen der Feinde der Bulle darum, der Bulle ihr gesetzliches Gewicht zu entnehmen, zu annullieren.
Gemäß der Definition vom Hl. Thomas ist ein „Gesetz („in genere") eine an das gemeinsame Wohl ausgerichtete vom Vorsitzenden der Gemeinde verordnete Bestimmung". Das causa finalis jedes Gesetzes ist es, das gemeinsame Wohl der jeweiligen Gesellschaft zu besorgen; in diesem Falle, das von der Kirche.
Der Zweck ist das Ziel, das die Handlung der causa efficiens oder des vernünftigen agierenden Subjektes bestrebt. Der Zweck veranlaßt das Handeln. Deswegen wird die causa finalis „causa causarum" benannt: Ursache der Ursachen.
Das gemeinsame Wohl der kirchlichen Gesetzen ist kein anderes als das Heil der Seelen zu vermitteln und zu befördern. "Die Kirche", so Pius XII., "soll den Menschen zu Gott führen. [...] Die Kirche darf nicht diesen streng religiösen und übernatürlichen Zweck aus dem Auge verlieren. Der Sinn ihrer ganzen Aktivitäten, einschließlich das letzte Kanon ihres Kodex, kann kein anderer sein, als direkt zu ihm mitzulaufen." (Ansprache vom 9.3. 1956, AAS. XLVIII, S. 211) Das besagt nicht, jedes kirchliche Gesetz sei das allerbeste, um diesen Zweck zu erreichen. Sehen wir, ob und inwiefern die Apostolische Verfassung von Paulus IV. darauf orientiert ist.
Die Gesetzentwürfe entstehen oft unter umständlichen Bedingungen, die ihre Notwendigkeit herausheben, um der Gesellschaft ein Übel zu ersparen oder um an deren Zielen besser mitzuwirken. Im expositiven Teil des Gesetzes pflegt man, den Umstand darzustellen, der das Gesetz verlangt. Das ist die "ratio legis", der Gesetzgrund.
In der Einleitung zu seiner Bulle stellt Paulus IV dar:
1. Der Grund, der ihn veranlaßt hat, das Gesetz zu verordnen: die ihm anvertraute Aufgabe, sich um die Schar des Herrn zu kümmern, ihr heile Wiesen zu geben und von unheilen Wiesen abzulenken („Cum ex Apostolatus Officio [...] cura Dominici gregis nobis immineat generalis, et extinde teneamur pro fideli illius custodia et salubri directione.") 2. Die Umstände, die dieses Gesetzt dringend verlangen, nämlich „der zügellose Aufruhr unerhörter Gewalt gegen den Glauben seitens des Protestantismus, sowie die Umkehrung der Bedeutung der Heiligen Schrift; solche Umstände könnten ein schwerstes Risiko für das Ziel der Kirche bedeuten. („ut qui hac aetate, [...] propriae prudentiae innite ntes licentius et perniciosus solito contra orthodoxae fidei disciplinam insurgunt [...] catholiace Ecclesiae unitatem [...] scindere moliuntur [...]") 3. Und deren Zweck, der kein anderer ist, als die Frechheit der Häretiker zu unterdrücken, um zu vermeiden, daß sie sich in die Herde Christi einführen. („ut ab ovili Christi repellantur ne magisterium erroris continuent, qui discipulo veritatis esse contemnunt.") Wir sehen, daß der Trieb, der Paulus VI. bewegt hat, war derselbe Trieb, der seit immer die Päpste dazu bewegt hat, Maßnahmen zu treffen, um das Depositum Fidei zu gewähren. Ohne dieses Depositum ist es unmöglich, Gott zu gefallen, und so wäre es unmöglich, das Ziel der Kirche, nämlich das Heil der Seelen, zu erreichen.
Wenn Pius X. seine Enzyklika „Pascendi" schreibt, verficht kein anderes Argument als sine schwerste Pflicht. So sagt er: „Mit dem Zweck, die Herde des Herrn zu weiden..." Diese schwerste Pflicht hat das Gewissen des einen und des anderen Pontifex belebt, um nicht zu schweigen: „ne canes muti videamur", um keinen stummen Hunden zu ähneln, sagte Paulus IV. Und Pius X.: „Schweigen ist nicht mehr anständig, wenn wir der allerheiligsten unserer Pflichten nicht untreu wollen sein." Diese ureigene Pflicht zeigt sich als Glaubenswahrheit im Magisterium. (Cfr. DS. 2861)
Was die Umstände betrifft, sie sind ähnlich in beiden Fällen. Es geht darum, eine sichere und bevorstehende Gefahr für den Glauben zu beschwören. Aber ich finde auch einen bemerkenswerten Unterschied.
Zu der Zeit von Paulus VI sind allerdings die Löwen in der Nähe der Herde herumgegangen, während sie zu der Zeit von Pius X. die Herde überfallen haben, und zwar mit einem Schafpelz verkleidet, der eine Sutane, eine Mitra oder eine Capella sein konnte bzw. war. Führen wir den Parallelismus fort. Das konkrete, unmittelbare Ziel, das Pius X. vornahm, war, diejenigen zu entlarven, „die dem Irrtum zuneigen, die sich im Geschoß selber und innerhalb des Herzens der Kirche versteckt haben, die für ihren Untergang konspiriert haben, nicht von außen her, sondern von innen her, mit einer desto größeren Gefahr, je gründlicher sie die Kirche kennen." In jenen Umständen nahm sich hingegen Paulus IV. mit einer erschütternden prophetischen Vision und der höchsten Klugheit der Schlange vor, den Eingang in die Schafställe den Löwen zu sperren, die damals, wie gesagt, versuchten, sie zu überfallen.
Ich frage mich: War die Invasion zu vermeiden? Allerdings, sollten die klügsten Vorsichtsmaßnahmen der Bulle von Paulus IV. strengstens -"ad unguem", laut der Ordnung von Pius V.- ergriffen worden sein.
Es war dagegen in der von Pius X. beschriebenen Situation viel schwieriger den Krebs zu vertilgen, der metastatisch den Kirchenkörper infiziert hatte und Lebensorgange angegriffen hatte. Das besagt nicht, daß dieser Krebs den Tod der Kirche verursachen kann. Sie kann nicht sterben, denn ihr göttlicher Gründer ihr Fortleben bis zu deren Vollendung versprach. „Die Höllentoren werden die Obermacht nicht ergreifen". Aber sie haben sie offensichtlich in eine Agonie versetzt, bis ein göttlicher Eingriff ein Ende für diese Situation macht, indem er ihr ihre ganze Frische zurückerstattet.
Die causa efficiens. Die Existenz eines Gesetzes hängt vom Willen des gesetzmäßigen Oberen einer Gemeinde ab. Nehmen wir ein Gesetzentwurf an, der ein Rechtskundiger gemacht hat und der optimal ist, das Ziel des gemeinsamen Wohls einer Gemeinde zu erreichen. Dieses Gesetz, das abstrakt als unverbesserlich zu betrachten ist, wird niemals zu Gesetz, solange es der Obere der Gemeinde nicht verkündet.
In diesem Falle haben wir das für die Existenz des Gesetzes verlangte Moment: die Verkündigung („Leges instituuntur cum promulgantur", Kan. 8); die „Iussio publicandi" seitens der gesetzmäßigen Autorität des Papstes Paulus IV. am 15. Februar 1559, wo er die Veröffentlichung (Nummer IX der Bulle) und Verbreitung auf die Art und Weise jener Epoche anordnet, wie es sich in der Bulle von Pius V. „Quo primum tempore" oder in der von Sixtus V. „Postquam versus" zeigt, um nur einige zu erwähnen.
Darüber hinaus, um ihr mehr Nachdruck und Feierlichkeit zu geben, wollte sie Paulus IV. zusammen mit seinen Kardinalen debattieren und in Vereinbarung mit ihnen und mit ihrem Konsens verfassen, so daß sie ihre Unterschrift darauf prägten. Sie war eine sog. konsistorialische Verfassung, da sie auch von den Kardinalen unterschrieben wurde.
Diese Angabe widerlegt grünlich die Widersacher der Bulle, die darin nur die Laune und Willkür von Paulus IV sowie eine zügellose Eifersucht sehen wollen. Da das Gesetz eine Verordnung der Vernunft, eine Diktierung der praktischen Vernunft oder eine Anordnung ist, soll es nicht nur rechtsmäßig sein, sondern auch die doppelte Kondition von
a) Verbindlichkeit und b) Beständigkeit besitzen.
Mit ungewöhnlichem Nachdruck und Kraft vom Anfang bis zum Ende entsteht es nun mit der sträflichen Sanktion des letzten Punktes 10. die Absicht, verbindlich zu sein: „Niemand wird diese Seite übertreten dürfen [...] noch sie mit Tollkühnheit widersprechen. Sollte es aber jemand versuchen, der möge wissen, daß er dem Zorn des allmächtigen Gottes verfallen wird..."
Was ihre Beständigkeit betrifft, behauptet sie sich ausdrücklich selbst: „perpetuo observari" (II), sie soll ewig beachtet werden, und "hac nostra in perpetuum valitura constitutione", aufgrund dieser unseren ewig geltenden Verfassung (III).
Ich merke an: diese Angabe habe ich bei keinem andern Autor ausdrücklich gefunden, daß es sich im Grunde genommen um ein unfähig erklärendes und irritierendes Gesetz handelt, wie es sich in den Punkten III., IV. und V. zeigt. Das war das Hauptziel, das sich Paulus IV. vorgenommen hat. Das ist der Leitfaden der Verfassung.
II. Kanonisch-teologische Seite
Im ersten Aufsatz wurde die „Cum ex Apostolatus Officio“ als ein Gesetz „in genere“ betrachtet. Im vorliegenden Aufsatz wird der Schwerpunkt der Betrachtung ihre Besonderheit als kanonisches Gesetz sein, d. h. als im Ganzen der von der Kirche verkündeten Gesetze integriert, das am üblichsten Kanonisches Recht benannt wird, anders auch Heiliges, Religiöses, Kirchliches, usw. Das Ziel des Kanonischen Rechts ist es, die geeignetsten Mittel zum gemeinsamen Wohl der von Christus gegründeten Gesellschaft zu verordnen, die sich darauf richten, das ewige Heil ihrer Mitglieder als Ziel der Kirche zu befördern.
Die Verfassung „Cum ex Apostolatus Officio“ gehört zum alten Kanonischen Recht, wie das ganze Kirchliche Recht vor dem Kodex von 1917 bezeichnen wird.
Das Kanonische Recht ist mit der Theologie innigst verbunden, und dies aus mehreren Gründen:
1. Aufgrund seiner Quellen: die Offenbarung und die von der göttlichen Offenbarung selber auferlegte Autorität der Kirche. 2. Aufgrund seines materialen Objekts: Verfassung und Verwaltung der Kirche, Rechte und Verpflichtungen des Klerus und Gläubigen im Sozialebene und in ihren gegenseitigen Beziehungen. 3. Aufgrund seines Ziels: das Heil der Seele. Kanonisches Recht und Theologie unterscheiden sich aber aufgrund ihres formalen Objekts, denn die Theologie betrachtet es von der Seite des Glaubens in den persönlichen Beziehungen des Gläubigen zu Gott; das Kanonische Recht richtet sich aber auf die Praxis in der Sozialordnung, selbstverständlich gemäß der Anforderungen ˇdes Glaubens selber. Deswegen hat man gesagt, das Kanonische Recht sei eine praktische Theologie.
Was für eine Beziehung besteht aber zwischen dem alten Recht und das kodifizierte Recht von 1917? Eine Beziehung der Kontinuierlichkeit, ohne Brüche was das Substantielle betrifft. Der Kodex selbst stellt in seinem 6. Kanon fest, zwischen ihm und dem alten besteht insgesamt kein wesentlicher Unterschied. „Der Kodex –so lautet es in der Einleitung in den genannten Kanon– behält in den meisten Fällen die bisher geltende Disziplin, obwohl er auch nicht unterläßt, die geeigneten Variationen einzuführen.“
Derselbe Kanon beschreibt in seinen sechs anordnenden Paragraphen mit unüberbietbarer Durchsichtigkeit die Umstände, unter denen die Gesetze des alten Rechts all ihre Kraft behalten.
1. In diesem Paragraphen wird die allgemeine Norm gegeben, nach der all die Gesetze, die dem Kodex widerstehen, widerlegt werden, solange nichts anderes ausdrücklich vorgeschrieben wird. 2. Bezüglich der Kanonen, die das alte Recht wiedergeben, sie sollen nach jenem Recht beurteilt werden. 3. Die Kanonen, die mit dem alten Recht nur zum Teil übereinstimmen, sollen nach diesem beurteilt werden, insofern sie übereinstimmen, aber insofern sie abweichen, soll der Sinn des Kodex gelten. 4. Im Zweifelfall gilt das alte Recht. „In dubio –so der – a veteri iure non est recedendum.“ 5. Bezüglich der Strafen muß man sich an diejenigen halten, die der Kodex vorschreibt, wobei all die Strafen des alten Rechts, die denjenigen abweichen, die im Kodex Ç vorgeschrieben werden, absolut widerlegt werden. 6. Bezüglich der bis zur Verkündigung des Kodex geltenden disziplinären Gesetze, falls sie weder explizit noch implizit im Kodex enthalten werden, dann haben sie, muß man sagen, ihre ganze Kraft verloren, außer wenn sie sich in der genehmigten liturgischen Büchern befinden, oder es sich dabei um Gesetze des –ich unterstreiche– GÖTTLICHEN RECHTES, sei es POSITIVEN oder NATÜRLICHEN.
Sich durchsetzende Schlußfolgerungen. Zunächst einmal muß man sagen, daß die Strafanordnungen, die sich nicht an die Strafverordnungen des Kodex richten, Ihre Gültigkeit verloren haben. Die Kirche hat aufgrund göttlichen Rechtes die Pflicht, Strafen zu verordnen. Die an jedes Delikt anwendbare konkrete Modalität und Maß ist eine Verordnung des kirchlichen Rechtes, es sei denn die konkrete Strafe ist eine des göttlichen Rechtes, wie z. B. die Delikte gegen den Glauben, die von ihren eigenen Natur aus, „suapte natura“, wie Pius XII. sagte, die Excommunion implizieren.
Daher denke ich, es lohnt sich nicht, eine Debatte über die absolute Gültigkeit der sträflichen Anordnungen der Bulle anzusetzen, da die Anordnungen des göttlichen Rechtes –es könnte nicht anders sein– im Kodex aufgestellt werden. Die Debatte soll um den disziplinären Teil der Bulle kreisen, um den Wert dieses Gesetzes abzuschätzen, vor allem bezüglich dessen, was das Gesetz als irritierendes und widerrufend hat.
Allein, was jedoch nicht ohne offensichtliche Kühnheit oder böse Absicht gesagt werden kann, ist, daß die „Cum ex Apostolatus Officio“ ihren ganzen Wert als Gesetz verloren hat. Ihre Gültigkeit wird im 6. Kanon verkündet. Das ist offensichtlich für jeden, der es ohne Vorurteile liest, wenn man sich nach der im 18. Kanon festgestellten Norm richtet, d. h., sich an die eigentliche Bedeutung der im Text und dessen Zusammenhang betrachteten Worte hält.
Allerdings. Gemäß der Nummer 2. des 6. Kanons, wiedergibt der 188. Kanon im Wesentlichen das widerrufende Gesetz der Nummer 3 der Bulle von Paulus IV. Vergleichen wir der 188. Kanon 4. mit dem 3. Paragraphen der Bulle:
188. Kanon, 4.: „Ob tacitam renuntiationem ab ipso iure admissam, quaelibet officia vacant ipso facto et sine ulla declarationes, si clericus a fide catholica publice defecerit.“ Nummer 3 der Bulle: „[...] hac nostra in perpetuum valitura constitutione [...] sancimus, stuimus, decernimus et definimus quod [...] qui hactenus [...] deviasse, aut in haeresim incidisse [...] deprehensi, aut confessi, vel convicti ferint, et in posterum deviabunt [...] (ultra sententias, censuras et poneas praedictas) sint, etiam eo ipso, absque aliquo iuris aut facti ministerio [...] suis beneficiis et officiis eclesiasticis [...] penitus et in totum perpetuo privati [...]“
Kanon 188, 4.: „Kraft der stillschweigenden von demselben Recht angen ommenen Verzichtleistung setzen sich außer Kraft ipso facto und ohne jede Erklärung die ganzen Ämter, wenn der Geistliche dem katholischen Glauben öffentlich abweicht.“
Nummer 3 der Bulle: „[...] kraft dieser unseren ewig geltenden Verfassung bestätigen, festsetzen, dekretieren und definieren wir, daß diejenigen, die bis zum heutigen Tag ertappt worden wären, oder sich dazu bekannt hätten, [dem Glauben] abgewichen zu haben, oder sich der Ketzerei verschuldet hätten, sowie diejenigen, die sich zukünftig unter denselben Umständen befinden, über die obengenannten Sätze, Zensuren und Strafen hinaus, wegen der Tat selbst und ohne jede rechtliche oder tatsächliche Erledigung vollkommen und ewig ihrer kirchlichen Begünstigungen und Ämter entledigt werden sollen.“
Hier haben wir einen offensichtlichen Fall der Voraussetzung des 2. Paragraphen des 6. Kanons. Der Kanon gibt also das inhabilitierende Gesetz der Bulle von Paulus IV. wieder. Im konkreten Fall behält also das genannte Gesetz des Alten Rechtes vollkommene Gültigkeit und vorwiegend in der Interpretation, da der Kanon des Kodex gemäß des alten Gesetzes, das er wiedergibt, geschätzt werden soll.
Und man kann nicht einwenden, das Gesetz der Bulle ist maßlos breit im Vergleich mit der telegraphischen Kürze des 188. Kanons, 4. Man muß eine wichtige Unterscheidung zwischen dem Verfassen eines Kodex und die Verkündigung eines Gesetzes berücksichtigen. Im Kodex steht allerdings nur der wesentlich anordnende Teil des Gesetzes, und zwar möglichst genau aber prägnant. Jedoch werden in dessen Verkündung die das Gesetz verlangenden Gründe, die geeignetsten Mittel, sein Ziel zu erreichen, Erklärungen, Abzählungen, Digressionen, usw. Und insbesondere in der –wie jeder, der sie liest, feststellen kann– sehr vagen Bulle von Paulus IV., die sich der Vollständigkeit halber in unendlichen Abzählungen ausbreitet.
Die Bulle „Cum ex Apostolatus Officio“ als irritierendes und inhabilitierendes Gesetz behält also heute ihre ganze Gültigkeit und der Sinn und die Weite der Anordnung des 188. Kanons, 4. soll gemäß des Sinnes und der Weite der Bulle geschätzt werden. Und bekanntermaßen profitieren die kirchlichen Gesetze aufgrund ihrer innigsten Verbindung mit dem Göttlichen Recht von der Unfehlbarkeit der Kirche, zumindest im negativen Sinne. D. h., da sie im Zusammenhang mit den geoffenbarten Wahrheiten („finaliter connexae“) stehen, können sie nicht zum Bösen führen noch Hindernis fürs Heil sein. Pius VI. hat es zumindest als fehlerhaft verurteilt, ein kirchliches Gesetz als gefährlich oder schädlich zu betrachten (DS. 2678).
Sollte aber irgendeiner Leser seinen Skeptizismus darüber melden, ob der 188. Kanon, 4. das inhabilitierendes Gesetz der Bulle wiedergibt, dann werde ich ihm großzügig das Vorrecht des Zweifels gewähren.
Aber es ist so, daß man, diese Vor aussetzung angenommen, zu denselben Ergebnissen kommt, denn im Falle vom Zweifel schreibt der 4. Absatz des genannten Kanons (siehe oben) vor, daß wir uns ans Alte Recht halten sollen: „A vetere iure non est recedendum.“
Es gibt aber mehr. In der 6. Abteilung des genannten Kanons wird eindeutig erklärt, daß die Gesetze des Göttlichen Rechtes, sei es das positive oder das natürliche Recht, ihre ganze Kraft behalten, auch wenn sie weder explizit noch implizit im Kodex stehen. Also, auch wenn das inhabilitierende und irritierende Gesetz der „Cum ex Apostolatus Officio“ überhaupt nicht im Kodex stünde, nichtsdestotrotzdem würde sie aufhören, ein Gesetz in voller Kraft zu sein. Als ein Gesetz des göttlichen Rechten aus zweierlei Gründen, ist das positiv und gleich zeitig natürlich. Sei es mir eine Digression gestattet.
Die sedisvakantistischen Publikationen haben mich mit einer gewissen Verzögerung erreicht, ab 1980 oder kurz vorher. Allerdings habe ich von der sedisvakantistischen Position um 1969 erfahren, und zwar über die nicht-sedisvakantistichen oder anti-vakantistischen Veröffentlichungen, wie LA CONTRE-REFORME CATHOLIQUE von Georges de Nantes, fanatischem Widerleger des Sedisvakantismus und Verleumder der Sedisvakantisten.
Dieser Abbé hielt mich aufgrund seiner Ansicht gespannt, bis ich Anfang 1977 die Bulle von Paulus IV. kennenlernte, deren Lektüre mich so stark schockierte, daß ich fest, unwiderlegbar und kämpferisch zum Sedisvakantismus überlief. Ich hielt diese Stellung als die einzig logische, kluge und fruchtbare für die Erklärung und Verständnis der jetzigen kirchlichen Krise.
In seinem Artikel „Hors de l‘Eglise point de salut“ (C.R.C. Nr. 107, Juli 1976) hatte G. de Nantes behauptet, es sei nicht einmal erlaubt, an die Legitimität von Paulus VI. zu zweifeln. Als Reaktion auf diesen Artikel habe ich einen Brief an dessen Verfasser am 04.08.1977 geschrieben –auf den er nicht geantwortet hat–, wo ich mich aufgrund der Bulle von Paulus IV. als Sedisvakantisten bekannt: dabei habe ich seine kategorische Behauptung abgelehnt und meine Stellung begründet.
Unter anderen angeführten Gründen habe ich mich auf das Naturrecht als Grundlage der innigen von der Bulle beschriebenen Unverträglichkeit berufen. Ich habe auf die Ungeheuerlichkeit oder Chimäre angespie ˇgelt, die sich daraus ergeben würde, daß ein einem bestimmten Körper fremdes Wesen zu dessen Kopf werden könnte. „Dieses Pfropfen“, habe ich gesagt, „würde die Natur des betreffenden Körpers zerstören, da es das Kopf wäre, das ihm sein Verhalten einprägt.“
Die Unverträglichkeit ist also absolut, und diese absolute Unmöglichkeit haben Cajetanus und Hl. R. Bellarminus als Basis für ihre Schlüsseln genommen. Ja, es gab zwei Päpste, die ausdrücklich auf diese interne ontologische Unverträglichkeit angespiegelt haben. Inotentius II. hat gesagt: „Cum nimis absurdum sit ut Christi blasphemus in Christianos vim potestatis exerceat.“ Das ist, weil es ein vollkommen Unsinn wäre, daß jemand, der gegen Christus blasphemiert, über die Christen Rechtsprechung haben könnte.“ (In. III en IV Lateranense) Und Leo XIII: „Cum absurdum sit opinari...“, „Es wäre sinnlos zu meinen, daß jemand, der außerhalb der Kirche steht, eine Führungsstelle innerhalb deren haben könnte.“ Und sinnlos meint bekanntlich jede Idee, die einen inter ¸nen Widerspruch enthält.
Abgesehen von der Vorschreibung des 188. Kanons, 4. und von der Bulle „Cum ex Apostolatus Officio“, wird dieses Naturrecht von den einfachen Gläubigen unter der Führung des „Sensus Fidei“ geahnt und angewendet. So ist passiert bei den ersten, die sich über Roncallis zweideutiges Verhalten bezüglich des Glaubens skandalisiert haben, wie ich in meiner Arbeit zu diesem Thema dargelegt habe. /Cfr. Kyrie Eleison, XII, 1993, Nr. 3, S. 35-40).
Es gibt mehrere sedisvakantistische Verfasser, die im Gesetz der Vakanz aufgrund Häresie ein Gesetz des Naturrechtes anerkennen. Dr. Hugo Kellner geht z. B. von dieser internen Unverträglichkeit zwischen des fehlenden Glaubens und der Autorität in der Kirche aus, um auf die Vakanz des Heiligen Stuhls zu folgern. „Es ist also das Festhalten an den katholischen Glauben“, sagt er, „die Grundlage jeder Autorität in der Kirche sowie die unentbehrliche Prämisse all jener Anwärter eines kirchlichen Amtes.“ Und er fährt fort: „Die kanonischen Formalitäten sind n otwendig, aber nicht ausreichend. [...] Sollten die gesetzlichen Voraussetzungen ausreichen, dann müßte man die Ungeheuerlichkeit annehmen, daß sie von Christus autorisiert sind, um bedenklos die Seelen zu ermorden... mittels deren Lehre und deren Praxis.“ (Cfr. EINSICHT, I (3), Juni 1971, S. 25-35) und (I (4) Juli S. 30-34).
Andere Autoren, die dieses inhabilitierende Gesetz als eine Unverträglichkeit des Naturrechts ausdrücklich ansehen, sind Martin Gwynne, die von einem logischen Widerspruch spricht, und Dr. Homero Johas, der sie „ontologische Unverträglichkeit“ nennt. Andere, wie Michael Wildfeuer, setzen sie implizit voraus. (EINSICHT II (2), M. 1972)
Ich betone, daß es widersinnig ist, daß ein einem bestimmten Körper fremdes Glied zu dessen Kopf wird. Das ˇ akzeptiert kein Körper, weder ein physischer, noch ein moralischer und politischer. Eine Person, die irgendeiner Gesellschaft nicht angehört, kann logischerweise zu seinem Vorsitzender oder zum Mitglied ihres Führungsrats nicht werden, und zwar auch ohne jede ausdrückliche Vorschreibung in deren Gesetze und Reglamentierungen: so was wäre überflüssig. Es geht um eine logische und natürliche Zurückweisung.
Ein Körper nimmt an bzw. kann die Verpflanzung jedes anderen Gliedes annehmen, nur nicht des Kopfes, denn das hindert ihm eben nicht in seinem normalen Verhalten. Eine Verpflanzung des Kopfes würde ihn hingegen zu einem Verhalten aufnötigen, das nicht mit seiner Natur und Zweck zu verbinden wäre. Daraus würde sich eine Chimäre ergeben. Können wir uns das V erhalten eines Menschen vorstellen, in den das Kopf eines Gorillas eingepflanzt worden wäre? Nun, das und nichts anderes ist es, was die Traditionalisten akzeptieren, indem sie der monströsen Konzilkirche immer noch angehören. Sie erzeugen die Chimäre dieser Kirche, indem sie die illusionäre Sicherheit halten, daß sie der wahren Kirche trotz des Regimes eines fremden Kopfes angehören. Sie akzeptieren einen Häretiker als Vikar Christi, und wollen nicht sehen, daß so was ein Widerspruch in terminis ist.
Es handelt sich also um ein inhabilitierendes Gesetz des Naturrechts. Das ist offensichtlich. Aber es ist zugleich ein Gesetz des positiven göttlichen Rechtes. Das ist es in der Tat, weil in der Offenbarung die Tatsache ausdrücklich besteht, daß die Häresie „suapte natura“, wie Pius XII. sagte, vom Mystischen Körper automatisch abtrennt.
Im Deuteronomium wird vorgeschrieben: „du wirst einen deiner Brüder nehmen, um ihn zu einem König über dich zu machen; du wirst als König keinen Fremden nehmen, der nicht dein Bruder ist.“ (17, 15) Hl. Paulus drückt diese absolute Unverträglichkeit aus, indem er sich auf eine Grenzhypothese beruft: „Aber auch wenn wir oder ein Engel aus dem Himmel euch ein anderes Evangelium verkündet, als jenes, das wir euch verkündet haben, ist es Anathema. Ich habe es Euch früher gesagt und wiederhole es jetzt: wenn euch jemand ein anderes Evangelium predigt, als jenes, das ihr bekommen habt, ist es Anathema.“ (Gal. I, 8-9) Er ist am strengsten. Je nach den Fassungen pflegt man den lateinischen Ausdruck „praeterquam“ und den griechischen „para“ als „gegen“ zuübersetzen. Meiner Meinung nach drückt aber der Ausdruck der spanischen Fassung bei B.A.C. „anderes“ sehr zutreffend die Nuance der griechischen so wie lateinischen Präposition aus.
Es sind ebenso gelegen und werden häufig zitiert die Stellen Tit. II 1 und Joh. II 10-11. Die Tradition als Vermittler der göttlichen Offenbarung ist in dieser Hinsicht einstimmig, ja, diese Tradition wird durch die Erklärungen verschiedener Päpste bestätigt, wie Adrianus II, Inotentius III und die solemne Definition von Paulus IV.
Auf diese Grundlage des göttlichen Gesetzes bestehen die Kommentatoren, die die Bulle verteidigen, wie jeder feststellen kann, der sie liest.
Gott wollte, daß aufgrund der Transzendenz dieser Sache dieses natürliches Gesetz durch ein göttliches positives Gesetz bekräftigt wurde, damit sie jeder ohne Schwierigkeit kennen könnte, so wie mittels Moses Gebote verkündigt wurden, die an sich natürliche Gesetze waren. Dank der Vorschrift desselben Kirchenrechtes (6. Kanon, 6.) behält also die Bulle, bezüglich der konkreten Tatsache des inhabilitierenden und irritierenden Gesetzes, ihre ganze Kraft, und durch sie soll der 188. Kanon, 4. interpretiert werden, und nicht umgekehrt, wie die Widersacher der Bulle geltend machen.
III. SPRACHLICHE SEITE
Das erste, was auffällt, wenn man diese Bulle zum ersten mal liest, ist die Schwierigkeit, den ganzen Sinn mehrerer ihrer grammatikalischen Passagen zu fassen. Es ist ein lateinischer Text, der keine einfache Übersetzung auf die lateinischen Sprachen erlaubt. Es ist eine schwierige Aufgabe. Diese Schwierigkeit wird von den verschiedenen Autoren anerkannt und festgestellt, die die Aufgabe unternommen haben, sie in die jeweiligen Sprachen zu fassen. So sagt z. B. Britons: „Fairly complex Latin.“ Und weiter: „In unserer Fassung haben wir uns bemüht, sie möglichst verständlich zu machen. Schwierige Aufgabe, denn die Bulle ist in kurialischem Still verfaßt und enthält zu lange Sätze, überbeladen von Kleinigkeiten, die man mehrmals aufmerksam nachlesen muß, bevor man ihren Sinn völlig faßt.“
„Die Übersetzung von der lateinischen in die deutsche Sprache war nicht leicht“, gesteht der Herausgeber der deutschen Fassung zu. Und Dr. Homero Johas: „Für viele scheint die Übersetzung der Bulle von Paulus IV. ein schwieriges Werk zu sein.“
Das Latein der Bulle liegt weit entfernt vom Latein klassischer Art, das z. B. die Enzykliken von Leon X III., Pius XI. oder Pius XII. zeigen. In der Bulle „Cum ex Apostolatus Officio“ hingegen begegnen uns in einem vagen und übermäßigen Stil endlose Perioden, Aufzählungen, die vorgeben, vollständig zu sein, häufige Zäsuren, erklärende Sätze, die offenkundig dazu streben, die Sachen klar zu machen und jede Zweideutigkeit aufzulösen. Das führt dazu, daß man den Leitfaden der Rede und die Verbindung zwischen den verschiedenen Aussagen verliert. Es gibt Passagen, wo das Verbindungswort und das Wort des Nebensatzes, worauf sich jenes bezieht, durch eine lange Reihe von Zusätzen und Zäsuren getrennt werden.
Die Autoren pflegen die Schwierigkeit der Übersetzung der maßlosen Länge, mehr als bei Cicero, der Absätze und der juridischen-kanonischen bzw. kurialischen Terminologie des Textes zuzuschreiben.
Aber ich finde noch ein weiteres Moment, das noch negativer die Schwierigkeit der Übersetzung betrifft, nämlich das Fehlen einer angemessenen Benutzung der Interpunktionszeichen. Der Text ist sehr kleinlich mit der Benutzung des Punktes. Die Abwesenheit einer richtigen Interpunktion, semantischer Grenze, verletzt der richtigen Kohärenz und Zusammenhang des Textes. Darauf führen sich im weitem Maße die Abweichungen bei den verschiedenen Fassungen der Autoren zurück, denn sie mit ihr en eigenen Kriterien die Punkten, Klammer, Binderstriche, usw. ersetzen müssen. Was einigermaßen subjektiv ist und sich einer dem Autoren des Textes fremden Interpretation aussetzt. Ich gestehe allerdings zu, daß man dieses Risiko eingehen muß, um die adäquate Kohärenz und Zusammenhang des Textes zu erreichen. Darauf werde ich mich auch berufen müssen, wenn auch, aufgrund der Gefahr der Subjektivierung, die das darstellt, so nüchtern wir ich nur kann.
Abgesehen von den aufgezählten äußerlichen Faktoren gibt es aber noch dazu das größte Hindernis, das innerliche Faktor des geschraubten Satzaufbaus, wo man des hipotaktischen Aufbaus oder der Nebensätze übermäßig bedient. Sie folgen aufeinander wie ein Wasserfall. Es gibt Absätze, die ausschließlich aus Nebensätzen be stehen. Die Einleitung z. B. ist ausschließlich mit Nebensätzen aufgebaut, mit den Verben in Konjunktiv oder in Nominalform, ohne einen einzigen Hauptsatz mit dem Verb in Indikativ, wie es üblich ist. Denn die zwei Indikativen, die da vorkommen, zu einem Relativsatz gehören.
Die Hierarchie soll mit eigener Mühe der Übersetzer ersetzen, indem er einen der Nebensätze als Hauptsatz nimmt und um ihn die restlichen Nebensätze drehen läßt. Dasselbe gilt für den 1. Absatz. Wenn wir die Fassung in Ordnung bringen und die Ideen hierarchisieren wollen, dann müssen wir das Partizip „cupientes“ als Hauptsatz. Und im 2. Absatz befindet sich das Verb in Indikativ, auf das sich all die restlichen Sätze der längsten Passagen subordinieren, ganz am Ende: „Volumus“, koordiniert mit „decernimus“.
Aufgrund der angegebenen Schwierigkeiten ist es schwierig, sich eine perfekte Fassung zu besorgen. Deswegen pflegen die Autoren der verschiedenen Fassungen, die vorherigen als mangelhaft zu tadeln. Ich bin keine Ausnahme. Keine der Fassungen, die ich kenne, läßt mich allerdings vollkommen zufrieden. Aus diesem Grunde biete ich meine eigene an –eine neue spanische Fassung–, in der Hoffnung, eine größere Perfektion und Nuancierung beim Sinne einiger Syntagmen zu erreichen. Ich genieße des Vorteils, die Fassungen unterschiedlicher Autoren und Sprachen miteinander verglichen zu haben. Das Studium der vorherigen Arbeiten trägt kräftig in jedem Wissensfach –die Bibliographie– dazu bei, Fehler zu verhindern und das Land, das zuerst andere erarbeitet und gep åflegt haben, besser auszunutzen.
Damit eine gute und treue Übersetzung gelingt, auch wenn eine vollkommene Perfektion unmöglich zu sein scheint, soll man diese billigen Übersetzungen vermeiden, da sie sich viel zu sehr an den –materiell gesehenen– Buchstaben sowie an den originalen Aufbau halten, woraus nur eine Verwirrung entstehen kann.
Allerdings darf die Übersetzung nicht aufhören, formal gesehen wörtlich zu sein, wenn wir nicht in einen Subjektivismus geraten wollen, der, anstatt den originalen Inhalt treu wiederzuspiegeln, ihn durch unseren eigenen Gedanken ersetzen läßt.
Ich werde mich also formal an den Buchstaben halten und, soweit möglich, werde ich mich darum bemühen, daß er literarisch ist, um ihn verständlich zu machen; um die Dürre und Rauheit auszufeilen, die zum kurialischen Stil und zur Eigenartigkeit des vorliegenden Textes gehören, um so den Überdruß zu vermeiden, der dessen Lektüre hervorruft.
Um ein besseres Verständnis des Wesentlichen des Textes zu erleichtern, wird der Leitfaden der Rede durch eine andere Schriftart abgehoben als dessen, was als Wiederholung und Fülle gilt: detaillierte Aufzählungen, entrinnbare erklärende Zäsuren, usw., so daß, indem man den graphisch abgehobenen Teil liest, den Sinn des Substantiellen der Meldung faßt.
Bevor ich meine Fassung der Bulle anbiete, wollte ich die entsprechenden Bemerkungen zu den verschiedenen Sätzen machen, bei denen Abweichungen zwischen der verschiedenen Autoren entstehen, um meine Option und Fassung zu berechtigen. Da aber das zu einer maßlosen Länge dieses Aufsatzes führen würde, werde ich mich darauf beschränken, die Übereinstimmung bei der Fassung eines Satzes zu kritisieren, wo die ganzen Autoren einig sein, und meine eigene Fassung zu berechtigen.
Es geht um den ersten einleitenden Satz des 1. Absatzes: Original: „Nos considerantes rem huiusmodi adeo gravem et periculosam esse, ut Rom «anus Pontifex, [...], possit, si deprenhendatur a fide devius, regardi.“ So übersetzen das die verschiedenen Fassungen, die ich kenne: Deutsche Fassung: „In Anbetracht dieser so schwierigen und gefahrvollen Angelegenheit hat der Römische Pontifex der [...] jedoch darf ihm widersprochen werden, wenn er als vom Glauben abgewichen erfunden wird.“ Spanische. Die von der Zeitschrift ROMA: „Nos considerando esta materia de modo grave y el Romano P. [...] pudiera ser rebatidosi fuera sorprendido como desviado de la Fe.“ Die von Dr. Disandro: „Considerando la gravedad particular de esta situación y sus peligros al punto que el R. P. [...] si fuese sorprendido en una desviación de la Fe, podría ser acusado.“ Französische: „Devant la situation actuelle si grave et si dangereuse, il ne faut pas que l‘on puisse reprocher au P. R. de dévier dans la foi.“ Englische: „In assenting Our duty and the situation now prevailing, We have been weighed upon by the thought that a matter of this kind (i.e. error in respect of the Faith) is so grave and so dangerous than the R. P., who [...] my nonetheless be contradicted if he be found to have deviated from the Faith.“ Italienische: „Ritenendo che una siffatta situazione sia talmente grave e pericolosa che lo stesso R. P. [...] qualora sia riconosciuto colpevile di deviazione dalla fede possa essere redarguito.“ Meine Fassung: „Considerando Nos lo funesto y pernicioso que sería el que un R. P. [...] pudiera ser impugnado, si se le sorprendiera como desviado de la Fe.“
Der Ursprung des Fehlers, dem jene verworrene Übersetzungen entstammen, besteht darin, das Syntagma „rem huiusmodi“ als anaphorisch zu nehmen, also als auf die in der Einleitung der Bulle beschriebenen Situation bezogen. Ich jed och betrachte es als kataphorisch, also als das Folgende vorwegnehmend. So erreicht man eine perfekte Kohärenz, ohne die zusätzliche Bemühung, auf einen mit Wörtern überbeladenen Satz greifen zu müssen, weil man auf erklärende Erläuterungen, Umwege oder Umschreibungen greifen muß, auf der Suche nach einer Kohärenz, die doch nicht gelingt. Oder wenn man nicht viele Wörter benutzen will, wie die spanische Fassung der Zeitschrift ROMA, dann geht die semantische Kohärenz zugrunde.
Um es als kataphorsich zu nehmen, muß man sich die kommunikative Absicht oder Zweck der Meldung vergegenwärtigen, die in diesem Falle keine andere ist, als zu vermeiden oder es unmöglich zu machen –das ist der Leitmotiv–, daß ein Heterodox an ein Amt in der Regierung der Kirche gelangt, ins 'besondere an das höchste. Diese Möglichkeit wird für ihn obsessiv. Es erregt in ihm echtes Schrecken, daß ein Heterodox an den Gipfel des kirchlichen Potestas gelangen kann, aufgrund der absolut katastrophischen Effekten für das Leben der Kirche. Diese Möglichkeit, die er als „adeo gravem et periculosam“ betrachtete, galt zu vermeiden, und zwar mit den drastischen Maßnahmen –göttlichen Rechtes–, die Paulus IV in seiner Bulle vorschlägt. Zweifelsohne wäre das verhindert worden, wenn diese von ihm vorgeschlagenen Maßnahmen „ad unguem“, wie Hl. Pius V verschrieb, getroffen wären.
Deswegen, auch wenn dieses Syntagma grammatikalisch betrachtet als anaphorisch genommen werden könnte, soll dies aus den angegebenen Gründen abgelehnt werden.
Im folgenden biete ich meine spanische Fassung an.
T. Tello
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