"GEHT HIN UND LEHRET ALLE VÖLKER ..."
von H.H Alois Aßmayr
Bevor Jesus die Welt verlassen hat und in den Himmel zurückgekehrt ist, hat Er den Aposteln den strengen Auftrag gegebene in die Welt hinaus zu ziehen und allen Völkern das Evangelium zu verkünden. "Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch" (Joh 20, 21) "Mir ist alle Gewalt gegeben im Himmel und auf Erden: darum gehet hin und lehret alle Völker und tauft sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Hl. Geistes und lehret sie alles halten, was ich euch befohlen habe" (Mark 28,19). Nur gab Er den Aposteln die Weisung, in Jerusalem zu bleiben, bis sie den Hl. Geist empfangen hätten, den Er ihnen vom Vater senden werde. Erst nach der Herabkunft des Hl. Geistes waren sie durchgehend imstande den Auftrag Jesu auszuführen. Der Hl. Geist hat die Apostel mit allem ausgerüstet, was sie für ihre Aufgabe brauchten: die Gabe der Sprachen, die Gabe der Unfehlbarkeit in der Verkündigung der Lehre Christi und noch andere Gaben. Die Gabe der Sprachen und der Unfehlbarkeit waren Amtsgnaden. Nur so konnten die Apostel den Völkern mit verschiedenen Sprachen die Lehre Christi verkünden, ohne vorerst die Sprachen lernen zu müssen. Nur mit der Gabe der Unfehlbarkeit konnten sie bzw. ihre Zuhörer sicher sein, die wahre Lehre Christi so zu verkünden bzw. zu hören, daß kein Grund für Unglauben vorliegen konnte. Darum hat ihnen der Herr gesagt. Wer euch hört, hört mich" (Luk 10,10). Daher aber auch "Wer nicht glaubt, wird verdammt" (Mk 16,16). '
Der Auftrag der Herrn an die Apostel war sehr ernst gemeint. Hängt doch von der Erfüllung dieses Auftrages für so viele Menschen die Ewigkeit, Himmel oder Hölle, ab. Wie ernst aber auch die Apo-stel den Auftrag des Herrn genommen haben, zeigt, daß sie sich von den Schwierigkeiten, denen sie dabei begegneten, nicht abschrecken ließen. Sie waren ihnen vom Herrn vorausgesagt: Verfolgung, Kerker und Tod. "Wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht verkündete" (1 Kor 9,16). Wie ein-dringlich mahnt der Apostel Paulus seinen Schüler Timotheus in seinem 2. Briefe 4,1 ff: "Ich beschwöre dich vor Gott und Jesus Christus, der die Lebendigen und die Toten richten wird, bei Seiner Wiederkunft und Seinem Reiche: Predige das Wort, tritt dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen ... ." Noch eindringlicher hatte es der Apostel wohl nicht tun können.
Dieser schweren Pflicht, das Evangelium zu predigen, auf der einen Seite, entspricht auf der anderen Seite die schwere Pflicht, auf die Predigt der Apostel zu horchen und sie zu befolgen - unter Andro-hung der Verdammnis. "Wer nicht glaubt, wird verdammt werden"!
Die gleiche Pflicht, die Lehre Christi allen Menschen zu verkünden wie die Apostel, haben ihre Nachfolger: jeder Papst, die Bischöfe und die Priester. Viele von ihnen haben ein hartes Leben, Verfolgungen und auch den Tod auf sich genommen, aber auch viele Gläubige, wenn ich nicht sagen muß: noch mehr Gläubige. Wir haben eine große Zahl von Martyrer aus allen Schichten, euch 'heute noch. Ich denke da besonders an die kommunistischen Länder. Die gleichen Aufgaben und Pflichten hätten Papst, Bischöfe und Priester natürlich auch heute noch: allen Menschen die Lehre und Gebote Christi zu verkünden, da der Herr will, daß alle Menschen in den Himmel kommen. Es hatten aber auch alle Menschen, die in den Himmel kommen wollen die Pflicht, die Lehre Christi kennenlernen zu wollen und sie zu befolgen, mit anderen Worten: auf Papst, Bischöfe und Priester zu hören und ihnen zu folgen. Aber ... Die Voraussetzung dafür wäre nämlich, daß ihnen die wirkliche Lehre Christi verkündet wird, nicht eine andere nicht eine, die mit der Lehre Christi in Widerspruch steht! Denn in diesem Falle (der Verfälschung des Testamentes Christi) verlieren Papst, Bischöfe und Priester (automatisch) ihre innegehabte Autorität! Der Herr steht nicht mehr hinter ihnen. Sie haben daher kein Recht mehr auf Glauben und Gehorsam, man dürfte ihnen gar keinen Glauben mehr schenken und keinen Gehorsam leisten! Sie stünden dann ja im Dienste Satans. Der hl. Paulus schreibt an die Galater: "Sollten auch wir oder ein Engel vom Himmel euch eine andere Heilsbotschaft verkünden wollen, als wir euch verkündet haben, der sei verflucht ..."
Wie sieht es mit der Verkündigung der Lehre Christi heute aus? Die erste religiöse Unterrichtung sollte durch die Eltern im Elternhaus beginnen, die freilich weitgehend von der Verkündigung durch die Kirche, durch die Priester abhängig ist. Der Unterricht im Elternhaus ist schon gewährleistet, wenn in der Familie echte Frömmigkeit herrscht. Sie kann durch nichts ersetzt werden! Spätere Heiligkeit hat ihren Grund und ihren Anfang fast immer in echte religiöser Atmosphäre der Familie gehabt. Diese aber wächst in erster Linie durch die Frömmigkeit der Mutter. Wie es aber heute mit der Frömmigkeit und daher mit der religiösen Erziehung in den meisten Familien ausschaut, darf ich wohl als bekannt voraussetzen. Sie ist fast verschwunden, die traurigen Folgen sehen wir ja.
Die religiöse Unterweisung in der Familie soll der Unterricht in der Schule weiterführen, ergänzen und vertiefen. Natürlich hängt ein Erfolg dieses Unterrichtes in der Schule weitgehend vom Stand der Frömmigkeit im Elternhaus ab. Daß es damit heute nicht gut steht, habe ich bereits angedeutet. Darum kann der beste Religionsunterricht in der Schule nur wenig ausrichten. Religion muß nicht nur gelernt, sondern in erster Linie gelebt werden, was im Elternhaus (!) zu beginnen hat. Wenn nun zum Fehlen der Frömmigkeit in der Familie auch noch ein miserabler Religionsunterricht kommt, muß sich das katastrophal auswirken.
Wie schaut nun der Religionsunterricht heute in der Schule aus? Da ich kein Religionsinspektor bin, sondern nur Religionslehrer für die unteren Klassen in einer Dorfschule bin, fehlt mir der große Überblick. Ich kann mich also nur auf meine eigenen Erfahrungen berufen. Von dem Hörensagen weiß ich jedoch, daß es nicht gut aussieht. Ich möchte nicht verallgemeinern. Viele tun sicher, was sie können. Wenn ich aber die neuen Religionsbücher "Glaubensbücher" ansehe (und da auch nur die für das erste bis vierte Schuljahr bestimmten - die andern kenne ich nicht -) kann ich nur ein vernichtendes Urteil darüber abgeben. Humanisten und Freimaurern als Urhebern würden diese Bücher alle Ehre machen. Was ist da noch von der Lehre Christi drinnen? Und was drinnen ist, wie sieht das aus? Ich möchte nur einmal wünschen. daß diese "Künstler'', die diese Bilder gemalt haben, ihre Kinder mit einem solchen Gesicht herumlaufen sehen müßten oder mit einer solcher-maßen dargestellten Frau verheiratet sein müßten! Als ich diese Bücher, wie sie mir vorgeschrieben wären, durchsah, dachte ich unwillkürlich: "Sind unsere Bischöfe noch zurechnungsfähig"? Als ich aber die Kritik über die andern Bücher las, fragte ich mich aber auch noch: "Sind unsere Bischöfe überhaupt noch katholisch?"
Man lese nur die Berichte und Kritiken im "Fels" und in der "Entscheidung" der letzten Jahre. Man sagt zur Entschuldigung, daß daran nicht die Bischöfe Schuld seien. Diese Bücher haben andere hergestellt. Darauf kann ich nur entgegnen: Auf jeden Fall hatten die Bischöfe darauf achten müssen, wem sie den Auftrag zur Herstellung dieser Bücher geben , und sie hätten sie dann natürlich selber prüfen müssen! Wozu sind sie sonst Bischöfe, wenn sie für so wichtige Sachen wie die Reinerhaltung der Lehre keine Zeit mehr haben. Für andere weniger wichtige Sachen nehmen sie sich Zeit, oft sogar für überflüssige. Zudem möchte ich wenigstens die österr. Bischöfe daran erinnern, daß schon am Anfang energische Proteste bei Erscheinen dieser "Glaubensbücher" an die Bischöfe gerichtet worden sind, auf die man entweder überhaupt nicht geantwortet oder nur beschwichtigende Erklärungen abgegeben, höchstens jedoch leere Versprechungen gemacht hat. Den Gipfel der Gaunerei hat das Wiener Ordinariat geliefert, als es auf die Pressekonferenz der Austria Catholica antwortete das geht euch gar nichts an, das ist unsere Sache. Nebenbei gesagt: ähnliche Religionsbücher wur-den ungefähr zur gleichen Zeit auch in Deutschland, in der Schweiz, in Frankreich, Italien, Amerika (und ich weiß nicht, wo sie überall noch eingeführt wurden) gratis geliefert, die früheren wurden dafür aus dem Verkehr gezogen. Da steckt also System dahinter. (Kaplan Melser von Sillian hat sich z.B. besonders für die Beibehaltung des alten Religionsbuches bemüht. Er hat bei den Pfarrämtern angefragt, wie viele sie für einen Jahrgang benötigen würden. Er kam auf 10 000 (ja zehntausend). Er hat dann mit dem Tyrolia Verlag wegen einer Neuauflage verhandelt und gebeten, sie möchten eine unveränderte Auflage der letzten drucken. Der Tyrolia Verlag weigerte sich jedoch mit der Bemerkung: "Die Bischöfe wollen es nicht"!) Dazu brauche ich wohl keinen Kommentar mehr'' zu liefern! Für was für unterwürfige Lakaien müssen uns unsere Bischöfe halten, daß sie sich nicht schämen, uns solche Unterrichtsbücher in die Hand zu geben? Und so ganz unrecht haben sie nicht, wie die Erfahrung gezeigt hat. Ein Ruhmesblatt ist es allenfalls für beide nicht, wobei ich durchaus nicht alle in den gleichen Topf werfen möchte. Die Mehrheit gibt den Ausschlag, die andern müssen nur mitbüßen. Solche "Bischöfe" aber dürfen sich weder wundern, noch sich beklagen, wenn man den meisten Autoren dieser Bücher sagte sie seien Häretiker oder sogar Atheisten.
Man hat sich an die neuen Bücher gewöhnt, man braucht sich nun nicht mehr so zu plagen, die Kinder brauchen nichts mehr zu lernen, was sie heute meist nur sehr ungern tun, und man braucht sich daher auch nicht mehr mit den Kindern als auch mit den Eltern auseinanderzusetzen, die nur an einer guten Note interessiert sind.
Die nächste Stufe der Lehrverkündigung ist die Predigt und der Unterricht an den theologischen Seminaren. Ich möchte auch hier nicht verallgemeinern. Wir wissen aber alle, daß ein Irrlehrer in der Theologie und in der Seelsorge viel Unheil anrichten kann. Und wir haben heute viele Irrlehrer! Sie haben einen viel größeren Einfluß als die anderen. Ihre Erfolge und ihre Früchte sieht jeder, der sehen will: Niedergang der Seelsorge, Mangel an Priester- und Ordensnachwuchs, fürchterliches Absinken der Moral, Wirrwar und Ehrfurchtslosigkeit in der Liturgie, Schwinden des Glaubens, dafür aber eine erschreckende Zunahme der Gottlosigkeit. "Sünde" ist nur noch, wenn man beim Alten (= Lehre Christi) bleibt und nicht mit der Mode mittut. Kein Glaubenssatz bleibt unangefoch-ten, wenn er nicht geradezu ganz geleugnet wird. Es gibt keine Engel, keine Teufel, keine Erbsünde, keine Hölle, keine Erlösung, Jesus ist nur der Sohn Josefs, Maria ist nicht die unbefleckte, allzeit reine Jungfrau, Jesus ist nicht Gott und ist darum nicht auferstanden. Die hl. Schrift, vor allem die Evangelien, sind nur Geschichten usw. Freilich hören das viele, besondere junge Leute, gerne, um ruhig weiter sündigen zu können. Sie verehren ihre "Propheten". Es ist genauso wie beim jüdischen Volke des Alten Testamentes. Die wirklich von Gott gesandten Propheten brachten die Wahrheit, mußten mahnen, warnen und auch drohen, sie aber hat man verlacht, gehaßt, verfolgt und gemordet. Die falschen Propheten sagten den Leuten, was sie gerne hören wollten, ihnen glaubte man und liebte sie. Heute will man ja auch mit der Welt in Frieden und Freundschaft leben. Daß man aber damit mit Gott in Konflikt gerät, scheint keine Rolle zu spielen. "Wäret ihr von der Welt, so würde die Welt euch lieben. Weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch von der Welt auser-wählt habe, haßt euch die Welt" (Joh 15,18 ff).
Ein Seelsorger, der die wahre Lehre Christi verkündet und von den Gläubigen verlangt, daß sie sich im Leben auch daran halten, ist bei den allermeisten alles eher als beliebt. Das Volk ist also durchaus nicht unschuldig, wenn es heute so viele falsche Propheten gibt. Es will belogen, betrogen und irre geführt werden, weil es den leichten Weg gehen will, der aber ins Verderben führt.
Wie konnte es dahin kommen? Auf uns Nachkommen Adam und Evas lastet die Erbschuld, und wir neigen alle zum Bösen, das in den 7 Hauptsünden kurz zusammen gefaßt ist. Auch ich spüre diese Neigung und muß immer hinter mir selber her sein, um ihnen nicht zu erliegen. Dieser Neigung hat heute die "Führung" der Kirche weitgehend nachgegeben: "Dem heutigen Menschen und wohl auch sich selber kann man den beständigen Kampf gegen seine bösen Neigungen nicht mehr zumuten ...". Damit hat man das Volk auf die schiefe Bahn geführt, aber auch sich selber, auf der es immer rascher abwärts geht und mit dem zeitlichen und ewigen Verderben enden muß.
Man hat z.B. Erzbischof Lefèbvre und manchen anderen, der diese Fahrt ins Verderben nicht mit-machen will u.a. auch mir, den Rat gegeben, auszusteigen. d.h. sein Amt niederzulegen und den Kampf aufzugeben. Diesen Wunsch verstehe ich recht gut, ihn zu erfüllen, kommt aber nicht in Frage. Das hieße ja, den Feinden und Zerstörern der Kirche das Feld kampflos räumen. Was wäre aber das für ein Hirte, der sein Amt niederlegt, wenn es anfängt, gefährlich zu werden? Was wäre aber erst von einem Hirten zu halten, welcher gar nicht flicht, weil ihm keine Gefahr droht und daher ruhig zusieht, wie die Lehre Christi verdreht wird? Was aber ist von einem solchen zu halten, welcher bei der Verdrehung selber mittut oder gar sie hervorruft"? Was aber erst recht sind jene für Hirten, die mit Macht jene bekämpfen, die sich dagegen zur Wehr setzen? Einen Mühlstein an den Hals .... wäre nicht das Schlimmste. Man hat mich auch gewarnt, ich könnte mit dem Unfehlbaren Lehramt der Kirche in Konflikt geraten. Wer aber ist nicht nur in Gefahr, mit dem Lehramt in Konflikt zu geraten, sondern steht mit ihm schon lange im Widerspruch?
"Gib Rechenschaft von deiner Verwaltung"! So wird es über kurz oder lang heißen. Ich zittere davor - und bin nur ein ganz kleiner Hirte.
Es grüßt alle seine Leser und Freunde herzlich und segnet sie,
Ihr Alois Aßmayr (Pfarrer) A-6633 Biberwier, Tirol am 18. Juli 1976.
(EINSICHT 6. Jahrg. Nr. 3, Sept. 1976) |