DIE HL. EMILIE DE RODAT - ZUM GEDÄCHTNIS AM 19. SEPTEMBER
von Heinrich Storm
"Ich stamme aus einer Familie von Heiligen. Wenn ich einige Tugenden habe, verdanke ich sie den guten Beispielen, die ich vor Augen hatte, und der guten Erziehung, die meine Angehörigen mir gegeben haben."
Mit diesem bemerkenswerten Geständnis beginnt die Autobiographie einer bedeutenden Heiligen des vorigen Jahrhunderts, der hl. Emilie de Rodat. Emilie de Rodat wurde 1787 als erstes Kind ihrer adeligen Eltern auf dem Stammschloß der Familie zu Druelle in Südfrankreich geboren. Ihre Kindheit fiel damit in die aufgewühlten Zeiten der Revolution und des Direktoriums mit ihren mannigfachen Verfolgungen der Kirche, die allerdings in Südfrankreich nicht dasselbe Ausmaß erreichten wie in der Hauptstadt Paris. Die stärksten Erziehungseindrücke empfing das heranwachsende Kind nicht im Elternhaus, sondern bei ihrer Großmutter und ihrer Tante, einer Klosterfrau, die die Revolution aus ihrem Konvent vertrieben hatte. Diese beiden frommen Frauen gaben Emilie durch ihr Vorbild die beste Anleitung zu einem christlichen Leben. Ihre Erziehung baute nicht in erster Linie auf Verboten und Strafen auf, sondern zielte vielmehr auf die Feinheit der Gewissensbildung ab. "Sie wachten über mich auf so feine Art, daß ich das größte Vergnügen an dieser Bewachung hatte", schreibt die Heilige später selbst.
Unter solcher Anleitung zeigte Emilie bald eine ihrem Alter nach ganz ungewöhnliche Reife und Frömmigkeit. Mit großer Freude gab sie sich schon jetzt dem Gebet und der Betrachtung hin. Besonders die Schönheit der Natur war ihr Anlaß, die Güte und Größe des Schöpfergottes zu preisen: "Ich liebte es, die Schönheiten der Natur zu betrachten und auf dem Land, am Rande eines Baches, zu meditieren." Diese frühreife Frömmigkeit wurde nur einmal, in der Jugend, durch eine Phase der Lauheit getrübt. Zwei Jahre lang ließ Emilie in ihren Gebeten und frommen Betrachtungen nach und wandte ihre Aufmerksamkeit und ihr Intersse stattdessen irdischen Vergnügungen wie Tanz, Festen und schönen Kleidern zu. Ein außerordentlicher Gnadenerweis machte ihr bereits nach zwei Jahren die Gefährlichkeit dieses ihres Weges in das wogende Auf und Ab menschlicher Gefühle und Eitelkeiten, die sie in ihrer Arglosigkeit nicht geahnt hatte, bewußt. In großer Reue über die vergangenen Jahre der Lauheit wandte Emilie sich mit umso größerer Entschiedenheit der geistlichen Vervollkommnung zu. "Indem Gott mein Herz, das er vollkommen zu sich hinwandte, rührte, gab er mir, ohne daß ich mich darum bemüht hätte, alle Tugenden."
Zwar war schon früh offensichtlich geworden, daß Gottes Gnade sich Emilie de Rodat zu einem besonderen Werkzeug auserkoren hatte, doch mußte diese noch einen langen und schweren Weg gehen, bis sie erkannte, auf welche Art und Weise sie ihre Berufung erfüllen sollte. Einige Jahre lebte sie, zusammen mit ihren beiden Ersieherinnen, in der Stadt Villefranche im Hause einer Mme St. Cyr, das einer Reihe von Nonnen verschiedener Ordensgemeinschaften, die alle durch die Revolution aus ihren Klöstern vertrieben worden waren, Zuflucht bot. Die gemeinsame Aufgabe dieser Ordensfrauen bestand in der Unterrichtung von Mädchen, doch ansonsten lebte jede ihren eigenen Interessen und, mehr oder weniger streng, der Regel ihres Ordens nach. Dieses lose Zusammenleben konnte dem Ideal Emilies, das auf die Vervollkommnung ihres Lebenswandels in der Abgeschiedenheit einer wahren klösterlichen Gemeinschaft ausging, nicht genügen. So trat sie 1809, nachdem ihr Beichtvater ihre klösterliche Berufung vier Jahre lang auf die Probe gestellt hatte, endlich in eine Gemeinschaft ein. Doch kaum hatte sie den so ersehnten Schritt vollzogen, als Ängste und Zweifel in einem bisher ungekannten Ausmaß sie überfielen. "Dichte Finsternisse erfüllten meine Seele. Ich wußte nicht, was aus mir werden sollte. Ich sah Fehltritte in meinem ganzen Leben. Meine Bedrängnis war groß."
In dieser Situation blieb ihr nichts anderes übrig, als wieder nach Villefranche in das Haus der Mme St. Cyr zurückzukehren. Noch zweimal wiederholte Emilie in den folgenden Jahren ihre Eintrittsversuche in anderen Häusern, doch jedesmal mit dem nämlichen Mißerfolg. Ihre innere Unruhe wuchs dabei immer mehr, weil sie nun von der Furcht gequält wurde, ihre eigene Unbeständigkeit und mangelnde Durchhaltekraft sei schuld an den gescheiterten Versuchen des Klostereintritts.
Daß es in Wahrheit Gottes Gnade war, die sie für andere Wege als die von ihr eingeschlagenen aufhob, wurde Emilie erst anläßlich eines eigentlich unbedeutenden Zwischenfalls klar: Sie wurde Zeuge eines Gesprächs ärmerer Frauen, die sich darüber beklagten, wie ihre Kinder mangels jeglichen Unterrichts in geistiger und vor allem religiöser Unwissenheit aufwüchsen. Mit einem Schlag sah Emilie ihren Weg vor sich: "Da versprach ich Gott in meinem Herzen, alles was von mir abhinge zu tun, um in Villefranche eine Einrichtung zur Unterrichtung armer Mädchen zu gründen." In diesem Augenblick war eine große religiöse Genossenschaft, die der Schwestern von der Hl. Familie, geboren.
Mit großem Eifer, ja mit Begeisterung, ging Emilie nun an die Ausführung ihrer Idee. Es dauerte nicht lange, bis sie einige junge Gefährtinnen gefunden hatte, die mit ihr ein Leben des Gebetes und der Unterrichtung der Armen führen wollten. Trotz aller Widerstände, die die Bevölkerung und vor allem der Klerus von Villefranche diesem Plan anfangs entgegensetzten, und der vielen damit verbundenen Demütigungen ließ sich die kleine, aber entschlossene Gemcinschaft nicht entmutigen. Es gelang ihr, obwohl zunächst alle Mittel fehlten, ein Haus zu mieten, wo sie schon bald die erste Klasse eröffnete und, so gut es unter den schwierigen Bedingungen des Beginns eben ging, ein Leben in klösterlicher Zucht und Abgeschlossenheit zu führen. "Dieses dunkle Haus wurde für uns zu einem Ort der Freuden, und Gott ließ uns erfahren, welches Glück es bedeutet, alles um seiner Liebe willen zu verlassen."
Die kommenden Jahre sahen eine allmähliche Festigung der Gründung Schwester Emilies, wie sie sich nun nannte, und ihrer Gefährtinnen. An Schülerinnen fehlte es wahrlich nicht, vor allem nicht an solchen, die aufgrund ihrer Armut keinen Pfennig für ihre Unterrichtung bezahlen konnten. Oft wußten die Schwestern nicht, woher sie das Lebensnotwendige für den nächsten Tag nehmen sollten, zumal die Gemeinschaft, zu der bald neue Mitarbeiterinnen stießen, in unbegrenztem Vertrauen auf die göttliche Vorsehung, ja gerade um ihren besonderen Segen auf sich herabzurufen, auch Waisenkinder unentgeltlich aufnahm. Trotz allem Mangel herrschte ein Geist wahrhaft christlicher Freude, die sich noch steigerte, als der jungen Gemeinschaft endlich eine Kapelle und die ständige Anwesenheit des Allerheiligsten zugestanden wurde. Gottes Segen ruhte sichtbar auf den Anfängen von Schwester Emilies Werk.
"Wen der Herr liebt, den züchtigt Er." Die Wahrheit dieses Wortes sollte Emilie de Rodat in ganz besonders hohem Maße erfahren. Denn von der Höhe äußerer und innerer Begnadungen stürzte sie mit einem Male in den Abgrund furchtbarer innerer Zweifel und Versuchungen. Den Zustand, in den sie durch diese Versuchungen versetzt wurde hat die Heilige uns selbst beschrieben: "Was den Glauben betrifft, so war er wie vernichtet. In Hinsicht auf die Hoffnung schien mir alles zu beweisen, daß ich verloren war, verlassen von Gott. Was endlich die Liebe angebt, so wurde Gott mir vorgestellt wie mein Feind. Diese Versuchung wurde jeden Moment durch den Anblick der indifferentesten Gegenstände aufgestachelt: eines Wurmes, eines Flohes und aller der verschiedenen Ungelegenheiten des Körpers. Die Irrtümer des Geistes, seine Schwäche und seine Leidenschaften vermehrten noch meine Pein."
Der Schmerz Schwester Emilies ob der Trostlosigkeit ihres inneren Zustandes war umso tiefer, als sie seit ihrer Jugend in der beständigen beseligenden Gewißheit der Gegenwart Gottes gelebt hatte, in der ihr nicht selten Augenblicke der Entrückung im betrachtenden Gebet zuteil wurden, die ihr wie der Himmel selbst vorkamen. Nun aber war ihre Verzweiflung manchmal so groß, daß sie nach ihrem eigenen Zeugnis bereits glaubte, das Böse habe sie auf immer überwunden, so daß sie sich für unfähig zu jedem guten Gedanken, Wort oder Werk hielt. Diese äußerste Prüfung ihres Geistes war nicht etwa nur von vorübergehender Dauer, sondern bedrängte sie bis einige Monate vor ihrem Tod, insgesamt über drei Jahrzehnte lang. Es war das geistige Martyrium dieser Heiligen, das in seiner Schwere kaum vor irgendeinem körperlichen Martyrium zurückstehen muß. Sicherlich gab es auch in dieser Nacht der Versuchungen Momente, in der ihre Seele wie durch einen Strahl der Gnade erleuchtet und erwärmt wurde. Später hat Emilie de Rodat selbst erkannt, daß die Seele in der Versuchung "eine Gnade empfängt, die sie im Moment nicht kennt, sich ganz der Barmherzigkeit Gottes zu überlassen, sich in seinen Schoß zu werfen, wo sie nicht untergehen könnte, wenn sie sich auch schon verloren glaubt oder sich auf einen unvermeidlichen Untergang gefaßt macht." Doch in den Versuchungen schienen alle diese tröstenden Gedanken wie verdunkelt und kraftlos vor dem Auge ihres Geistes.
Zu den inneren Prüfungen traten äußere hinzu: Eine rätselhafte Krankheit suchte die Gemeinschaft heim. Der Tod hielt unter den Schwestern eine so reiche Ernte, daß die Gründung in ihrem Fortbestand gefährdet schien, zumal niemand mehr seine Kinder zum Unterricht in das schwer heimgesuchte Kloster schicken wollte, aus Furcht, auch sie könnten ein Opfer dieser vermeintlichen Gottesgeißel werden. Kaum war diese Krankheit, von der Schwester Emilie verschont geblieben war, überstanden, als sie selbst von einem schweren körperlichen Leiden befallen wurde. An ihrer Nase bildete sich ein großes Geschwür, das sie viele Jahre lang quälte, nachdem drei hintereinander durchgeführte Operationen - von den damit verbundenen Schmerzen macht man sich heute kaum mehr eine Vorstellung - sich als wirkungslos heraugestellt hatten. Ein Magenleiden, das ihr die Nahrungsaufnahme zunehmend erschwerte, plagte sie bis zu ihrem Tode. So stellt sich uns die zweite Lebenshälfte Emilie de Rodat's als ein beständiger Leidensweg dar. Daß sich die Heilige von all ihren Prüfungen und Leiden nach außen hin nichts anmerken ließ, muß als ein wahres Wunder erscheinen.
Inzwischen nahm die neugegründete religiöse Gemeinschaft einen langsamen, aber beständigen Aufstieg. Im Jahre 1820 hatten die Schwestern die Ewigen Gelübde abgelegt. 1822 wurde bereits die erste Niederlassung in Aubin, einer Nachbarstadt gegründet, und beim Tode der Gründerin zählte die Kongregation nicht weniger als 35 Häuser und 300 Schwestern. Die Erweiterung der Aufgaben auf die Bereiche der Krankenpflege und der Obdachlosen- und Gefangenenfürsorge ließ bald eine Neuorganisation der Gemeinschaft geraten erscheinen: Sie wurde in einen Zweig mit und einen ohne Klausur gespalten. Während der letzte die Aufgaben der tätigen Nächstenliebe außerhalb des Klosters wahrnehmen sollt, blieb dem ersten, dem weiterhin das besondere Augenmerk der Gründerin galt, die ursprüngliche Aufgabe der Unterrichtung erhalten. Sein Zweck ist nach der Regel von 1832 "die Heiligung der Schwestern durch das Gebet, die Befolgung der Evangelischen Räte und die Erziehung von Personen weiblichen Geschlechtes." Dieser Kern der Gemeinschaft sollte nach dem erklärten Willen der Gründerin aus dem Geist strenger Klausur, nämlich des Abschlusses von allen schädlichen Einflüssen dieser Welt leben, um so umso freier zu sein für das Gebet und die Betrachtung, die sie als das wichtigste Mittel der Selbstheiligung ansah.
Schon zu ihren Lebzeiten wurde Emilie de Rodat als die Heilige von Villefranche de Rouergue angesehen. Die Bevölkerung der Stadt, die ihr einst keine geringen Schwierigkeiten bereitet hatte, sah mit Stolz und großer Verehrung zu ihr auf, besonders aber die Kinder, die in ihrem Kloster unterrichtet wurden. Sie folgten sogar ihren Fußstapfen, wenn sie vorbeigegangen war, indem sie voll Ehrfurcht sagten: "Unsere Mutter ist dort entlanggegangen." Mutter in noch umfassenderer Weise war Emilie de Rodat für die Schwestern ihrer Kongregation, die sie von Herzen liebte. "Ich starb mit denen, die starben, so sehr liebte ich sie", hat sie von der Zeit gesagt, in der die unheimliche Krankheit ihre Gemeinschaft dezimierte. Immer wieder bat sie ihre geistlichen Töchter, zu ihr das gleiche oder ein noch größeres Vertrauen zu haben als zu einer leiblichen Mutter: "Kommt zu mir, kommt zu mir, in der Nacht, am Tage, während meiner Gebete und meiner Betrachtung, ich werde immer voll und ganz für euch da sein."
Als Oberin und Erzieherin ihrer Gemeinschaft versuchte sie, den Schwestern soviel wie möglich von den eigentlichen Grundsätzen ihrer religiösen Selbsterziehung und der Erziehung der Kinder mitzugeben. Die Selbstheiligung der Schwestern stand für sie immer an der ersten Stelle ihrer Anliegen, als unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung aller weiteren Aufgaben: "Es ist eine Vorschrift des klösterlichen Lebens, die sich aus sich selbst ergibt, denn keine Aufgabe kann für eine dem religiösen Leben geweihte Seele die der Selbstheiligung überschreiten."
Daß die Selbstheiligung die Frucht eines schweren Kampfes ist, wußte niemand besser als sie selbst. In ihrer asketischen Haltung folgte sie dem Grundsatz: "Immer dem nacheifern, was mir am meisten Anstrengung kostet." Sich und die ihr anvertrauten Nonnen übte sie besonders in dem, was sie die "innere Ablötung" nannte, die darin bestand, daß sie nicht nur die Bedürfnisse des Leibes, sondern auch die Wünsche, Gedanken und Empfindungen ihres Geistes in strenge Selbstkontrolle nahm. Als ein Beispiel solcher innerer Abtötung erzählt sie in ihrer Lebensgeschichte: "Ich bemühte mich, meine Eile zu mäßigen. Wenn ich dann z.B. große Lust gehabt hätte, einen Brief zu lesen, so hätte ich bis zum nächsten Tag gewartet e.c. Ich erlaubte mir nicht, an einer Blume zu riechen. Ich erlegte meinen Augen Beschränkungen auf."
Nach ihrem eigenen Geständnis kostete sie der Kampf gegen den Stolz und die Selbstliebe die größte Anstrengung. Doch gerade hier war ihr Sieg so vollkommen, daß das Maß der Demut, des Gehorsams und der Selbstverachtung, das sie erreichte, unsere staunende Bewunderung erregen muß. Sie brachte es so weit, daß sie wahre Freude empfand, wenn sie ungerecht beurteilt und behandelt wurde und scheute sich nicht, als sie einmal ein Kind nach ihrem Dafürhalten zu heftig angefahren hatte, es auf den Knien um Verzeihung zu bitten, eine Geste, die - und dies ist ein weiterer Erweis ihrer Heiligkeit - ihrer Autorität in keiner Weise schadete. Ihre Demut äußerte sich auch in dem unbedingten Gehorsam, den sie ihrem Beichtvater und Seelenführer entgegenbrachte und der ihr in den Zeiten der ärgsten Versuchung zum rettenden Anker wurde: "Ich ließ mich durch den Gehorsam führen wie ein Tier ..." An einer anderen Stelle kann die große Seelenführerin und Lehrerin ihrer Schwestern von sich sagen: "Ich wollte, daß man mich führte wie ein kleines Mädchen."
Emilie de Rodat gehört zu den großen Heiligen des betrachtenden Gebets, doch hat sie anders als ihr Vorbild, die hl. Theresia von Avila, keine schriftlichen Aufzeichnungen über ihre mystischen Begnadungen hinterlassen. Es gibt jedoch genug Berichte, die davon zeugen, daß dieser von Gottesliebe brennenden Seele solche in reichem Maß zuteil wurden. Es kam vor: daß sie sich aus der Fülle innerer Begnadung heraus der ersten ihr begegnenden Schwester mitteilte, um sie an dem Feuer, von dem sie selbst so gewaltig brannte, zu entzünden: "Wie sehr wollte ich, daß euer Herz brennte vor Liebe zu Gott! Wie glücklich ist man, mein armes Kind, wenn man vollkommen liebt, wenn man nur Ihn sucht in allen Dingen! Glaubt mir, laßt alle Geschöpfe und liebt nur den Schöpfer! Liebt Ihn! Nehmt Ihn als euren einzigen Anteil, euren innigsten Freund! Liebt Ihn, Er hat euch zuerst geliebt. Liebt Ihn! Er liebt euch noch, Er will euch ganz für sich." Neben der mystischen Schau war der hl. Emilie auch die Gabe der Wunderkraft verliehen. Mehr als einmal wird berichtet, daß sich unter ihren Händen das Brot oder auch Geldmittel wunderbar vermehrten oder daß durch ihre Handauflegung Kranke gesund wurden.
Das Leben der hl. Emilie de Rodat, während langer Jahrzehnte von so ungeheuren Kämpfen erfüllt und von der Last des Amtes beschwert, endete in tiefstem Frieden. Das war wohl die letzte Gnade, die Gott der Herr seiner treuen Dienerin auf dieser Erde erwies. Wenige Monate vor ihrem Tode hörten die schweren Versuchungen so schlagartig auf, wie sie begonnen hatten. "Indem ich in mir einen Zustand großen Friedens vorfand, verstand ich, daß der liebe Gott mich aus dieser Welt hinwegnehmen und mir durch diesen Frieden eine größere Glut der Sehnsucht nach Ihm verleihen wollte." Von der Last des Amtes als Generaloberin ihrer Kongregation befreit, hielt sie noch einmal Rückschau auf ihr Leben. In den letzten Tagen ihrer schweren Krankheit diktierte sie ihrem Beichtvater auf dessen Anordnung ihre Lebensgeschichte, die für uns das wichtigste schriftliche Zeugnis ihres Lebens darstellt. Bis zur letzten Stunde blieb sie erfüllt vom Geiste der äußersten Entsagung. Als ihr Beichtvater sie aufforderte, Gott die größte Gnade, die Er ihr noch erweisen könnte, aufzuopfern, antwortete sie: "Sehr gern, mein Vater. Ich mäßige mein Verlangen nach dem Tode." Emilie de Rodat ging am 19. 9. 1852 in den Ewigen Frieden des Herrn ein. Am 23. April 1950 hat Papst Pius XII. sie feierlich unter die Schar der Heiligen eingereiht.
Literatur: Vie de la Mère Marie-Guillemette-Emilie de Rodat, Fondatrice de la Congrégation de la Sainte-Famille, dictée per elle-même à Monsieur l'Abbé Fabre 1958. Gaétan Bernoville, La Sainte du Rouergue, Emilie de Rodat, Fondatrice de la Sainte-Famille, Grasset 1959.
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