SATAN, DER GIFTSPEIER
von H.H. Prof. Severin Grill SOCist
Um das verderbliche Wirken Satans anschaulich darzustellen, bedient sich die Heilige Schrift verschiedener Bilder und Vergleiche, die von der Tradition sinngemäß weitergeführt werden. Der allgemeinste Ausdruck für Satan ist "der Feind (beeldebobo=Beelsebul oder Beelsebub). Er ist der Vater der Lüge (Joh. 8,44), der Versucher und Vorführer (Joh 13,2; Weish. 2,24), der Unkrautsäer (Mt 13,10), der Verblender (2 Kor 4,1), der brüllende Löwe, suchend, wen er verschlinge (1 Petr 5,8), der Schlingenleger (1 Tim 6,9), der Missionsgegener (1 Thess 2,18). Vom Satan als ihrem Führer sind die Dämonen zu unterscheiden, die ebenfalls mit zahlreichen Namen benannt werden: Ankläger, Empörer, Feinde und Hasser, Liebhaber des Dunkels, Söhne der Linken, Scharen. Manche Namen haben sie gemeinsam mit den guten Engeln wie z.B. die Auflauerer, Feurige, Götter (=Götzen), Scharen, die Starken.
Eine bisher kaum beachtete Bezeichnung für Satan ist: der Speier (1). Satan sprüht Gift und Galle über die Menschheit. Damit ist die falsche Lehre gemeint, durch die er die Menschen zum Atheismus, zur Häresie und zum Schisma verführt oder die Gläubigen zu Grübeleien über die Geheimnisse des Glaubens verleitet um Fragen aufzuwerfen über Probleme, die vom beschränkten Menschenverstand nicht gelöst werden können. "Die Schlange schüttet durch ihre Zunge Gift aus, durch das sie tötet und verdirbt. Daher heißt es Ps 58,5: Sie schärfen ihre Zunge wie Schlangen." (2)
Es ist der Satan, der Feind des Menschengeschlechtes, der veranlaßt, daß Streitfragen aufgeworfen werden. Er beneidet nämlich unser Geschlecht von Anfang an. Er ist es, der Streit erregt, quält und Verwirrung stiftet. (3) Da nun die gesamte Schöpfung durch die wahre Lehre Christi erleuchtet wurde, da erstarkte jener mörderische Drache an Heftigkeit des Giftes. Er schuf sich Jünger gegen die Apostel und säte Unkraut unter den Weizen. Er hub an, durch den Mund seiner Jünger in verkehrter Weise über den Weg Christi zu sprechen. Die Kinder der Schlange begannen auf dem Erdkreis zu kriechen, das Gift zu vermehren und viele zu schädigen, sie verwirrend auf dem göttlichen Wege und das stinkende Gift des, Auswurfs des Drachen austeilend. (4)
"Aber wenn auch die alte Schlange bestrebt ist, auszuplündern, ins Dunkel zu versetzen und in versteckter Weise Gift auszuspeien, um die Welt in Fäulnis zu versetzen, so ist es dennoch kraft eurer Gebete möglich, ihr Gift zu vernichten und ihre List erfolglos zu machen. Der Weg Christi ist höher als die (gewöhnlichen) Wege und erhaben über den Lauf der Natur. Aber irregeführt sind die Gelehrten durch aufrührerische Ratschläge des Drachen, so daß sie es nicht verstehen, auf dem rechten Weg zu gehen." (5)
Auch Pelagius stand unter dem Einfluß, als er seine falsche Lehre von der Erbsünde und Gnade vorlegte: "Die britanische Schlange hat eine falsche Lehre, gesättigt mit der scheußlichen Galle des alten Drachen, ausgespien." (6)
Den Ausdruck "der Speier" begegnet auch in Spr 30,1 im lateinischen und hebräischen Text (vomentis, Ben Jaque). Den dunklen Vers haben bereits Kornelius a Lapide und Fr. Delitsch aufs genaueste untersucht und sich entweder für die historische oder für die allegorische Deutung entschieden, d.h. man hat in den anscheinenden Eigennamen Agur, Ben Jaque, Leithiel und auch Lemuel (31,1) berühmte Persönlichkeit zur Zeit Salomos verstanden oder geheimnisvolle Bildersprache für Salomo. (7) Aber es sind diese anscheinenden Eigennamen keine Personennamen noch auch bildhafte Ausdrücke für Salomon, sondern Zeitwörter (verba finita und participia). Die Übersetzung von Spr 30,1 lautet daher: "Worte des (großen) Haufens: des Sohnes des Speiers. Rede und Lehre (solcher) Menschen: Es gibt keinen Gott und es gibt keinen Ochelkarsso (= Teufel)". Spr 31,1: Worte für den Unerfahrenen, einen König, den seine Mutter belehrte: "Gib nicht hin den Weibern deine Kraft und gehe nicht die Wege, auf denen sich Könige verderben." Im ersten Spruch wird die falsche Anschauung der Atheisten zurückgewiesen, daß es keinen Gott und keinen Teufel gebe. Im zweiten Spruch wird ein König, d.h. wohl jeder König, von seiner Mutter, d.h. vom Gesetz, vor der Unzucht gewarnt.
Wir haben in Spr 31,1-14 eine Parallele von Ps 13,1 und Weish 13,1 vor uns: Es spricht der Tor in seinem Herzen: es ist kein Gott. Töricht sind alle Menschen, die keine Erkenntnis Gottes haben, die aus den sichtbaren Dingen den ewigen nicht zu erkennen vermögen. La Sainte Bible (Paris 1956) erklärt von der ganzen Partie Spr 30,1-14: Interpretation incertaine. Sie gesteht zu, daß die Vulgata in den Namen keine Eigennamen gesehen hat (S. 843). (7)
In unserer Zeit macht sich der Einfluß Satans stärker denn je bemerkbar. Aber viele auch Priester merken das nicht. "Die Seele beherbergt bisweilen den Satan, aber sie merkt es nicht. Seine Gegenwart sieht sie nicht mit den Augen, die Hände berühren ihn nicht, und wie unangenehm sein Geschmack ist, hat der Gaumen nie erfahren. Wenn die Nase ihn, röche, würde sie Blutgeruch empfinden." (8) Unter seinem Einfluß werfen Grübler und Zweifler "Fragen" auf über Lehren der Kirche, die schon längst entschieden sind, Fragen in Dogma, Moral und Recht. Diese "Neuerer wollen sich ihren Lehrern nicht unterwerfen, sondern anmaßend etwas lehren was jene nicht gelehrt haben. Dabei dünken sie sich weiser zu sein als ihre Lehrer." (9)
Doch Gott weiß seine Feinde zu finden. Die Gottlosen werden umkommen, mögen sie auch üppig emporsprossen den Auen gleich. Sie werden vergehen, wie Rauch verschwindet (Ps 37,20) Vom Himmel her wird sich Christus mit seinem Engelheer offenbaren und Vergeltung an denen üben, die Gott nicht kennen und sich dem Evangelium seines Sohnes nicht beugen (2 Thess 1,7-8).
Zu den Stellen, an welchen von Satan dem Giftspeier die Rede ist, gehört auch Offb 12,15: "Das Weib floh in die Wüste, fern von der Schlange. Die Schlange spie aus ihrem Rachen Wasser dem Weibe nach, damit es von dem Strome fortgerissen werde." Es handelt sich hier nicht um gewöhnliches Wasser als Sinnbild der Gefahr, sondern um Gespei Satans, um die Lehre der Kirche zu verwirren und in ihr außergewöhnlich heftige Versuchungen zu erregen. Das erleben wir heute, da ihre eigenen Kinder sich nicht genug tun können an Verleumdungen und Anklagen, ohne das Positive zu sehen, was die Kirche im Laufe der Jahrhunderte geleistet hat.
Anmerkungen:
(1) Die alten Ausleger haben das Bild vom Gottlosen (Job 20,14-16), wo auch vom Gift der Schlange und der Galle der Ottern und vom Saugen am Kopf der Viper die Rede ist, angedeutet und in der Schlange den Satan gesehen. (2) Ischodadh von Merw. Komm. z. Gen. Louvain 1956, Seite 77. (3) Jakob von Sarug: Ausgewählte Briefe, Heiligenkreuz 1971, Brief 10, S. 20. (4) Brief 19, S. 23 f. (5) Brief 19, S. 44. (6) Prosper von Aquitanien: De ingratis PL 51 51,94. (7) Zwei Exegeten haben sich bisher bemüht, die dunklen Verse Spr 30,1 und 31,1 durch detaillierte Untersuchung aufzuhellen: Kornelius a. L. (Com. in Proverbia, Antwerpiae 1681) und Fr. Delitsch (Das Salomonische Spruchbuch, Leipzig 1873). Doch führt weder die allegorische Deutung auf Salomon noch die historisch-geographische Auslegung zum Ziele. Es empfiehlt sich daher nach dem Vorgang der Vulgata die rein bildhafte Erklärung (ohne Beziehung zu Salomon): Agur = Gesamtheit, wie Sibur im Talmud (Mischna Horajoth II,1). Ben Jaque = Sohn des Speiers, d.h. Anhänger Satans (von Qui speien). Leithiel = Lo ith El, d.h. nicht ist Gott. Lo Ith, Ochelkarsso = nicht ist der Teufel. Der zweite Teil dieser Bezeichnung Satans ist unterdrückt. Spr 31,1 ist zu übersetzen: Le Muel, d.h.. Worte für den Unerfahrenen, die seine Mutter ihn lehrte. Die Mutter ist -das Gesetz (Thora). Der Muel (von ja"al, unerfahren, töricht sein) ist der junge König, der erst erzogen werden muß. Spr 9,4: Wer unerfahren ist, der komme hierher, d.h. zum Mahl der Weisheit.
(8) Ephräm: Reden gegen die Grübler. Sermo III. Editio Caillau, Paris 1842, S. 304. (9) Derselbe, S. 310.
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