Enzyklika »Casti connubii«
von Papst Pius XI. (1922-1939):
vom 31. Dezember 1930 über die christliche Ehe im Hinblick auf die gegenwärtigen Lebensbedin-gungen und Bedürfnisse von Familie und Gesellschaft und auf die diesbezüglich bestehenden Irrtümer und Mißbräuche
An die Patriarchen, Primaten, Erzbischöfe, Bischöfe und anderen Hirten, die in Frieden und Gemeinschaft mit dem Apostolischen Stuhl leben, und an alle Gläubigen des katholischen Erdkreises.
Einleitung: Die Wiederherstellung der Ehe durch Christus
Der reinen Ehe Hoheit und Würde leuchtet Uns, Ehrwürdige Brüder, vor allem daraus entgegen, daß Christus der Herr, der Sohn des ewigen Vaters, nach Annahme unserer gefallenen Natur, die Wurzel und Grundlage der Familiengemeinschaft und damit der menschlichen Gesellschaft überhaupt, nicht allein in den liebevollen Plan der allgemeinen Wiederherstellung unseres Geschlechtes ganz besonders mit einschließen wollte, sondern sie außerdem zur ursprünglichen Reinheit der Einsetzung durch Gott zurückgeführt, zu einem wahren und »großen«1 Sakrament des Neuen Bundes erhoben und deshalb die Ordnung derselben und die Sorge für sie ganz der Kirche, seiner Braut, anvertraut hat.
Die Notwendigkeit der Belehrung über die Ehe
Damit jedoch aus der Erneuerung der Ehe bei allen Völkern der ganzen Erde und aller Zeiten die erhofften Früchte ersprießen, muß in den Menschengeist zunächst die unverfälschte Lehre Christi über die Ehe hineinleuchten. Sodann ist es Pflicht der christlichen Ehegatten, in ihrem schwachen Willen durch die Gnade Gottes gestärkt, ihr ganzes Denken und Tun nach dem reinen und lauteren Gesetz Christi zu gestalten, um so für sich und ihre Familie das wahre Glück und den wahren Frieden zu finden.
Das Absinken der Ehemoral
Indessen müssen nicht allein Wir, wenn Wir von der hohen Warte Unseres Apostolischen Amtes mit Vaterblick den gesamten Erdkreis überschauen, wahrnehmen – auch Ihr, Ehrwürdige Brüder, seht es und empfindet es ganz gewiß mit Uns aufs schmerzlichste, daß so viele Menschen das Gotteswerk der Wiederherstellung vergessen haben und die erhabene Heiligkeit der Ehe entweder gar nicht mehr kennen oder schamlos leugnen oder gar, von den falschen Grundsätzen einer neuen, aber ganz verkehrten Sittenlehre ausgehend, aller Orten mit Füßen treten. Da diese gefährlichen Irrlehren und verderbten Sitten sich auch unter den Gläubigen breit zu machen begonnen haben und sich immer tiefer einzudrängen suchen, haben Wir, da dies Unseres Amtes als Statthalters Christi auf Erden und obersten Hirten und Lehrers ist, es für Unsere Pflicht erachtet, Unsere Apostolische Stimme zu erheben, um die Uns anvertrauten Schafe von den vergifteten Weiden abzuwehren und, soviel Wir nur können, unversehrt zu bewahren.
Inhaltsangabe des Rundschreibens
Wir haben deshalb beschlossen, zu Euch, Ehrwürdige Brüder, und durch Euch zur ganzen Kirche Christi, ja zur gesamten Menschheit vom Wesen und von der Würde der christlichen Ehe, dem aus ihr in die Familie und die ganze menschliche Gesellschaft sich ergießenden Glück und Segen, den diesem gewichtigen Punkt der christlichen Lehre entgegenstehenden Irrtümern, den Verfehlungen wider die christliche Ehegemeinschaft und endlich den entsprechenden hauptsächlichsten Heilmitteln zu reden. Wir treten dabei in die Fußstapfen Unseres Vorgängers Leo XIII. seligen Angedenkens und machen Uns sein vor fünfzig Jahren erlassenes Rundschreiben über die christliche Ehe »Arcanum«2 durch Unser vorliegendes Rundschreiben zu eigen und, indem Wir einige die heutigen Verhältnisse betreffenden Punkte etwas ausführlicher behandeln, erklären Wir ausdrücklich, daß jenes Schreiben, weit davon entfernt, veraltet zu sein, vielmehr seine volle Kraft und Wirkung beibehält.
Kurze Übersicht über die kirchliche Lehre von der Ehe im Anschluß an das Rundschreiben Leos XIII. »Arcanum«
Um mit dem eben erwähnten Rundschreiben zu beginnen, das sich fast nur damit befaßt, die Einsetzung der Ehe durch Gott, ihre sakramentale Würde und ihre lebenslängliche Dauer sicherzustellen, so muß zunächst als unverrückbare und unantastbare Grundlage gelten: nicht von Menschen ist die Ehe eingesetzt und wiederhergestellt worden, sondern von Gott. Nicht von Menschen, sondern vom Urheber der Natur selbst, von Gott, und vom Wiederhersteller der Natur, Christus dem Herrn, ist sie durch Gesetze gesichert, ist sie gefestigt und erhoben worden. Diese Gesetze können also in keiner Weise dem Gutdünken von Menschen, keiner entgegenstehenden Vereinbarung, auch der Gatten nicht, unterworfen sein. Das ist die Lehre der Hl. Schrift3, die ständige und allgemeine Tradition der Kirche, die feierliche Entscheidung des Heiligen Konzils von Trient, das mit den Worten der Hl. Schrift selbst verkündet und bekräftigt: das lebenslängliche und unauflösliche Eheband und dessen Einheit und Festigkeit haben Gott zum Urheber.4
Wenn nun aber auch die Ehe ihrem Wesen nach von Gott stammt, so hat doch auch der Wille des Menschen, und zwar in hervorragender Weise, seinen Anteil an ihr. Denn die einzelne Ehe entspringt, sofern sie die eheliche Verbindung zwischen diesem Mann und dieser Frau ist, dem freien Jawort der beiden Brautleute. Diese freie Willensentscheidung, durch die jeder Teil das der Ehe eigentümliche Recht gibt und nimmt5, ist zu einer wahren Eheschließung derart notwendig, daß sie durch keine menschliche Macht ersetzt werden kann.6 Diese Freiheit hat jedoch nur das eine zum Gegenstand, ob die Eheschließenden wirklich eine Ehe eingehen und ob sie dieselbe mit dieser Person eingehen wollen. Dagegen ist das Wesen der Ehe der menschlichen Freiheit vollständig entzogen, so daß jeder, nachdem er einmal die Ehe eingegangen hat, unter ihren von Gott stammenden Gesetzen und wesentlichen Eigenschaften steht. Denn der Doctor Angelicus sagt da, wo er von der ehelichen Treue und der Nachkommenschaft handelt: »Sie gehen in der Ehe aus dem Ehevertrag hervor, und zwar so, daß, falls in dem Jawort, durch das die Ehe zustande kommt, etwas ihnen Entgegengesetztes Ausdruck fände, überhaupt keine wahre Ehe vorläge.«7
Durch die Ehe werden also die Gatten innerlich verbunden und verschmolzen, und zwar eher und inniger als dem Leibe nach, und nicht durch vorübergehende Sinneserregung oder bloße Gemütsbewegung, sondern durch überlegten und festen Willensentschluß: und aus dieser Verschmelzung der Seelen erwächst, so hat es Gott bestimmt, das heilige und unverletzliche Eheband.
Das ist die unvergleichliche Eigenart des Ehevertrages. Sie unterscheidet ihn himmelweit von den Verbindungen der vernunftlosen Lebewesen, die nur aus blindem Naturtrieb erfolgen und in denen sich nichts von Verstand oder überlegtem Wollen findet, wie auch von den haltlosen Verbindungen unter Menschen, die nichts an sich haben von einer wahren und sittengemäßen Vereinigung der Willen und denen jedes Recht auf Familiengemeinschaft abgesprochen werden muß.
Damit ist schon gegeben, daß die rechtmäßige Autorität zwar das Recht hat, ja daß ihr sogar die Pflicht obliegt, die unehrbaren, vernunft- und naturwidrigen Verhältnisse zu hemmen, zu hindern und zu bestrafen. Da es sich aber um etwas handelt, was unmittelbar aus der Natur folgt, so gilt ebenso sicher die Mahnung, die Unser Vorgänger Leo XIII. seligen Angedenkens offen ausgesprochen hat:8 »Bei der Wahl des Lebensstandes ist es zweifellos dem freien Belieben der einzelnen anheimgestellt, welchem von beiden sie den Vorzug geben wollen: dem Rat Christi folgend jungfräulich zu leben oder sich durch die Ehe zu binden. Kein menschliches Gesetz vermag das naturhafte und ursprüngliche Recht zur Ehe dem Menschen zu nehmen oder den von Gott im Anfang bestimmten Hauptzweck der Ehe zu beschränken: ›Wachset und mehret euch‹9.«
So wird also die heilige Gemeinschaft der wahren Ehe gleichzeitig durch Gottes und des Menschen Willen begründet: Aus Gott ist die Einsetzung der Ehe, aus ihm sind ihre Zwecke, ihre Gesetze, ihre Segensgüter. Von den Menschen aber stammt mit Gottes Hilfe und Gnade durch edelmütige Hingabe des eigenen Ich an den andern für die ganze Lebensdauer die einzelne Ehe mit den von Gott gesetzten Pflichten und dem von ihm verheißenen Segen.
I. Die wesentlichen Güter der Ehe
1. Die drei Güter der Ehe nach Augustinus
Wenn Wir nun, Ehrwürdige Brüder, Uns anschicken, die Segensgüter, die Gott in die wahre Ehe hineingelegt hat, darzulegen, so kommen Uns die Worte des gefeierten Kirchenlehrers in den Sinn, dessen fünfzehnhundertjährigen Todestag Wir noch vor kurzem durch Unser Rundschreiben »Ad salutem«10 festlich begangen haben: »Das alles«, so sagt Augustinus, »sind Güter, um derentwillen die Ehe selbst gut ist: Nachkommenschaft, Treue, Sakrament«.11 Inwiefern diese drei Worte eine klare und erschöpfende Zusammenfassung der gesamten Lehre über die christliche Ehe bieten, setzt der heilige Kirchenlehrer auseinander, wenn er schreibt: »Die Treue will besagen, daß nicht außerhalb des Ehebundes mit einem anderen oder einer anderen Verkehr gepflegt werde. Die Nachkommenschaft, daß das Kind mit Liebe entgegengenommen, mit herzlicher Güte gepflegt und gottesfürchtig erzogen werde. Das Sakrament endlich, daß die Ehe nicht geschieden werde und der Geschiedene oder die Geschiedene nicht einmal, um Nachkommenschaft zu erhalten, mit einem anderen eine Verbindung eingehe. Das hat als Grundsatz der Ehe zu gelten, durch das die naturgewollte Fruchtbarkeit geadelt und zugleich das verkehrte Begehren in den rechten Schranken gehalten werde.«12
2. Das erste Gut der Ehe: die Kinder
a) Die Fortpflanzung als natürlicher und übernatürlicher Auftrag der Ehe
Die erste Stelle unter den Gütern der Ehe nimmt also das Kind ein. In der Tat, so hat es der Schöpfer des Menschengeschlechtes, der sich in seiner Güte zur Weitergabe des Lebens der Menschen als seiner Gehilfen bedienen wollte, selbst gelehrt, indem er im Paradies bei der Einsetzung der Ehe zu den Stammeltern, und in ihnen zu allen künftigen Gatten, sprach: »Wachset und mehret euch und erfüllet die Erde.«13 In diesem Sinne erklärt der hl. Augustinus die Worte des hl. Apostels Paulus an Timotheus14, wenn er schreibt: »Daß die Ehe geschlossen wird, um neues Leben zu wecken, dafür ist das Wort des Apostels Zeuge: Ich will, daß die jüngeren [Witwen] heiraten. Und als ob ihm jemand entgegenhielte, warum denn?, fügte er sogleich bei: Um Kindern das Leben zu geben, um Familienmütter zu sein.«15
Welch eine Wohltat Gottes und welch ein Ehesegen das Kind ist, erhellt aus der Würde und dem hohen Ziel des Menschen. Der Mensch überragt ja schon durch seine bloße Vernunft die ganze übrige sichtbare Schöpfung. Hierzu kommt noch, daß Gott die Menschen werden läßt, nicht nur damit sie da sind und die Erde erfüllen, sondern noch viel mehr, damit sie Verehrer des wahren Gottes seien, ihn erkennen und lieben und sich dereinst im Himmel seines beseligenden Besitzes ewig erfreuen. Dieses Endziel überragt infolge der wunderbaren Erhebung des Menschen durch Gott in die Ordnung der Übernatur alles, was ein Auge gesehen, ein Ohr gehört hat und in eines Menschen Herz gedrungen ist.16 Daraus erhellt also ohne weiteres, welch ein Geschenk der Güte Gottes, welch ausgezeichnete Frucht der Ehe das Kind ist, das sein Dasein der Allmacht Gottes und der Mitwirkung der Ehegatten verdankt.
Die christlichen Eltern mögen außerdem bedenken, daß es nicht nur ihre Aufgabe ist, für die Erhaltung und Ausbreitung des Menschengeschlechtes auf Erden zu sorgen, ja nicht einmal nur, irgendwelche Verehrer des wahren Gottes heranzuziehen, sondern der Kirche Christi Nachkommenschaft zuzuführen, die Mitbürger der Heiligen und die Hausgenossen Gottes17 zu mehren, damit das dem Dienste Gottes und unseres Erlöser geweihte Volk von Tag zu Tag zunehme. Denn wenn nun auch die christlichen Eltern, so sehr sie selbst im Gnadenstande sein mögen, die heiligmachende Gnade nicht an ihr Kind weitergeben können, die naturhafte Weckung neuen Lebens im Gegenteil zum Todespfand geworden ist, auf dem die Erbschuld auf die Kinder übergeht, so haben sie doch etwas von der Ehe, wie sie ursprünglich im Paradiese war; denn ihre Aufgabe ist es, ihr eigenes Kind der Kirche darzubringen, damit es von dieser überaus fruchtbaren Mutter der Kinder Gottes durch das Bad der Taufe zur übernatürlichen Gerechtigkeit wiedergeboren und ein lebendiges Glied Christi, des unsterblichen Lebens teilhaft und endlich ein Erbe der ewigen Herrlichkeit werde, nach der wir alle aus tiefster Seele verlangen.
Wenn das eine wahrhaft christliche Mutter beherzigt, so wird ihr klar werden, daß von ihr in einem höheren und überaus trostreichen Sinne jenes Wort unseres Erlösers gilt: »Sobald die Mutter ... das Kind geboren hat, gedenkt sie nicht mehr ihrer Schmerzen vor Freude, daß ein Mensch zur Welt geboren ist.«18 Sie wird sich über alles Leid des Mutterberufes, über alle seine Sorgen und Lasten emporheben und mit viel mehr Recht und in weit erhabenerem Sinne als jene edle Römerin, die Mutter der Gracchen, sich im Herrn einer blühenden Kinderschar rühmen. Und beide Gatten werden die Kinder, die sie bereitwillig und dankbaren Herzens aus der Hand Gottes entgegengenommen haben, als ein ihnen von Gott anvertrautes Talent betrachten, nicht um es zu ihrem eigenen Nutzen, noch auch nur dem des irdischen Vaterlandes zu verwenden, sondern um es am Tage des Gerichtes dem Herrn mit Gewinn zurückzustellen.
b) Der Auftrag der Erziehung
Mit der Schenkung neuen Lebens ist aber das Gut der Nachkommenschaft noch keineswegs erschöpft. Ein anderes muß noch hinzukommen, nämlich die erforderliche Erziehung des Kindes. Völlig unzureichend hätte ja der allweise Gott für das neugeborene Kind und damit für das ganze Menschengeschlecht gesorgt, wenn er nicht auch das Recht und die Pflicht der Erziehung denen zugewiesen hätte, denen er die Fähigkeit und das Recht der Weckung des Lebens gegeben hat. Es wird wohl niemand übersehen, daß das Kind weder im Bereich des natürlichen und noch viel weniger in dem des übernatürlichen Lebens für sich selber genügend sorgen kann. Es ist im Gegenteil für viele Jahre auf die Hilfe, Unterweisung und Erziehung anderer angewiesen. Es ist aber klar, daß auf Geheiß der Natur und damit Gottes das Recht und die Pflicht der Kindererziehung in erster Linie denen zukommt, die das Werk der Natur durch die Weckung des Lebens begonnen haben, denen es aber durchaus untersagt sein muß, das Angefangene unvollendet liegen zu lassen und es so dem sicheren Verderben preiszugeben. In der Ehe ist nun aber für die so notwendige Erziehung des Kindes aufs allerbeste gesorgt. Denn in ihr stehen die Mühewaltung beider Eltern und ihre gegenseitige Hilfeleistung stets bereits, da die Gatten durch ein unauflösliches Band miteinander verbunden sind.
Da Wir aber über die christliche Erziehung der Jugend schon an anderer Stelle ausführlich gehandelt haben19, wollen Wir alles nochmals mit den Worten des hl. Augustinus zusammenfassen: »Die Nachkommenschaft [will besagen], daß das Kind mit Liebe entgegengenommen ... und gottesfürchtig erzogen werde.«20 Genau das gleiche drückt auch das kirchliche Gesetzbuch mit den entschiedenen Worten aus: »Der Hauptzweck der Ehe ist die Zeugung und Erziehung des Kindes.«21
c) Die Zeugung des Lebens als ausschließliches Recht der Ehe
Wegen der hohen Würde und Bedeutung des zweifachen Amtes, das den Eltern zum Besten des Kindes übertragen ist, darf schließlich nicht mit Stillschweigen übergangen werden, daß nach dem Willen des Schöpfers und dem Gesetz der Natur jeder Gebrauch der Fähigkeit, die Gott zur Weckung neuen Lebens gegeben hat, seine Sittengemäßheit vorausgesetzt, das ausschließliche Recht, und zwar ein Vorrecht der Ehe ist und sich unbedingt innerhalb ihrer geheiligten Schranken halten muß.
3. Das Gut der Treue
a) Die eheliche Treue als in Gott begründetes Band der Zusammengehörigkeit
Das zweite Gut der Ehe, das der hl. Augustinus, wie Wir sagten, anführt, ist die Treue. Sie besteht in der gewissenhaften Einhaltung des Ehevertrages durch beide Gatten, so daß, was durch den vom göttlichen Gesetz besiegelten Vertrag nur dem Partner zusteht, weder diesem verweigert noch einem Dritten zugestanden und daß ferner nicht dem eigenen Gatten gestattet wird, was dem göttlichen Recht und Gesetz zuwiderläuft, mit der ehelichen Treue unvereinbar ist und deshalb niemals erlaubt sein kann.
b) Die aus dem Gut der Treue sich ergebenden Forderungen
Die vollkommene Einehe
Daher verlangt die eheliche Treue an erster Stelle unbedingt die Einehe, wie sie der Schöpfer in dem Urbild aller Ehen, der Ehe der Stammeltern, vorgebildet hat. Sie war ja nach seinem Willen eine Ehe nur zwischen einem Mann und einer Frau. Allerdings hat Gott später als oberster Gesetzgeber das Grundgesetz zeitweilig in etwa gemildert. Indes besteht kein Zweifel, daß das Gesetz Christi die ursprüngliche vollkommene Einehe in ihrer Unversehrtheit wiederhergestellt und jegliche Dispens aufgehoben hat, wie dies die Lehre Christi und die ständige Lehre und Praxis der Kirche mit voller Deutlichkeit zeigen. Das Hl. Konzil von Trient22 hat also vollkommen recht, wenn es bekennt: »daß durch dieses Band nur zwei vereinigt und verbunden werden, hat Christus der Herr nur zu deutlich in den Worten gelehrt: ›Sie sind also nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch.‹23«
Die Einheit im Denken und Wollen
Aber Christus der Herr wollte nicht nur jede Form der sogenannten Polygenie und Polyandrie, der aufeinanderfolgenden wie der gleichzeitigen, verworfen wissen und ebenso jedes andere unehrbare Tun, sondern er hat sogar, um das umhegte Heiligtum der Ehe vor jeder Schändung zu schützen, auch alle dahingehenden freiwilligen Gedanken und Begierden verboten: »Ich aber sage euch: Jeder, der eine Frau mit begehrlichen Blicken ansieht, hat schon in seinem Herzen die Ehe mit ihr gebrochen.«24 Diese Worte Christi des Herrn kann nicht einmal die Zustimmung des anderen Gatten entkräften. Denn sie enthalten ein Gesetz Gottes und der Natur, das kein Menschenwille jemals zu biegen oder zu brechen vermag.25
Die eheliche Keuschheit
Damit aber die Treue im vollen Glanz erstrahle, muß auch der vertraute Verkehr der Gatten untereinander das Gepräge der Keuschheit an sich tragen. Die Eheleute müssen sich also in allem nach den Normen des göttlichen Gesetzes und des Naturgesetzes richten und sich bemühen, den Willen des allweisen und allheiligen Schöpfers immer mit großer Ehrfurcht vor Gottes Werk zu befolgen.
Gegenseitige Stützung in Liebe im Sinne des christlichen Vollkommenheitsideals
Aber es gibt noch ein anderes, das in seiner Erhabenheit die Treue der Keuschheit, wie sie vom hl. Augustinus so treffend genannt wird, leichter, lieblicher und anziehender macht und ihr einen neuen Adel verleiht: die Gattenliebe, die alle Pflichten des Ehelebens durchdringt und in der christlichen Ehe sozusagen eine besondere Würde und Vorrangstellung einnimmt. »Die eheliche Treue verlangt außerdem, daß Gatte und Gattin durch eine besondere, reine, heilige Liebe miteinander verbunden sind; daß sie sich nicht lieben wie solche, die keine Ehetreue kennen, sondern wie Christus seine Kirche geliebt hat. Denn diese Norm hat der Apostel aufgestellt, da er sagte: ›Ihr Männer, liebet eure Frauen, wie auch Christus seine Kirche geliebt hat.‹26 Er hat sie sicher mit einer unendlichen Liebe umfaßt, nicht um des eigenen Nutzens und Vorteils willen, sondern weil er nur das Wohl seiner Braut im Auge hatte.«27 Wir meinen also eine Liebe, die nicht nur auf körperlich bedingter, rasch schwindender Sympathie, noch auf bloßen Schmeichelworten, sondern in der tiefen Zuneigung der Seelen gegründet ist und sich auch im Werke erprobt, denn die Erprobung der Liebe ist die Tat.28 Diese Tat bedeutet aber in der Familiengemeinschaft nicht nur die gegenseitige Hilfeleistung. Sie muß auch, und zwar in erster Linie, darauf abzielen, daß die Gatten einander behilflich seien, den inneren Menschen immer mehr zu gestalten und zu vollenden. So sollen sie durch ihre Lebensgemeinschaft in den Tugenden immer größere Fortschritte machen, vor allem in der wahren Gottes- und Nächstenliebe wachsen, in der schließlich doch „das ganze Gesetz und die Propheten bestehen.“29 Nun ist das allein gültige Vorbild aller Heiligkeit, das Gott für alle Menschen hingestellt hat, Christus der Herr. Ihn können und müssen alle, gleichgültig, wessen Standes und Berufes sie sind, nachahmen und mit Gottes Hilfe nach dem Beispiel seiner Heiligen zum Gipfel der christlichen Vollkommenheit gelangen.
Die gegenseitige innere Formung der Gatten, das beharrliche Bemühen, einander zur Vollendung zu führen, kann man, wie der Römische Katechismus30 lehrt, sogar sehr wahr und richtig als Hauptgrund und eigentlichen Sinn der Ehe bezeichnen. Nur muß man dann die Ehe nicht im engeren Sinne als die Einrichtung zur Zeugung und Erziehung des Kindes, sondern im weiteren als volle Lebensgemeinschaft fassen.
Die Liebe muß ebenfalls alle anderen Rechte und Pflichten des Ehelebens beherrschen, so daß es nicht allein eine Rechtssatzung ist, sondern auch als Norm der Liebe gelten möge, was der Apostel sagt: »Der Gattin leiste der Gatte die Pflicht; in gleicher Weise aber auch die Gattin dem Gatten.«31
Die Hierarchie der Liebe, die notwendige Über- und Unterordnung
In der Familiengemeinschaft, deren festes Gefüge so die Liebe ist, muß dann auch die Ordnung der Liebe, wie es der hl. Augustinus nennt, zur Geltung kommen. Sie besagt die Überordnung des Mannes über Frau und Kinder und die willfährige Unterordnung, den bereitwilligen Gehorsam von seiten der Frau, wie ihn der Apostel mit den Worten empfiehlt: »Die Frauen sollen ihren Männern untertan sein wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie Christus das Haupt der Kirche ist.«32
Die Unterordnung der Gattin unter den Gatten leugnet und beseitigt nun aber nicht die Freiheit, die ihr auf Grund ihrer Menschenwürde und der hehren Aufgabe, die sie als Gattin, Mutter und Lebensgefährtin hat, mit vollem Recht zusteht. Sie verlangt auch nicht von ihr, allen möglichen Wünschen des Mannes zu willfahren, die vielleicht unvernünftig sind oder der Frauenwürde weniger entsprechen. Sie ist endlich nicht so zu verstehen, als ob die Frau auf einer Stufe stehen sollte mit denen, die das Recht als Minderjährige bezeichnet und denen es wegen mangelnder Reife und Lebenserfahrung die freie Ausübung ihrer Rechte nicht zugesteht. Was sie aber verbietet, ist Ungebundenheit und übersteigerte Freiheit ohne Rücksicht auf das Wohl der Familie. Was sie verbietet, das ist, im Familienkörper das Herz vom Haupt zu trennen zu größtem Schaden, ja mit unmittelbarer Gefahr seines völligen Untergangs. Denn wenn der Mann das Haupt ist, dann ist die Frau das Herz, und wie er das Vorrecht der Leitung, so kann und soll sie den Vorrang der Liebe als ihr Eigen- und Sonderrecht in Anspruch nehmen.
Grad und Art der Unterordnung der Gattin unter den Gatten können sodann verschieden sein je nach den verschiedenen persönlichen, örtlichen und zeitlichen Verhältnissen. Wenn der Mann seine Pflicht nicht tut, ist es sogar die Aufgabe der Frau, seinen Platz in der Familienleitung einzunehmen. Aber den Aufbau der Familie und ihr von Gott selbst erlassenes und bekräftigtes Grundgesetz einfachhin umzukehren oder anzutasten, ist nie und nirgends erlaubt.
Das Verhältnis zwischen Mann und Frau drückt Unser Vorgänger seligen Angedenkens, Leo XIII., mit folgenden Worten tiefer Weisheit aus: »Der Mann ist der Herr in der Familie und das Haupt der Frau. Sie aber, da sie Fleisch von seinem Fleisch und Bein von seinem Bein ist, soll dem Mann untertan sein und gehorchen, nicht nach Art einer Dienerin, sondern einer Gefährtin. Dann wird die Leistung des Gehorsams weder ihrer Ehre noch ihrer Würde zu nahe treten. In dem aber, der befiehlt, wie in der, die gehorcht, in ihm als dem Abbild Christi, in ihr als dem der Kirche, soll die Gottesliebe Maß und Art von Amt und Pflicht beider bestimmen.«33
Zusammenfassung
Das ist es, was in der Ehetreue enthalten ist: Einheit und Keuschheit, Liebe und Gehorsam, der ehrt und adelt. Soviel Namen, soviel Segensquellen für die Eheleute und den Ehestand, aus denen dauernder Friede, Würde und Glück der Ehe in reichstem Maße zuströmen. Kein Wunder daher, daß die Treue immer unter die vortrefflichsten und der Ehe eigentümlichsten Güter gerechnet worden ist.
4. Das Gut des Sakramentes
Die Fülle dieser Wohltaten erhält aber ihre Vollendung und Krönung durch jenes Segensgut der christlichen Ehe, das Wir mit dem hl. Augustinus „Sakrament“ genannt haben. Es bezeichnet die Unauflöslichkeit des Ehebandes und die Erhebung und Weihe des Ehevertrages durch Christus zu einem wirksamen Zeichen der Gnade.
a) Die Unauflöslichkeit der Ehe
Was zunächst die Unauflöslichkeit des Ehebundes betrifft, so betont sie Christus selbst mit den eindringlichen Worten: »Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen.«34 Und weiter: »Ein jeder, der seine Gattin entläßt und eine andere heiratet, begeht Ehebruch; und wer die vom Gatten Entlassene heiratet, begeht Ehebruch.«35
In die Unauflöslichkeit der Ehe verlegt der hl. Augustinus mit klaren Worten das, was er das Gut des Sakramentes nennt: »Das Sakrament [besagt], daß die Ehe nicht geschieden werde und der Geschiedene oder die Geschiedene, nicht einmal um Nachkommenschaft zu erhalten, mit einem andern eine Verbindung eingehe.«36
Die unantastbare Festigkeit eignet jeder wahren Ehe, wenngleich nicht allen im gleichen und höchsten Grade der Vollkommenheit. Denn das Wort des Herrn: »Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen«37, ist von der Ehe der Stammeltern, dem Ur- und Vorbild jeder zukünftigen Ehe gesagt und muß folgerichtig von allen wahren Ehen ohne Ausnahme gelten. Mag also auch vor Christus die unnahbare Strenge des paradiesischen Gesetzes so sehr gemildert worden sein, daß Moses sogar dem auserwählten Volk Gottes wegen seiner Herzenshärte erlauben durfte, aus bestimmten Gründen einen Scheidungsbrief auszustellen, so hat jedenfalls Christus kraft seiner höchsten Gesetzgebungsgewalt die zugestandene größere Freiheit widerrufen und das paradiesische Grundgesetz in seiner vollen Unversehrtheit wiederhergestellt durch jene nie zu vergessenden Worte: »Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen.« Darum sagt Unser Vorgänger seligen Angedenkens, Pius VI., in seinem Schreiben an den Bischof von Erlau sehr weise: »Daraus erhellt ganz klar, daß die Ehe schon im Naturzustand, also lange bevor sie zur Würde eines eigentlichen Sakramentes erhoben wurde, von Gott so gestaltet war, daß sie ein unauflösliches Band auf Lebensdauer in sich begreift, ein Band, das infolgedessen durch kein weltliches Gesetz gelöst werden kann. Mag sich daher auch die sakramentale Natur von der Ehe trennen lassen, wie z.B. bei den Ehen zwischen Ungetauften, so muß doch auch bei einer solchen Ehe, die eine wahre Ehe ist, die Verbindung auf Lebenszeit bestehen bleiben und besteht tatsächlich. Denn sie ist von Urbeginn nach göttlichem Recht derart mit der Ehe verwachsen, daß sie keiner weltlichen Gewalt unterliegt. Das ist so wahr, daß immer, wenn von Eheabschluß die Rede ist, entweder so abgeschlossen wird, daß tatsächlich eine wahre Ehe besteht: dann begreift sie aber auch jene nach göttlichem Recht mit jeder wahren Ehe verknüpfte Bindung auf Lebenszeit in sich; oder man muß annehmen, daß ohne jene Bindung auf Lebenszeit abgeschlossen wird: dann liegt auch keine Ehe vor, sondern eine unerlaubte, dem göttlichen Gesetz innerlich widerstreitende Verbindung. Eine solche darf man natürlich nicht eingehen und erst recht nicht beibehalten.«38
Die Festigkeit des Ehebandes scheint nun freilich Ausnahmen zuzulassen, wenn auch nur in ganz seltenen Fällen, wie z.B. in gewissen Ehen, die nur Naturehen zwischen Nichtgetauften sind, oder in Ehen unter Christen, die geschlossen, aber noch nicht vollzogen sind. Diese Ausnahmen leiten jedoch ihre Gültigkeit nicht von Menschenwillen oder von irgend einem rein menschlichen, sondern vom göttlichen Recht her, dessen ausschließliche Hüterin und Deuterin die Kirche ist. Aber keine derartige Vollmacht wäre je aus irgend einem Grund anwendbar auf die christlich geschlossene und vollzogene Ehe. Denn wie in ihr das eheliche Verhältnis voll und ganz zur Auswirkung kommt, so spiegelt sie auch die von Gott gewollte und durch keines Menschen Autorität zu lockernde unbedingte Festigkeit und Unauflöslichkeit wider.
Wenn Wir, ehrwürdige Brüder, den inneren Grund des sich hier offenbarenden göttlichen Willens in Ehrfurcht erforschen wollen, so finden Wir ihn unschwer in der übernatürlich geheimnisvollen Bedeutung, die der christlichen Ehe zukommt und sich in ihr, der christlichen und auch vollzogenen Ehe, ganz und vollkommen bewahrheitet. Denn nach dem Zeugnis des Apostels in seinem schon am Anfang angedeuteten Brief an die Epheser39 ist die christliche Ehe ein Sinnbild der vollkommenen Einheit zwischen Christus und der Kirche: »Dieses Sakrament ist groß, ich sage aber in Christus und seiner Kirche.« Diese Einheit kann, solange Christus lebt und durch ihn seine Kirche, niemals durch irgendeine Trennung gelöst werden. Das sagen auch ausdrücklich die folgenden Worte des hl. Augustinus: »Das ist in Christus und der Kirche sichergestellt, daß sie, lebend mit dem, der in Ewigkeit lebt, durch keine Scheidung von ihm getrennt werden kann. Die Ehrfurcht vor diesem Geheimnis ist im Reiche unseres Gottes, d.h. in der Kirche Christi ..., so groß, daß auch in den Fällen, wo die Frauen nur der Nachkommenschaft wegen heiraten oder geheiratet werden, es nicht erlaubt ist, die unfruchtbare Gattin zu verlassen, um eine andere, fruchtbare, zu heiraten. Wenn das aber doch jemand tut, dann ist er des Ehebruchs schuldig, nicht zwar nach irdischem Gesetz (das erlaubt ja nach vollzogener Scheidung straflos eine neue Ehe; und der Herr sagt, daß es auch Moses den Israeliten wegen ihrer Herzenshärte erlaubt habe), wohl aber nach dem Gesetz Christi, wie auch sie des Ehebruchs schuldig ist, wenn sie eines anderen Gattin wird.«40
Welch ein reicher Segen aus der Unauflöslichkeit der Ehe erfließt, kann niemandem entgehen, der auch nur flüchtig an das Glück der Ehegatten und Kinder sowie an das allgemeine Wohl der menschlichen Gesellschaft denkt. Zunächst besitzen die Gatten in der Festigkeit des Ehebandes ein sicheres Unterpfand dauerhafter und bleibender Lebensgemeinschaft, und ein solches verlangt naturhaft und dringend die edelmütige Hingabe der eigenen Persönlichkeit und die innige Verschmelzung der Herzen. Denn die Liebe kennt keine Grenzen und kein Ende.41 Dann wird durch die Treue in der Keuschheit gegen innere und äußere Verlockungen zur Untreue eine starke Schutzwehr errichtet. Der ängstlichen Besorgnis, daß der Gatte vielleicht doch beim Hereinbrechen von Unglück oder im Alter weggehen werde, ist damit Tür und Tor geschlossen und an ihre Stelle tritt die Ruhe des sicheren Besitzes. Ferner ist für die Menschenwürde der Gatten und für die Aufgabe gegenseitiger Hilfeleistung aufs beste Vorsorge getroffen; denn das unauflösliche und lebenslängliche Eheband erinnert sie ununterbrochen daran, daß sie sich nicht vergänglicher Dinge wegen oder um den Sinnen zu dienen, sondern um sich gegenseitig zu höheren und unvergänglichen Gütern zu helfen, die Hand zum Ehebund gereicht haben, zum Ehebund, den nur der Tod auflösen kann. Auch der Schutz und die Erziehung der Kinder, die ja viele Jahre beanspruchen, sind so aufs beste gewährleistet; denn mit vereinten Kräften können die Eltern die drückende und langwierige Last ihres Elternamtes leichter tragen. Nicht minder wertvoll sind die Segensgüter, die der ganzen menschlichen Gesellschaft aus der unerschütterlichen Festigkeit der Ehe erwachsen. Sie ist, das weiß man aus Erfahrung, eine überreiche Quelle ehrbaren Wandels und reiner Sitte. Wo ihr Bestand gesichert ist, da steht es auch gut um das öffentliche Wohl des Gemeinwesens. Denn der Staat ist so, wie die Familien und Einzelmenschen sind, aus denen er wie der Körper aus den Gliedern zusammengesetzt ist. Wer also die unantastbare Festigkeit der Ehe mit Entschiedenheit verteidigt, erwirbt sich um das Glück der Ehegatten und Kinder im einzelnen wie um das allgemeine Wohl der menschlichen Gesellschaft die größten Verdienste.
b) Die Ehe als Quelle der Gnade
Außer der unlösbaren Festigkeit enthält jedoch das Gut des Sakramentes noch viel erhabenere, durch das Wort „Sakrament“ sehr treffend bezeichnete Werte. Den Christen ist das Wort ja kein leerer Name: Christus der Herr, »der Stifter und Vollender der Sakramente«, hat die Ehe seiner Gläubigen zu einem wahren und eigentlichen Sakrament des Neuen Bundes erhoben und sie in Wirklichkeit zum Zeichen und zur Quelle der besonderen inneren Gnade gemacht, durch die er »die ihr innewohnende natürliche Liebe vervollkommnen, die untrennbare Einheit festigen und die Gatten heiligen wollte.«42
Und weil Christus gerade den gültigen Ehevertrag zwischen Gläubigen zum sakramentalen Gnadenzeichen bestimmt hat, ist das Wesen des Sakramentes mit der christlichen Ehe so innig verbunden, daß es zwischen Getauften keine wahre Ehe geben kann, »die nicht zugleich Sakrament wäre.«43
Die Gläubigen öffnen sich deshalb von selbst dadurch, daß sie sich aufrichtigen Sinnes das Jawort geben, die Schatzkammer der sakramentalen Gnade, um daraus die übernatürlichen Kräfte zu schöpfen, die sie befähigen, ihre Pflichten und Aufgaben treu, heilig und beharrlich bis zum Tode zu erfüllen.
In denen, die dem Sakrament der Ehe kein sogenanntes Hindernis entgegenstellen, vermehrt es nicht nur das bleibende Prinzip des übernatürlichen Lebens, die heiligmachende Gnade, es verleiht überdies besondere Gaben, Antriebe zum Guten und Gnadenkeime, es erhebt und vervollkommnet die natürlichen Kräfte, so daß die Ehegatten die Aufgaben, Zwecke und Pflichten des Ehestandes nicht nur verstandesmäßig, sondern ebenso innerlich in seelischer Erfahrung erfassen, beharrlich festhalten, ernstlich wollen und im Werk vollbringen können. Das Sakrament verleiht ihnen endlich das Recht auf wirksame Gnadenhilfe, so oft sie deren zur Erfüllung ihrer Standespflichten bedürfen.
Nun gilt aber in der übernatürlichen Ordnung das Gesetz der göttlichen Vorsehung, daß die Menschen aus den Sakramenten, die sie nach erlangtem Gebrauch der Vernunft empfangen, die volle Frucht nur bei persönlichem Mitwirken mit der Gnade schöpfen können. Die Ehegnade wird deshalb zu einem großen Teil ein ungenütztes, im Acker vergrabenes Talent bleiben, wenn die Ehegatten nicht die übernatürlichen Kräfte in die Tat umsetzen und die in sie gelegten Gnadenkeime pflegen und zur Entfaltung bringen. Wenn sie aber tun, was an ihnen ist, und mit der Gnade eifrig mitwirken, dann werden sie die ehelichen Lasten tragen, ihre Ehepflichten erfüllen können und durch das erhabene Sakrament innerlich stark, geheiligt und in gewissem Sinne übernatürlicher Weihe teilhaftig sein. Wie nämlich nach der Lehre des hl. Augustinus der Mensch durch die Taufe und Priesterweihe zu einem christlichen Leben und zu den priesterlichen Amtshandlungen bestimmt und befähigt wird und ihm die sakramentale Hilfe nie fehlt – in beinahe derselben Weise (wenn auch nicht auf Grund eines sakramentalen Charakters) können die durch das Eheband vereinigten Gläubigen der sakramentalen Hilfe und Bindung nie mehr verlustig gehen. Ja sogar nach dem Ehebruch, so fügt der genannte heilige Kirchenlehrer bei, tragen sie noch jenes heilige Band, jetzt freilich nicht mehr als Ehrenmal der Gnade, sondern als Schandmal der schweren Verfehlung, »geradeso wie die abtrünnige Seele, die von der bräutlichen Vereinigung mit Christus zurücktritt, auch nach dem Verlust des Glaubens das sakramentale Merkmal nicht verliert, das sie im Bade der Wiedergeburt empfangen hat.« 44
Die Ehegatten aber mögen, durch das goldene sakramentale Band nicht gefesselt, sondern geschmückt, nicht gehemmt, sondern gestärkt, mit allen Kräften danach streben, daß ihre Ehe nicht nur durch die Kraft und den geheimnisvollen Sinn des Sakramentes, sondern ebenso durch ihre Gesinnung und ihr tugendhaftes Leben immer ein lebendiges Bild der überaus fruchtbaren Verbindung Christi mit der Kirche sei und bleibe, jener Verbindung, die in Wahrheit das verehrungswürdige Geheimnis der Vollendung der Liebe ist.
5. Abschließende Würdigung der Güter der Ehe
Wenn man dies alles, Ehrwürdige Brüder, aufmerksam und mit lebendigem Glauben erwägt, wenn die hehren und erhabenen Güter der Ehe: Nachkommenschaft, Treue, Sakrament, lichtvoll dargetan werden, dann muß jeder Gottes Weisheit, Heiligkeit und Güte bewundern, des Gottes, der für die Würde und das Glück der Ehegatten wie für die Erhaltung und Fortpflanzung des Menschengeschlechtes einzig und allein mittels der reinen und heiligen Gemeinschaft des Ehebundes überreichlich Sorge getragen hat.
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