54. Jahrgang Nr. 7 / Dezember 2024
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VOLKSSPRACHE IN DER LITURGIE?
 
VOLKSSPRACHE IN DER LITURGIE?    

Ein Brief von Linus P.

                                                                                            (...) 1. Mai 1973
Hochwürdiger Pater (...)!

Grüß Gott

Vor (...) Wochen hatte ich in der von Ihnen betreuten (...)kirche (...) die Möglichkeit, die hl. Messe zu feiern, und zwar nach dem althergebrachten Ritus. Dafür möchte ich mich noch ausdrücklich bedanken. (...)

Daß ich bezüglich der Volkssprache eine ganz ablehnende Haltung an den Tag legte, konnten Sie (...) vielleicht mit Verwunderung feststellen. Es konnte damals das Gespräch umständehalber leider nicht weitergeführt werden. Deshalb möchte ich es soz. brieflich wieder aufnehmen. Das hat zumindest den Vorteil, daß Sie meine 'Argumente' besser überblicken und einstufen können.

Wenn ich mich recht erinnere, habe ich damals gesagt, daß die Volkssprache in der Liturgie durch päpstliche Lehräußerungen verboten ist. Genauer hätte ich sagen sollen, "die Einführung der Volkssprache in die Liturgie". Daß nämlich die entstehende Liturgie der katholischen Kirche muttersprachliche od. verkehrssprachliche Färbung (koinè) gehabt hat (=in der Volkssprache begonnen hat), ist das Natürlichste auf der Welt. Nur wissen wir nicht, in welchen Sprachen die missionierenden Apostel die Liturgie der neugegründeten Kirche gefeiert haben. Ob in den hl. Sprachen Hebräisch, Griechisch und Latein oder ob sie die Volkssprache mit einer entstehenden liturgischen Sprache vermischt verwendet haben.

Nun, wie dem auch sei, so kann doch nicht mit derselben Selbstverständlichkeit behauptet werden, es würde die Einführung der Volkssprache in die einmal geformte, gewachsene und meinetwegen erstarrte Liturgie nichts ausmachen. Nach rein menschlichen Überlegungen, wenn nur an ein billiges Verstehen gedacht wird, kann vielleicht die Volkssprache als ebenbürtig oder besser hingestellt werden. Jedoch für einen Katholiken, der ein unfehlbares Lehramt der Kirche hat, gilt auch noch eine andere Logik. Diese andere Logik ist oft eine 'Torheit' für die Vernunft. Doch diese 'Unvernunft' stützt sich auf das Wissen Gottes und ist deshalb für einen Katholiken ausschlaggebender als jede andere noch so einleuchtende Überlegung.  

Was ich damit sagen will, ist: Das Lehramt der Kirche verbietet mir die Annahme der Meinung, daß die Volkssprache in die Liturgie eingeführt werden sollte/müßte (lat.: inducendae). Diese Ansicht ist von Papst Pius VI. in der Konstitution "Auctorem fidei" mit theologischen Zensuren versehen worden. Diese Zensur muß ich - nach Scheeben - für die (wenigstens) zutreffende halten, und ich darf den Satz weder verbo noch opere gutheißen. Ich darf also nie mehr als richtig ansehen: "Die Volkssprache sollte in die Liturgie (eigentlich genauer: in die liturgischen Gebete) eingeführt werden", sondern nur noch das kontradiktorische Gegenteil: "Die Volkssprache darf nicht in die Liturgie eingeführt werden." Natürlich darf ich die Volkssprache in den liturgischen Gebeten auch nicht gebrauchen, wenn sie von anderen eingeführt worden ist. Denn Voraussetzung dafür wäre ja die gedankliche Vor-Entscheidung, daß die Volkssprache das Angebrachtere sei.

Dazu (= zur Annahme des Lehrsatzes) verpflichtet mich nicht ein Dogma im strengen Sinn, sondern die Unfehlbarkeit des Papstes in den Dingen, die mit Glaube und Sitte zusammenhängen. Eine Entscheidung wie die angeführte ist nach den Begriffen des Vatikanum I nicht eine veritas credenda, sondern eine veritas tenenda. Praktisch bin ich jedoch genau so sicher wie bei einem formellen Dogma. Der geleistete Glaubensakt ist eine fides ecclesiastica, nicht eine fides divina; mehr ein Gehorsamsglaube als ein Offenbarungsglaube.

Darauf bin ich natürlich nicht selbst gekommen, auch wenn ich es wohl seinerzeit im Studium gelernt habe. Aber jetzt mußte ich mich mit dieser Frage neu auseinandersetzen, gestützt auf anerkannte Autoren. So sagt z.B. Seheeben (Katholische Dogmatik I, Herder 1948) "Die höchstrichterlichen oder dogmatischen Zensuren von Lehren oder Sätzen verpflichten nach katholischer Lehre jeden Katholiken zunächst unter dem strengsten kirchlichen Gehorsam zur unbedingten innerlichen Anerkennung der Verwerflichkeit jener Sätze und sie gewähren auch vermöge der Unfehlbarkeit der kirchlichen Lehrgewalt in rebus fide et morum die unbedingte Gewißheit, daß die Lehren oder Sätze verwerflich, und zwar in der Weise verwerflich sind, wie sie im Urteil bezeichnet werden." (Nr. 579)

"Die höchstrichterlichen Zensuren verpflichten weiterhin nicht bloß kraft des kirchlichen Gehorsams allein, sondern auch infolge der durch die Zensur gewonnenen zweifellosen Kenntnis von der Verwerflichkeit der betreffenden Sätze oder Meinungen unter einer Todsünde, diese Sätze und Meinungen auch wirklich zu verwerfen, d.h. die Sätze vom Munde, die Lehren, inwiefern sie selbst direkt oder indirekt durch die Zensur des Satzes getroffen sind, vom Herzen auszuschließen, mithin zum mindesten sie nicht mehr positiv für wahr oder wahrscheinlich zu halten." (Nr. 582)

"Aus der Verpflichtung, die zensurierte Lehre zu verwerfen, folgt mit evidenter Notwendigkeit, und zwar bei allen Zensurnoten, daß man die der verdammten Lehre gegenüberstehende contradictoria als gesunde und erlaubte, ja als die einzig gesunde und erlaubte Lehre anzusehen hat, und folglich diese nicht nur annehmen darf, sondern auch wofern man über den Fragepunkt ein Urteil fällen will, annehmen muß." (Nr. 584)

"Das souveräne Urteil hingegen, welches von dem unmittelbaren und vollkommenen Stellvertreter Gottes ausgeht (Anm.: Scheeben spricht unmittelbar davor von den untergeordneten Richtern) und seiner Natur nach ein Endurteil sein soll, muß der Natur der Sache gemäß schlechthin unantastbar und unwidersprechlich (peremptorium et irrefragabile) sein, d.h. unbedingt die Pflicht der gehorsamen inneren Zustimmung auferlegen. Darum muß ihm aber auch der Beistand des Heiligen Geistes nicht bloß präsumptiv, sondern unbedingt so beiwohnen, daß es unfehlbar das iudicium Spiritus Sancti repräsentiert, und damit in sich selbst unfehlbar wahr ist, also auch niemals und in keiner Weise, selbst nicht von dem Inhaber der höchsten Autorität selbst, umgestoßen oder reformiert zu werden braucht, oder reformiert werden darf und kann (iudicium irreformabile et irretractabile). Ebenso muß hier kraft der Wirksamkeit des Heiligen Geistes jede Exzeption wegen illegitimen Verfahrens ausgeschlossen sein, weil sonst das Endurteil als solches niemals zustandekommen und sich geltend machen könnte." (Nr. 473)

Unter den "verschiedenen äußeren Formen der Entscheidungen ex cathedra" (Nr. 507) führt Scheeben unter den "Hauptformen, in welchen namentlich nach dem neueren Stil Entscheidungen ex cathedra gegeben werden" an erster Stelle aus: "1. Die feierlichste und ausgeprägteste Form bilden die sog. Dogmatischen Konstitutionen oder Bullen, welche die Urteile ausdrücklich in Form allgemeiner und mit strengen Strafen sanktionierter Kirchengesetze aufstellen und promulgieren, z.B.. die Konstitutionen "Unigenitus" und "Auctorem fidei" gegen die Jansenisten, und "Ineffabilis Deus" über die Unbefleckte Empfängnis." (Nr. 507 u. 508)  

Sie wissen selbst, hochwürdiger P. (...), daß Scheeben einer der großen Theologen ist. Was ich aus seiner Dogmatik angeführt habe, ist nichts Unbekanntes oder Neues in der katholischen Theologie, sondern selbstverständliche katholische Überzeugung. Nur findet man nicht in jeder Dogmatik diese Fragen so explizit behandelt, es ist eben nicht jedes Buch gleich. Aber wesentlich ist doch dieses, daß keine Kontroverse über diese Fragen besteht. Ich darf also, wenn ich Scheeben folge, sagen, daß ich der gesunden, approbierten Lehre der Kirche folge.

Wenn ich nun, mit diesen Grundlagen ausgerüstet, einen Satz aus der dogmatischen Konstitution "Auctorem fidei" (28. Aug. 1794) herausnehme und ihn auf seine Glaubwürdigkeit und innere Gesichertheit untersuche, so komme ich zu keinem anderen Ergebnis in meinen Überlegungen, als daß ich den von Pius VI. verurteilten Satz ebenfalls mit Herz und Mund verwerfen muß. Denn sein Gegenteil ist die gesunde und einzig erlaubte  katholische Lehre über den fraglichen Punkt.

Da es um die Verwendung der Volkssprache geht, nehme ich folgenden Satz (propositio 66) heraus: "Die Propositio, welche behauptet, 'es sei gegen die apostolische Praxis und die Ratschlüsse Gottes, wenn dem Volk nicht leichtere Wege bereitet würden, seine Stimme, mit der Stimme der ganzen Kirche zu vereinigen', verstanden von der Verwendung der Volkssprache, die in die liturgischen Gebete eingeführt werden sollte/müßte: ist falsch, verwegen, die vorgeschriebene Ordnung zur Feier der Geheimnisse störend, viele Übel leicht hervorbringend." (Dz. 1566 od.2566)

Durch diese propositio werde ich über folgendes belehrt:
1. Die Volkssprache darf nicht in die liturgischen Gebete eingeführt werden. (Das erscheint mir als der Kern des Lehrsatzes.) Es müssen darunter ohne Zweifel die Meßgebete verstanden sein, denn wo wollte sonst das Volk seine Stimme mit der Stimme der ganzen Kirche vereinigen wollen?
2. Wenn durch die Nicht-Einführung der Volkssprache in die liturgischen Gebete dem Volk nicht leichtere Wege bereitet werden, seine Stimme mit der Stimme der ganzen Kirche zu vereinigen, so ist das nicht gegen die apostolische Praxis (=Praxis der Apostel?) und auch nicht gegen die Absichten Gottes, sondern ganz in Ordnung und in Übereinstimmung mit der Praxis der Apostel und den Absichten Gottes.

Nach der Anführung aller 85 Thesen heißt es in der Bulle: "Wir gebieten daher allen Christgläubigen beiderlei Geschlechts, daß sie hinsichtlich der genannten Propositionen und Lehren sich nicht erkühnen, anders zu denken, zu lehren und zu predigen, als in dieser unserer Konstitution erklärt wird; sodaß jeder, der sie, oder auch nur eine von ihnen, gemeinsam, oder auch getrennt, lehren, verteidigen oder herausgeben sollte oder über sie auch (nur) im Disput, sei es öffentlich oder privat, handeln sollte, außer um sie zu bekämpfen, den kirchlichen Zensuren und den übrigen Strafen, die vom  Recht gegen ähnliche Vergehen festgesetzt sind, ipso facto, ohne eine andere Erklärung, unterliegt." (Dz. 1594 od. 2694)

Ich glaube - bes. aus dem letzten Passus geht dies hervor -, daß der Papst hier ein endgültiges Urteil ausspricht und aussprechen will. Er erlaubt keine andere Meinung mehr als eine solche, die mit ihm den verurteilten Satz ebenfalls verwirft. Wer darüber disputieren will, darf es nur insofern, als er den Satz bekämpfen will. Man kann also nicht einmal mehr 'darüber diskutieren', wie es heute so beliebt ist. Es läßt sich nichts machen, als ihn abzulehnen. Die Debatte ist abgeschlossen, die Mehrheit steht fest, damit ist für immer und ewig die Sache klar.

Dürfte man aber nicht vielleicht heute, nach so vielen Jahrzehnten seit Pius VI. nicht neue Erkenntnisse in dieser Frage ins Feld führen und somit dem Satz für heute die Verpflichtung absprechen? Etwa mit dem Hinweis: 'Damals mußte die Kirche so  streng einschreiten, weil so viel daran gehangen ist, d.h. nach sich gezogen hat.'? Dann würde aber damit gesagt sein, daß das damalige Urteil nicht endgültig gewesen wäre. Dafür ist aber gar kein Anhaltspunkt gegeben. Der müßte sich in der Konstitution finden. Es ist aber keiner zu finden.

Es würde ferner damit gesagt sein, daß der Heilige Geist, auf dessen Beistand wir doch in solchen Fällen bauen, selbst nicht gewußt hätte, was wahr sei und deshalb unveränderlich, daß er die künftige Entwicklung nicht vorausgesehen habe und dem Papst bei seiner Entscheidung für die ganze Kirche, wo Glaubensgehorsam verlangt wird, nicht beigestanden sei, sondern ihn und die ganze Kirche schmählich im Stich gelassen und vor aller Welt blamiert hätte. Wie leicht hätte er es doch verhindern können, daß solche und ähnliche Propositionen in "Auctorem fidei" keinen Platz gefunden hätten. So würde heute alles viel leichter gehen.

Zugegeben, bis dahin (= 28. Aug.1794) gab es z.T. andere Praktiken. Jedoch, damals war die Frage doktrinell noch nicht entschieden und man konnte frei(er) darüber denken und handeln, falls für Letzteres die Erlaubnis gegeben wurde (vgl. Cyrill und Methodius). Ab obigem Datum, aber, da die Kirche durch äußere Umstände sich veranlaßt sah, eine allgemein verbindliche Auskunft zu geben, ist man in der Meinung und im Handeln nicht mehr frei, sondern an die neue Erkenntnis gebunden.

Außerdem zugegeben, die behandelte Frage gehört nicht zu den veritates per se revelatae (objectum infallibilitatis primarium) (durch sich geoffenbarten Wahrheiten - besonderer Gegenstand der Unfehlbarkeit), sondern zu den veritates per se non revelatae quae cum revelatis necessario connexae sunt (objectum infallibilitatis indirectum vel secundarium) (den nicht durch sich geoffenbarten Wahrheiten, die aber mit den geoffenbarten notwendig verbunden sind - indirekter oder zweiter Gegenstand der Unfehlbarkeit). Sie ist eine Frage so zwischen Glaube und Sitte gelagert, aus dem Gebiet der Liturgie hinsichtlich ihrer äußeren Gestaltung, also eine Art disziplinäre Sache. Aber es wird nicht einfach eine Verhaltensnorm vorgeschrieben (Sitte), sondern auch eine Überzeugung gefordert (Glaube). Auch auf dem Gebiet des objectum infallibilitatis secundarium entscheidet der Papst unfehlbar; das sagt ja schon der Name. Nur die Glaubensart ist anders als bei Dogmen in Reinkultur. Dort ist etwas de fide divina, hier nur etwas de fide ecclesiastica zu glauben bzw. festzuhalten. Beide 'Glauben' aber haben letztlich Gott als festes Fundament, der die Kirche in solchen Aussagen, die die Kirche auf eine Überzeugung verpflichten, nicht im Stiche lassen kann.

Wie steht es nun heute? Die Volkssprache ist eingeführt! Schön längst, aber sicher. Bis zum totalen Ersatz der ehemals liturgischen Sprache. Mit welchem Recht? Ich finde meine Berechtigung, wenn ich "Auctorem fidei" kenne. Ich sehe es als ein Unrecht an, eine klare objektive Sünde, eine Sünde wider den Heiligen Geist. "Auctorem fidei" kennen heißt in der beantworteten Frage die Wahrheit kennen. Das Konzil kann hier nur das für sich buchen, daß es gesagt hat daß "der Gebrauch der lateinischen Sprache in den lateinischen Riten erhalten bleiben soll", es hat aber den Volkssprachen zugleich "einen weiteren Raum", zugebilligt. Darin liegt die Wurzel des Übels, das auf uns lastet. Alles beruft sich auf das Konzil. Aber worauf kann sich diesbezüglich das Konzil stützen? Auf Pius VI. etwa? O nein, es gefährdet vielmehr seine Entscheidung durch Zugeständnis und Aufweichung. Das konnte nicht gut ausgehen, und es ist auch nicht gut ausgegangen. Als ob auf so etwas der Segen Gottes ruhen könnte!

Noch eklatanter als gegen die zitierte Propositio 66 von "Auctorem fidei"  hat sich das Konzil gegen die Propositio 33 (Dz. 1533) der gleichen dogmatischen Bulle verfehlt. Diese lautet:

"Die propositio der Synode (sc. von Pistoja), durch die sie zeigt, daß sie wünscht, daß die Gründe beseitigt werden, durch die teilweise ein Vergessen der Prinzipien hervorgerufen würde, die sich auf die Ordnung der Liturgie beziehen, dadurch daß man sie zu einer größeren Einfachheit in den Riten zurückführt, daß man sie in der Volkssprache darbietet und sie mit lauter Stimme vorträgt, gleichsam als ob die gegenwärtige liturgische Ordnung, die von der Kirche angenommen und gebilligt ist, in irgendeiner Hinsicht aus einem Vergessen der Prinzipien gekommen wäre (manasset), durch die sie eigentlich geleitet worden sollte: - ist verwegen, piarium aurium offensiva, schmachvoll für die Kirche und begünstigt die Schmähungen der Häretiker gegen sie." (Dz 1533 od. 2533)

Die Pistorianer sagen also, etwas einfacher ausgedrückt:
a) Es gibt Prinzipien hinsichtlich der liturgischen Ordnung, die in Vergessenheit geraten sind und die wiederhergestellt werden müßten.
b) Das erste dieser vergessenen Prinzipien ist: Größere Einfachheit in den Riten (welche also wiederherzustellen sei).
c) Ein zweites dieser vergessenen Prinzipien: Vortrag der Liturgie in der Volkssprache.
d) Ein drittes dieser vergessenen Prinzipien: Vortrag der Liturgie mit lauter Stimme (was sich nur auf die bis dahin still oder gedämpft gesprochenen Teile der Messe beziehen kann). Dabei haben natürlich die Pistorianer den Vortrag der Liturgie in der Vollssprache im Auge, in der gewohnten Kultsprache wurde ja genug laut gesagt.

Pius VI. verwahrt sich gegen solche Anschuldigungen und sagt, daß die gegenwärtige Ordnung der Liturgie zu keinem Teil (in keiner Hinsicht) aus einem Vergessen von Prinzipien herzuleiten ist, durch die sie geleitet werden sollte. Sie ist vielmehr nach richtigen Prinzipien gestaltet, von der Kirche angenommen und gebilligt.

Er verwirft also die Prinzipien der Pistorianer für die Liturgie (Vereinfachung der Riten, Volkssprache, lauter Vortrag) als eine Schmach für die Kirche, als verwegen etc. Er verbietet kraft seines höchstrichterlichen Urteils jedem Christgläubigen, irgendeines dieser Prinzipien als richtig oder angemessen festzuhalten. Sie sind einfach unannehmbar und indiskutabel.

Ich meine allerdings, daß Papst Pius VI. speziell bei der Vereinfachung der Riten nur die Generalität der Forderung verurteilen will. Er wird wohl nicht sagen wollen, daß kein Ritus jemals geändert werden und auch vereinfacht werden könnte. Er verurteilt das Zusammenstutzen und Vereinfachen, weil ein falsches Prinzip dahintersteht: Die Ansicht, die bestehende Fülle der Riten sei unangebracht und aus einem Vergessen der richtigen Grundlagen für eine gute Liturgie entsprungen.

Das Konzil hat sich nun klar; (soz. im Wortlaut) gegen einen Teil des von Pius VI. verurteilten Satzes ausgesprochen. Es spricht nämlich ganz allgemein von einer Vereinfachung der Meßordnung der Riten, die unternommen werden soll. "Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein." (Nr. 33 der Liturgie-Konstitution) Das heißt in gewöhnlichem Deutsch: "Die Riten müssen vereinfacht werden, damit sie den Glanz edler Einfachheit an sich tragen." Ich kann nicht erkennen, wodurch sich die Forderung des Konzils und die Forderung der Pistorianer voneinander unterscheiden. In der Sache erheben beide Gremien die gleiche Forderung. Das Konzil sagt es nur feierlich und poetisch, die Propositio nüchtern und kurz. Von beiden Seiten klingen die gleichen Vorwürfe gegen den bestehenden Ritus durch: Er glänzt nicht durch edle Einfachheit, ist nicht knapp, nicht durchschaubar, er enthält unnötige Wiederholungen

Die Vollssprache und der laute Vortrag war im Konzil noch nicht gefordert, aber sie waren wohl im Hintergrund. Wenn nämlich alles lateinisch bleiben sollte, wozu sollten denn die Riten vereinfacht werden? Um des Volkes willen, des Priesters willen, um abstrakter Erkenntnisse der Liturgiewissenschaft willen oder um Gottes willen, dem man endlich einmal eine Liturgie vorlegen wollte, die sich sehen lassen kann? Hinter der Vereinfachung stand schon das Fernziel: die Volkssprache in der Liturgie. Um ihretwillen mußte die tridentinische Messe zur Ader gelassen werden, bis sie auch für den Vortrag in der Muttersprache erträglich einfach war, gereinigt von unnötigen Verdoppelungen, von im Laufe der Zeit weniger günstig hinzugekommenen Riten ect. (Nr. 21 u. 34).

Daß ich dem Konzil nicht Unrecht tue, wenn ich sage, das Fernziel (wenigstens für den Weiterblickenden) der Ritenvereinfachung sei die volkssprachlichen Liturgie gewesen, beweist Papst Paul VI. Er selbst sieht nämlich den Novus Ordo Missae als eine Erfüllung eines Konzilswunsches, als Erfüllung von Konzilsforderungen an (Generalaudienz vom 16. Nov. 1969). Der lateinische neue Ritus ist hierbei nur als Basis gedacht, als Grundlage, auf der die muttersprachlichen Texte ruhen. Denn eine gemeinsame Grundlage für alle volkssprachlichen Texte muß es dann ja doch geben. Dazu war Latein einfachhin das Gegebene. Aber ansonsten hat er keine praktische Bedeutung mehr. Denn in der Praxis gibt es nur noch Muttersprache in der Liturgie. Daran ist nicht zu zweifeln. Auch daran kann nicht gezweifelt werden, daß das Konzil die Berufungsinstanz für alle ist, die die Volkssprache in der Liturgie verteidigen.
Hochwürdigor P. (...)! Können Sie nun verstehen, warum die sog. Traditionalisten sich so vehement und grundsätzlich gegen die Neuerungen seit dem Konzil wehren und insbesondere gegen die Neue Messe? Weil die Neuerungen aus einer angefaulten und schlechten Wurzel kommen (schwerer Ungehorsam gegen unfehlbare Entscheidungen) und darum kein Recht haben zu existieren. Die Liturgiekonstitution ist der erste Erlaß des Vatikanum II. Dieser erste Anlaß enthält Widersprüche zu früheren päpstlichen unwiderruflichen Weisungen; Widersprüche, die eine Einzelperson früher nie so deutlich auszusprechen gewagt hätte. Was aber einem Einzelnen nicht erlaubt ist, kann in solchen Fällen (wie ja Scheeben klar sagt) auch Papst und Bischöfen im Konzil nicht erlaubt sein. Ist es mithin ein Unrecht, wenn das Konzil als Ganzes ignoriert wird? Ist es nicht vielmehr klare Pflicht? Denn kann ein schlechter Baum noch gute Früchte tragen? Hat sich nicht das Konzil selbst sein ganzes ihm sonst gebührendes Vertrauen gestohlen, indem es gleich seine erste Konstitution verdarb durch Gutheißung, Empfehlung und Anordnung verderblicher, klar verurteilter Grundsätze? So wurde das Konzil ein schlechter Baum, und an den Früchten der Verwirrung, der Unsicherheit, des Ärgernisses, des Abfalls kann man erkennen, was man von ihm halten muß.

Ist es nicht auffällig, daß die einschlägigen Präpositionen von "Auctorem fidei" keinerlei Zitation in den Konzilstexten der Liturgiekonstitution finden? Da wären nämlich einem Blinden die Augen aufgegangen. Das war aber nicht erwünscht. Das angestrebte Ziel war ja, die bisher so unterdrückten volksfreundlichen Bestrebungen endlich einmal die Oberhand gewinnen zu lassen. Wie sollte man es sonst erklären, dieses ungewöhnliche Schweigen? "Auctorem fidei" war ein peinlicher 'Fall' der Kirchengeschichte, den man nicht an die Öffentlichkeit zerren durfte

Sie sehen, daß mich nicht ungewichtige Gründe zu meiner Haltung bewogen haben. Ich selbst habe zuerst alles Neue begeistert mitgemacht. Aber beim Vergleich gewisser früherer Entscheidungen der Päpste (eben des Lehramtes der Kirche, das als solches gesprochen hat) - und des Konzils (das nicht als Lehramt sprechen wollte, weil es nur als Pastoralkonzil gedacht war) komme ich nur zu dem Schluß: Die entscheidenden Neuerungen sind samt ihrem Gefolge ungerechtfertigt. Denn es gibt in einem Punkt nur eine Wahrheit (natürlich in gleicher Hinsicht gesehen). Wenn Worte noch ihr Gewicht haben, wenn die Entscheidungen Pius' VI. unfehlbare Äußerungen sind und deshalb selbst für einen Papst unwiderruflich sind, dann muß ich die Neuerungen, die diesen Lehräußerungen widersprechen, verwerfen. So leid es mir tut.

Ich habe Ihnen nun per longum et latum die Gründe für meine Haltung dargelegt. Es ist mehr geworden, als ich dachte. Doch dafür glaube ich, daß Sie umso deutlicher sehen, was mich bewegt und mir unklar ist. Vielleicht habe ich Unrecht. Es wäre mir fast lieb, ich wäre im Unrecht und könnte mich bedenkenlos den Neuerungen in der Kirche ausliefern. Aber ich bringe es einfach nicht fertig. Und so schließe ich mich selbst aus dem derzeitigen kirchlichen Leben aus. Aber besser das, als sich um des leichteren Existierens willen von der klar erkannten Wahrheit zu trennen und sich der Fragwürdigkeit auszuliefern.

Bitte, Pater (...), mir zu schreiben, ab meine Sicht der Lage stimmt oder ob sie falsch ist und inwiefern. Ich stehe auf der Seite eines Papstes, Pius VI., daran ist nicht zu zweifeln. Aber ich könnte seine Entscheidungen mißverstanden und falsche Schlüsse daraus gezogen haben. Es könnte ferner trotz allem äußeren Anschein ein grundlegender Unterschied in den Bestrebungen und Forderungen von Pistoja und vom Konzil bestehen, auch wenn der Wortlaut und das Ergebnis so ähnlich sind.

So empfehle ich mich denn Ihrem Gebet.

Ihr in Christo ergebener
Linus P.

Der Pater, an den der Brief gerichtet war, hat bis dato noch nicht reagiert, obgleich er sich beim Gespräch sehr interessiert gezeigt hat. - Ich bitte deshalb die Leser der EINSICHT, mich auf jede Schwäche in der Argumentation aufmerksam zu machen.

 
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