DIE BEURTEILUNG DES SOG. II. VATIKANISCHEN KONZILS DURCH PROF. DR. GEORG MAY
von Walter W.E. Dettmann
Prof. Dr. Georg May, Professor für katholisches Kirchenrecht und für Staatskirchenrecht an der Universität Mainz, hat sich ohne Zweifel hohe Verdienste im heutigen Ringen um den wahren Glauben erworben. Aber er könnte noch entschiedener auftreten, ohne fürchten zu müssen, von den kämpfenden Gläubigen im Stich gelassen zu werden. Er geht mit denen, die unseren Glauben verraten haben, sehr schonend um.
So schreibt er bezüglich des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils "Allgemein ist festzustellen, daß das Konzil überall behutsam vorgehen und weiterentwickeln, nicht umwerfen und abbrechen wollte. Dies gebot schon das pastorale Motiv, welches es bei seinen Weisungen leitete" ("Bemerkungen zu der kirchlichen Gesetzgebung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil" in "Una-Voce-Korrespondenz", 3. Jahrgang, Heft 4, Juli-August 1973, Seite 205).
Ferner schreibt Dr. May, man könne allgemein sagen, "daß radikale Neuerungen keine Aussicht hatten, die Zustimmung der überwältigenden Mehrheit der Konzilsväter zu finden" (Seite 203).
Tatsächlich ist aber die Liturgiekonstitution als solche eine ganz radikale Neuerung, und sie birgt in sich alle nur denkbaren radikalen Neuerungen auf diesem Gebiet, wie jedem einzelnen Bischof bekannt sein mußte, und gerade diese Liturgiekonstitution fand die Zustimmung der "überwältigenden Mehrheit der Konzileväter", nämlich 2147 Ja- gegenüber bloß vier Nein-Stimmen.
Dieselben Bischöfe, die während des Konzils angeblich alle radikalen Neuerungen ablehnten, haben nachher zuhause auf schnellstem Wege das heilige Meßopfer zerstört.
Eine verheerende radikale Neuerung war es, daß man die Zweideutigkeit in Sachen des Glaubens mit dem Wort "pastoral" zu tarnen suchte. Prof. May muß persönlich das "pastorale Motiv" verurteilen, indem er schreibt: "Der Mangel an Präzision, der dem normativen Teil der Texte des Zweiten Vatikanischen Konzils fast überall anhaftet, ist eine Folge der Absicht der Konzileväter, 'pastoral', nicht 'juristisch' zu sprechen" (S. 200).
Es war die radikalste Neuerung des sogenanuten Zweiten Vatikanischen Konzils gegenüber allen Kirchenversammlungen in 20 Jahrhunderten, daß dieses Konzil zum ersten Mal keine klaren und eindeutigen Aussagen machen wollte.
Wie kann Prof. Dr. May das Konzil in Schutz nehmen, wenn er der Gesetzgebung desselben Konzils die schwersten Vorhaltungen machen muß? Er schreibt z.B..:
"... namentlich die Gesetzgebung des Zweiten Vatikanischen Konzils krankt an vielen Gebrechen, die hier auch nicht annähernd dargestellt werden können. Vor allem mangelt es ihr vielfach an Eindeutigkeit. Dieser Mangel bereitet der Ausführung erhebliche Schwierigkeiten. Denn die Ausführung eines Gesetzes beruht auf seiner Auslegung. Die Auslegung eines unklaren Gesetzes kann aber regelmäßig selbst nicht klar und zwingend sein" (Seite 200).
Trotz dieser Sätze versucht Prof. Dr. May jedoch, noch ein gutes Wort für die Liturgiekonstitution einzulegen, weil sie angeblich im Art. 23 solche Neuerungen verbiete, "die nicht vom wahren und sicheren Nutzen der Kirche geboten sind" (Seite 205, Fußnote).
Prof. Dr. May hätte aber sehen müssen, daß gerade der von ihm gelobte Art. 23 zu den schlimmeren Teilen der Liturgiekonstitution gehört, weil auch in diesem Artikel von etwas "Pastoralem", das heißt von etwas Zweideutigem, die Rede ist. Denn der Art. 23 beginnt mit den Worten: "Damit die gesunde Überlieferung gewahrt bleibe und dennoch einem berechtigten Fortschritt die Tür aufgetan werde, sollen jeweils gründliche theologische, historische und pastorale Untersuchungen vorausgehen, wenn die einzelnen Teile der Liturgie revidiert werden".
Hier reden die Bischöfe sonderbarerweise von "gründlichen theologischen Untersuchungen" und zugleich von "gründlichen pastoralen Untersuchungen", bei denen selbstverständlich auf gründliche theologische Bestimmungen verzichtet wird.
Ferner müßte jedem ernsten Priester der Text des vorausgehenden Art. 21 auffallen, wo gesagt wird, daß die Liturgie dann geändert werden müsse, "wenn sich etwas in sie eingeschlichen haben sollte, was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht". Im Art. 21 wird von solchen Zeremonien gesprochen, die aus dem Meßopfer entfernt werden müßten, wenn sie sich liturgiewidrig "eingeschlichen" hätten, und im Art. 23 werden solche Neuerungen verboten, die nicht dem "wahren und sicheren Nutzen der Kirche" dienen. Hier ist doch ganz klar, daß gemäß der Liturgiekonstitution die Entfernung der "eingeschlichenen" Zeremonien keine solche Neuerung ist, die dem "wahren Nutzen der Kirche" widerspricht.
Die tückische Zweideutigkeit der beiden Artikel 21 und 23 müßte Herr Prof. Dr. May heute an der Tatsache erkennen, daß jetzt, keine zehn Jahre nach Veröffentlichung der Liturgiekonstitution, bereits in amtlichen römischen Kongregationen und in den Amtsblättern deutschor Ordinariate von der völligen Anpassung der Meßfeier gesprochen wird. Als Ziel dieser Anpassung ist der Satz angegeben: "Wenn nämlich die verschiedenen christlichen Gemeinschaften, die sich zur Eucharistiefeier versammeln, dieselben Texte des römischen Meßbuches verwenden, erfahren sie sich als die im selben Glauben und im selben Gebet geeinte Kirche" ("Rundschreiben der Kongregation für den Gottesdienst an die Vorsitzenden der Bischofskonferenzen über die eucharistischen Hochgebete", vom 27. April 1973, veröffentlicht am 29. Aug. 1973, im Amtsblatt für die Diözese Augsburg).
Schwer verständlich ist der Satz, den Prof. May auf Seite 206 schreibt: "Der Papst ist zweifellos besten Willens, die Kirche funktionsfähig zu halten". - Was soll das heißen, funktionsfähig ist die Kirche nur dann, wenn die alten Gesetze des Konzils von Trient zum Schutz des hl. Meßopfers und der übrigen Sakramente eingehalten werden. In dieser Hinsicht fehlt es aber bei Paul VI. sehr.
Prof. Dr. May kommt nicht daran vorbei, seinen Worten über Paul VI. folgendes hinzuzufügen: "Indes scheinen sich ihm die Prioritäten merkwürdig verschoben zu haben. Diplomatische Geschmeidigkeit ohne die notwendige Festigkeit vermag, wie die Geschichte beweist, die zentrifugalen Kräfte in der Kirche nicht zu bändigen" (Seite 206).
Dr. May sagt somit, Paul VI. scheine nicht mehr zu wissen, welche Dinge in der katholischen Kirche die wichtigeren sind (die "Prioritäten"). Wenn er so etwas vom Haupte des Konzils schreiben muß und wenn er am Schluß seines Aufsatzes sagt: "Die Ordnung in der Kirche hat sich aufgelöst. In Disziplin und Lehre herrscht weithin Anarchie. Die Träger der kirchlichen Autorität scheinen ihren Platz an Pseudoautoritäten abgetreten zu haben" (Seite 231), dann ist dies eigentlich ein ganz anderes Urteil über die Mehrheit der Konzilsbischöfe (die "Träger der kirchlichen Autorität") als jene Worte, die Prof. May zuerst über die Konzilsbischöfe gesagt hatte.
Wahrscheinlich versucht Prof. May in bester Absicht, aus der heutigen verworrenen Lage das zu retten, was noch die Möglichkeit zu besitzen scheint, gerettet werden zu können, nämlich die Rechtmäßigkeit des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils und der Anspruch Pauls VI., die katholischen Gläubigen in der richtigen Weise zu führen.
Aber beide Dinge müssen notwendig und mit Sicherheit von späteren Generationen verneint und verworfen werden, falls es überhaupt noch solche Generationen geben sollte, die nicht von der "pastoralen" Zweideutigkeit angesteckt und verdorben sind. Auch vom sog. Zweiten Vatikanischen Konzil gelten die Worte des Propheten Isaias: "Wehe denen, die böse Gesetze erlassen!" (Is. 10,1)
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