ÜBER DEN SINN VON KREUZ UND LEID IN DIESER WELT
von H.H. Pfr. Alois Aßmayr
I. Ursache Es wird nicht sehr viele Probleme oder Fragen geben, über die sich die Menschen so viele Gedanken machen, über die so viel geredet und geschrieben wird wie über den Sinn von Kreuz und Leid. Jeder von uns hat seinen Teil davon zu tragen. Doch die allermeisten verstehen den Sinn von Kreuz und Leid nicht bzw. er bleibt ihnen verborgen. Sie sehen nur die unmittelbare Plagerei und natürlich Got-tes Ungerechtigkeit darin, daß gerade ihnen so etwas zustoßen mußte. Wenige sind es, die in Kreuz und Leid nicht nur das Negative sehen, sondern es bejahen, und noch viel weniger sind es, die das ihnen aufgebürdete Leid gerne und bereitwillig tragen, die es sogar als etwas Wertvolles ansehen, das sie in ihrem Leben nicht missen möchten. Dabei brauchen diese Personen keineswegs von einem selbstquälerischen Hang besessen zu sein. Kreuz und Leid haben in der Tat nicht nur schlechte Seiten. Man kann das Leid mit einem Menschengesicht vergleichen, das viele Ausdrücke kennt. Ein Mensch hat zwar nur ein Gesicht. Mit dem aber kann er mich ganz verschieden anblicken: böse, zornig, gehässig, hämisch, aber auch froh, freundlich, liebevoll, mitleidend und wohlwollend. Genau so ist es auch mit dem Leiden. Wie es mich aber nun anblickt, kommt ganz auf mich darauf an.
Ich möchte mit diesem und den folgenden Artikeln ein wenig um ein besseres Verständnis von Kreuz und Leid beitragen.
Das Leid, wie wir es kennen, hat seinen Ursprung in der Sünde, im Ungehorsam gegen Gott. Gott ist die Wahrheit. Was Gott sagt, ist immer wahr, ob er etwas verspricht oder androht, sonst wäre Er ja nicht mehr die Wahrheit. Die Wahrheit aber ändert sich nicht und kann sich gar nicht ändern. Wenn man heute von einer veränderlichen Wahrheit, auch in katholischen Kreisen spricht, so nur deshalb, weil die von ihnen vertretene Lehre mit der Wahrheit in Widerspruch steht, also falsch ist. Eine unveränderliche Wahrheit wäre nämlich für den Zweck, für den eine solch falsche Theorie entworfen wird, unbrauchbar. Wir tun also gut daran, wenn wir die Versprechungen, aber auch die Warnungen Gottes ernst nehmen und unser Tun und Lassen danach ausrichten. Wer sich nicht nach den Anordnungen Gottes richtet, macht einen Unsinn und schadet nur sich selbst. Das haben viele Engel erfahren und müssen es furchtbar büßen. Aber auch Adam und Eva mußten die gleiche Erfahrung machen.
Nach dem Willen Gottes sollte gar kein Leid die Menschen bedrücken - außer man will willkürlich das als Leid bezeichnen, daß die Engel und die ersten Menschen noch nicht das vollkommene Glück besaßen, welches sie sich erst durch ihren Gehorsam verdienen sollten. Beide, die Engel und die ersten Menschen wurden von Gott erschaffen, daß sie Ihm - im Gegensatz zu den übrigen Geschöp-fen - bewußt und freiwillig dienen. Dafür sollten sie dann in Seine Herrlichkeit eingehen. Da Gott die Liebe ist und daher alles liebt, was er erschaffen hat, erst recht die mit Vernunft und freiem Willen begabten Geschöpfe, die Engel und die Menschen, verlangte Er nur das von ihnen, was ihnen zum Heil gereichte. Solange sich die Engel und dann die Menschen danach richteten, war alles in Ordnung, sie waren glücklich und zufrieden. Beide aber sollten noch glücklicher werden und das Glück und die Herrlichkeit mit Gott teilen, wenn sie die Probe, die ihnen von Gott gestellt würde, bestehen würden. Daß viele Engel und die ersten Menschen bei dieser Prüfung versagt haben, wissen wir. Diese Engel haben die herrlichen Gaben, mit denen sie der Herr ausgestattet hatte, stolz gemacht, und sie fanden es daher unter ihrer Würde, zu tun, was der Herr von ihnen forderte. In diesem Augenblick verloren diese Engel die heiligmachende Gnade und damit die übernatürlichen Gaben, ihre Herrlichkeit, und wurden als Teufel in die Hölle gestürzt. Damit entstand die Hölle. Diese Engel wußten genau, was sie taten. So ist durch den Stolz der Engel zugleich auch das erste Leid entstanden, als Folge der Sünde. Die ungehorsamen Engel haben es sich selbst zugezogen.
In die Welt ist das Leid aber erst durch den Ungehorsam der ersten Menschen gekommen. Adam und Eva hatten es ja schön im Paradies, sie waren gut und glücklich. Sie sollten es aber noch viel schöner haben, wenn sie tun würden, was Gott ihnen befohlen hatte: den Baum der Erkenntnis in Ruhe zu lassen, was wirklich keine schwere Aufgabe war. Sicher wußten sie von der Existenz Satans und von seinen Verführungsabsichten, aber auch von den Folgen des Ungehorsams: wenn ihr davon eßt, müßt ihr sterben.
Sicher hat der Herr Adam und Eva vor dem Satan gewarnt. Solange der Versucher nicht an Eva herantrat, war sicher auch sie vollkommen zufrieden. Sie aber war die zugänglichere von beiden, und darum wandte sich Satan an sie. Eva ließ sich verführen, und Adam ließ sich in seiner Liebe zur Eva von ihr zum Ungehorsam verleiten. Damit verloren auch sie die heiligmachende Gnade und damit zugleich die Kindschaft Gottes. Dadurch öffneten sie aber zugleich auch Tod, Kreuz und Leid den Weg in diese Welt. Seitdem ist die Welt verflucht, und die Folgen spüren wir alle. In der Sünde, im Ungehorsam gegen Gott haben also Kreuz und Leid ihren Ursprung.
II: Strafe und Sühne Sind Kreuz und Leid zunächst die ganz natürlichen Folgen der Sünde, so haben sie aber zugleich auch den Sinn von Strafe. Die Strafe aber hat (auch) den Sinn der Sühne und der Besserung. Die Sintflut hatte den Sinn der Strafe, die Gott über die sündige Menschheit verhängt hatte, ebenso der Untergang von Jerusalem, und viele andere Leiden. Die Strafen, die der Herr über das israelitische Volk verhängt hat, zielen darauf ab, das Volk wieder zur Vernunft und zur Besserung zu bringen. Viele Menschen werden leider erst durch Kreuz und Leid zur Vernunft gebracht. Auch die beiden Weltkriege waren Folgen der Sündhaftigkeit der Menschen, eine Strafe dafür; sie hätten die Mensch-heit zur Vernunft und Besserung bringen sollen. Leider sind die meisten Menschen nicht oder nur für kurze Zeit zur Vernunft gekommen. Den generellen Abfall von Gottes Geboten heute werden wir halt alle wieder mitbüßen müssen. Wenn sich die Menschheit nicht nach den Geboten Gottes richtet und richten will, müssen wir halt die Folgen tragen.
Welchen Sühnewert Leiden haben, zeigt uns die Erlösung der Menschheit durch den Mensch gewordenen Sohn Gottes, das Leiden der Sühneseelen wie z.B. das des hl. Pfarrers von Ars, des Pater Pio, der Therese Neumann und das vieler, vieler anderer. Wieviel Sühne haben sie geleistet, wieviele Strafen abgehalten, wievielen die Gnade der Bekehrung erlangt, wieviele arme Seelen erlöst! Durch die freiwillige Sühne erlangen wir anderen und uns viele Gnaden. Das freiwillige Leiden gibt uns die Möglichkeit, unsere Liebe und Treue zum gekreuzigten Heiland zu beweisen, an verschiedenen Tugenden zu wachsen und erst recht, Verdienste zu erwerben.
(EINSICHT 6. Jahrg. Nr. 6, Febr. 1977)
***
AVE CRUX, SPES UNICA DAS LEID II.
von H.H. Pfr. Alois Aßmayr
Das Leid der Hölle, des Fegfeuers und das auf der Welt hat seinen Ursprung im Ungehorsam gegen Gott, gegen die Wahrheit und ist die natürliche Folge dieses Ungehorsams. Ein Vergleich möge dies in etwa verständlich machen: Wenn ein Autofahrer auf den Gebirgsstraßen die Kurvenzeichen bewußt mißachtet, wird er unweigerlich mit einem entgegenkommenden Auto zusammenstoßen oder in den Abgrund stürzen.
Das Leid ist aber auch eine Strafe, seitdem es ins Dasein getreten ist. Der Herr verhängte es eigens für den Ungehorsam, für die Sünden. So z.B. die Sintflut, die oftmaligen Bestrafungen des auserwählten Volkes und manche andere Strafen sind eigens von Gott verhängt worden als Strafen für ihre Sünden, auch die Zerstörung Jerusalems und die Zerstreuung des Volkes Israels in alle Welt. Von vielen Kriegen und Katastrophen wissen wir, daß sie Strafen Gottes waren. So die beiden vergangenen Weltkriege, ebenso der angedrohte kommende Weltkrieg und die kommenden und schon allenthalben wütenden Katastrophen der verschiedensten Art.
Der Herr straft durchaus nicht gern. Darum mahnt und warnt der Herr gar oft, bevor Er straft, besonders, wenn es sich um ganze Völker handelt. Erst wenn alles Mahnen und Warnen nichts nützt, greift Er zur Rute oder Geißel. Die Menschen wurden durch Noe vor der Sintflut gewarnt. Umsonst! Wie oft wurde das Judenvolk durch die Propheten gemahnt und gewarnt, zuletzt durch Jesus Christus selber. Man schlug nicht nur alle Mahnungen und Warnungen in den Wind, man verflogte alle Mahner und Warner und tötete sie sogar. Welche Warnungen hat die Mutter Gottes nicht in La Salette und Fatima z.B. an die Welt und auch (besonders) an die katholische Kirche und deren Vertreter gerichtet! Diese Mahnungen und Warnungen werden heute immer dringender und ernster. Vergeblich! Auch Don Bosco hat viele Warnungen ausgerichtet, z.B. an das Piemontesische Königshaus, als es um die Aufhebung der Klöster ging. Hoftheologen haben dem König die War-nungen ausgeredet und ihn in Sicherheit gewiegt. Auch Rom und Paris wurden von ihm gewarnt. Ebenso richtete Don Bosco an den österreichischen Kaiser Franz Joseph im Jahre 1873 eine Bot-schaft, in der er ihn mahnte, sich nicht mit dem protestantischen Preußen, sondern mit dem katholi-schen Frankreich und Spanien zu verbinden, mit Rußland aber nur Verbindung und kein Bündnis aufzunehmen. "Willst du die Rute meiner Macht sein? Willst du die geheimen Willensakte voll-strecken und der Wohltäter der Welt werden? Mit Klugheit und Tatkraft werdet ihr unbesieglich sein. Verabscheue die Feinde des Gekreuzigten und vertrau auf mich, der ich der Verleiher der Siege an die Heere bin!" Der Kaiser las die Botschaft und ließ Don Bosco danken, konnte sich aber zur Durchführung der Botschaft nicht aufraffen. Die Folgen kennen wir und leiden heute noch darunter.
Auch Musolini wurde von der stigmatisierten, heiligmäßigen Schwester Helen Ajello Anfang Mai 1939 vor dem Eintritt in den Krieg gewarnt. Er dankte ihr, aber "man kann nicht immer zurück!" Wie die Herrscher Österreichs, Bayerns und Frankreichs durch Maria Anna Lindmayr gemahnt und gewarnt wurden zur Zeit des spanischen Erbfolgekrieges, ist wohl noch wenig bekannt. Wie sie die Mißachtung durch den Gang der Ereignisse büßen mußten, kann z.B. in der Weltgeschichte von Weiß, Bd. X, 655 ff nachgelesen werden. Daß der bayerische Kurfürst Max Emanuel damals dem Sterben entgangen ist, verdankt er den Gebeten und Opfern der Maria Anna Lindmayr. (Wer genau-eres wissen oder erfahren will, kann sich das Buch: "Maria Anna Lindmayr, Prophetin Gottes und Helferin der Armen Seelen" von Bonifatius Günther, Jestetten 1976 - Miriam Verlag, 20.- DM bestellen. Ich kann das Buch nur sehr empfehlen.)
Wie wir heute allenthalben gemahnt und gewarnt werden, ist allgemein bekannt. Auch ohne "Bot-schaft von oben" können wir uns weitgehend ausrechnen, was wir zu erwarten haben. Die Folgen werden wir tragen müssen, besonders wir, die Priester, Bischöfe, Kardinäle und Paul VI. Wer nicht hören will...
Strafe hat meistens auch den Sinn der Besserung. Manchmal hat der Herr auch eine solche Besse-rung erreicht. Leider hält die Besserung selten lange an. Wenn es nimmer weh tut, vergißt man bald, wie wehe es getan hat.
Wenn Kreuz und Leiden zunächst die natürliche Folge der Sünde sind und auch Strafcharakter haben, hat Gott der Herr in Seiner Güte, Liebe und Macht auch bewirkt, daß in ihnen sehr große Werte stecken, die wir kaum hoch genug veranschlagen können: Leiden sühnt, d.h.: Leid ist imstande, eigene Schuld und fremde Sünden wieder gut zu machen und zu tilgen. Freilich kommt es dabei darauf an, in welcher Gesinnung Kreuz und Leid getragen werden. Wir wissen alle, daß der Sohn Gottes Mensch geworden ist, um u.a. die Schuld, die Sünden der Menschen zu sühnen und wieder gut zu machen, um dadurch den Frieden zwischen ihnen und Gott wieder herzustellen und ihnen den Zugang zum ewigen Glück im Himmel wieder möglich zu machen. Es ist uns bekannt, daß daher Sein ganzes Leben vom Anfang bis zum Ende ein hartes Opfer-, Buß- und Gebetsleben war. Jesus hat die Sünden der ganzen Menschheit auf sich genommen und sich bereit erklärt, alles willig auf sich zu nehmen, was der Vater in Seiner Gerechtigkeit zur vollständigen Wiedergut-machung verlangt und verlangen muß. Jesus ist für uns gehorsam geblieben bis zum letzten Atem-zug am Kreuz. Was Jesus als Mensch dabei körperlich und seelisch gelitten hat, davon können wir uns keine rechte Vorstellung machen, erst recht nicht von Seiner Gesinnung, mit welcher Er all das gelitten hat. Daraus aber, daß das Leiden des menschgewordenen Gottessohnes imstande war, die gewaltige Sündenschuld der ganzen Menschheit zu sühnen und gut zu machen, könnten wir ungefähr abschätzen, welch riesiger Wert im Kreuz und im Leid verborgen ist - wenn wir sie nur in der richtigen Gesinnung tragen. Auch sehen wir daraus, daß ein Mensch durch Leiden die Sünde eines anderen Menschen gut machen kann. Es ist ein großes Geschenk Gottes an uns Menschen. Die Büßer und Sühneseelen sind Beispiele dafür. Ich denke da an Pater Pio, an Maria Anna Lindmayr. Was hat gerade Bayern und besonders München nicht dieser Sühneseele zu verdanken, aber auch viele andere. Ich denke an Theresia Neumann, an Katharina von Siena und viele andere. Alle Heiligen waren solche Wohltäter der Menschheit. Wieviele Strafen und Katastrophen diese leidenden, sühnenden und büßenden Menschen vermindert oder ganz verhindert haben, werden wir wohl erst in der Ewigkeit erfahren.
Das Leid als solches kann man unmöglich gern haben. Wenn wir aber wissen oder wüßten, was für ungeheure Werte darin stecken, wenn wir es richtig tragen, dann muß sich unsere Einstellung zum Leid ganz radikal ändern. Wenn wir aber wissen, was wir aus Kreuz und Leid machen können, können wir auch das Verhalten Jesu gegen Petrus verstehen, der den Herrn vom Leiden abhalten wollte. Nur dann verstehen wir die Aussprüche großer Heiliger wie den der hl. Theresia von Avila: "Leiden oder sterben." und den der hl. Magdalena von Pazzis: "Leiden und nicht sterben!" Nur dann kann man auch den Ausspruch des hl. Joh. Maria Vianney, des Pfarrers von Ars, verstehen: "Durch Leiden werden mehr Menschen gerettet als durch glänzende Predigten." Nur wenn man den Wert des Leidens kennt, kann man auch den Leidensdurst und den Leidenshunger und das fürchterliche Bußleben der Maria des Vallees (+ 1665), aber auch das der Anna Schäffer (+ 1925) verstehen, die dem Herrn herzlich gedankt haben, daß sie so viel leiden durften. Freilich gehört zu einer solchen Einstellung eine große Gottes- und Nächstenliebe, die leider bei so wenigen zu finden ist und über die leider auch ich selbst nicht verfüge. Nur solche dürfen es wagen, den Herrn um Leiden zu bitten, denn sie würden sonst jämmerlich versagen. Ich möchte daher davor warnen. Der Herr schickt uns schon, was wir gebrauchen, und erst recht sollen wir uns die Kreuze nicht selber machen: willig die annehmen, die uns der himmlische Vater schickt oder uns durch Mitmenschen auferlegt werden. Viel weiter werden wir gewöhnliche Christen es wohl nicht bringen.
Wenn wir nur den Sühnewert des Leidens überlegen, müßten wir Kreuz und Leid mit ganz anderen Augen ansehen als es gewöhnlich geschieht. Ohne Kreuz und Leid wären wir nicht erlöst. Ohne Kreuz und Leid werden auch wir nicht in die Herrlichkeit eingehen. Jesus selbst sagt: "Wer mir nachfolgen will, verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach." (Mat. 16,24)
Das Leiden birgt aber auch noch andere Werte in sich; darüber ein andermal.
Es grüßt alle Freunde und Leser freundlich und segnet sie
A - 6633 Biberwier / Tirol, Maria Lichtmeß 1977, Alois Aßmayr, Pfarrer.
(EINSICHT 6. Jahrg. Nr. 7, April 1977)
|