Der hl. Bernhard und der zweite Kreuzzug
von Léon Bloy
Als der heilige Bernhard Frankreich und Deutschland gegen das Morgenland zu den Waffen gerufen hatte, wurde ihm nahegelegt, sich selbst an die Spitze des Auszuges zu stellen. In Erinnerung an Petrus den Eremiten lehnte er ab, und er hatte unrecht, entsetzlich unrecht. Durch seine Ablehnung scheiterte der Kreuzzug, und zweihunderttausend Menschen bezahlten mit ihrem Leben des Gottesknechtes Ruhe in der Extase. Er bat den Papst, ihn von den "Phantasiebildern der Menschen" zu befreien. Hätte er nicht vielmehr Jesus Christus bitten sollen, er möge seine eigenen Phantasiebilder den Menschen erlassen? Der heilige Bernhard ist ein Heiliger Jesu, ein Heiliger des ins Gesicht geschlagenen Wortes, ein Heiliger des Armen und des Gekreuzigten. In diesem Sinne hatte er Grund, jene Ablehnung auszusprechen, und sein Platz ist rechtens auf den Altären des Schmerzensmannes.
Aber ein Heiliger des Heiligen Geistes hätte anders gehandelt. Jesus verzeiht alles, nimmt alles auf sich, leidet alles. Der Geist im Glanz seiner Herrlichkeit, der Triumphator, der Brennende, der Verschlingende, der Rächer verzeiht absolut nichts! Er ist derjenige, der überhaupt nicht anders beleidigt werden kann als unvergebbar.
Die Heiligen Jesu, die von Jesus belohnt wurden für das, was sie getan haben, werden von der Liebe noch einmal gerichtet werden für das, was sie nicht getan haben und die Unterlassung wird der Flammenwirbelsturm sein, der alle Tabernakel verbrennt. Ein Heiliger der Gottesliebe würde zu Jesus aufgeschrien haben: Ich will nicht die Tröstung und die Süße, wie sie mich in Clairvaux erwarten. Ich finde keinen Gefallen daran, zu Füßen deines Kreuzes in Schweigen und Wonne zu weinen. Ich will leiden, wie jemand, der ganz und gar verloren ist. Ich will in deinem Namen und um deiner Liebe willen triumphieren, wie die Dämonen zu triumphieren hoffen, wenn sie dich verabscheuen. Ich widerstehe deinen Seufzern ich will deine unsagbaren Zurufe nicht hören. Ich will nichts anderes hören, nichts anderes wissen als den Glanz deiner Herrlichkeit, und sollte ich von den Vulkanen zu Kohle verbrannt werden, ich hungere danach, dich vom Kreuz zu nehmen vor der Zeit.
Ich werde sie nicht verlassen, diese armen Leute, diese nackten Kinder, diese rührenden Kindlein, diese Neugeborenen der Erlösung, die nur auf mich zählen können. Ich werde der General sein, der sie befehligt. Ich werde sie in der Wüste führen, und wer sie niedermetzeln will, wird mich selbst erschlagen müssen. Denn immer werde ich zwischen ihnen und den Ungläubigen stehen und dich im Kelche meines Herzens tragen, Herr und Erlöser Jesus Christus. Sind Berge da, ich werde sie abtragen; sind Flüsse da, ich werde sie austrocknen; sind Heere zur Schlacht gegen uns angetreten, ich werde sie mit Blindheit schlagen, und wenn es an Brot gebricht, werde ich deinen Leib vermehren, bis ich den letzten Troßknecht dieser Heeresschar gesättigt habe, welche die meine sein wird. Und all diese Dinge werde ich tun, auch dann, wenn du es nicht wollen solltest, denn deine strahlende Herrlichkeit treibt mich noch mehr vorwärts als deine anbetungswürdigen Leiden, und mir, der ich dich verlassen habe, um dir die Welt zu erobern, mir wirst du nichts mehr verweigern. Ich werde Konstantinopel auf meinem Zug überrennen; und das befreite Jerusalem wird mich kommen sehen. Und dann werde ich zu der ganzen Erde sprechen...
(aus "Le Mendiant Ingrat" - "Der undankbare Bettler", zitiert nach: "Leon Bloy - Der beständig Zeuge Gottes" hrsg. von Raissa Maritain, Salzburg 1955, S. 361 ff.) |