Die heilige Messe - Als Opfer des mystischen Leibes Christi -
(Wurzel, Stamm und Krone, Nr. 11)
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Quidditas ist das Wesen vom Standpunkt der aufklärenden Definition, WAS ES IST, genommen. Es ist also das, wodurch ein Ding das ist, was es ist. Wenn wir nun von den wesentlichen Teilen der hl. Messe sprechen, denken wir an alle notwendigen Bestandteile, welche sie aufweisen muß, um das zu sein, was sie sein soll. Wollte z.B. jemand sie als eine bloße Darstellung, Vergegenwärtigung des blutigen Opfers definieren und die aktive Teilnahme der Glieder der hl. Kirche, des mystischen Leibes Christi ausschließen, so daß wir von einer Erneuerung des hochhl. Opfers nicht sprechen könnten, der würde ihr Wesen verkannt haben. Die hl. Messe auf ein bloßes Hokuspokus (d.i. verzerrte und mißbrauchte Konsekrationsworte) zu reduzieren ist Blasphemie!
Da die hl. Messe nicht nur das Opfer Christi allein ist, welches ER stellvertretend für die gesamte Menschheit blutig am Kreuze dargebracht hat, sondern auch der gesamten Kirche, müssen sich alle ihre Glieder, sofern sie nicht durch eine Todsünde daran gehindert sind, an ihm irgendwie beteiligen.
Wenn wir jetzt von der Kirche sprechen, so denken wir hauptsächlich, nicht aber ausschließlich, an die Kirche Christi auf Erden, also die streitende Kirche (ecclesia militans), nicht aber an die jenseitige Kirche. "Zu der Kirche im Jenseits... gehören nach der katholischen Glaubenslehre nicht bloß alle Gläubigen des Alten und Neuen Bundes, sondern auch alle seligen Engel, weil sie geeint sind im Glauben und Liebe unter Christus, ihrem Haupte." (1) Natürlich dürfen wir auch nicht auf die armen Seelen im Fegefeuer vergessen.
"Um als Glied der Kirche Anteil am Erlösungsheil zu haben, soll der Mensch nach der Schrift und den Vätern vor allem den Glauben und mit ihm den Grund der gesamten religiös-sittlichen Lebensordnung besitzen, ferner die Taufe und mit ihr das Recht zu allen Gnadenmitteln der Kirche erlangt haben, endlich die Untorordnung unter ihre Autorität, welche die Einheit des Geistes bewahrt durch das Band des Friedens (Epho 4,3), einhalten. Glieder der Kirche sind darum nur jene, welche mit der Kirche verbunden sind durch das Band des Glaubens (vinculum symbolicum), des Kultus (vinculum liturgicum), der kirchlichen Gemeinschaft (vinculum hierarchicum) und der Liebe (vinculum caritatis).
Darum sind die Häretiker nicht mehr Glieder am Leibe der Kirche, da sie nicht in Liebe durch das dreifache Band mit der Kirche verbunden sind.
Auch die Schismatiker, soweit man nach dem I. Vaticanum überhaupt noch von Schismatikern sprechen kann, die nicht zugleich Häretiker wären, da sie die Unfehlbarkeit des Papstes ablehnen, sind nicht Glieder am Leibe der Kirche.
Die Exkommunizierten, wie der Name besagt, sind nicht Glieder am Leibe der Kirche, da sie jener Güter beraubt sind, welche die kirchliche Gemeinschaft bilden.
Auf Grund der Unterscheidung zwischen Leib und Seele der Kirche, zählen wir alle jene zum Leibe und zur Seele der Kirche, welche im Stande der übernatürlichen Gnade sich befinden und in dem dreifachen Bande der Einheit mit der sichtbaren Kirche stehen. Zur Seele der Kirche, aber nicht zu ihrem Leibe, gehören alle Gerechten, die ohne Wissen und Willen außerhalb dieser dreifachen kirchlichen Gemeinschaft stehen. Zum Leibe der Kirche, aber nicht zur Seele jene, welche in der kirchlichen Gemeinschaft stehen, aber nicht im Stande der heiligmachenden Gnade sich befinden. Außer dem Leibe und der Seele der Kirche stehen alle jene, welche mit Wissen und Willen sich von ihr getrennt haben. (2)
In diesem Zusammenhange sei noch bemerkt, daß es nicht wenige A-Katholiken gibt, deren: Glaubensirrtum kein verschuldeter ist, für die also, soweit sie keine gültige Taute empfangen haben, die Begierdetaufe in Betracht kommt. Von solchen sagen wir auch, daß sie "interpretativ" am Opfer teilnehmen.
Das blutige Opfer konnten die Glieder des mystischen Leibes nicht darbringen, da es von diesem noch überhaupt keine geben konnte. Erst als sie es aufgrund des blutigen Opfers und der hl. Taufe wurden, konnten sie sich am Opfer beteiligen, wie sie es auch sollten. Das stellvertretende Opfer der Gerechten des Alten Testamentes war eine gewisse antizipierende Beteiligung.
Da die ersten Menschen, Adam und Eva, und in ihnen die gesamte Menschheit, ihr "Ich" nicht aufgeopfert hatten, um so "sich" zu sterben und in Gott weiterzuleben, erreichte sie alle der Tod; ihr "Ich" verfiel dem Teufel. Da kam der Erlöser. Durch das freiwillige Opfer Seines "ICH" bezahlte Er die Schuld, und sühnte die Sünden aller Menschen überschwänglich. Nie hätten es die Menschen selbst schaffen können, selbst wenn sie ihr "Ich" nicht verloren hätten. Der ERLÖSER allein konnte von seinem Leben sagen; "Niemand vermag es mir zu nehmen, ich gebe es freiwillig hin. Ich habe die Macht, es hinzugeben, und habe die Mache, es wiederzugewinnen." (3). Durch Sein Opfer. hat...er "gefangen geführt die Gefangenschaft" (4)1 und gab einem jeden Menschen sein "Ich" wieder zurück und ermöglichte ihm so dieses PER IPSUM CUM IPSO ET IN IPSO, durch IHN, mit IHM und in IHM autzuopfern, das von und in den Stammeltern einst verweigerte Opfer für sich darzubringen, und auch anderen dadurch Gnaden zu erbeten.
Dies kommt im Offertorium für jene symbolisch zum Auedruck, die, wenn auch etwa nur interpretativ, sich mit ihrem Leben dem Opfer anschließen. Aber auch nur diese sterben sakral in Christus, um auch mit Ihm aufzuerstehen und einmal an der ewigen Communio teilzunehmen. Für sie allein kann das heilige Blut direkt wirksam vergossen werden, wenn es auch indirekt allen Lebenden hilft, soweit sie sich der Gnade nicht widersetzen.
So sehr Sein Blut für alle durch das blutige Opfer bestimmt war1 für jene, die in der Erb- oder Todsünde gestorben sind, darf es nicht dargebracht werden, da sie nicht Glieder am mystischen Leibe Christi sind, es nie sein können und auch nicht wollen.
Infolgedessen müssen das stellvertretende Opfer von Adam und Eva, Abel, Noe, Melchisedech, Abraham wie aller Gerechten des Alten Testaments, wie auch alle unblutigen Opfer des Neuen, bis zu dem das letzten Menschen, die interpretative Selbstaufopferung aller Gerechten, zusammen mit dem blutigen Opfer Christi ALS EINE ORGANISCHE GANZHEIT BETRACHTET WERDEN in untrennbarer Verbindung mit dem im Himmel für alle Ewigkeit vor dem Throne des Vaters vom Soh1e und Seinem mystischen Leibe im Heiligen Geiste dargebrachten Opfer. '
Auch in diesem Zusammenhang können wir die Worte des Papstes Grogor XVI. gebrauchen: "...quid prodest forma, si non vivit de radice - was hilft (selbst die unverfälschte) Form, wenn sie nicht von der Wurzel lebt?" (5), da die Wurzel nicht nur nicht anerkannt, sondern sogar als Mythus verneint wird! Wenn wir auch die alttestamentlichen Opfer nicht als Meßopfer werten können, so waren sie in Verbindung mit dem blutigen Opfer Christi dennoch vollwertige Opfer." Diese vorchristlichon Opfer, schreibt Gihr, hatten zunächst die Bedeutung und den Zweck, wie sie jedem Opfer wesentlich sind: es waren Akte der Anbetung, des Dankes, der Bitte und der Sühne... Zufolge göttlicher Anordnung hatten die alttestamentlichen Opfer noch eine höhere und geheimnisvolle Bedeutung (significatio mystica vel typica), indem sie das große Geheimnis der Zukunft - das Kreuzesopfer Christi - vorbilden und vor Augen stellen sollten... Der ganze alte Bund war ja "die Einführung einer besseren Hoffnung und eines ewigen Bundes". Wie der hl. Augustinus lehrt, "liegt im alten Bunde der neue vorborgen, und im neuen Bunde der alte aufgeschlossen." (In veteri testamento est occultatio novi, in novo testamento est manifestatio veteris". Decatech. rud. n. 8). Im alten Testamente...war das neue vorgebildet, jenes war das Bild, dieses ist der volle Ausdruck der Wahrheit." (6) ...So waren die alten Opfer und mannigfaltige Vorbilder des wahren Opfers Christi, indem dieses EINE Opfer durch die VIELEN vorgebildet wurde, wie wenn EIN Gedanke auf mancherlei Weise ausgedrückt wird, um ihn eindringlichst an's Herz zu legen." (Civitas Dei 1.10.c.20) Auf diese Weise wurde der Blick des Glaubens in die Zukunft gerichtet, das kommende Opfer des Erlösers von den Israeliten vertrauensvoll und sehnsüchtig erfaßt, die Frucht des Kreuzopfers schon im Voraus gewonnen. Dazu genügte schon die Ahnung und eine dunkle Kenntnis des höheren Sinnes, der im Opfertum verborgen war. Ein solches Verständnis der Vorbildlichkeit jener Opfer kann und darf aber gewiß selbst dem einfachen Volke nicht abgesprochen werden, noch weniger kann es den bevorzugten gefehlt haben, welchen höhere Erleuchtungen bezüglich des Erlösungswerkes zu Teil wurden"! (7)
Alle Opfer, wie des Alten, so auch des Neuen Testamentes münden in das eine blutige Opfer Christi ein, aus welchem sie ihre entsprechende Wirkungskraft schöpfen und in dem sie EIN Opfer werden. Wer würde da den Gerechten des Alten Testamentes die fruchtbringende Opfertätigkeit absprechen, dort wo die stellvertretende Rolle, der "victima" des Opfers, zugleich zur interpretativen des neu-testamentlichen Opfers wurde? Das WAHRE OSTERLAMM ist zum Nährboden für das himmlische BROT und den himmlischen WEIN geworden (8), und in diesem WAHREN OSTERLAMM gründet sich auch der heilvolle Wert der alttestamentlichen Opfer. Nicht umsonst wird von Christus gesagt, er sei "agnus occisus ab origine mundi", das Lamm, welches vom Anbeginn Zer Welt geschlachtet wurde, (9) um so die Wirkungskraft SEINES Opfers zum Ausdruck zu bringen, welche rückwirkend ist bis auf Adam, den ersten Menschen. In den stellvertretenden animalischen Opfern des Alten Testamentes bekannte der Mensch seine Sünde, erklärte sich des Todes schuldig und opferte vorgreifend den Preis seiner Erlösung: im geopferten Tier das WAHRE OPFERLAMM. Daraus ist aber die absolute EINHEIT DES OPFERS bezüglich des Alten Testamentes klar ersichtlich, wie auch im Neuen Testament alle Meßopfer ob ihrer organischen Verbindung mit dem Kreuzesopfer ein einziges OPFER darstellen, welches vom ewigen PRIESTER immerwährend am Altare vor dem Throne Gottes dargebracht wird.
In einem gewissen Sinne waren sich die Opfernden des Alten Testamentes der Sachlage besser und klarer bewußt, als der durchschnittliche Christ es im Neuen Testament ist. Vor der unendlichen Majestät Gottes anerkannten sie Seine absolute Gerechtigkeit, und dadurch, daß sie stellvertretend das Opfertier töteten, erklärten sie sich selber des Todes schuldig. (10) Hat sich je ein moderner Christ zu einer solchen Überzeugung durchgerungen? Die Erbsünde und die Erbschuld übergehen wir lächelnd mit der Bemerkung, der liebe Gott sei doch so gütig, - und was die persönlichen Sünden anbelangt, in diesem Zusammenhange vom ewigen Tod zu sprechen oder sogar von der Hölle, ist reiner Unsinn. Der liebe Gott ist so groß und der Mensch so klein, daß so etwas überhaupt nicht in Betrachtung kommen kann. Leicht vergessen aber die bereits "mündigen Christen", die sich gerne als "Fürsten des Himmels" aufspielen, daß die Würde, welche sie für sich in Anspruch nehmen eine ebenso große Verantwortung von ihnen verlangt. Von der wirklichen Würde der ersten Menschen haben sie aber gar keine Ahnung. Trotzdem behaupten sie, daß dem animalischen, langsam Mensch werdenden Wesen eine Ur- und Erbsünde in einem solchen Ausmaße, wie es der katholische Glaube von Adam und Eva aussagt nicht zukommen kann. Sich so in der Macht Gottes zu sehen, wie der alttestamentliche Opferer das geopferte Tier in seiner Machst sah, (11) das ist für sie ein Unding.
Allerdings sind die alttestamentlichen Opfer mit dem Opfer der hl. Messe nicht gleichzustellen. "Fragen wir näher, bemerkt Gihr, nach der Wirksamkeit dieser vorchristlichen Opfer, so kommt hauptsächlich der Charakter der Sühne in Betracht. Kraft ihres Vollzuges und ihrer Darbringung d.h. "ex opere operato", verliehen die mosaischen Opfer nur die äußerliche oder gesetzliche Reinigung und Reinheit. Der Apostel nennt dieselbe "emundatio carnis = daß sie leiblich rein werden, Hebr. 9,13; bei den Theologen heißt sie: "expiatio et sanctitas legalis = gesetzliche Aussöhnung und Heiligkeit", d.h. sie bewirkten, daß der Israelite nicht mehr als unrein galt vor dem Gesetze und darum am öffentlichen Gottesdienste wieder Teil nehmen durfte. Dadurch drückten sie die Notwendigkeit wahrer Sühne und innerlicher Reinigung aus, und wiesen zugleich hin auf die einzige Quelle aller Versöhnung, Sündentilgung und Heiligung, d.h. auf das kommende Opfer des Kreuzes. Indem diese unvollkommenen Opfer das vollkommene Erlösungsopfer Christi vorbildeten, verhießen und verbürgten, waren sie ganz geeignet, die wahre Opfergesinnung der Israeliten zu wecken und zu nähren, d.h. dieselbe zum Glauben und zur Hoffnung anzuregen, zur Reue und Buße zu bringen, durch welche dann erst die innere Rechtfertigung "ex opere operantis" erworben wurde. (Summa 1.2.103 a.2.) Im alten Bunde gab es nämlich noch kein Sakrament oder Gnadenmittel, das "ex opere operato" den gehörig disponierten Empfänger rechtfertigen und heiligen konnte, der einzige Weg, zur wahren Heiligung und Gotteskindschaft zu gelangen, war damals die vollkommene Reue. Nur durch gläubige Hoffnung und reuevolle Liebe konnten die Menschen "ex opere operantis" Entsündigung und Rechtfertigung vorausschöpfen aus dem Gnadenquell, der am Fuße des Krenzes erschlossen werden sollte." (12) Ähnlich verhält es sich mit denen, die ohne Schuld sich außerhalb der Kirche befinden und aus Liebe zu Gott. nach der Gerechtigkeit streben
Das Paradiesopfer sollte eine intentionale Selbsthingabe, seiner selbst und der Natur durch sich, an den nach göttlichem Gefallen über den Menschen verhängbaren Tod sein. (13) Der Mensch sollte ganz auf sich verzichten, indem er die Strafbarkeit des Nichtbefolgens anerkannte. Totaler Versicht auf die eigene Persönlichkeit für Gott... oder totaler Verlust dieser an den Tod, die Hölle, das war die Wahl, vor welche der erste Mensch und in ihm die ganze Menschheit gestellt war. Wir haben keinen Grund, eine andere Form ihres Ausdruckes zu suchen, als sie im Buche Genesis angeführt ist, das Verbot vom Baume der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen. Das Paradiesopfer sollte hiermit Anerkennung der absoluten Macht und Güte Gottes sein.
Durch Sein blutiges Opfer hat Christus den Menschen die Möglichkeit wieder gegeben, das einst von den Stammeltern und der menschlichen Natur verweigerte Paradiesopfer darsubringen, jedoch einem jeden einzeln für seine eigene Person, nicht aber für andere. Gerade für diesen Zweck hat ER das Meßopfer eingesetzt, welches mit dem blutigen Opfer des Kreuzes eine organische Einheit bildet und so Kanal der Gnaden wird.
Da die heilige Messe nicht nur das erneuerte Opfer Christi allein sein soll, sondern auch das Seines mystischen Lebens, der Kirche, um das zu sein, was es sein soll, bei welchem auch das von den Menschen einst verweigerte Paradiesopfer dargebracht werden kann und soll, müssen wir die aktive Anteilnahme des mystischen Lebens Christi als eine für das Meßopfer wesentliche Bedingung betrachten. Natürlich muß dies nicht ausdrücklich bei einer jeden hl. Messe von den Gläubigen betont werden, wie wünschenswert es auch wäre, es genügt völlig die Intention der Kirche und hiermit Christi zu haben.
Wir müssen in diesem Zusammenhange dem corpus Christi mysticum, dem mystischen Leibe Christi, das corpus Adae mysticum, den mystischen Leib Adams gegenüberstellen. Beide sind als je eine selbständige spezifische Einheit zu betrachten. Leider müssen wir bemerken: Wenn auch Christus durch seinen blutigen Tod am Kreuze allen Gliedern des mystischen Leibes Adams die Möglichkeit erworben hat, Glieder an SEINEM myetischen Leibe zu werden, so sind viele es aufgrund ihres freien Willenentschlusses nicht geworden und werden es nicht für die ganze Ewigkeit.
Die Sünde des mystischen Leibes Adams bestand darin, daß er den göttlichen, eingeflossenen Glauben zurückgestellt hatte, um freie Bahn dem Wissen zu schaffen: "Ihr werdet wie Gott sein", so lautete die Versuchung, "indem ihr erkennt, was gut und böse ist." Bis zum Falle hatten sie nur das Gute gekannt, nie sollten sie das Böse erkennen. Doch als sie dachten, daß ihnen im Bösen, das sie nicht kannten, von Gott ein Gut vorenthalten wurde, und nun dieses zu erkennen suchten, sollten sie es erkennen. "Da gingen beiden die Augen auf und sie erkannten, daß sic nackt waren": sie erkannten ihre allseitige Blöße.
Die Gabe der Wissenschaft ermöglichte es dem Menschen, sich völlig in seiner Umwelt zu orientieren und sie auch zu beherrschen, wozu er ja von seinem Schöpfer berufen war. Leider hat er sich die Mahnung Gottes: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit" nicht zu Herzen genommen, wie er es meistens auch weiterhin nicht tut, und den Glauben zurückgestellt. Er mußte aber wissen, genau so wie wir heute, ja noch besser, daß "der Gerechte aus dem Glauben lebet". (14) Als der Mensch dem Wissen vor dem Glauben den Vorrang gegeben hatte, mußte er erkennen, "daß bei vieler Weisheit viel Unwillen ist, und daß der die Mübe vermehrt, welcher die Wissenschaft mehrt."(15) Und er setzt, heute mehr denn je, wie bereits Pascal bemerkt, "der Vernunft vom Glauben entblößt so hart und unbarmherzig zu, daß, da es ihm zweifelhaft erscheint, ob sie vernünftig, ob die Tiere es sind oder nicht, oder ob sie es mehr oder weniger sind als der Mensch, er sie von der Stufe der Vorzüglichkeit, auf welche sie sich selbst gestellt, herabzwingt und sie aus Gnaden den Tieren gleichstellt, ohne ihr zu gestatten, diese Grenze eher zu verlassen als bis sie von ihrem Schöpfer selbst über ihren Rang, den sie nicht kennt, belehrt ist." (16)
Er, der vom Baum des Wissens genossen hatte, mußte den Weg zum Baum des Glaubens finden, wie er ihn auch weiterhin aufsuchen muß, wenn er seine zeitliche, diesseitige Glücklichkeit und einst die ewige im Jenseits erlangen will. Nicht deshalb hat er zu glauben, weil "er" es versteht, sondern weil Gott es gesagt hat. Im Römerbrief, (12,1) wird zwar vom "rationabile obsequium" gesprochen, doch soll damit nicht gesagt sein, der Mensch dürfe nur das annehmen, was er mit seiner Vernunft erfassen kann. Die entsprechende Stelle des Briefes lautet: "Ich ermahne euch also, Brüder, durch (Berufung auf) die Erbarmungen Gottes eure Leiber darzubringen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Opfer, (was) euern vernünftigen (Gottes-) Dienst (darstellt)." Erst nachdem der Mensch ganz in Gott sich selbst gestorben ist, kann er Gott erkennen, soweit ER überhaupt für ein Geschöpf erkennbar ist, d.i. in Seiner Wesenheit genießbar. Diese Selbstvernichtung - alle in der Heiligen Schrift angeführten Opfer wurden vernichtet - wird für den Menschen symbolisch beim Offertorium, sakral bei der hl. Wandlung erfüllt, wie der hl. Paulus erwähnt: "Ihr seid ja gestorben, euer Leben ist mit Christus verborgen in Gott." ( 19) Wenn der Christ zur hl. Messe geht, geht er ja auf sein eigenes Begräbnis, der Altar ist das Grab für sein "Ich", damit auch wir sagen können: "Nicht mehr ich lebe, Christus lebt in mir". (20). Das Wort Corpus Christi mysticum wurde in frühesten Zeiten auf die Eucharistie selbst angewandt, um so den eucharistischen Leib Christi, das "mysterium fidei" vom historischen Leib des Herrn zu unterscheiden. Zum erstenmal taucht in der Frühscholastik das Wort Corpus Christi mysticum auf die Kirche angewandt bei dem zur Schule des Gilbertus Forretanus gehörigen Magister Simon auf. Bei Petrus Lombardus, Petrus Comostor und Buguccio wird die Kirche "Caro Christi mystica" genannt. Am Ausgang des 12. Jahrhunderts wird dann allmählich das Wort Corpus Christi mysticum für die Kirche allgemein üblich. Früher hat man sich entweder mit der biblischen Umschreibung "Corpus Christi, quod est Ecclesia" begnügt, im Gegensatz zum eucharistischen Leib Christi, zu dessen Unterscheidung der Herr selbst "quod pro vobis tradetur - der für euch hingegeben wird" hinzugefügt hat." (21) Seit dieser Zeit wurde bei Behandlung der Eucharistielehre auch von der Kirche und ihrem Wesen gesprochen.
Dieses intime Verhältnis der Kirche zur Eucharistie wurde am klarsten von Petrus v. Poitiers und von Innozent III. ausgesprochen: "Die Einheit der Kirche wird geprägt und geschaffen durch den Leib Christi, welcher hier am Altare ist." (22). Die lebendige Gemeinschaft der Heiligen in Verbundenheit mit Christus ihrem Haupte ist uns allerdings zu wenig lebendig, so daß wir kaum je bei der Anbetung des allerheiligsten Altarsakramentes daran gedacht haben, und was noch wunderbarer ist, noch weniger beim Offertorium, wo diese Einheit der Kirche mit ihrem Haupte, wenn auch symbolisch, dennoch auffallend klar vor die Augen tritt. Vereinigen wir denn nicht im Brot unsere Arbeit mit der Arbeit all unserer Brüder, wie sie es auf Erden waren, sind und noch sein werden, und der schweren Arbeit, die der Heiland für uns geleistet hat? Gießen wir nicht in den Kelch den Wein unseres Leides, um ihn mit dem aller unserer Mitbrüder aller Zeiten im Leiden Christi zu vereinigen? Ist da nicht bereits beim Offertorium symbolisch, aber real das ganze Corpus Christi mysticum, der ganze mystische Leib Christi gegenwärtig? Haben wir bei der hl. Messe je an die dreifache Einheit gedacht:
die symbolische Einheit aller Glieder mit ihrem HAUPTE beim Offertorium, die sakramentale bei der Konsekration, und die reale bei der hl. Kommunion?
Den Werdeprozeß ermöglichen drei Hauptfaktoren: Die Taufe, die Eucharistie und der Heilige Geist.
EINER, Christus, ist gekommen, um allen alles zu werden, nun sollen alle in IHM eins werden. Plastisch kam dies bei alten Kirchenbauten schon zum Ausdruck. Oberhalb des Altars die Engel und Heiligen, vor dem Altar die streitende Kirche, unter dem Altar, in der Krypta, die leidende Kirche, die armen Seelen im Fegefeuer. Wen die Engel- und Heiligenstatuen in der Kirche stören, der wird sicher an ihre Gegenwart beim hochheiligen Meßopfer nicht denken, die sicher genauso wie die Armen Seelen im Fegefeuer dem OPFER andächtiger beiwohnen als je ein Glied der streitenden Kirche es getan hat. Wie schön deutet da Amalar die Dreiteilung der konsekrierten Hostie. "Er sieht im ersten Teil, der in den Kelch gesenkt wird, den Auferstehungsleib Christi versinnbildet, im zweiten Teil, der vom Priester und von den Gläubigen genossen wird, den Leib Christi, der in den Gläubigen auf Erden wandelt, im dritten Teil, der als Viaticum für die Sterbenden auf dem Altar zurückbleibt, den Leib Christi, der in den Gräbern ruht." (23) Mit dem Auferstehungsleib ist ja der ganze Himmel verbunden, die Engel und die Heiligen, wie mit dem dritten zurückbleibenden Teil die armen Seelen im Fegefeuer, dicht hinter der Pforte des Todes.
Um die hl. Taufe richtig zu verstehen, müssen wir auch ihre Verbundenheit mit dem Kreuzesopfer und hochheiligen Meßopfer stets vor Augen haben, da ja diese dem, der sich weigern würde, am hochheiligen Opfer teilzunehmen, nicht nur nichts helfen würde, sondern sogar seine Schuld vergrößern würde. "Durch die Taufe wird der einzelne Gläubige und das ganze Volk von der Sündenschuld reingewaschen, durch die Eucharistie aber wird das reingewaschene und wiedergeborene Glied im eigentlichen Sinne erst in den mystischen Leib eingegliedert und mit Christus vereinigt. (24).
Wieder sehen wir ganz klar, daß ohne die wenigstens interpretative Teilnahme am hochheiligen Meßopfer das Erlösungswerk unnütz verlaufen muß. Niemand kann zum Empfang des Leibes und Blutes Christi zugelassen werden, der nicht zusammen mit dem Heiland und allen lebendigen Gliedern Seines mystischen Leibes am Kreuzweg teilgenommen hat, mit IHM gestorben ist und mit IHM zum neuen, wahren Leben auferstanden ist. Der Weg zumm Tische des Herrn führt über Golgatha.
"Die Eucharistie ist im wahrsten Sinne des Worte; ein Sakrament, ein Signum efficax (d.i. wirksames Zeichen), das auch bewirkt, was es bezeichnet. Die Eucharistie ist deshalb nicht bloß Symbol der organischen Verbundenheit Christi mit seiner Kirche und allen ihren Gliedern, sondern sie bewirkt auch diese Verbundenheit" (25), unsere physische Vereinigung mit Christus und allen seinen Gliedern, natürlich nur dann, wenn wir durch das Band der Liebe mit IHM auf seinem Leidensweg aufgrund unseres freiwilligen Entschlusses, verbunden geblieben waren. Was wurde und wird noch von der Sündhaftigkeit der einzelnen Glieder der hl. Kirche gesprochen. wobei man vergißt, daß gerade das hochheilige Opfer es ist, welches zu ihrer Reinigung beiträgt. "Gerade durch die Eucharistie wird die Kirche immer mehr zur Braut Christi ohne Makel und Runzel, denn nicht bloß die Vervollkommnung der Einzelglieder ist Frucht der Eucharistie und ihres häufigen würdigen Empfanges, sondern auch die Heiligung des ganzen mystischen Leibes." (26).
Ein Axiom müssen wir aber scharf in den Augen behalten:
OHNE DAS EUCHARISTISCHE OPFER GIBT ES KEINE EUCHARISTIE
Denn wollte ein Priester konsekrieren, benützte er dabei auch eine absolut unverletzte Form, wollte er aber kein Opfer darbringen, dann wäre die Konsekration ungültig, das Brot bliebe bloßes Brot und der Wein bloßer Wein!
Um die Sache noch klarer zu stellen, folgendes: Sollte das absolut unmögliche eintreffen, daß sich der mystische Leib Christi, die Kirche am Opfer ihres Hauptes nicht beteiligen wollte, dann gäbe es überhaupt kein Meßopfer und hiermit auch keine reale Gegenwart Christi in der Eucharistie!
Hiermit ist auch die wahre aktive Anteilnahme der einzelnen Glieder angedeutet: sie besteht in der echten Nachfolge Christi.
"Heil'ge Mutter, drück die Wunden' Die dein Sohn am Kreuz empfunden' - Tief in meine Seele ein.. -
Unterm Kreuz mit dir zu stehen, Dort zu teilen deine Wehen, Ist es was mein Herz begehrt."
(Stabat Mater)
Fortsetzung folgt.
Literaturangabe: 1) Dr. Franz Hettinger, Lehrbuch der Fundamentaltheologie, II. Teil, I. Buch, § 1. 2) ebendort § 5 3) Joh. 10,18. 4) Eph. 4,8. 5) Encyclica "Mirari vos arbitramur". 6) Gihr, Das heilige Meßopfer, dogmatisch, liturgisch und aszetisch erklärt, Herder 1877, Seite 19. 7) ebendort, Seite 210. 8) vgl. Enchir. Patristicum, S. Gregor. Nyssenus 1063 9) Offenb. 13,8. 10) L Idée du Sacrifice de la~Messe d'après les Théologiens depuis l'Origine jusqu'a nos Jours. Par M. Lepin, Paris 1926' Seite 172, 173, 175, 176. 11) ebendort Seite 176. 12) Gihr op. cit. S. 20. 13) vgl. Einsicht 2. Jhg. Nr. 2, Mai 1972, S. 36. 14) Röm. 1,17. 15) Prediger 1,18. 16) Gedanken, Elfter Artikel, Über Epictet und Montaigne, Reclam. 17) RÖm, 12,1. Bonner Bibel. 18) Van VII. Trappen. De sevende Trappe. 19) Kol 3,3 20) Gal. 2, 20. 21) Ferdinand Holböck, Der eucharistische und mystische Leib Christi, Rom 1941, S. 138. 22) ebendort S. 190, P.L. 217/879 C De s.alt.myst. 23) ebendort S. 198. 24) ebendort S. 203. 25) ebendort S. 209. 26) ebendort S. 2120
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