WURZEL, STAMM UND KRONE
(10. Teil)
von H.H. Dr.theol. Otto Katzer
Nach alldem, was wir uns bis jetzt gesagt haben, ist es notwendig, einen Überblick über das, was bei der heiligen Messe geschieht, zu geben. Handelt es sich um ein theatralisches Geschehen beim Altar und ist die Gegenwart der Gläubigen als ein reines Zuschauerwesen zu bezeichnen? Was spielt sich ab beim Altar? Was ist die heilige Messe?
Das Sacrificium Missae, das heilige Meßopfer ist die unblutige Aufopferung des Leibes und des Blutes des Herrn, welche von Christus selbst durch die Dienstbarkeit der Priester als Vergegenwärtigung zum Gedächtnis des Kreuzesopfers dargebracht wird.
In diesem Zusammenhang müssen wir vielerlei berücksichtigen:
1. das Opfer selbst, nämlich den wahren Leib und das wahre Blut des Herrn. Hiermit ist auch schon gesagt, was wir unter der realen Präsenz zu verstehen haben, daß eine bloß geistige nicht genügt,
2. den Priester, wobei die Hauptaufgabe auf Christus selbst zurückgeht, den der Priester vor den Gläubigen vertritt,
3. die unblutige Aufopferung,
4. die Vergegenwärtigung, das Andenken und die Applikation des Kreuzesopfers. (1)
Wesentlich sind das Meß- und Kreuzesopfer identisch. Nur die Weise der Darbringung ist eine verschiedene. Das Kreuzopfer war Jesu Selbstopfer, von ihm selbst dargebracht, wie das Tridentinum beschreibt, jetzt opfert Er sich durch den Dienst der Priester, und zwar auf eine unblutige Weise zusammen mit Seinem mystischen Leib.
"Das Meßopfer ist also die reale Darstellung des Kreuzopfers, d.h. es wird das geschichtlich nur einmal vollzogene Kreuzopfer in sakramentaler Weise geheimnisvoll gegenwärtig gestellt. Diese Gegenwärtigstellung geschieht zwar in den symbolischen Zeichen, des Opfertodes Christi, nicht in einer äußerlich realvollzogenen Tötung des Herrn, aber sie geschieht dennoch in realer Weise, insofern Christus unter jenen Zeichen wahrhaft gegenwärtig wird, und zwar in seiner Eigenschaft als Opfergabe und Opferpriester... (2) Es wird das Kreuz wahrhaft und mit seinem wesentlichen Inhalt auf unsern Altären aufgepflanzt. Jeder Altar wird zum Golgothaöo... Jetzt ist auch deutliche, in welchem Sinne das Gedächtnis (memoria) zu verstehen ist," (3) daß es als keine bloße Erinnerung anzunehmen ist. Wenn wir bei der heiligen Messe wirklich, aktiv anwesend sein wollen, .. dann müssen wir uns, wo wir auch sein mögen, nach Jerusalem versetzen zu dem Augenblicke, als man dem Heiland das schwere Kreuz auf die Schultern legt, und IHN auf seinem Leidensweg begleiten, nicht etwa mit den Schergen des Pilatus noch mit den Vertretern des Hohen Rates oder des lärmenden Volkes, sondern in der Gruppe der Mutter Gottes. Wir mÜssen uns mit IHM aufopfern, leiden und sterben, damit wir mit IHM zu einem neuen Leben auferstehen und zum heiligen Mahl eingeladen werden können. Wir sehen sofort den unüberbrückbaren Unterschied der reformatorischen Auffassung, welche die Messe als eine reine Gedächtnisfeier darstellt.
Die heilige Hesse, natürlich als auch unser Opfer genommen, zeigt sich hiermit als eine Brücke vorn Diesseits ins Jenseits, aus der Welt in das Reich Gottes, über die selbstverständlich der gehen muß, der in das Reich Gottes eintreten will. Daß es leider nicht alle Menschen sind, wenn auch allen es ermöglicht wurde, braucht nicht eigens betont zu weiden. Christus ist der wahre Pontifex d.i. Brückenbauer, wie es auch der Priester sein soll.
Unsere Zeit will weder von den Wurzeln, noch vom Stamm etwas wissen und glaubt, törichterweise, daß die Krone ohne beide existieren kann. So sind bei den "jetzt schon mündigen Christen" Adam und Eva längst ins Fabelbuch versetzt worden, nicht weniger als Abel, Noe, Heichisedech, Abraham, ja selbst der König David in seiner Beziehung zum Erlösungswerk. Der Stamm, die Geschichte das Volkes Gottes ISRAEL ist zu einer Judengeschichte geworden, wie auch Christus ein frommer Jude genannt wird, der sich als erster Revolutionär später hervortat und zum Wegweiser für die sich immer mehr entwickelnde Menschheit wurde. Leider finden sich genügend Menschen, die solch ein Sammelsurium von Unsinn als Wissenschaft betrachten. Daß bei einer solchen Auffassung von einer heiligen Messe überhaupt nicht mehr geprochon werden kann, wollen sie aber nicht einsehen.
Der Sündenfall unserer Stammeseltern, die Erlösung durch das Kreuzopfor und die Applikation der Verdienste durch das heilige Meßopfer, wie die Verabreichung der "Heilsmittel", d.i. der Sakramente, bilden eine untrennbare Einheit. Ohne die Kirche, Corpus Christi mysticum, den mystischen Leib Christi, gibt es und kann es keine heilige Messe geben, welche dazu bestimmt ist, jenen Gliedern vom mystischen Leib Adams, dem Corpus Adae mysticurn, die guten Willens sind, es zu ermöglichen, über die BRÜCKE in das Reich Gottes zu gelangen, als Glieder des mystischen Laibes Christi, wie sie es mit der hl. Taufe sind.
"Der Betrachtung dieser Lehre, so betont Pius XII., bietet sich zunächst das Apostel wort dar: "Als de Sünde übergroß geworden war, wurde die Gnade noch überwältigender" (Röm. 5,2O) Der Stammvater des ganzen Menschengeschlechtes war, wie bekannt, von Gott in einen so erhabenen Stand versetzt, daß er seinen Nachkommen zugleich mit dem irdischen auch das überirdische Leben der himmlichen Gnade übermitteln sollte. Aber nach dem traurigen Falle Adams verlor die gesamte Menschenfamilie, von der Erbschuld angesteckt, die Teilnahme an der göttlichen Natur (vgl. 2 Petr. L,4), so daß wir alle Kinder des Zornes wurden (Eph. 2,3)... Doch der erbarmungsreiche Gott "hat so die Welt geliebt, daß er Seinen eingeborenen Sohn hingab" (Joh. 3,16), und das Wort des ewigen Vaters hat mit der gleichen göttlichen Liebe aus der Nachkommenschaft Adams eine menschliche Natur angenommen, freilich eine sündenlose und von jeder Makel freie, damit von dem neuen, himmlischen Adam die Gnade des Heiligen Geistes auf alle Kinder des Stammvatars niederströme. Diese waren durch die Sünde des ersten Menschen der göttlichen Kindschaft verlustig gegangen. Jetzt aber waren sie durch das menschgowordone Wort, dem Fleische nach, Brüder des eingeborenen Sohnes Gottes geworden, die Macht erlangen, Kinder Gottes zu werden. (vgl. Joh. 1,12) So hat denn Christus durch seinen Tod am Kreuze nicht bloß der verletzten Gerechtigkeit des Ewigen Vaters Genüge getan, sondern ER hat uns als seinen Brüdern zugleich eine unaussprechliche Fülle von Gnaden verdient. Diese hätte er selbst unmittelbar dem gesamten Menschengeschlechte zuteilen können. Er wollte es aber tun durch die sichtbare Kirche, zu der die Menschen sich vereinigen sollten, damit so bei der Verteilung der göttlichen Erlosungsfruchte alle ihm gewissermaßen Helferdienste leisten konnten. Wie nämlich das Wort Gottes unsere Natur gebrauchen wollte, um durch seine Schmerzen und Peinen die Menschen zu erlösen, so gebraucht es ähnlicherweise im Laufe der Jahrhunderte die Kirche, um den begonnenen Werk Dauer zu verleihen." (4) Infolgedessen ist auch der Priester "dispensator mysteriorum Dei" Verteiler der Geheimnisse Gottes an die Glieder des Mystischen Leibes Jesu Christi. (5)
Dem Stammvater wurde von Gott eingeschärft: "Wenn ihr essen werdet von dem Baume des Wissens ... müsset ihr sterben!" Seinen erlösten Kindern aber: "Wenn ihr nicht essen werdet vom Baume des Kreuzes ... müsset ihr sterben des ewigen Todes!"
Das war und ist keine Vergewaltigung des freien Willens des Menschen, denn die Gnade Gottes, die Anteilnahme an Gottes Natur gehört nicht zu seiner Natur und kann deshalb nicht vom Menschen gefordert werden. Aber auch des Menschen Einsetzung in das natürliche Leben ist es nicht, da das Leben, so wie Gott es wollte und will, ein wünschenswertes Gut ist, und von seiten des Menschen zu Dank verpflichtet. Von einer Vergewaltigung könnte man nur dann sprechen, wenn er nicht hätte nicht sündigen können; das bloße "sündigen können" welches sich dazu noch nach bestandener Prüfung in ein "nicht sündigen können" verwandelt hätte, betonte nur seine Freiheit.
Das Geheimnis der Erbsünde besagt, daß sie für den Menschen kein bloß passives, extremes Mitgezogenwerden ins Unglück bedeutet. Die Erbsünde ist als wahre Sünde und wirkliche Schuld zu betrachten, da Adam nicht nur das physische sondern auch das juridische Stammhaupt seines mystischen Leibes ist. Deshalb gilt was der hl. Anselm sagt: "Die Kinder tragen nicht die Sünde Adams, aber ihre eigene. ... Wenn also ein Kind ob der Erbsünde verdammt wird, geschieht dies nicht wegen der Sünde Adams, wohl aber wegen seiner eigenen." (6). Allerdings bedeutet die Erbsünde keine "ichbewußte" Zustimmung, wie der sel. Odo von Cambrai betont: "Die Sünde, durch welche wir in Adam gesündigt haben. ... In Adam sündigte nicht ich, der ich bin, aber ich was ich bin. Nicht ich sündigte in ihm, aber das, was ich bin; ich Mensch sündigte, nicht aber Odo... (7)
Wir müssen hier von einer Verantwortung des ersten Menschen sprechen, der, was natürliche Ausstattung anbelangt, dieselbe wie die heutige besaß, ja in vielem sie vor der Sünde sogar überragte, also keines kurzhaarigen menschlich werdenden Affen. Die ganze menschliche Natur hat sich durch die Sünde verschuldeterweise unfähig gemacht die Gnade, d.i. das übernatürliche Leben zu tragen. Auch hätte sich die Gerechtigkeit Gottes nicht als unbarmherzig erwiesen, wenn sie den Menschen seinem traurigen Schicksal überlassen hätte, wie sie es auch nicht ist, wenn sie ungetaufte, nur mit der Erbsünde belastete Kleinkinder vom Reiche Gottes ausschließt.
Die ebenso unendliche Barmherzigkeit Gottes hat aber dem Menschengeschlecht unverdienter- und von ihm allein auch unverdienbarerweise die Möglichkeit der Rettung von der vollverdienten Strafe erwirkt und angeboten. Ohne das Opfer Christi wäre solch ein der Gerechtigkeit voll entsprechendes Angebot nicht möglich gewesen. Der, der freiwillig vom Baume, welcher den Tod bringen mußte, genossen hat, kann nur dann der Tat nach gerettet werden, wenn er freiwillig in Christus seine Todesstrafe auf sich nimmt. Im Paradiese hieß es: "Wenn du ißt, stirbst du des ewigen Todes" - unter dem Baume des Kreuzes aber: "Wenn du nicht ißt, stirbst du des ewigen Todes."
Der Stammvater verlor das eigene "Ich", wie auch das eines jeden seiner Nachkommen, an die Hölle, und hatte also nichts mehr, was er hätte opfern können. Wie hartnäckig aber Adam sein von Gott gefordertes Opfer verweigert hatte, umso bereitwilliger brachte Jesus das Opfer seines "Ich" um uns zu retten dar, wie Er selbst aussagt: "Sehnlichst habe ich danach verlangt, dieses Ostermahl mit euch zu halten, bevor ich leide." (Luk. 22,15). Abraham konnte nicht sein eigenes "Ich" in seinem Sohne so bereitwillig darbringen, wie Jesus es dargebracht hat. Da, wie wir uns bald zeigen werden, Sein Opfer unser Opfer sein soll, indem wir uns als Glieder Seines Leibes auch im Opfer mit ihm verbinden, müssen auch wir eine ähnliche Opferwilligkeit aufweisen. Etwas vorgreifend müssen wir sagen: Jedes Opfer ist Gabe, nicht aber jede Gabe ein Opfer. So kann ich etwas geben, was mir gehört, wobei wir uns jedoch zu Herzen nehmen müssen, daß nichts von dem, was wir eignen, restlos unser Eigentum ist, denn absoluter Herr ist Gott allein, und wir sind nur Verwalter der von Ihm uns anvertrauten Güter.
So kann ich etwas Überflüssiges geben, wie wenn ein Millionär einem Bettler zehn Mark gibt, oder meinen ganzen Lebensunterhalt, wie das Scherflein der Witwe. (Mark. 12,41) Im letzten Fall, wie wir uns noch zeigen werden, würde ich nicht bereits mich selbst geben, mein eigenes "Ich", nicht allein nur von dem, was mir gehört.
Die Spende, die Gabe, kann, was sicher nicht selten vorkommt, aus Berechnung gegeben werden, wie wir es im Falle Ananias und Saphira haben, die sagten, sie hätten alles gegeben, was aber nicht auf Wahrheit beruhte. (Apg. 5).
Dort, wo etwas aus Berechnung gespendet wird, ist die Ichsucht im Hintergrund. So war es bei Ananias und Saphira, so bei Judas, der das für den Herrn bestimmte Salböl am liebsten verkauft hätte, nicht weil ihm an den Armen etwas lag, wie er äußerte, "sondern weil er ein Dieb war und im Besitze der Kasse das, was einkam, unterschlug." (Joh. 12,6). Das letzte Ziel in beiden angegebenen Fällen war nicht Gott, sondern das eigene "Ich".
Ohne wahre Liebe gibt es kein Opfer, deshalb auch die Abneigung gegen dieses. Die Liebe ist es, die Licht für die Vernunft ist und Kraft für den Willen. Eine lieblose Vernunft ist genauso ekelhaft und unerwünscht wie eine vernunftlose Liebe. Eine lieblose Wahrheit, sagt irgendwo der hl. Franz Salesius, entspringt aus einer unwahren Liebe.
Das Herz, die Liebe ist es, die das Ziel wählt. Letztes Ziel kann nur Gott sein, für den Christen das allerheiligste Altarsakrament, nicht irgendein viel- und zugleich nichtssagendes philosophisches oder theologisches Gebilde, oder das eigene "Ich"; ein drittes gibt es nicht. Jedes andere Ziel, das zuletzt nicht Gott ist, wie selbstlos es sich auch zeigen möchte, läuft zuletzt auf das eigene "Ich" aus.
Die Vernunft sucht den Weg und der Wille schenkt die notwendige Kraft dazu, das letzte Ziel zu erreichen, von dem wir sagten, daß es nur Gott oder das eigene "Ich" sein kann.
Es ist im Rahmen unserer Arbeit nicht möglich näher auf die Einzelheiten einzugehen, das würde eine vielseitige Studie beanspruchen, hier sei nur so viel erwähnt, daß die Liebe das Gesichtsfeld erweitert, und so der Vernunft ein größeres Arbeitsfeld bietet, den Menschen zuletzt bis zur visio beatifica, der seligen Anschauung führt. Demgegenüber engt die Ichsucht das Gesichtsfeld ein, nicht selten bis zur krampfhaften Fixation auf das eigene "Ich", mit der Gefahr der ewigen Verankerung in der Hölle. Die Liebe sieht, die Ichsucht ist blind. Welche Aufgabe der Heilige Geist im Heilprozess dem Herzen zuschreibt, zeigt uns schon etwa ein Einblick in die Biblische Konkordanz beim Namen "Herz", wie ja auch niemandem die Worte der acht Seligkeiten unbekannt sein sollten, wo es unter anderem heißt: "Selig die reinen Herzens sind, sie werden Gott schauen!" (Mat. 5,8). Ja, wir müssen selbst für den natürlichen Bereich sagen, daß die Vernunft sich besser und schneller orientiert, je mehr sie von der Liebe erleuchtet wird.
Das alles müssen wir mehr denn je beim heiligen Meßopfer berücksichtigen, welches ohne die Liebe nicht möglich wäre, wie auch das Kreuzopfer ohne die Liebe undenkbar ist.
Da Christus Sein "Ich" Gott für uns geopfert hat, um uns zu retten, entriß er der Hölle unser "Ich" und gab es uns zurück" nicht aber, daß wir es für uns behalten und so die Ursünde wiederholen, sondern daß wir das von den Stammeltern verweigerte Opfer des eigenen "Ich" durch Ihn, mit Ihm und in Ihm dem himmlischen Vater darbringen und so das ewige Leben gewinnen. Wer "Alles" gewinnen will, und in Ihm das eigene "Ich", der muß "alles", d.i. sein eigenes "Ich" geben. Da die Stammeltern das "Ich" für sich behalten wollten, verloren sie "Alles" und mit Ihm sich selbst, wie auch alle ihre Nachkommen; in den Stammeltern verloren auch sie ihr eigenes "Ich".
Beim heiligen Meßopfer soll sich das "Ich" für die Aufopferung mit Christus einschließen, als Ganzopfer. Das Kreuzopfer war das persönliche Opfer Christi, wie wir schon gesagt haben, die heilige Messe soll das Opfer des mystischen Leibes Christi sein. Das Kreuzopfer muß erneuert werden um dem Menschcn den mystisch-sakralen Tod zu ermöglichen und hiermit den Zutritt zum Baum des Lebens, dem hl. Kreuze und seiner Frucht, dem allerheiligsten Altarsakrament. Im Paradies hieß es: "Ihr dürft nicht essen, wenn ihr leben wollt" Unter dem Kreuze heißt es: "Ihr müßt essen, wenn ihr leben wollt" Allerdings nur dann, wenn ihr vorher im freiwilligen Tod mit Christus und in Christus das Leben gefunden habt, denn "essen und trinken" bedeutet in Arbeit, Leid und Tod mit dem Erlöser verbunden zu bleiben. Das ganze Leben Jesu war ein einziges Opfer, so soll auch unser Leben es in Ihm sein.
Wie wir schon bemerkten, ist nicht jede Gott dargebrachte Gabe ein Opfer, "denn es kommt dabei ganz besonders auf die Art und Weise der Darbringung an. Diese muß, um ein Opfer hervorzubringen, durch eine irgendwie beschaffene Zerstörung der Gabe vollzogen werden.... Diese Zerstörung soll objektiv und tatsächlich darstellen, daß Gott das höchste Eigentumsrecht und die oberste Herrschergewalt habe über das Sein und Nichtsein aller Dinge - und daß der Mensch wesentlich von Gott abhängig, Gott angehörig und unterworfen, d.h. schuldig und bereit ist, sein Leben und sich selber mit Leib und Seele gänzlich Gott zu opfern und hinzugeben.... Die Darbringung des Opfers bezweckt somit wesentlich die Verherrlichung Gottes als des unumschränkten Herrn und Gebieters aller Geschöpfe - d.h. die Anbetung Gottes." (8)
Nun aber ist die Sühne eine erhöhte Anbetung und der Verzicht auf die Sühne, welche erst durch das fortdauernde Sühneopfer Christi für uns effektiv möglich wurde, Verzicht auf die Anbetung, was satanisch ist. Ist denn nicht das Opfer des Neuen Bundes das herrlichste, das es auf der Welt als Sühne für die Sünde sein kann? Christus gibt seinem himmlischen Vater sich selbst als das reinste Sühnopfer und nachher noch sich selbst uns, den Gliedern Seines Leibes als Speise und Trank, damit wir immerfort gestärkt worden bei Seiner Nachfolge. So wie die stellvertretende Hingabe des Leibes Christi zur Sühne der Sünden ein wahres Opfer ist, so soll auch und muß unserseits die hl. Messe ein Opfer sein, bei dem wir uns sterben, um in Gott zu leben. Der traurige Alltag belehrt uns aber, wie unvollkommen unser Opfer ist, soweit es überhaupt ein Opfer genannt werden kann, daß jede Sünde eigentlich eine Verweigerung des Opfers ist.
Wie wir uns noch werden zeigen müssen will Gott kein blutiges Sühnopfer mehr, das brachte ein für allemal der Heiland, wohl aber das unblutige Opfer der heiligen Messe, welches viel tiefgreifender in unser Leben eindringt, als wir uns denken. Eigentlich sollten wir uns darüber freuen, da wir immer und immer wieder von einer aktiven Teilnahme sprechen und glauben bei der alten Form zukurzzukommen. Die Ursache der letzten Erscheinung ist ein Mangel wahrer Einsicht. Wir werden noch näher auf dieses unsere Opfer eingehen müssen. Für den Augenblick begnügen wir uns mit den Worten des Bußpsalm "Miserere mei Deus": "So ist mein Opfer ein zerknirschter Geist, ein zerschlagenes Herz kannst du, O Gott, nicht abweisen." Es ist gerade das "zerschlagene Herz", welches dem "bereits mündigen Christen" fehlt. In seinem Wörterbuch sind zwei Worte unauffindbar: Demut und Ehrfurcht!
Der Christliche Glaube führt uns in eine Welt ein, die der Vernunft meistens schwer zugänglich ist. Wenn auch der Glaube, vom katholischen Standpunkt genommen, eine Gabe Gottes, eine Gnade, ein übernatürliches Licht, nie etwas beinhalten kann, was gegen die Prinzipien der Vernunft wäre, so ist damit noch nicht gesagt, daß die beschränkt von der Erbsünde getrübte Vernunft alles verstehen kann, von dem, was der Glaube den Menschen bietet.
Bereits im natürlichen Bereich müssen wir feststellen, daß mit einer jeden neuen Erkenntnis sich das Feld des Unbekannten in geometrischer Reihe ausbreitet, welches kein Computer erfassen kann. Seinen Vortrag "La Crise du Rationalisme" beim Zehnten Philosophenkongress in Amsterdam, 1948, beendet der bereits verstorbene Philosoph J. Benda folgendermaßen: "Bergson, Bachelard, Brunschvicg - proclame: Eh, bien, l'homme se fera une autre raison, un "nouvel esprit scientifique" - Gut, der Mensch wird sich eine andere Vernunft schaffen, einen "neuen wissenschaftlichen Geist". De Broglie erklärt aber "qu'étant donné notre constitution mentale, nous pourrions nous trouver un jour en facc de phénemènes dont l'explication nous devient impossible, 'nous heurter aux limites de compréhension de notre esprit.' - bei der gegebenen Beschaffenheit unseres Geistes könnten wir eines Tages auf Erscheinungen stoßen, deren Erklärung für uns unmöglich sein wird, an die Grenzen der Fassungskraft unseres Geistes kommen." "Die Auffassung de Broglies ist auch für J. Benda edler als die rührenden Verkündigungen unserer Messianisten." (9)
Das alles müssen wir in einem Zeitalter bedenken, wo alles "demythologisiert" und "neuinterpretiert" wird, in welchem also nicht mehr Gott spricht aber der sich vergötternde Mensch. "Der christliche, katholische Glaube, göttliche Tugend, glaubt nicht propter intrinsecam rerum veritatem naturali rationis lumine perspectam wegen der inneren Wahrheit der Objekte, soweit sie durch das natürlich Licht der Vernunft erfaßt wurde, aber wegen der Autorität desselben offenbarenden Gottes, der weder getäuscht werden, noch täuschen kann." (Denz. 1789)
Nun zeigten wir uns soeben, wie es mit der natürlichen Erkenntnis der Welt bestellt ist. Wie müssen wir uns da die Worte des Heilandes zu Herzen nehmen: "Wenn ihr nicht glaubt, da ich von irdischen Dingen zu euch rede, wie werdet ihr glauben, wenn ich von himmlischen zu euch rede? (Joh. 3,12) Die natürliche Welt ist voll von Geheimnissen, vor welchen die menschliche Vernunft scheitern muß, wie nun erst die übernatürliche!" Wenn jemand (aber) sagen sollte, daß die göttliche Offenbarung keine wahren und eigentlichen Mysterien beinhalte, wie auch daß alle Glaubenswahrheiten durch eine entsprechend geübte Vernunft aufgrund natürlicher Prinzipien verstanden und deutlich zu verstehen gegeben worden können, der sei im Banne!" (Denz. 1816, Vaticanum). Das heißt also, daß die Offenbarung Mysterien aufweist, welche der menschlichen Vernunft, ja manche auch der der Engel absolut unzugänglich sind, die selbst kein wissenschaftlicher Fortschritt auflösen kann. Allerdings sind diese Geheimnisse nicht im Widerspruch mit der geschaffenen Vernunft, nur überragen sie sie.
Zu den Mysterien gehören die allerheiligste Dreifaltigkeit, die Schöpfung, besonders des Menschen, seine Erhöhung wie auch sein Fall, die Ursünde, d.i. die Erbsünde, die Inkarnation, die Erlösung, die Kirche, die Sakramente, das Corpus Christi, die Gegenwart Christi im allerheiligsten Altarsakrament, das ewige Leben, die Gemeinschaft der Heiligen, die Liebe, die Hoffnung und der göttliche Glaube, die Gnade Gottes und die Sendung des Heiligen Geistes, das letzte Gericht und das ewige Leben. Streichen wir eines von diesen Mysterien, dann fallen sie alle. Die Theologie ist die "fides quaerens intellectum" der Glaube, der sich nach der Einsicht sehnt die ihm natürlich nur dann gewährt wird, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind, und in dem Ausmaße; welches die Vorsehung Gottes für uns als gut und notwendig erachtet. Wir sind Schüler, die auf das Wort Gottes, wie es durch das kirchliche Lehramt zu uns kommt, glauben. Das selbst der Papst an den Glaubensschatz gebunden ist, wird wohl nicht notwendig sein eigens zu beweisen, wie auch daß er in dem Augenblicke aufhört Sprecher des Magisterium vivum zu sein (des lebendigen Lehramtes), in welchem er sich gegen das Magisterium stellen würde. Bei einer Sedisvakanz lebt aber das Magisterium in der Kirchc weiter, in dem, was von ihr bereits festgelegt wurde, in den unumstößlichen endgültigen Entschlüssen des Apostolischen Stuhles.
Wenn wir nun auf die heilige Liturgie wieder zu sprechen kommen, besonders das hl. Meßopfer, so können wir mit den Worten des heiligmäßigen Kardinal Stanislaus Hosius, dem Vorsitzenden beim Tridentinischen Konzil, sagen: "Das, was von Christus ... eingesetzt wurde, von Seinen Aposteln durch die Hände der Priester und Bischöfe in langer Nachfolge in der Kirche übergeben und beobachtet wurde, wird nicht früher unterbrochen werden, als bis das Ende der Welt herannaht. (Jetzt kommt er auf Luther zu sprechen). Da sollte die gesamte Christenwelt dem Beschluß eines fanatischen Menschen, der vor nichts zurückschrickt, alles von den heiligen Vätern verunglimpft, die Autorität aller Konzilien entkräftet, den Vorrang geben? Oh Christus, der Du unser Weg bist, unsere Wahrheit, unser Leben, nehme uns lieber alle unsere Güter, dies unser sterbliches Leben, lieber alles, was den Sterblichen, teuersten in dieser Welt ist, als daß Du uns in eine solche Meinung verfallen lassest. Es gibt keine Gefahr, die wir nicht freudig auf uns nehmen würden: keine so große Schwierigkeit, daß wir sie nicht geduldig tragen würden, keinen Kampf, den wir nicht unerschrocken bereit wären zu bestehen, selbst wenn wir jenen so bitteren Kelch verkosten sollten, den Du gnädigst für uns getrunken hast. Du wirst uns dazu die Kraft geben, daß wir vor ihm nicht nur nicht fliehen, sondern ihn sogar für uns erbitten werden, nur um nicht zu tun müssen, was uns diese gottlosen Menschen anordnen, nämlich, daß wir Dich, unseren Erlöser verleugnen, daß wir es zulassen, uns den Preis für unsere Erlösung, den allerheiligsten Leib und das Blut, Dein immerwährendes Opfer, von Satan und seinen Dienern zu entreißen.
Wie wir schon öfters gemahnt haben, gibt es nichts schlaueres als diese Giftschlange. Mit Worten verneint sie es nämlich, daß sie uns den Preis unserer Erlösung entfremden wolle, ja sie scheint ihn sogar zu verkündigen, in der Tat aber tut sie nichts anderes, und ist um nichts anderes besorgt, als das Gedächtnis einer so großen Wohltat in den ewigen Strom der Vergessenheit zu überführen. Zu allererst ist sie bemüht, daß es zu keinem äußeren Opfer komme. Sagt sie doch: "Mit dem einen Opfer, hat er für immer die vollendet, die sich heiligen lassen." (Hebr. 10,14). Ist ihr dies gelungen, dann schleicht sie auf der Fährte weiter und lehrt, daß auch das Predigen darüber aufhören müsse ..." Satan weiß nämlich, daß das äußere Opfer allein Gott gebührt. Gaben werden viele gerichtet und von vielen gefordert, Opfer forderten aber nur wenige Tyrannen, "infolgedessen ist sie bemüht das äußere Opfer aufzuheben ... , denn sie weiß, daß wenn das äußere Opfer aufhört, wird (hiermit) auch selbst das Sein Gottes nach menschlicher Auffassung aufhören." (10). So wird bereits in unserer Zeit viel von einem sogenannten nichtreligiösen Christentum gesprochen. Letztes Ziel ist eine höchst mögliche Glücklichkeit in dieser Welt, wobei das religiöse Gebiet als ein unter Umständen unschuldiges Hobby zu betrachten ist. Daß hiermit das ganze Christentum gestrichen wird, will aber niemand begreifen. Wer denn nimmt noch ernst die Worte des Herrn, so wie Er sie etwa bei der Bergpredigt verkündet hat: "Suchet zuerst das Reich Gottes und seine Gerechtigkeit, und dies und alles wird euch hinzugegeben werden." (Matth. 6,33).?!
Treffen wir auf einen Priester, der nicht an Adam und Eva als individuelle Personen, unsere Stammeltern glaubt, dann kann er nicht wollen, was Christus und die hl. Kirche bei der Konsekration will, denn Christus ist nicht gekommen um einfach unter uns gegenwärtig zu sein, aber um sich für uns aufzuopfern als Sühneopfer für die Sünden der Welt. Haben wir es mit einem Kollektiv von Adam-en zu tun, so kann von einer Erbsünde im wahren Sinne des Wortes überhaupt nicht gesprochen werden. Ein Sühnopfer für die die Entwicklung unumgänglich begleitenden Unvollkommenheiten und "technischen" Mängel ist undenkbar. Was hilft die Form, wenn sie nicht von der wahren Wurzel lebt"?!
Fortsetzung folgt.
Anmerkungen: (1) Egger, Enchiridion Theologiae Dogmaticae specialis, IX Auflage, pg. 872, Brixen. (2) vgl. Denz. 938. (3) Bartmann, Lehrbuch der Dogmatik, II. Teil 354, Herder. (4) Rundschreiben "Mystici Corporis Christi" Pius XII., I. Teil, 12. (5) Encycl. "Ad catholici sacerdotii" Pius XI. (6) S. Anselmi De conceptu Virginis et orig. pecc. 26. (7) De peccato originali lib. 2. PL 160, 1071 sq. (8) Nikolaus Gihr, Das heilige Meßopfer dogmatisch, liturgisch und aszetisch erklärt, Herder 1877, pg. 10-11. (9) Proceedings of the Tenth International Congress of Philosophy, Amsterdam, North-Holland Publishing Company 1949, pg 605 sq. (10) Stabislai Hosii, De Sacramento Eucharistiae, cap. 41 sq.
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