WAS ECHTES CHRISTENTUM GIBT
von H.H. Pfr. Alois Aßmayr
Man will der heutigen Menschheit einreden, daß die Religion, besonders aber das katholische Chri-stentum den Menschen versklavt, ihm die Lebensfreude raubt und ihn unglücklich macht. Wahr ist, daß echtes katholisches Christentum den Menschen vor Sklaverei bewahrt, ihn zu einem frohen Menschen macht, der daher auch glücklich ist. Das Leben der Heiligen und frommer Seelen bewei-sen es. Auch Kinder können diesen Beweis erbringen. Ich denke da z.B. an die Kinder von Fatima. Wie frei, glücklich und zufrieden waren diese Kinder, trotz ihres harten Bußlebens, trotz der vielen Kreuze und der Leiden. Das Leben und das Sterben von Franz von Hyazintha ist doch so vielen bekannt, daß ich darüber wohl kein Wort verlieren muß.
Daß selbst unsägliches Leid in Freude verwandelt wird, für den, der ganz auf Gott vertraut und Seinen heiligen Willen ganz annimmt, zeigt uns so manches Bußleben. Ich denke da an Anna Henle aus Aichstetten bei Memmingen im Allgäu - geb. 18.11.1871 -, die mit 13 Jahren bei der Erstkom-munion eine Vision hatte, in der drei Engel ihr je einen Blumenkranz, eine Dornenkrone und eine Harfe zur Wahl anboten. Anna wählte die Dornenkrone und war darauf 66 Jahre bis zu ihrem Tode am 21.2. 1950 gelähmt. Mit heldenhafter Geduld und Ergebung in Gottes Hl. Willen hat sie ihr Opferleben gelebt und war dabei immer glücklich und froh.
Ich denke da auch an Anna Schäffer von Mindelstetten, die durch einen Unglücksfall mit 18 Jahren bis zu ihrem Tode an's Bett gefesselt war. Was hat Anna Schäffer - geb. am 18.2. 1882, gestorben am 5.10. 1925 - die Religion genommen und was ihr gegeben? Sie war ein echt christliches Mädchen und trug Klostergedanken mit sich. Mit 18 Jahren war sie in Diensten in Landshut zusammen mit noch einem anderen Dienstmädchen. Während der Arbeit im Waschraum brach ein Rohr aus der Mauer. Anna stieg auf einen Mauervorsprung, um das Rohr wieder in Ordnung zu bringen, dabei rutschte sie aus und fiel mit beiden Füßen in die kochende Waschlauge. Die Folgen waren fürchterlich! Ihre Invalidenrente betrug bis zu ihrem Lebensende 1925 monatlich 9 Mark. Also arm, ständig arge Schmerzen und bis ans Lebensende ans Bett gefesselt. All das ertrug Anna mit unsäglicher Geduld, ja sie dankte noch dem Herrn, daß sie so viel leiden und ertragen durfte! Daß Anna dabei nicht nur immer freundlich, ja sogar froh war, ist ein Gnadengeheimnis. Der Wille Gottes war auch ihr Wille. Wer hat ihr den bloßen Eigenwillen genommen und ihr die Kraft zu ihrem Opferleben gegeben? Die Religion. Ihr Seligsprechungsprozeß ist eingeleitet worden.
Wie viel Unheil haben diese beiden Seelen von uns ferngehalten, und wieviel Segen und Gnaden auf viele Menschen herabgezogen! Wie konnten diese beiden leidgeprüften Menschen so herrlich beste-hen? Ihre echte, innige Gottes- und Nächstenliebe gab ihnen die Kraft, Herr über alle Leidenschaften zu werden. Diese Gottes- und Nächstenliebe gab ihnen die Kraft, jede Opferscheu und Menschen-furcht zu überwinden, die uns weit gehend fehlt und uns daran hindert, den Weg der Vollkommen-heit zu gehen und Heilige zu werden. Belehrung, Anleitung und Übung erhielten sie von Kind auf in der Familie, besonders von den Müttern, die ihnen ein christliches Leben vorlebten. Dazu kam noch die Gnade von Oben. Dieses echte Christentum hat einerseits das Unkraut nicht aufkommen lassen, andererseits die Tugend gehegt und gepflegt, sie zur herrlichen Blüte gebracht, an denen sich Gott, die Engel und die Menschen freuten. Echtes Christentum kostet etwas, gibt aber viel mehr als es kostet. Es nimmt uns etwas, was zunächst weh tut: die Fehler und Sünden, uns aber dann frei und glücklich macht.
Probier es einmal! Nimm Deine Fehler und Leidenschaften einmal richtig auf's Korn, lerne sie zu beherrschen, sei eifrig im Gebet. Das Übungsfeld wird Dir der Herr und die Menschen und nicht zuletzt Du selber bieten.
(EINSICHT 6. Jahrg. Nr. 4, Okt. 1976) |