Prozeß gegen den Papst
Von Abbé Georges de Nantes (aus: La Contre-Réforme catholique übers. Walter Quessel
Wir bringen im folgenden - wie angekündigt - in deutscher Übersetzung den ersten Teil der Studie "Procès au Pape" des hochw. Abbé Georges de Nantes (Der zweite Teil sowie eine Stellungnahme von Reinhard Lauth folgt in der Novembernummer.) Die Gedanken des hochw. Abbé de Nantes zeigen das redliche Bemühen, eines der gegenwärtig dringendsten Probleme zu lösen. Seine Ziele, den Glauben der katholischen Kirche unverfälscht zu bewahren, den Novus Ordo auszuschalten und die juridische Deklaration der Absetzung Pauls VI. zu erreichen, sind voll und ganz auch die unseren - es sind genuin katholische Erfordernisse. Den Weg zur Verwirklichung derselben, den Abbé de Nantes für richtig hält und eingeschlagen hat, können wir in manchem nicht billigen und mitmachen. Aber die Endziele sind das Wesentliche. Deshalb kann es uns ein gutes Stück weiterbringen, wenn wir uns mit der Arbeit des Abbé de Nantes und seiner "Ligue de la Contre-Réforme Catholique" näher befassen und sie überprüfen.
OPPOSITION GEGEN DEN PAPST? IST SIE MANCHMAL LEGITIM UND HEILIG ?
Die Antwort, die spontan aus dem Munde des guten Christen kommt, die leichte Antwort, ist: Nein, Nein, niemals! Niemand wird jemals Recht haben, gegen des Papst und gegen das Konzil, weil das die höchsten Autoritäten sind, das unfehlbare Lehramt der Kirche. Da übrigens das Konzil niemals ohne Papst, unabhängig von ihm und noch weniger gegen ihn besteht, muß man einfach sagen: Niemand kann sich legitim und in heiliger Einstellung dem Papst widersetzen: UBI PAPA, IBI ECCLESIA. Sich dem Papst widersetzen, heißt, sich der Kirche widersetzen. Sich der Kirche widersetzen, heißt: Christus bekämpfen.
Diese Antwort läßt sich leicht durch die Heilige Schrift begründen. Es ist überflüssig, die Worte und die Verheißungen anzuführen, die in aller Gedächtnis sind: "Du bist Petrus, auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen, und die Pforte der Hölle werden sie nicht überwältigen." (Mtt 16,18) "Wer euch hört, der hört mich, wer euch verwirft, der verwirft mich, wer aber mich verwirft, der verwirft den, der mich gesandt hat." (Lk 10,16) "Was immer ihr auf Erden binden werdet, soll auch im Himmel gebunden sein, und was ihr auf Erden lösen werdet, soll auch im Himmel gelöst sein." (Mtt 18,18) Wie oft haben wir das aus dem Munde unserer Bischöfe gehört, um jede Opposition in die äußerste Finsternis zu verwerfen!
Die theologisch-lehramtliche Begründung ist ebenfalls leicht zu geben. Zahlreiche kirchliche Dokumente zeigen, daß Treue und Gehorsam gegenüber dem Apostolischen Stuhl immer als notwendig für das ewige Heil betrachtet wurden. Und alle, die sich vom römischen Stuhl getrennt haben oder von ihm verstoßen worden sind, sind im Laufe der Jahrhunderte unwiderruflich vom gleichen Anathema gezeichnet geblieben.
Die Geschichte bezeugt es übrigens mit der herrlichen Kontinuität und dem Zusammenhang zwischen dem Papsttum und den großen Konzilen, die es anerkannt und ratifiziert hat. Eine solche Stabilität ist eine absolut einzigartige und unvergleichliche Erscheinung. Die päpstliche Unfehlbarkeit, am 18. Juli 1870 vom Vatikanischen Konzil promulgiert, ist durch zwanzig Jahrhunderte und 263 Päpste bestätigt, die das Werk der Bewahrung, der Verteidigung und der Auslegung der Offenbarung im Sinne der gleichen stets sich selbst treuen Tradition fortgesetzt haben.
Der Katholik liebt den Papst und gehorcht ihm immer. Der heilige Pius X. erinnerte daran im Hinblick auf gewisse aufsässige Geistliche, - eine Gattung, die sicher nicht vergangen ist - : "Wenn man den Papst liebt, hält man sich nicht mit der Erörterung der Frage auf, bis zu welcher genauen Grenze die strenge Gehorsamspflicht geht und wo sie genau aufhört... Man begrenzt nicht das Feld, wo er seinen Willen betätigen kann und soll; man stellt nicht der Autorität des Papstes die anderer Personen entgegen, die anderer Meinung sind als der Papst, wie gelehrt sie auch sein mögen. Welches ihre Gelehrsamkeit auch sein mag, die Heiligkeit fehlt ihnen, denn es kann da keine Heiligkeit sein, wo Widerspruch mit dem Papst ist. Und dennoch gibt es Priester, es gibt viele Priester, die das Wort des Papstes ihrem eigenen Urteil unterwerfen und mit unerhörter Kühnheit ihren Gehorsam gegenüber dem römischen Oberhirten von diesem Urteil abhängig machen." (Ansprache vom 18. Sept 1912, zitiert von Barbier: "Geschichte des liberalen Katholizismus", Band V, Seite 338, Anmerkung 109).
Und in der Tat, eben durch eine solche innerliche und religiöse Disziplin hat sich die Wahrheit, Heiligkeit und Einigkeit in der Kirche erhalten. Unter dem Schutz einer souveränen Autorität, die jeden Streit, jede Opposition, jede Diskussion ausschließt, hat sich das Reich Gottes herrlich entwickelt. Man kann das nicht feststellen, ohne den Schluß auf die Notwendigkeit einer vollständigen Unterwerfung gegenüber dem römischen Lehramt zu ziehen.
Die andere Antwort, die schwierigere, ist indessen exakter: ja, manchmal: Es ist manchmal legitim und heilig, sich dem Papst und dem Konzil zu widersetzen. - Aber lassen wir das Konzil, da es immer letztlich dem Papst untergeordnet ist. Der Gehorsam ist die Regel. Aber eben der Gehorsam kann manchbal zur Revolte führen. In seltenen Fällen...
Das bringt uns schon das Evangelium nahe. Der Herr achtet darauf, daß jeder Erhöhung des Ersten Apostels eine schwere Demütigung entspricht, ohne Zweifel, um ihm den Bestand seiner Lage als Mensch, seiner armseligen Freiheit und Schwäche als sündiger Mensch zu vergegenwärtigen. Nach dem Bekenntnis von Caesarea und der wunderbaren Verheißung ist es das Schreckliche: "Weg von mir Satan! Du bist mir zum Ärgernis." (Mtt. 16,23) Nach dem Treueschwur ist es die Ankündigung seines Falles, aber auch die Verheißung seiner endgültigen Erhöhung: "aber ich habe für dich gebetet, daß dein Glaube nicht wanke, du aber stärke dereinst nach deiner Umkehr deine Brüder!" (Lk. 22,32). Die Unfehlbarkeit des Papstes bestätigt sich wie ein ständiges Wunder durch die Gnade, die die menschliche Schwäche überwindet. Ein Wunder, das allerdings bedingt und begrenst ist. '
Der dogmatische Beweis erfordert eine große Aufmerksamkeit. Wir werden ihn darlegen. Was den geschichtlichen Beweis anbetrifft, so bezieht er sich auf eine sehr kleine Anzahl von Fällen. Sie erlaubt indessen festzustellen, daß nach dem Urteil der Kirche selbst ein Papst sich in Dingen des Glaubens, der Sitten, der Disziplin irren kann und daß in solchen Fällen die Gläubigen notwendigerweise sich widersetzen müssen, wohlverstanden aus Treue zum Papsttum selbst!
Aber es kann sich auf keinen Fall, in keiner Weise darum handeln, in der Person des Papstes das Papsttum selbst anzugreifen, anläßlich dieser Unordnung, jenes Irrtums, jener vorübergehenden Schwäche des Menschen, die Autorität, die Institution, die er repräsentiert, die Funktion, die er ausübt, zu bekämpfen. Die Kirche ist hierarchisch, ihr Prinzip ist monarchisch. Und das ist ein wunderbarer Erfolg, ein Zeichen der göttlichen Macht. Es handelt sich nicht darum, dem zu widersprechen, indem man Argumente aus möglichen Schwächen der Menschen ableitet, die es verkörpern, sondern darum, die Grenzen abzustecken, die Ausnahmen zu präzisieren, die die Regel bestätigen und ihren übermenschlichen Glanz erhöhen.
Es hat niemals eine Opposition gegen den Papst als solchen, eine Revolte gegen den apostolischen Stuhl gegeben, die schließlich Erfolg gehabt hätte oder legitim sein könnte, sei es unter dem Vorwand der Kolligialität, des Gallikanismus, des Liberalismus oder der Demokratie. Gleich am Anfang dieser Studie lehnen wir eine Verquickung unserer Thesen, die vollständig katholisch und römisch sind, mit denen eines Hans Küng in seinem neuen Werk "Unfehlbar? – Eine Anfrage" entschieden ab. Sein Widerspruch - bezüglich Humanae Vitae - betrifft das Lehramt selbst in seinem Prinzip, in seiner wesentlichen Prärogative der Unfehlbarkeit, und dies im Widerspruch zum definierten Glauben, übrigens in einem arroganten und persiflierenden Stil, der den Verfasser richtet. Er stellt dem katholischen Dogma seine Träume entgegen und gibt sich recht gegen die Kirche. Die mit unseren Gedanken Vertrauten wissen, daß wir unseren Glauben der Kirche schenken, gegen jeden Neuerer und Reformer, sei er auch Papst. Unser Vorgehen entspringt aus Demut und Achtung, ich wage zu sagen, aus Gehorsam. Das seine kommt aus Anmaßung und Revolte.
Wir haben nichts mit solchen Rebellen gemein und verstehen nicht, daß sie in der Kirche lehren dürfen. Es handelt sich für uns nicht darum, der Kirche das Haupt abzuschlagen! Jede Beeinträchtigung der Autorität des Papstes ist ein Angriff auf die Kirche, auf Christus und auf Gott. Anathema sit!
Indessen muß der Papst sich selbst treu sein... Wenn die Opposition zuweilen heilig und legitim ist, so kann dies nur die Opposition gegen den Papst des Augenblicks sein im Namen des Papstes von immer. Das wird eine Opposition aus Anlaß der besonderen Umstände sein müssen, beschränkt auf diese oder jene Handlung des Papstes, auf einen individuellen neuen und subversiven Gedanken des regierenden Papstes, den alle erkennen müssen als einen Bruch und Opposition gegen die heilige Macht und Pflicht des Petrus, des Papstes von Rom, "der niemals stirbt". Aber gewiß, bevor man sich in einen solchen "Prozeß" einläßt, wie legitim er auch erscheinen mag, wird man das eingegangene Risiko abwägen müssen, den ewigen Feinden des Papsttums irgend eine Verstärkung zu bringen. Es gibt ohne Zweifel keine schwerere Gewissensfrage als diese.
Nur die Frage des Rechtes, der Legitimität einer Opposition gegen den Papst wird hier behandelt. Die Frage der Tat ist eine andere, nämlich zu wissen, ob in jenem bestimmten Zeitpunkt, in jenem Fall die Hypothese sich bewahrheitet. Indessen sind diese zwei Fragen miteinander verknüpft. Wenn bezüglich Rechtstrage bewiesen wäre, daß die Opposition niemals legitim ist, hätten wir die Möglichkoit der Tat nicht einmal zu erwägen, trotz unserer schrecklichen Gegenwart. Das ist übrigens der Grund, warum eine ungeheure Mehrheit der Hierarchie und des gläubigen Volkes jede Idee der "Gegen-Reform" a priori ablehnt. Jede Opposition gegen Paul VI. und Vaticanum II. ist für sie (wie Congar im Hinblick auf uns schreibt) "unzulässig". Welche Farce! Doch auf der anderen Seite fordert die unausweichliche, jeden Tag deutlicher hervortretende Gewißheit über die Schädlichkeit des Konzils und des gegenwärtigen Pontifikats zu einer neuen Prüfung der Frage heraus, die in den glücklichen Tagen der vorkonziliaren Kirche zu knapp untersucht und zu leicht entschieden wurde. Der Verfall, der in die Augen fällt, verlangt vom Theoretiker eine Ergänzung der Untersuchung.
Übrigens kann man die vorliegende Studie vor oder nach unserem LIBER ACCUSATIONIS IN PAULUM VI lösen. Vorher, um seine Prüfung als zulässig ansehen zu können. Nachher, um seine Schlußfolgerungen zu verstärken...
I - DIE HÖCHSTE AUTORITÄT DES PAPSTES
Unsere Studie gebt über die der Vorschriften des Kodex des kanonischen Rechts hinaus, sie überschreitet die Theologie der hierarchischen Amtsgewalt. Sie entspringt den mystischen Quellen des Glaubens.
Denn die Kirche ist, in ihrem wesentlichen Geheimnis, die Braut Christi, sein gesellschaftlicher Leib. Aus diesem Grunde lag und liegt dem Erlöser nichts so am Herzen als ihre unerschütterliche Einrichtung, ihre Erhaltung, ihre Sicherheit, ihr Wachsen, ihre Einheit und ihr Frieden. Darum hat Christus ihr seinen Leib und sein Blut gegeben aber auch, um diese sakramentalen Gaben mit Leben zu erfüllen, den Heiligen Geist. Der Heilige Geist ist somit, durch göttliche "Mission" die Seele der Kirche: Er, Gott, ist es, der den gesellschaftlichen Leib einigt, ordnet, entwickelt und ihn in Einheit, Heiligkeit, Katholizität und Apostolizität erhält, die seine eigenen wunderbaren Vollkommenheiten sind.
Eine weitere Präzisierung der katholischen Theologie über diese göttliche Institution: Das Werkzeug des Heiligen Geistes für dieses vollmenschlich sich realisierende Werk ist die Hierarchie. Es genießt in besonderer Weise, unter sehr präzisen Bedingungen, entsprechend seinen Funktionen den Beistand des Heiligen Geistes, um die Kirche vollkommen zu machen. Auf diese Weise ist die Kirche unfehlbar, heilig, wohlgeordnet.
DIE KIRCHE IST IN IHRER TOTALITÄT ALS KIRCHE UNFEHLBAR, als die lehrende und die belehrte, als Ecclesia docens et Ecclesia credens, in der herrlichen Eintracht und Einmütigkeit derer, die die Aufgabe haben, zu predigen, und derer, die die Tugend des Glaubens erhalten haben. Ihr Glaube ist einer und derselbe in voller Gemeinsamkeit der Gewißheit und vollendeten Vollkommenheit. Das wußte man wohl vor dem Vaticanum II!
DIE KIRCHE IST HEILIG, trotz ihrer sündigen Glieder, weil sie die Gnade von Christus empfängt, die ihre Priester unfehlbar und ständig durch die Sakramente in die Seelen ergießen. Ihre Riten, vor allem die Taufe und das heilige Meßopfer, sind sicher wirksam, um das Leben Gottes zu verleihen. So empfängt das gläubige Volk die Heiligkeit, in unerschöpflichem Maße, allein bemessen nach seiner Disposition zum Guten. Die Gabe der Kirche ist an sich vollkommen heilig und heiligmachend.
DIE KIRCHE IST WOHLGEORDNET. Sie kämpft in der Welt, sie schreitet durch die Jahrhunderte und begegnet daßei verschiedenen Zivilisationen und Kulturen, sie stößt ständig auf neue Hindernisse, und dennoch vollendet sie ihr Werk. Das ist das Reich Gottes? das wächst und bestehen bleibt bis ans Ende: der Zeiten. Dieses wunderbare Werk gelingt und erneuert sich Tag für Tag durch die Entscheidungen und Maßnahmen derer, die die Kirche mit dem Beistand des Heiligen Geistes regieren. Das ist also der gineinsame Sieg über die Mißhelligkeiten, die Anarchie, die Verfolgungen, der Sieg derer, die mit Autorität befehlen, und derer, die gelehrig gehorchen, getragen von gegenseitiger Liebe.
Die Kirche ist diese sichtbare, geschichtliche, hierarchische Gesellschaft, deren Gründer Christus ist und deren Haupt er bleibt, deren belebende und heiligende Seele der Heilige Geist ist. Sie ist vollkommen. Sie übersteigt durch ihre Wahrheit, ihre Heiligkeit, ihre Ordnung die menschlichen Elemente, die sie bilden. Die Betrachtung dieses geschichtlichen Wunders führt zum Glauben an ihr übernatürliches Geheimnis: wenn jede natürliche Erklärung dieser Tatsache, sei sie spiritualistisch oder materialistisch, unzugänglich erscheint, so deshalb, weil die Hierarchie der Kirche mit göttlicher Macht ausgestattet ist, in der einzigartigen Symbiose der göttlichen Person mit der menschlichen Gemeinschaft. Dieses Wunder ist durch Christus begründet; es hat sich erhalten, es fordert uns auf, es heute fortzusetzen. Wie sollte es unter solchen Gesichtspunkten irgendeine legitime und heilige Opposition gegen ihr Oberhaupt geben?
DIE APOSTEL, GRÜNDER DER KIRCHE
Die Gründung der Kirche nach dem von Christus gefaßten Plan wurde am Pfingsttage den Aposteln zur Verwirklichung anvertraut. Sie erforderte offensichtlich besondere, wahrhaft einzigartige und außerordentliche Gaben des Heiligen Geistes für die Generation der Erbauer. Deswegen sind die Zwölf, die Apostel, zu Säulen der Kirche gesetzt worden, mit einer so ausgedehnten und besonderen Vollmacht ausgestattet, daß selbst ihre Nachfolger sie nicht vollständig geerbt haben.
Sie waren begnadet mit der göttlichen Offenbarung, von der sie eine vollständige "prophetische" Kenntnis erhielten, indem sie sie vollkommener durchdrangen, als es sonst jemand jemals hienieden vermöchte; und für deren Darstellung besaßen sie das Charisma der "Inspiration" sowohl in ihren Worten, als auch in ihren Schriften, immer und vollkommen unfehlbar. Sie hatten die Vollmacht, die von Christus angekündigten Sakramente einzusetzen, ihnen für immer ihre rituelle Form zu geben, die Gebote zu verfassen und alles im Leben der Kirche nach der Lehre des Herrn zu regeln. Das genügte noch nicht. Sie hatten die Macht, Wunder zu wirken - das ist nicht jedem gegeben - und sie waren in der Gnade gefirmt, das heißt eilig, völlig gefestigt in der Vollkommenheit ihrer Berufung, - und auch das ist nicht allen gegeben.
Auf diese Weise mit so außerordentlichen und vollständigen Vollmachten ausgerüstet, waren sie mächtige und vollkommene Werkzeuge Gottes zur Gründung der Kirche. Damit ist gesagt, daß jede Rebellion gegen sie absolut illegitim und schuldhaft wäre. Es gab sie dennoch, und gegen diese entbrannte der Zorn Gottes.
Hier eröffnen wir eine Parenthese. Wenn Sie die letzte Erklärung des Dramas haben wollen, das die Kirche seit zehn Jahren erlebt, genügt es, das in Betracht zu ziehen, was ich in der Lettre à mes amis Nr. 212 vom 15. September 1965 unter Beweisen gestellt habe, d.i. schon zu Zeiten des Konzils. Der Papst und die Bischöfe haben gemeint, sie haben gewollt und in Anspruch genommen, daß sie mit denselben außerordentlichen Vollmachten auegestattet seien wie die Apostel, um sozusagen nochmals "die Kirche zu gründen". Als Propheten, Inspirierte, Erleuchtete, Schöpfer der Riten, universelle Reformatoren haben sie beansprucht, in allen ihren Gedanken und Entscheidungen unfehlbar vom Heiligen Geist geleitet zu sein.
Es fehlte da kaum etwas außer dem Anspruch auf die Macht, Wunder wirken zu können, - denn diese kann man unmöglich vortäuschen! - und die Gabe der Sündlosigkeit - und dies letztere aus gutem Grunde! - was sie nicht in Anspruch genommen hätten.
Aber man sehe, was geschehen ist: Solche Ansprüche haben sie unzugänglich für die Warnungen und Ratschläge der "Opposition" gemacht. Die Opposition "hatte nicht den Heiligen Geist!" Diese Liberalen sind in eine absolute Intoleranz verfallen. Und das Volk, irregeführt durch das Argument der Autorität, das ihm in dieser unerwarteten Form vorgesetzt wurde, glaubte nicht mehr, daß kanonisch, in einer Kirche in vollem Wandel ... in göttlichem Wandel die geringste Möglichkeit einer legitimen und heiligen Opposition bestünde.
Die dogmatische Wahrheit steht indessen dieser Anmaßung, dieser unqualifizierbaren spirituellen Gewaltsamkeit, diesem seltsamen kollektiven Hochmut entgegen: Die Nachfolger der Apostel haben nicht alle ihre Vollmachten geerbt. Der letzteren Gründer-Vollmachten sind mit ihnen erloschen, und "der neue Typ von Papst" und der "neue Typ von Bischof", erfunden von der gegenwärtigen Generation' können nicht darauf pochen, diese Vollmachten zu besitzen!
DIE VOLLMACHTEN DER NACHFOLGER DER APOSTEL
Der Bischof von Rom, Nachfolger des heiligen Petrus, hat als solcher die höchste Autorität in der Kirche, die Bischöfe als Nachfolger der anderen Apostel haben eine der seinigen untergeordnete Autorität. Weder er noch sie haben indessen die Vollmachten geerbt, die für die Gründung der Kirche notwendig waren; das Werk ist ein- für allemal vollbracht. Ihre Aufgabe ist, die Kirche zu erhalten - das ist schon schwer genug, und sie haben dazu die ordentlichen übertragbaren, auch noch beträchtlichen Vollmachten geerbt. Es ist unnütz, sie noch aufzublähen, um die Arbeit gut zu verrichten, die ihnen anvertraut ist.
Nun ist hier eine wesentliche Unterscheidung zu machen: unter diesen Vollmachten sind die einen unfehlbar, die anderen sind es nicht, die letzteren sind also fehlbar. Damit die Kirche eine sichere Grundlage hat, eine Kontinuität und ständige Einheit in der Treue zum Herrn Jesus Christus, ist es notwendig, daß die wesentlichen Handlungen der Hirten der Kirche notwendig und unzweifelhaft wirksam sind und ihnen ihre göttlichen Wirkungen folgen. Diese Handlungen stützen sich auf unfehlbare Vollmachten und haben die bedingungslose Mitwirkung des Heiligen Geistes. Andere Handlungen besitzen viel Zufälliges und hängen ebenso gut von der Gebrechlichkeit des Menschen als von dem Beistand des Heiligen Geistes ab, sie entspringen minderen Vollmachten, bei denen eine Unterscheidung anzuwenden ist. Gehen wir vom Unfehlbaren zum Fehlbaren, vom Sicheren zum Unsicharen, vom Indiskutablen zum Diskutablen...
1. DIE ORDENTLICHE VOLLMACHT. Wir haben die Vollmacht, das Heilige Opfer zu feiern und in apostolischer Nachfolge die Gnaden Christi in den anderen Sakramenten auszuteilen. Diese Vollmacht ist integral. Ich sage wir, weil ich Priester bin. Vom Papst bis zum letzten Dorfpriester besitzen wir diese absolute Fähigkeit, die die gleiche bei allen unseres Standes ist, die Sakramente zu bewirken und auszuteilen. Daher ist, jede Messe hundert Prozent gültig, unfehlbar, sobald sic von einem wirklichen Priester zelebriert wird, der in der Absicht handelt, zu tun, was die Kirche tut... Und diese ordentliche Vollmacht bleibt gültig selbst bei Priestern, die in Schisma oder Häresie gefallen sind. Diese Frage ist von einer brennenden Aktualität, unsere Leser wissen es wohl.
Diese volle und umfassende Wirksamkeit der sakramentalen Riten ist in der Kirche immer anerkannt worden. Darin liegt unsere, der Priester, Größe, in diesem Dienst, der uns zu Werkzeugen der göttlichen Gnade macht. Das ist das Wesentliche im Leben der Kirche im Wachstum ihrer Liebe, die so unfehlbar gesichert ist.
2. DIE VOLLMACHT DER LEHRE besitzt die Kirche auch unfehlbar, aber nur zum Teil. Und hier erlaube ich mir, die gemeinsame Lehre der Kirche in einer etwas neuen Art darzustellen, um sie für das Verständnis aller zugänglich zu machen. Die Theologen werden sich interessieren für G. Thils, Die pontifikale Unfehlbarkeit (Duculot, 1960); insbesondere das Kapitel, das der Untersuchung der Unfehlbarkeit des Papstes in seinem ordentlichen Lehramt (S. 176-185) gewidmet ist, und auch für Dom Naus: Das ordentliche pontifikale Lehramt, Sein theologischer Standort (Abbaye de Solesmes). Die Frage ist komplex.
a) Die Kirche ist in ihrem einmütigen Glauben unfehlbar. Auf Grund ihrer Würde als Braut Christi nimmt die Kirche teil an seiner unfehlbaren Kenntnis der Wahrheit. Das, was alle Gläubigen der Kirche zusammen einmütig als göttlich geoffenbart glauben, ist unfehlbar wahr.*) Warum? Wenn die gesamte Kirche sich, selbst nur in einem einzigen Augenblick ihrer Geschichte, insgesamt im Irrtum befände, sei es nur in einer einzigen dogmatischen oder moralischen Frage, dann hätte die Hölle sie, im Widerspruch zur Verheißung Christi, überwältigt.
Zum Beispiel hat die Kirche in ihrer Gesamtheit immer an die ständige Jungfräulichkeit Marias geglaubt. Das ist also eine unfehlbare Offenbarungswahrheit. Die Holländer bestreiten sie heute, sie führen an, daß sie niemals ausdrücklich durch das Lehramt definiert und als Dogma dem Glauben aller aufgegeben wurde. Ein übles Argument! Es ist nicht nötig zu definieren, was immer von allen gelehrt und geglaubt wurde, weil dieser gemeinsame und einfache Glaube nichts anderes sein kann als eine unfehlbare Offenbarungswahrheit.
Solcherart ist die breite, gesicherte Grundlage unseres Glaubens. Das ist der Schatz der Tradition, aus dem, wie es Gasser beim Vatikanischen Konzil klar auseinandergesetzt hat, das ordentliche und das außerordentliche Lehramt seine ganze Lehre schöpft. Es gibt keine Unfehlbarkeit des Papstes oder des Konzils, die nicht eingebettet wäre in diese ursprüngliche Unfehlbarkeit der Kirche selbst...
b) Das ordentliche Lehramt ist bedingt unfehlbar. Wenn man als charakteristisch für diese autorisierte Lehre, die man das gewöhnliche oder ordentliche Lehramt nennt, ansehen will, daß sie in allem das Echo der einmütigen Tradition der Kirche ist, dann scheint es, daß auch dieses Lehramt, eben deswegen, Unfehlbarkeit beanspruchen kann. Wenn der Papst oder ein Bischof oder sogar irgendein Priester lehrt, was die Kirche immer und universell für sicher gehalten hat, sagt er notwendig und unfehlbar die Wahrheit. In diesem Sinne wäre es kaum übertrieben zu sagen, daß wir alle unfehlbar sind ... aber nur genau in dem Maße (was oft schwer abzugrenzen ist), in dem wir das, was wir von der Kirche empfangen haben, wiederholen. Die einen, die beständige Lehre der Kirche aufnehmend und glaubend, die anderen, sie lehrend und erläuternd, ohne etwas Neues oder Besonderes beizumischen, - sie alle haben Teil an der Gewißheit der Kirche.
Wenn andererseits der Papst oder die Bischöfe, selbst in ihren "authentischen" Lehren, die sie auf Grund ihres Amtes mit der Autorität ihrer Stellung geben, dazu kommen, irgend eine Neuigkeit oder irgend eine strittige Meinung vorzubringen, so kann eine solche Lehre nicht als vom ordentlichen Lehramt kommend betrachtet werden. Sie hat dann keinerlei Garantie der Unfehlbarkeit. Das ist die große Schwäche des ordentlichen Lehramtes, nicht durch eine klare unbestreitbare Grenze vom Reich der menschlichen Meinungen getrennt zu sein.
Also täuscht man sich seit Pacem in terris und den sogenannten pastoralen Konstitutionen bezw. den Dekreten und Deklarationen des Vaticanum II allgemeinhin über die angeblich "authentische" Autorität dieser Akte des Papstes und des Konzils, die indes jedes traditionellen und universellen Charakters bar sind! Dieser ganze Plunder von Neuigkeiten kann sich nicht auf die Autorität der Tradition berufen, er kommt also gar nicht vom ordentlichen Lehramt und ist so viel wert wie diejenigen, die ihn fabrizieren.
c) Das außerordentliche oder feierliche Lehramt ist eo ipso voll und ganz unfehlbar. Das ist auch für die Kirche notwendig! Wenn in einer bestimmten Frage der Lehre die Tradition nicht klar und nicht einmütig ist, wenn ein gemeinsamer Glaubensinhalt durch gewisse Leute in Zweifel gezogen oder gar verworfen wird, dann werden diejenigen, die die Vollmacht zur Bewahrung und Verteidigung des Schatzes der Offenbarung haben, veranlaßt, den Streitpunkt zu entscheiden, die Frage durch eine undiskutierbare Verkündung der Wahrheit definitiv zu klären. Der Beistand des Heiligen Geistes ist ihnen für diese Entscheidungen verheißen. Das ist die Unfehlbarkeit des Papstes und des Konzils, die man die feierliche oder auch "ex cathedra" nennt.
Ein solches Charisma ist verblüffend, es macht aus dem Menschen gleichsam Gott; er vermag sicher in der absoluten Wahrheit zu sein! Das ist dennoch sehr wohl eine Wahrheit unseres Glaubens, die schon immer lebendig war und durch das Vatikanische Konzil proklamiert worden ist, folglich für alle Zukunft irreformabel ist. So mußte es sein. Diese Zuflucht zu einer grundsätzlichen Unfehlbarkeit, gekennzeichnet durch die Form des Aktes, der den Glauben erklärt, ist die letzte Lösung in den Krisen der Doktrin, die die Kirche durchziehen, weil es unter solchen Umständen keine andere Lösung gibt, als zu glauben, ohne mehr etwas zu prüfen und zu erörtern, allein wegen der Tatsache' daß es sicher ist, daß "Rom gesprochen hat", daß der Papst "ex cathedra" gesprochen hat, daß das Konzil eine "dogmatische Konstitution" promulgiert hat, begleitet von den entsprechenden Anathemen. Dann ist es mit Sicherheit die Wahrheit.
Vor 1870 wurde das Urteil des souveränen Oberhirten oder des Konzils als letztes Mittel in Anspruch genommen. Seit 1870 ist es sicher und gewiß, daß es das letzte Mittel ist, festgesetzt durch Christus, und daß es kein anderes gibt.
d) Die fehlbare Lehre von Privatpersonen. Auch den kirchlichen Würdenträgern bleibt die Freiheit, auf eigene Verantwortung als "private Theologen" Theorien und Meinungen zu vertreten, die ihnen eigentümlich sind und nur durch ihre innere Überzeugungskraft Geltung erlangen können. Aber eine solche Lehre ist durch ihr Lehramt nicht gesichert, und es ist nicht gut, daß sie sich scheinbar mit diesem vermischt. Wenn der Papst, der Bischof, das Konzil die Loyalität aufbrächten, zu sagen, daß sie als Sucher und nur als Privatpersonen sprechen, wäre alles klar. Noch besser wäre es allerdings, wenn sie ganz davon absähen. Wenn aber die Anmaßung, ihre Lehre durchsetzen zu wollen, sie veranlaßt, diese mit allen äußeren Zeichen einer authentischen Lehre zu versehen, mit der Tendenz, sie zu einem Akt des ordentlichen Lehramtes der Kirche zu machen, entsteht große Verwirrung. Was von Menschen kommt, scheint dann von Gott her zu kommen. Die Gläubigen werden in ihrem naiven Vertrauen glauben, es mit dem unfehlbaren Lehramt zu tun zu haben, während es sich um eine freie Meinung von Privatpersonen handelt, die ebenso fehlbar sind wie alle anderen Personen auch.
Die jedem Akt des Lehramts unbesehen zuerkannte Unfehlbarkeit kann eine schreckliche Waffe in der Hand Perversgerichteter werden. Um die ganze Kirche zu beherrschen und die schlimmsten Irrtümer einzuführen, genügt es dann dem Teufel, auf die höchsten Gipfel der Hierarchie für den Glauben verlorene Wesen zu bringen, die ganz für seine Sache gewonnen sind. Das ist der hundertmal zum Ausdruck gebrachte Plan der Freimaurerei (cf. La Franquerie, die pontifikale Unfehlbarkeit; Ed. Lussaud, Vendée). Man muß wissen, daß eine solche Verkehrung der Ordnung, die von Christus für das Heil aller errichtet wurde, manchmal in der Kirche zu finden ist und zum Untergang und zum Verderben der durch ihre Hirten irregeführten Menge führt.
3. DIE VOLLMACHT, DIE KIRCHE ZU REGIEREN, bringt die drei Funktionen mit sich, Gesetze zu geben, Urteile zu fällen und zu sanktionieren. Auf diesem Gebiet gibt es nach der Theologie keinerlei Art und nicht einmal irgendeine Möglichkeit der Unfehlbarkeit. Diese Entscheidungen von auegesprochen praktischem Charakter haben zu viel Implikationen und unkontrollierbare Konsequenzen in sich, als daß man in Bezug auf sie von Unfehlbarkeit sprechen könnte.
Der Papst und die Bischöfe in Gemeinschaft mit ihm lenken das kirchliche Volk; sie entscheiden über alles, was das Wohl der Kirche und das Heil der Seelen betrifft, aus eigener Initiative, aber nicht ohne einen gewissen Beistand des Heiligen Geistes, den man "prudentiell" und manchmal "biologisch" nennt (eine Bezeichnung, die ich für meinen Teil ablehne, weil sie die Idee der Unfehlbarkeit heimtückisch in ein Gebiet einführt, das ihr fremd ist). Sie haben Anspruch auf Gehorsam, aber nicht auf einen völligen und blinden Gehorsam. Wenn unglücklicherweise das Gesetz Gottes, wie es sich klar in einem erleuchteten Gewissen kundtut, dem Befehl der Menschen entgegenstellt, seien es auch die Höchsten in der Kirche, dann ist es sicher, daß gilt: "Man muß Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Act. 5,29). Die Autorität kann in dieser Welt niemals bedingungslos sein, weil hier die höchste Autorität, selbst in der Kirche, niemals aus sich heraus sündenfrei und unfehlbar ist.
Eine andere Grenze dieser pastoralen Vollmacht muß heute besonders hervorgehoben werden. Die Autorität der Hierarchie ist gänzlich ausgerichtet auf das Wohl der Kirche und das Heil der Seelen. Ihre Anordnungen verpflichten also nur genau in dem Maße, in dem sie als mehr oder weniger unmittelbare und notwendige Mittel zur Erreichung dieser übernatürlichen Ziele gedacht sind. Alles, was keine erkennbare Beziehung zum Heil hat, ist ohne verpflichtende Kraft, selbst wenn die Autorität in Überschreitung ihrer Vollmacht in Anspruch nimmt, es den Gewissen kraft ihrer göttlichen Mission auferlegen zu können.
FEHLBARE MENSCHEN MIT UNFEHLBARKEIT AUSGESTATTET
Es gibt also in der göttlichen Sendung der Hierarchie schwache Punkte, ja mehr noch, große Bereiche der Fehlbarkeit. Wenn es sie nicht gäbe, wären die Männer der Kirche wahre Götter. Man muß also in der Ausübung der hierarchischen Vollmachten verschiedene Grade unterscheiden. In bestimmten Bereichen, unter bestimmten präzisen Bedingungen ist die Unfehlbarkeit des Lehramtes sicher und vollständig: es ist dann sozusagen Gott selbst, der durch den Papst und durch das Konzil spricht. Auf anderen Gebieten trägt, mangels bestimmter Bedingungen, die menschliche Fehlbarkeit über den göttlichen Beistand den Sieg davon. Selbst dann wäre es gut und vernünftig, denjenigen zu glauben und zu gehorchen, denen der Heilige Geist beisteht, daß sie nicht irren und für das Wohl der Seelen sorgen. Indessen besteht für die Hirten eine gewisse Möglichkeit, ihre Aufgabe zu verraten und sich selbst durch Unwissenheit oder andere zu täuschen und durch Bosheit in die Irre zu führen. Warum soll man das verschweigen?
In den Zeiten, wo die Bischöfe und Päpste sich ihrer Gebrechlichkeit bewußt und sich darüber klar waren, daß sie aus sich heraus fehlbar sind, aber unfehlbar durch ihre Unterwerfung unter die Kirche und den Heiligen Geist, war es allgemeine Ansicht, daß das von ihnen autoritativ Gebotene zunächst das Gewohnheitsmäßige sein mußte. So zu sprechen, wie immer gesprochen worden war, zu handeln, wie es immer geschehen war, das sicherte gegen den Irrtum und gab umsomehr Recht auf Gehorsam.
Dagegen, eine neue Sprache erfinden, das Übliche umstürzen, um willkürlich andere Gebräuche zu schaffen, das sind gefährliche Dinge, und sie verdienen den Verdacht, mit dem das christliche Volk sie umgibt. Hier ist alle Wahrscheinlichkeit, daß es der Mensch ist, der mit mehr oder weniger Recht und Glück handelt, und nicht Gott.
Der geheiligte Grund der katholischen Autorität und die Norm der Unfehlbarkeit ist die Tradition. Was ihr fremd ist, bleibt verdächtig, was ihr widerspricht, ist falsch.
II - VOM HÄRETISCHEN, SCHISMATISCHEN, SKANDALÖSEN PAPST
Die göttliche Vollmacht der Bischöfe ist begrenzt und der des Bischofs von Rom, ihres Oberhauptes, untergeordnet. Aber er selbst, der souverän lehrt und richtet, ist mit einer Unfehlbarkeit in der Lehre und einer pastoralen Heiligkeit begabt, die relativ bedingt, nicht absolut ist. Da diese Vollmacht durch die bekannten Grenzen beschränkt ist, ist der Papst als Mensch außerhalb dieser Grenzen gegen seine eigenen Fehler oder seine innere Bosheit nicht mehr geschützt. Es ist bemerkenswert, den äußersten Widerwillen der meisten Gläubigen und Priester und selbst der Theologen festzustellen, zuzugeben, daß der Papst, wo er nicht mit vollem Recht unfehlbar ist, ... fehlbar ist; und wenn er der Theorie nach fehlbar ist, es ihm praktisch auch passieren kann, im Handeln zu fehlen! Das ist indessen von einer unerbittlichen Logik.
Alles kommt darauf an, zu wissen, wie weit der Papst außerhalb seiner Unfehlbarkeit sich auf den Weg des Irrtums und des Verbrechens verlieren kann. Und vor allem, ob Gott erlauben kann, daß ein Papst die ganze Kirche in seine Irrtümer und seine Verirrungen zieht, indem er, um sie zu verbreiten und sie aufzuswingen sein authentisches Lehramt, seine pastorale Autorität benutzt. Daß ein Papst in seinem Privatleben sich schlecht aufführen oder im Geheimen irrige Meinungen hegen kann, geben alle zu. Solche Verirrungen sind immer möglich, sie betreffen den Menschen in seinem Privatleben, das von seinem Amt getrennt ist, und sie haben als solche keine irreparablen Folgen für die Kirche. Aber daß er offen den Irrtum mit allem Anschein der Autorität lehren kann, daß er durch authentische Dekrete anordnen kann, zu sündigen, das ist sehr umstritten.
Fortsetzung folgt.
Anmerkung:
*) Diese Bestimmungen erscheinen uns nicht ganz zureichend. Über die fides communis Ecclesiae hinaus ist auch jeder Glaubensinhalt dogmatisch bindend, der sich durch stringente Folgerung aus dem bereits einmütig Geglaubten ergibt, auch wenn er vorher nicht expressis verbis als Glaubensinhalt gelehrt worden ist. (Anm. d. Red.)
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Sie können die offizielle Anklageschrift des hochw. Abbé de Nantes gegen Paul VI.:
L I B E R A C C U S A T I O N I S
St. Parres lès Vaudes) 1973 (in französischer Sprache, 110 Seiten) zum Preis von FFrs 15.- (rund DM 10.-) beziehen.
Schreiben Sie an: La Contre-Réforme Catholique F-10260 St. Parres lès Vaudes Maison Saint Joseph
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