Zur derzeitigen Situation der Kirche
Werner Olles im Interview mit Eberhard Heller
Anmerkung:
Das folgende Interview ist gedacht für Leser der "Jungen Freiheit",
einer politischen Wochenzeitung, die sich neben ihrer spezifisch
politischen Aufgabe auch der Klärung der geistig-religiösen
Hintergründe widmet, durch die erst die desaströse Situation, in der
wir uns schon seit geraumer Zeit befinden, transparent wird. Die
Redaktion der "Jungen Freiheit" hat gegen einen Vorabdruck in unserer
Zeitschrift keine Einwände. Die folgenden Ausführungen richten sich an
all jene, die als Leser erst in letzter Zeit zu uns gestoßen sind. Ich
hoffe, durch die Entfaltung bestimmter Probleme den Zugang zu der von
uns vertretenen kirchlichen Position zu erleichtern.
Eberhard Heller
***
Olles: Wie bewerten Sie die Lage der katholischen Kirche zu Beginn des neuen Jahrtausends?
Heller: Wenn Sie von der "kath. Kirche" reden, meinen Sie jenes
Religionsinstitut, das durch die Reformen des II. Vatikanums zur sog.
Konzils-Kirche mutiert ist, die trotz des Namens "römisch-katholische
Kirche" mit der vor-konziliaren kath. Kirche nicht mehr identisch ist.
Die Reformen des II. Vatikanums und die sich an sie anschließende
Entwicklung im Geiste dieses Konzils stellen in vielfacher Hinsicht
einen Bruch mit der 2000-jährigen Tradition der Kirche dar, der nach
außen nur noch durch die Beibehaltung ihres Erscheinungsbildes,
bestimmter Lehrinhalte und der hierarisch-juridischen Strukturen der
früheren Kirche verkleistert wird.
Diese Mutierung der Kirche Jesu Christi zur 'Konzils-Kirche' ist
bewirkt worden durch die Verfälschung der Sakramentsriten oder deren
Uminterpretation, die Leugnung von Dogmen, durch semantischen Betrug,
durch Relativierung der moralischen Normen und durch die Aufgabe des
Absolutheitsanspruches der Kirche als Trägerin und Bewahrerin der
geoffenbarten göttlichen Heilswahrheiten. Johannes Paul II. sieht sich
nur noch als Führer einer von vielen gleichberechtigten
Religionsgemeinschaften, mit denen er "Gott" anbetet, womit er implizit
die Trinität leugnet. Für ihn listet ein amerikanischer Autor gleich
101 Häresien auf!
Um diese, sicherlich ungeheuerlich klingenden Behauptungen zu belegen,
erlaube ich mir, zwei Konzilsdokumente und das Urteil eines sicherlich
unverdächtigen Zeugen zu zitieren. In "Nostra Aetate", Art. 3 heißt es:
"Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den
alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden,
barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der
zu den Menschen gesprochen hat". Diese Position wird in "Lumen
gentium", 16. Kap. präzisiert: "Der Heilswille umfaßt aber auch die,
die den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die
sich zum Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einen Gott
anbeten". Diesen Verzicht auf den Absolutheitsanspruch der Kirche
verdeutlichte Paul VI., als er l970 erklärte: "An dem Konflikt (d.i.
dem Nahost-Konflikt) sind drei Religionen beteiligt, die alle den
wahren Gott anerkennen: das Volk der Juden, das Volk des Islam und
dazwischen das über die ganze Welt verbreitete christliche Volk. Sie
verkünden mit drei Stimmen den einen Monotheismus. Sie sprechen höchst
authentisch, höchst ehrwürdig, höchst geschichtlich, höchst
unverwüstlich, höchst überzeugend." Dieser nach-konziliare Sinneswandel
wird u.a. von Prof. P. Claude Geffre OP, Dekan der theologischen
Fakultät von Saulchoir in "Le Monde" vom 25.1.2000 bestätigt: "Beim II.
Vatikanischen Konzil entdeckte und akzeptierte die katholische Kirche,
daß sie nicht das Monopol der Wahrheit besitzt, daß sie ihr Ohr für die
Welt öffnen muß. (...) Jene (Religionen), die sich diesen legitimen
Ansprüchen widersetzen, sind dazu verurteilt, sich zu reformieren oder
zu verschwinden." Dagegen sagt Christus: "Keiner kommt zum Vater außer
durch mich" (Jo 14,6); denn "wer den Sohn nicht hat, hat auch den Vater
nicht!" (1 Jo 2,23). Da gibt es keinen Spielraum für 'Toleranz'!
Es kann also nicht sein, daß ein Papst oder das Lehramt der Kirche
Positionen, die sie unter Berufung auf die Offenbarung der göttlichen
Wahrheit aufgestellt haben und die bis vor kuzem galten, einfach in ihr
Gegenteil verkehren oder verfälschen, ohne diese göttliche Wahrheit als
absolute Instanz bzw. sich selbst als Bevollmächtigte dieser
instituierten Wahrheit aufzuheben. Was bis gestern in der kath. Kirche
galt, muß auch noch heute und morgen in ihr gelten.
Um die Veränderungen, die sich seit dem II. Vatikanum fast geräuschlos
vollzogen haben, an einem einzigen Beispiel, das schon der Endpunkt des
moralischen Verfalls ohnegleichen darstellt, schlaglichtartig zu
beleuchten, verweise ich auf die allgemeine Zustimmung zur Abtreibung,
in deren Ausführung auch die 'Konzils-Kirche' in Deutschland - durch
die Ausstellung des sog. Beratungsscheines, der zu nichts anderem
diente, als straffrei abtreiben zu können (der auch als
"Tötungs-Lizenz" apostrophiert wurde - bis vor kurzem involviert war.
Gerechterweise muß man sagen, daß dieser offiziell von der Hierarchie
verfolgte Kurs von vielen nicht durchschaut wird. Das Kirchenvolk ist
im allgemeinen immer noch der Meinung, die 'Konzils-Kirche' sei die
wahre Kirche Christi, zumal die verfälschenden Reformen das
theologische Verständnis einfacher Gläubiger übersteigen und der
semantische Betrug sukzessive erfolgte. Von der jüngeren Generation,
die den alten Glauben, die alte Liturgie nicht mehr kennen gelernt
hatte, blieb er überhaupt unbemerkt, da die Reformen inzwischen ja auch
schon ihre eigene Tradition haben. Für sie ist die 'Konzils-Kirche' die
kath. Kirche geblieben. Sie haben - auch wegen des Versagens der
konservativ-orthodoxen Kräfte - nichts anderes kennengelernt. Keiner
der einfachen Gläubigen kennt heute mehr die theologisch-dogmatischen
Unterschiede zwischen der (wahren) katholischen und der
protestantischen Position. Die älteren Gläubigen haben sich an die
liturgischen Reformen gewöhnt, unterlegen ihnen aber häufig nach wir
vor die früheren Glaubensvorstellungen. Die Messe bzw. 'Messe' wird in
den jeweiligen Landessprachen zelebriert und kaum jemand ahnt, daß
diese 'Messen' auf Grund bestimmter Verfälschungen ungültig sind. Da,
wo die Reformen nicht als Revolution erkannt wurden, hat diese 'Kirche'
sogar teilweise ihre gesellschaftlich stabilisierende Funktion
beibehalten z.B. in vielen ländlichen Gemeinden.
So finden Sie heute in der 'Konzils-Kirche' eine Bandbreite vor von
wirklich programmbewußten Revolutionären, zu denen ich auch Johannes
Paul II. zähle, was auch von dem italienischen Insider-Journalisten
Messori bestätigt wird, bis hin zu emotional noch katholisch
eingestellten Klerikern und Gläubigen. Um Ihnen ein anschauliches
Beispiel von der inneren Zerrissenheit der 'Konzils'-Hierarchie zu
geben, verweise ich auf die Stellungnahme Kard. Kaspers zur Erklärung
"Dominus Iesus", die die Handschrift von Kard. Ratzinger trägt und
weitgehend noch vom katholischen Glauben geprägt ist. Kaum zur
Kardinalswürde erhoben, kritisiert Kasper jenes Dokument, welches für
ihn Verbindlichkeit im Glauben beansprucht (!), als "schmerzlich"
etc... eine Dokument jener Institution, der er gerade seine Ernennung
verdankt.
Abgesehen von dem schwierig durchschaubaren theologischen Verrat sind
ansonsten die katastrophalen Früchte der Reformen nicht nur sichtbar,
sondern auch meßbar: zahlreiche Kirchenaustritte, dramatischer Rückgang
der Berufungen zum Priestertum und Ordensleben, Erlöschen der
missionarischen Tätigkeit, Verstummen der 'Kirche' als moralischer
Autorität.
Zusammenfassend kann man sagen: Die römisch-kath. Kirche, so wie sie
einmal als universelle Heilsinstitution bestanden hat, hat weitgehend
aufgehört zu existieren. Diejenigen, die diese Reformen als Revolution
durchschaut haben, leben zwar nicht im Untergrund, aber in der
"Zerstreuung", in einer neuen Diaspora. Auch der als konservativ
eingestufte Kard. Scheffczyk, emer. Professor für Dogmatik an der
Universität München, der von der "Selbstzerstörung der Kirche spricht",
bescheinigt diesen Gläubigen: "Man muß realistisch und mit tiefem
Mitempfinden zugeben, daß heute zahlreiche Christen sich verloren,
ratlos und sogar enttäuscht fühlen." ("Theologisches", Juli 02)
Olles: Wer waren die Hauptfeinde der vorkonziliaren, antimodernistischen Kirche?
Heller: Seit der Französischen Revolution wurde die Kirche immer
stärker aus dem öffentlichen Leben in eine rein private Sphäre
zurückgedrängt: Religion sei Privatsache!... nachdem sie zuvor schon
durch den Josephinismus bevormundet worden war. Zudem haben die
Einflüsse der Aufklärung und der Säkularisierung dazu beigetragen, die
Christenheit zu entchristlichen. Die Freimaurerei mit ihrem "Kampf
gegen Thron und Altar" hatte die Absicht, die Kirche zu unterwandern.
Interessanterweise finden sich revolutionäre Ideen, die von den
Illuminaten formuliert worden waren, in verschiedenen Konzils-Dekreten
wieder. Die nachkonziliare Hierarchie ist zudem bereitwilligst und
willfährig auf die Forderung des Judaismus (B'nai B'rith), eingegangen,
angeblich antisemitische Elemente aus der Liturgie zu entfernen.
Zu diesen Einwirkungen von außen kam noch ein gewisser
Minderwertigkeitskomplex vieler Theologen hinzu, die sich seit Ende des
19. Jahrhunderts von der allgemeinen wissenschaftlichen Entwicklung
abgekoppelt fühlten und darum um so bereitwilliger auf alle modernen
Theorien nach dem Konzil geradezu 'flogen'.
Entscheidend für die derzeitige Situation weltweit aber ist die "Revolution von oben" gewesen.
Olles: Wie stark sind dagegen weltweit die Kräfte der Tradition?
Heller: Als sich bald nach dem Ende des II. Vatikanums abzeichnete, daß
die verabschiedeten Dokumente nicht bloß reformerischen Charakter
besaßen, sondern auch das kath. Dogma tangierten, die sich besonders
gravierend bei der Liturgiereform auswirkten, gab es zunächst viele
Kräfte, die gegen diese Reformen ankämpften. Der Promulgation des sog.
Novus Ordo Missae Pauls VI. folgte prompt die "Kurze kritische
Untersuchung des N.O.M.", die von den Kardinälen Ottaviani und Bacci
unterzeichnet ist und in der erhebliche theologische Mängel dieses
Ordos aufgezeigt wurden.
Erhellend ist in diesem Zusammenhang auch, was Kard. Ratzinger über die
Liturgiereform, die nach ihm "keine Neubelebung,, sondern eine
Verwüstung" darstellt, geschrieben hat: "Ich bin überzeugt, daß die
kirchliche Krise, in der wir uns heute befinden, zum großen Teil vom
Zusammenbruch der Liturgie herrührt." ("Mein Leben, Erinnerungen
1927-1997" Rom 1997)
Auch die griechisch-orthodoxe Kirche und bekannte protestantische
Theologen erhoben mahnend ihre Stimmen gegen die Einführung des Novus
Ordo. Es entstanden weltweit Widerstandsgrup-pen, die u.a. für die
Beibehaltung der alten Messe und für das Latein als Kirchensprache
eintraten, Kleriker wie Laien, zu denen Personen aus dem öffentlichen
Leben ebenso gehörten wie Wissenschaftler, Journalisten, renomierte
Theologen, aber auch engagierte Gläubige. Die internationale Bewegung
der "Una voce" gab sich rechtliche Strukturen. Im Jahre 1966 wurde u.a.
der "Freundeskreis der Una voce" in München gegründet, dessen Vorsitz
ich z.Zt. innehabe.
Mgr. Lefebvre gründete sein internationales Priesterseminar in der
Schweiz, das regen internationalen Zulauf fand. Zeitschriften in allen
wichtigen Sprachen erschienen. Ab 1971 gab der "Freundeskreis der Una
voce" in München die theologische Zeitschrift EINSICHT heraus.
Eine Spaltung der traditions-verbundenen Christen bahnte sich durch die
unterschiedliche theologische Bewertung der Reform-Dekrete an und
focussierte in der Analyse des Novus Ordo Missae. Während die einen an
diesem Ordo nur liturgische Mängel feststellten, entdeckten die
anderen, daß er gravierende dogmatische Verfälschungen enthielt, die
nicht nur die Gültigkeit der nach ihm zelebrierten Messen preisgab,
sondern zugleich auch die Amts-Legitimität des Promulgators Pauls VI.
in Frage stellte. Diese weiterreichendere Position teilten viele, der
Tradition verhaftete Christen nicht. Es erfolgte die Spaltung in die
bloßen Traditionalisten, die gleichsam eine orthodoxe Sekte innerhalb
der Konzils-Kirche bilden und die mit ihr einen bis heute ungelösten
Ritenstreit führen, und die Sedisvakantisten. Das sind diejenigen
Gläubigen, die den Römischen Stuhl für vakant halten. Diese Spaltung
hält bis heute an. Galeons- und Symbolfigur der Traditionalisten war
lange Zeit Mgr. Lefebvre. Richtungsgebend für die Sedisvakantisten
wurde der ehemalige Erzbischof von Hue/Vietnam, Mgr. Ngô-dinh-Thuc,
Bruder des ehemaligen katholischen Präsidenten von Vietnam,
Ngô-dinh-Diem, den die Amerikaner mit Zustimmung des Vatikan ermorden
ließen. Durch seine öffentliche Erklärung der Sedivakanz vom 22.3.1982
in München lieferte Mgr. Ngô-dinh-Thuc die entscheidende und
theologisch verbindliche Grundlage für diese Gruppierung.
Wenn Sie mich nach der Stärke beider Gruppierungen fragen, so muß ich
antworten, daß die bloßen Traditionalisten um Lefebvre eine beachtliche
Mitgliederzahl aufweisen, daß sie aber argumentativ schwach sind,
während die Sedisvakantisten zwar sehr durchschlagende Argumente
vorweisen können, aber weltweit eine Minderheit darstellen. Am
stärksten ist diese Gruppierung noch in Mexiko vertreten.
Gesellschaftlich gesehen spielen beide Gruppierungen eine eher
unbedeutende Rolle. Mangels einer einheitlichen Führung im pastoralen
Bereich ist bis jetzt keine nennenswerte Effizienz beim Wiederaufbau
der Kirche als Heilsinstitution erreicht worden.
Olles: Wie groß ist die Zerstörung der Apostolizität durch den Synkretismus?
Heller: Unter Apostolizität versteht man das Basieren der Kirche auf
den von Christus berufenen Aposteln, zum einen in der Kontinuität und
Identität der Lehre, zum anderen in der Sukzession ihrer Hierarchie,
d.h. in der ununterbrochenen und gültigen Weitergabe der von Christus
empfangenen Vollmachten zu weihen - Priester und Bischöfe, um die
Existenz der Kirche als die Heilsinstitution zu sichern.
Zum einen ist die apostolische Sukzession dadurch gefährdet, daß
ungültige bzw. zweifelhafte Weiheriten eingeführt wurden, durch die die
mit der Weihe verbundenen priesterlichen und bischöflichen Vollmachten
verloren gehen. Zum andern ist die Apostolizität dadurch aufgehoben,
daß Rom die den Aposteln übergebenen Vollmachten und Dogmen aufgibt,
wozu auch die Lehre von der alleinseligmachenden Kirche gehört. D.h.
die Konzils-Kirche besteht nicht mehr nur auf ihrem
Absolutheitsanspruch gegenüber den anderen christlichen Konfessionen,
die sie de facto als gleichberechtigt anerkennt, sondern bescheinigt
auch dem Islam, dem Judentum und den übrigen Weltreligionen, legitime
Heilswege zu sein. Dadurch gibt sich die Konzils-Kirche als die wahre
christliche Heils-institution selbst auf. Der 'Papst' einer solchen
Institution reiht sich zur friedlichen Koexistenz ein in die Phalanx
gleichberechtigter Würdenträger der anderen Religionen. Dieser
Synkretismus bedeutet zugleich die Aufgabe jeder wirklichen
missionarischen Tätigkeit. Doch selbst die teilweise skanda-lösen,
synkretistischen Gesten des angemaßten Oberhaupts der kath. Kirche -
Johannes Paul II. küßte z.B. den Koran - und die interreligiösen
Gebetstreffen können nicht verhindern, daß sich die anderen
Religionsgemeinschaften an dieses Konzept der friedlichen Koexistenz
keineswegs halten. So werden im Sudan weiter Christen abgeschlachtet,
selbst in der Türkei werden sie verfolgt oder diskriminiert. Man stelle
sich vor: Petrus würde mit den römischen Imperatoren über Programme
"des guten Willens aller Menschen" verhandeln, während draußen in der
Arena jener Imperator die Christen - wahrscheinlich "nicht guten
Willens" - den wilden Bestien zum Fraß vorwerfen läßt. Welcher Zynismus!
Olles: Ist der Ökumenismus eine der Folgen der geistigen Aushungerung der Menschen durch die neue Kirche?
Heller: Dieser Begriff gehört zu denen, die durch semantische
Manipulation einen Bedeutungswandel durch die Modernisten erfahren
haben. Ursprünglich war damit die Versammlung der einzelnen Teilkirchen
gemeint. Deshalb sprach man von einem ökumenischen Konzil. Heute
bezeichnet man damit Bestrebungen, die verschiedenen christlichen
Bekenntnisse zu vereinigen. Im Gegensatz zu den vor-konziliaren
Bemühungen, das Ärgernis der Spaltung durch die Lösung der anstehenden
Probleme zu überwinden - ich denke da u.a. an die leider
fehlgeschlagenen Re-Unierungsversuche mit den Orthodoxen unter Pius XI.
-, werden diese heute unter Umgehung der kath. Wahrheit vorangetrieben,
d.h. die Einheit hat Vorrang vor der geoffenbarten Wahrheit. Dieser so
verstandene "Ökumenismus" ist ausdrückliches Ziel der Reformer. Denken
Sie nur an die gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre, die einen
"differenzierten Konsenz" anpeilt. Der gerade zum Kardinal (der
'Konzils-Kirche') erhobe Bischof Lehmann durfte noch vor kurzem
ungestraft den von der Kirche als Ketzer verurteilten Martin
Luther als "Kirchenlehrer" bezeichnen! Ich habe Bekannte, die wegen des
daraus entstanden theologischen Indifferentismus die 'Konzils-Kirche'
verlassen und zur orthodoxen Kirche übergetreten sind. Wenn heute die
einfachen Gläubigen nach noch mehr Ökumenismus schreien, dann deswegen,
weil sie nicht mehr verstehen, warum Konfessionen mit dem (fast)
gleichen Glaubensinhalt überhaupt noch als verschiedene
Kirchenorganisationen nebeneinander existieren sollen. Durch die
Aufgabe der dogmatisch fixierten Wahrheiten hat sich eine Mentalität
der Beliebigkeit hinsichtlich der Lehrinhalte eingebürgert, in welcher
ein sog. Patchwork-Christentum, in dem sich jeder seine eigene
'Theologie' nach Gutdünken zusammenbastelt, fröhliche Urstände feiert.
Olles: Die Stigmatisierung der glaubenstreuen Katholiken durch die
Modernisten nimmt inzwischen Züge von Verfolgungen an. Werden Sie sich
bald im Verfassungsbericht wiederfinden?
Heller: Wir werden zwar diffamiert als intransingent, als
Fundamentalisten, aber dierkt verfolgt werden wir nicht. Dazu fehlen
der Konzils-Kirche die Machtmittel. Dazu gibt es aber auch politisch
keinen Grund. Wir wollen nur das weiterführen, was die Kirche bis zum
Konzil getan hat. Sicherlich erleiden Priester, die sich gegen die
Konzils-Kirche stellen, gewisse Nachteile. Vielleicht fällt es dem
stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Herrn Fridmann, der trotz der gegen ihn erhobenen Vorwürfe
immer noch im Amt ist, einmal ein, uns wegen der Beibehaltung der alten
Karfreitagsliturgie des 'Antisemitismus' zu bezichtigen. Davon gehe ich
jedoch nicht aus.
Olles: Neue Meßordnung, religiöser Liberalismus, Menschenrechte als
Revolte gegen die Autorität Gottes. Welche Hauptwahrheiten setzen Sie
dagegen?
Heller: Wir müssen daran festhalten, daß es eine absolute Wahrheit
gibt, die sich in Christus in-karniert hat, und es nur eine wahre
Religion gibt. Wir müssen die Überzeugung gewinnen, daß sich dieser
Gott-Mensch in die Niedrigkeit des menschlichen Elends herabgelassen
hat, um uns seine Liebe und seine Barmherzigkeit zu schenken, daß er
durch seinen Opfertod der gefallenen Menschheit die Möglichkeit der
Entsühnung angeboten hat, daß er im hl. Meßopfer den Menschen
fortwährend dieses Angebot eröffnet, sich voll Demut in diese
Entsühnung einzubinden, um mit Ihm, mit Gott, in einen neuen Bund
einzutreten, der auch der Garant für die Versöhnung und den wahren
Frieden unter den Menschen ist.
Olles: Welchen Rat kann man den Gläubigen geben, die der apostolischen und kirchlichen Überlieferung treu bleiben wollen?
Heller: Sie sollten sich primär um eine feste Glaubensüberzeugung, um
fundierte Kenntnisse in der kath. Glaubenslehre bemühen. Viele kath.
Gläubige sind ins Straucheln geraten, weil sie ihren Glauben nur via
Erziehung, d.h. via Tradition übernommen hatten. In einer Welt, die
viele falsche religiöse Konzepte und falsche Heilslehren anbietet, muß
man sich die Frage beantworten, wie man denn heute wissen kann, daß
Christus in der Tat der wahre Sohn Gottes ist, an den man zu Recht
glaubt. Der erste Vorsitzende unseres Freundeskreises, Herr Dr.
Gliwitzky, hat einmal gesagt: "Der langgewohnte Verzicht darauf, den
Glauben zur Einsicht zu bringen, ist eine der tiefsten Wurzeln der
sogenannten Krise, in der wir stehen. Unsere ganze Anstrengung muß
daher unter Beachtung der Zeichen darauf ausgehen, das Wissen darüber
zu befördern, wann man nur meint und wünscht, wann man hofft, wann man
glaubt und wann man in Wahrheit weiß." Ohne feste Überzeugung in den
elementaren Glaubenswahrheiten ist man heute einem raffinierten
Relativismus preisgegeben.
Die kirchliche Einbindung wird deshalb zum Problem, weil es eine feste
Organisation der kath. (Rest)-Kirche im deutschsprachigen Raum (noch)
nicht gibt. Ich bin aber gerne bereit, solchen Christen entsprechende
Informationen zu geben.
Olles: Kann es nach dem Ausverkauf des Glaubens und der Liturgie seit dem II. Vatikanum zu einer Restitution der Kirche kommen?
Heller: An einem theoretischem Konzept für den Wiederaufbau der Kirche
als Heilsinstitution arbeiten wir seit längerem. Doch es ergeben sich
theologische wie organisatorische Probleme. Eine Situation wie die, die
wir gerade durchleben, hat es in dieser Form kirchengeschichtlich so
noch nicht gegeben. Die Bewältigung dieser Krise bedeutet, sowohl
theologisches als auch rechtlich-organisatorisches Neuland zu betreten.
Und sie stellt Anforderungen, die eigentlich unsere Kräfte übersteigen.
Es wäre ja nicht damit getan, daß z.B. Johannes Paul II. oder die
Bischöfe einfach eine Kehrtwendung machten, um übermorgen bisherige
Entscheidungen zu revidieren und Fehl-Entwicklungen zu stoppen. Ein
Amtsträger, der in Häresie gefallen ist, verliert sein Amt und bleibt
(nach der Bulle Pauls IV. "Cum ex apostolatus officio") amtsunfähig,
auch wenn er sich wieder bekehren würde. D.h. dieser Wiederaufbau der
Kirche könnte nur durch jene Kräfte erfolgen, die dem Glauben treu
geblieben sind. Aber mangels einer einheitlichen Führung im pastoralen
Bereich ist bis jetzt keine nennenswerte Effizienz beim Wiederaufbau
der Kirche als Heilsinstitution erreicht worden.
Olles: Glauben Sie an die geistige Auferstehung Deutschlands und des Abendlandes oder sind wir bereits verloren?
Heller: Seit über 25 Jahren werde ich mit angeblichen oder wirklichen
Privatoffenbarungen traktiert, in denen nach verschiedenen Katastrophen
und Konflikten ein Wiedererblühen des geistig-religiösen Lebens
prophezeit wird. Ich kann mich darauf nicht einlassen. Ich sehe, was
ist und wie sich bestimmte Dinge entwickeln. Das Abendland und mit ihm
Deutschland wurde geprägt durch das Christentum. Auch wenn die
Gesellschaften das nicht mehr wahr haben wollen: das allgemeine
geistige Desaster beweist nur den Abfall, den Verrat dieser
christlichen Gesellschaftsordnung. Man kann z.B. die moralische
Morbidität der Deutschen an der Abtreibungsfrage recht deutlich machen:
über 60 % der angeblichen Katholiken waren für die jetzige gesetzliche
Regelung des § 218. Jedes Jahr werden ca. 300.000 Kinder abgetrieben.
Und ein Volk, das seine Kinder tötet, stirbt. Der Abfall vom Glauben
zeitigt auch seine Konsequenzen im gesellschaftlich-politischen
Bereich. So wird z.B. jede konservative politische Bewegung oder
Partei, die sich ideologisch an die Konzils-Kirche mit ihren
revolutionären Ideen anlehnt, zwangsläufig scheitern, weil die Macht
der ideologischen Konzepte durchschlagend ist. Denken Sie an den
Ökumenismus bzw. Synkretismus. Diese Ideen, die eigentlich im
kirchlichen Bereich konzipiert wurden, finden ihre genaue Entsprechung
im Multi-Kulturismus auf politischer Ebene. Dessen Auswirkungen haben
wir nun jahrelang auf dem Balkan als Zeitzeugen verfolgen dürfen. Ohne
eine Erneuerung im Glauben gibt es weder einen Wiederaufbau der Kirche
noch eine Erneuerung der Gesellschaft. Dafür sehe ich bis jetzt noch
keine Anzeichen.
Olles: In der Bibel heißt es "... und ihr werdet die Wahrheit erkennen,
und die Wahrheit wird euch frei machen." Ertragen wir die Wahrheit noch?
Heller: Man kann die Wahrheit, die geoffenbarte, ertragen, wenn man ihr
demütig dient. Dann macht sie auch frei, weil man in und aus der Liebe
mit Christus sein Leben gestalten will. Aber was heißt Demut? Sich
einzugestehen, daß man auf die Hilfe anderer, in diesem Fall auf die
Erlösungstat Christi, angewiesen ist, und daß man bereit ist, diese
Hilfe auch zu akzeptieren. Aber machen Sie das den selbstgefälligen
Machern oder unserer Spaßgesellschaft einmal klar.
Olles: Welche konkreten Schritte haben Sie unternommen, um als rechtsverbindliche Institution anerkannt zu werden?
Heller: Diese Frage wurde diskutiert. Konkret geht es darum, ob es
möglich ist, die bestehenden eingetragenen Vereine, die sich ab 1976
nach dem offiziellen Verbot der alten Messe auf lokaler Ebene zur
Bewahrung der Liturgie gebildet hatten, in einer Körperschaft des
öffentlichen Rechtes oder in einem Vereins-Verbund zusammenzufassen.
Dabei müßte auch noch die Frage des Namens geklärt werden.
Eberhard Heller
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