Das freimaurerische Prinzip – Zur sog. Wiederzulassung der „alten Messe“ durch Ratzinger/Benedikt XVI.
von Eberhard Heller
„Für die universale Kirche sehe ich wie Sie, die friedliche Koexistenz der vor- und nachkonziliaren Riten voraus.“ M. Lefebvre brieflich am 17.9.1976 an de Saventhem, den ehemaligen Vorsitzenden der internationalen Una Voce-Föderation.
Mit der Verkündigung des Motu proprio vom 7. Juli dieses Jahres - es trat am 14. Sept. in Kraft -, in dem Ratzinger die Zelebration der johanneischen Messe von 1962 und neben dem Gebrauch der älteren Rituale auch das Lesen der älteren Breviere offiziell wieder zuläßt, scheinen alle Probleme hinsichtlich des jahrelangen Ritenstreites, in den die Econer mit Rom verwickelt waren, gelöst und Lefebvres Vision Wirklichkeit geworden zu sein. Und die Econer Führung, die für dieses Ziel bereits 2 Millionen Rosenkränze beten ließ, will nun „zum Dank“ „in der Bruderschaft 1000 Messen feiern“ (Mitteilungsblatt vom Okt. 2007) – egal, ob sie von gültig geweihten Priestern gefeiert werden oder nicht.
Diese Zulassung der sog. „alten Liturgie“, mit der Ratzinger den Econern entgegenkommen will, erklärt er in einem Begleitschreiben, dem „BRIEF AN DIE BISCHÖFE ANLÄSSLICH DER PUBLIKATION DES APOSTOLISCHEN SCHREIBENS "MOTU PROPRIO DATA" SUMMORUM PONTIFICUM - ÜBER DIE RÖMISCHE LITURGIE IN IHRER GESTALT VOR DER 1970 DURCHGEFÜHRTEN REFORM“:
„Was nun die Verwendung des Meßbuchs von 1962 als Forma extraordinaria der Meßliturgie angeht, so möchte ich darauf aufmerksam machen, daß dieses Missale nie rechtlich abrogiert wurde und insofern im Prinzip immer zugelassen blieb. Im Augenblick der Einführung des neuen Meßbuchs schien es nicht notwendig, eigene Normen für den möglichen Gebrauch des bisherigen Missale zu erlassen. Man ging wohl davon aus, daß es sich um wenige Einzelfälle handeln würde, die fallweise am jeweiligen Ort zu lösen seien. Dann zeigte sich aber bald, daß vor allem in Ländern, in denen die Liturgische Bewegung vielen Menschen eine bedeutende liturgische Bildung und eine tiefe innere Vertrautheit mit der bisherigen Form der liturgischen Feier geschenkt hatte, nicht wenige stark an diesem ihnen von Kindheit auf liebgewordenen Gebrauch des Römischen Ritus hingen. Wir wissen alle, daß in der von Erzbischof Lefebvre angeführten Bewegung das Stehen zum alten Missale zum äußeren Kennzeichen wurde; die Gründe für die sich hier anbahnende Spaltung reichten freilich viel tiefer. Viele Menschen, die klar die Verbindlichkeit des II. Vaticanums annahmen und treu zum Papst und zu den Bischöfen standen, sehnten sich doch auch nach der ihnen vertrauten Gestalt der heiligen Liturgie, zumal das neue Missale vielerorts nicht seiner Ordnung getreu gefeiert, sondern geradezu als eine Ermächtigung oder gar als Verpflichtung zur „Kreativität“ aufgefaßt wurde, die oft zu kaum erträglichen Entstellungen der Liturgie führte. Ich spreche aus Erfahrung, da ich diese Phase in all ihren Erwartungen und Verwirrungen miterlebt habe. Und ich habe gesehen, wie tief Menschen, die ganz im Glauben der Kirche verwurzelt waren, durch die eigenmächtigen Entstellungen der Liturgie verletzt wurden.“
In der Tat, Ratzinger hat die Liturgiereform Pauls VI. nicht erfunden. Er stand zu ihr immer in einem gewissen Zwiespalt. Bereits früher, im Jahre 1978, hatte Ratzinger zur Liturgiereform Stellung bezogen. In den "Neuen Zürcher Nachrichten" vom 15.3.78, hieß es: "Kardinal Ratzinger, der vor dem internationalen Presseklub in München sprach, äußerte Zweifel an der Auffassung, daß es durch die Lefebvre-Bewegung zu einer Kirchenspaltung kommen könne, doch handle es sich hierbei zweifellos um eine dominierende Entwicklung. Ratzinger verteidigte die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil durchgeführte Liturgiereform, die bei den Lefebvre-Anhängern auf erbitterten Widerstand stößt, räumte aber ein, daß es nicht klug gewesen sei, mit der Einführung des neuen Meßbuches gleichzeitig das alte zu verbieten. Es sei von vornherein klar gewesen, daß die Liturgiereform nicht 'unter dem Gesichtspunkt des Erfolges' gesehen werden konnte. Die Grundausrichtung der Reform könne auch nicht zur Debatte stehen. Er sei jedoch, so betonte Ratzinger, für eine 'große Toleranzbreite', damit die alte Liturgie 'auslaufen' könne. Eine Reform der Liturgiereform könne er sich nicht vorstellen, wohl aber, daß einige Bestandteile der alten (tridentinischen) Liturgie in die neue Liturgie wieder integriert würden, um insofern die Kontinuität mit der Vergangenheit herzustellen." (Ähnliche Töne wurden in einem Kommentar zu einem Beitrag des "Osservatore Romano" in "Timor Domini" vom 1.3.1978 angeschlagen; dort heißt es: "Auf der Basis des vom Zweiten Vatikanischen Konzil ermöglichten liturgischen Formenreichtums in der katholischen Kirche sei es durchaus denkbar, daß eines Tages die Meßfeier neben der erneuerten Form auch in einem leicht veränderten 'alten Ritus' wieder gefeiert werden könnte. Diese Feststellung machte der stellvertretende Chefredakteur der vatikanischen Tageszeitung 'Osservatore Romano', Don Vergilio Levi".)
Erhellend ist, was Ratzinger über die Liturgiereform in "Mein Leben, Erinnerungen 1927-1997" (Rom 1997) schreibt. Sie sei "keine Neubelebung, sondern eine Verwüstung". "Ich bin überzeugt, daß die kirchliche Krise, in der wir uns heute befinden, zum großen Teil vom Zusammenbruch der Liturgie herrührt." Ähnlich äußert er sich zum Verhältnis des sog. "alten" Ritus zum sog. 'neuen': "Was der Kirche tief geschadet hat und immer noch schadet, ist der Graben, den man zwischen »vorkonziliar« und »nachkonziliar« aufgerichtet hat, als ob es sich um zwei Kirchen und zwei Liturgien handelte, als ob das damals Heiligste nun das Verbotenste und Schlimmste wäre. Eine Institution, die so mit ihrer Geschichte und den ihr zugehörigen Menschen umgeht, braucht sich über negative Auswirkungen nicht zu wundern. Im übrigen hat gerade dieses Insistieren auf einem angeblichen Gegensatz mehr als alles andere der Rezeption des erneuerten Missale geschadet. Darum kann ich nur immer wieder mit Nachdruck sagen, daß diese »Exkommunikation« des alten Missale aufhören muß, auch gerade um der rechten Aneignung des neuen willen. ("Aus meinem Leben", München 1998, S. 189 f.) Dennoch geht er von der absoluten Gültigkeit des sog. NOM Pauls VI. aus: "Ich möchte eigens darauf hinweisen, daß der Titel, mit dem 1970 das sogenannte Missale Paul's VI. vorgelegt wurde, liturgiegeschichtlich durchaus korrekt ist: Missale Romanum ex Decreto Sacrosancti Concilii Vaticani II instauratum. Auctoritate Pauli PP. VI promulgatum. Hier ist die Kontinuität der Entwicklung durchaus ausgedrückt, die aber in der faktischen Einführung und Durchführung in der Kirche nicht zur Geltung gebracht wurde. Ich sehe, wie ich bereits gesagt habe, dieses Missale »in vielem als eine wirkliche Verbesserung und Bereicherung« an." ("Aus meinem Leben", München 1998, S. 189)
In seinem Begleitbrief zum Motu proprio gibt er dem N.O.M. Pauls VI. sogar den Vorzug: "An erster Stelle steht die Furcht, hier werde die Autorität des II. Vatikanischen Konzils angetastet und eine seiner wesentlichen Entscheidungen – die liturgische Reform – in Frage gestellt. Diese Befürchtung ist unbegründet. Dazu ist zunächst zu sagen, daß selbstverständlich das von Papst Paul VI. veröffentlichte und dann in zwei weiteren Auflagen von Johannes Paul II. neu herausgegebene Missale die normale Form – die Forma ordinaria – der Liturgie der heiligen Eucharistie ist und bleibt. Die letzte dem Konzil vorausgehende Fassung des Missale Romanum, die unter der Autorität von Papst Johannes XXIII. 1962 veröffentlicht und während des Konzils benützt wurde, kann demgegenüber als Forma extraordinaria der liturgischen Feier Verwendung finden. Es ist nicht angebracht, von diesen beiden Fassungen des Römischen Meßbuchs als von „zwei Riten“ zu sprechen. Es handelt sich vielmehr um einen zweifachen Usus ein und desselben Ritus."
Diesen letzten Passus zu wiederholen lohnt sich: "Es ist nicht angebracht, von diesen beiden Fassungen des Römischen Meßbuchs als von „zwei Riten“ zu sprechen. Es handelt sich vielmehr um einen zweifachen Usus ein und desselben Ritus." Hier redet Ratzinger Klartext! Er bringt hier ein Prinzip ins Spiel, das normalerweise die Freimaurer auszeichnet: Wahres und Falsches, Gültiges und Ungültiges gelten zugleich, sind gleich gültig... um gleichgültig zu werden!
Wir haben in den ersten Jahren des Erscheinens der EINSICHT philologisch, liturgisch und dogmatisch akkribisch nachgewiesen, daß der von Paul VI. promulgierte N.O.M. in sich häretisch ist und das die nach ihm gefeierte Messe in sich ungültig ist. Auch eine Theologenkommission unter der Leitung von Kard. Ottaviani und Kard. Bacci, die die ursprüngliche Fassung der "Institutio generalis Missalis Romani" § 7 untersucht hatte, in der es heißt: "Das Herrenmahl oder die Messe ist die heilige Zusammenkunft oder die Versammlung des Volkes Gottes, das unter dem Vorsitz eines Priesters zusammenkommt, um das Gedächtnis des Herrn zu feiern", kommt in der "Kurzen kritischen Untersuchung des neuen 'Ordo Missae'" zu einem ähnlichen Urteil: "Die Definition der Messe ist also auf die des 'Mahles' beschränkt (...). Darin ist weder die wirkliche Gegenwart enthalten noch die Wirklichkeit des Opfers noch die Sakramentalität des konsekrierenden Priesters noch der in ihm selbst liegende Wert des eucharistischen Opfers". Diese Position haben auch die nachmaligen Econer Schmidberger und Wodsack mitgetragen, als sie noch Mitarbeiter der EINSICHT waren. Und auch Ratzinger gab und gibt zu, daß die Wandlungsworte gefälscht sind, was aber ohne Konsequenzen für die gültige Konsekration sein soll! Beide Seiten wissen also um die ganze Problematizität ihrer Verhandlungen bzw. ihrer Verlautbarungen. Schmidberger, der die Gläubigen in perfider Manier zum Rosenkranzgebet aufgefordert hat, mit der Vorgabe, diese freimaurerische Symbiose eines "zweifachen Usus ein und desselben Ritus", d.i. die von Pius V. promulgierte Messe und den von Paul VI. installierten N.O.M. als Einheit in der Zweiheit (Hegelsche Denkungsweise!) zu sehen, kommt mir vor wie ein Gauner, der um das Gelingen eines Diebstahls zu fördern, betet - in seinem Fall: beten läßt - die Unwissenheit seiner Mitglieder ausnutzend -, um dann, wenn der Cou gelungen ist, Gott dafür zu danken bzw. danken zu lassen. In der Tat! eine solche Perfidie mit dem Allerheiligsten, der lebendigen Wahrheit, wird nicht ungestraft bleiben.
Und Ratzinger? Ähnlich wie Joseph II., der durch sein Freimaurerpatent vom 11.12.1785 die Geheimgesellschaften verbot und die Freimaurerei unter staatlichen Schutz stellte und kontrollierte, um deren Aktivität einzuschränken, hat er durch die offizielle Wiederzulassung des alten Ritus von 1962 einen lästigen Gegner zum Schweigen gebracht. Ein tödliches Schweigen! Denn es wird sich durch das Motu proprio nur eines ändern: die Econer und andere Traditionalisten sind endlich in die Reform-'Kirche' völlig inkorporiert... und die Reform-Kleriker kennen nur noch den sog. N.O.M. und können nicht einmal Latein!
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Hinweis: Zum besseren Verständnis lassen wir hier den Text des Motu proprio folgen: |