Brief an einen Bischof zur Eröffnung einer Priesterkonferenz ...
Hochwürdigster Herr Bischof XXX,
Anbei erhalten Sie die gewünschten Artikel, in denen ich auf die jüngsten Entwicklungen eingehe und eine Zwischenbilanz unserer gesamtkirchlichen Situation seit dem Amtsantritt Ratzingers ziehe.
Die folgenden Ausführungen bitte ich Sie, dem versammelten Gremium vorzutragen. Sie sind Ausdruck meiner Sorge, daß durch das Inkrafttreten des neuesten Motuproprio, mit dem Ratzinger die Wiederzulassung der alten Messe (in der Version von 1962) freigibt, unser Widerstand paralysiert wird. Warum? Weil sich unsere Anstrengungen weitgehend und weltweit darauf beschränkt haben, sich auf die Pflege und Zelebration der tridentinischen Messe zu konzentrieren. Die kirchliche Restitution wurde dabei unterdrückt – und das nach über 40 Jahren der Zerstörung! Dieser Tatbestand gilt für Europa, ebenso für Amerika, aber auch für Mexiko. Wenn nun diese alte Messe wieder offiziell zugelassen wird, dann sind die sog. Katakombenkirchen der Traditionalisten – damit bezeichne ich Personen, die den Kirchenkampf auf einen Ritenstreit einengen – überflüssig geworden.
Allein die inneren Konsequenzen, die mit der Zelebration der hl. Messe außerhalb des offiziösen Raum der Konzils-Kirche verbunden wären, hätten dazu führen müssen sich einzugestehen, daß die Messe nur innerhalb der Kirche, d.h. als von ihr beauftragt gefeiert werden darf. Das gilt n.b. auch für die Spendung der anderen Sakramente, das gilt ebenso für die pastorale Arbeit als auch für die Verkündigung des Evangeliums und die Katechese. Da die Strukturen der Kirche zerschlagen waren und der Stuhl Petri vakant ist, hätte man sich primär um den Wiederaufbau der Kirche kümmern müssen, um deren Restitution als Heilsinstitution, um u.a. die hl. Messe legitimerweise feiern zu dürfen. Wo das nicht geschieht, versinkt der Widerstand ipso facto im Sektierertum... und da ist er inzwischen auch weitestgehend angekommen.
Wir hatten diesen Sachverhalt Ende Februar 2000 auf dem Treffen in Hermosillo schon durchdiskutiert anhand der Erklärung, die H.H. Fr. Krier, Herr Jerrentrup und ich verfaßt hatten. Ich möchte die entsprechenden Passagen daraus zitieren:
„Durch den Abfall der Hierarchie nach Vatikanum II., der von Mgr. Thuc in seiner "Declaratio" dokumentiert ist, wurde die Kirche als sichtbare Heilsinstitution weitgehend zerschlagen; eine sichtbare "Gemeinschaft aller Gläubigen" existiert nicht mehr, auch wenn überall auf der Welt noch Gemeinden und Gruppen den wahren Glauben bekennen. Christus hat die Kirche aber als Heilsinstitution - und nicht nur als bloße Glaubensgemeinschaft - gegründet, um die unverfälschte Weitergabe seiner Lehre und Gnadenmittel zuverlässig zu gewährleisten. Der Wiederaufbau der Kirche als Heilsinstitution ist darum vom Willen ihres göttlichen Gründers gefordert. (...) Hier ergibt sich jedoch ein Dilemma. Einerseits fehlt derzeit die zur Erfüllung dieser Aufgaben nötige kirchliche Jurisdiktion, da die Hierarchie abgefallen ist, andererseits ist die Erfüllung dieser Aufgaben die notwendige Voraussetzung der Wiederherstellung eben dieser kirchlichen Autorität. Die Wiederherstellung der kirchlichen Autorität ist aber vom Heilswillen Christi her gefordert. Das Dilemma kann u.E. nur gelöst werden, indem sämtliche bisherigen Aktivitäten nur unter Vorbehalt einer späteren, endgültigen Legitimierung durch die wiederhergestellte Hierarchie stehen. Somit läßt sich z.B. die Meßzelebration und die Spendung der Sakramente einstweilen nur dadurch rechtfertigen, daß sie unter dem Aspekt der Gesamtrestitution der Kirche als Heilsinstitution stehen und sich der späteren Beurteilung durch die wiederhergestellte, legitime Autorität unterwerfen. Spendung und Empfang der Sakramente (einschl. Zelebration und Besuch der hl. Messe) wären somit unerlaubt, wenn sie ohne Bezug auf diese einzig mögliche Rechtfertigung vollzogen würden, unbeschadet ihrer sakramentalen Gültigkeit.“
In Europa gibt es nicht einen einzigen Priester, der sich im oben skizzierten Sinne um den Wiederaufbau der Kirche bemüht hat, was zur Folge hatte, daß der Widerstand nur noch von einzelnen Personen getragen wird – sieht man von der Gemeinde ab, die Herr Dr. Klominsky in Marienbad/CZ aufgebaut hat. Wir leben hier in tiefster Diaspora. Auch die Laien haben weitgehend versagt, ging und geht es den allermeisten doch nur um die Befriedung ihres Heilsegoismus, wobei auch die Dienste von ausgesprochenen Sektierern und Vaganten in Anspruch genommen werden.
Das gleiche Bild dürfte sich auch von Amerika ergeben, hat sich doch gerade Bischof Pivarunas im Jahre 2000 ausdrücklich geweigert, sich an der Restitution der Kirche als Heilsinstitution zu beteiligen. (Von den anderen Bischöfen bzw. ‚Bischöfen’, Dolan und Sanborn rede ich gar nicht, solange sie sich nicht um die Salvierung ihrer Weihen bemühen.) In Mexiko, wo es meines Wissens noch relativ starke katholische Gruppen gibt, wurde und wird der Wiederaufbau der Kirche zugunsten der pastoralen Anliegen auch unterdrückt, was Sie mir selbst bei Ihrem letzten Besuch ausdrücklich bestätigten.
Was ergibt sich daraus für den Widerstand? Wir werden ernten, was wir gesät haben: ein totales Desaster. Demnächst wird sich vielleicht die Situation ergeben, daß gutwillige und traditionsbewußte ‚Priester’, die ungültig geweiht wurden, es aber nicht wissen – die ab 1969 obligatorisch eingeführten Weiheriten sind per se ungültig - , d.h. also Laien die sog. alte Messe lesen.
Was ist zu tun?
1. Aufklären, daß die trid. Messe nur im Raum der Kirche und durch sie beauftragt (per mandatum) gelesen werden darf, und daß wir in einem kirchlichen Provisorium leben, welches es durch die in der neuen Erklärung aufgeführten Maßnahmen zu beenden gilt. Dies erfordert die zügige Umsetzung der Restitution der Kirche als Heilsinstitution. Die Kirche ist eine societas perfecta. Wenn man z.B. der Auffassung ist, der Stuhl Petri ist vakant, dann erfordert es die innere Logik, daß dieser Stuhl wieder besetzt wird. 2. Darüber aufklären, daß unser Anliegen nicht unter dem Aspekt eines Ritenstreites abgehandelt werden kann – das tun die Econer! -, sondern den Gesamtzustand der Kirche betrifft, wobei das Problem der hl. Messe darin eingeschlossen ist. 3. Darüber aufklären, daß die neuen Weiheriten (Priester- und Bischofsweihen), die seit 1969 in Kraft sind, ungültig sind, d.h. die Konzils-Kirche hat weitgehend schon ihre apostolische Sukzession verloren. 4. Für die Koordinierung und Durchführung aller aufgezählten Programmpunkte müßte ein Bischof zuständig sein, der theologisch in der Lage sein muß, die Gesamtproblematik zu überschauen. 5. Da die theologische Gefährlichkeit Ratzingers - aber nicht nur seine! – weitgehend von unseren Klerikern unterschätzt wird, sollten die Priester und Bischöfe, soweit es ihre sonstige Arbeit erlaubt, sich mit dem Studium der modernen Philosophie, d.h. seit Descartes bzw. Kant zu beschäftigen, um die Ansätze der modernen Theologie, die teilweise auf der Philosophie basieren – Ratzinger fußt z.B. auf den philosophischen Konzepten von Hegel – zu verstehen und zu widerlegen. Es würde nur von klerikaler Borniertheit und absoluter Dummheit zeugen, wenn man glaubt, sich diesen Anstrengungen entziehen zu können.
Wenn all die aufgezählten Aufgaben angefaßt würden, besteht mit dem starken Beistand des Hl. Geistes noch eine kleine Chance, das zu verwirklichen, was die Väter des Widerstandes und Mgr. Ngô-dinh-Thuc bzw. Bischof Carmona im Sinne hatten: Die Bewahrung des christ. Glaubens und der von Christus zu unserem Heil gegründeten Kirche, die Hort der Einheit, der Heiligkeit, der Katholizität und Apostolizität ist.
Ihrer Konferenz, Exzellenz, wünsche ich in diesem Sinne Erfolg .
Mit ehrfurchtsvollen Grüßen
Ihr Eberhard Heller
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