GEHORCHT! von Paul Scortesco (Suppl. v. Lumière, Nr. 101, Okt. 1972) übersetzt von Ambros Kocher
Heute jagt die Wahrheit Schrecken ein. - "Wenn man bei der Verteidigung der Wahrheit einen Skandal befürchten muß, dann ist es besser, daß dieser Skandal auftritt, als daß man darauf verzichtet, die Wahrheit zu verteidigen." (Hl. Gregor d. Große).
I. Der blinde Gehorsam
"Wer sich durch Gehorsam etwas Schlechtem unterwirft, der steht der Auflehnung näher als der Unterwerfung." (Hl. Bernhard, 23).
Es ist äußerst vorteilhaft, sein Licht unter den Scheffel zu stellen, es ist auch äußerst einträglich, die Augen zu schließen und blind zu gehorchen. In dieser Stunde lohnt sich dies mehr als der Widerstand. Im ersten Fall erwirbt man Lorbeeren - und Subventionen, im zweiten aber Verfolgungen. Dies ist bedauerlich, wir aber ziehen die Verfolgung vor. Dies geschieht oft, wenn man den Mächtigen dieser Welt die reine Wahrheit vorhält.
Man sagt uns heute: "Gehorcht!" - Wem aber und worin? Jenen, die die Kirche zerstören? Ihren schrecklichen Lehren, welche die der Kirche angreifen? Und wir sind die Drahtzieher jener Marionetten, die sich vorne auf der Bühne befinden? Denn indem man ihnen gehorcht, gehorcht man jener mysteriösen Präsenz, die sich hinter den Kulissen der Kirche befindet.....
Ich hatte es schon vermutet, aber nachdem ich einen Brief bekommen habe, bin ich dessen sicher. Was er enthält, scheint auf den ersten Blick übertrieben, aber wenn man darüber nachdenkt, erklärt er uns beinahe alles, was sich in der Kirche unter der "Herrschaft" Pauls VI. ereignet. Er hat es übrigens selbst eingestanden zu St. Peter am 29. Juni 1972, am 9. Jahrestag seiner Krönung.
Ist es die Erinnerung an seine Gegenwart in der Kirche, die den Satan dazu bewog zu antworten? Meine Leser erinnern sich vielleicht an meinen offenen Brief, den ich ihm geschrieben und ihn darin beschuldigt habe - vier Jahre früher als Paul VI. -, in der Kirche alles zertrümmert zu haben. Und welche Proteststürme sogar vonseiten meiner Freunde!
Nun, es war wahr: Der Satan ist in der Kirche, er hat auf meine Anklagen geantwortet. Nachdem ich nun seinen Brief - mit der Pinzette - gelesen habe, denke ich an die Gläubigen, die in dieser Stunde blind gehorchen, und ich habe mich entschlossen, diesen Brief zu veröffentlichen. Hier ist er:
"Ich fühlte mich durch Ihr Schreiben geschmeichelt und geehrt. Es beweist mir, daß meine Anstrengungen nicht umsonst waren. Und obgleich der Stolz nicht meine Stärke ist, muß ich doch gestehen, daß ich besonders seit den letzten zwölf Jahren mit mir recht zufrieden bin. Ich habe verschiedentlich Angriffe auf die Zitadelle des Eindringlings unternommen, der die Kühnheit hatte, sie in meinem Reiche aufzurichten. Doch allen meinen Angriffen, selbst seit der Französischen Revolution - warum? sie ist doch mein Werk hat sie widerstanden, bis ich auf die Idee kam, den Eindringling nachzuahmen, bis ich I mich meinerseits in sein eigenes Reich einschlich.
Und welch prächtiger Erfolg! Seit jener Zeit nimmt mein Einfluß in der Kirche alle Tage zu, seit den letzten beiden Pontifikaten in einem Maße, daß ich ohne Übertreibung sagen kann, daß die Kirche nun zu meiner süßen Braut geworden ist ....
"Die erobernde Kirche?" - Aber nein, die eroberte Kirche! Kann man heute daran noch zweifeln? Erobert, weil der Großteil ihres Klerus mir gehört. Um es genauer zu sagen: Ich setze den Anfang meines großen Erfolges in jenen Augenblick, da Johannes XXIII. auf die Idee kam, ein Konzil einzuberufen. Ihr erratet vielleicht die Quelle solcher Eingebung (...)
So verfügte ich mich denn durch "die zur Welt geöffneten Fenster". Wie schön waren jene Worte Johannes XXIII. Eine geniale Initiative, die aus der Kirche tatsächlich mehr gemacht hat als zu meiner Braut, nämlich zu meiner Magd. Gerade deswegen haben doch die Bischöfe im Verlauf des Konzils immer wiederholt - mit wenigen Ausnahmen -, daß die Kirche der Welt diene - und ihrem Fürsten.
Das ist der Grund, weswegen ihr mir zu dienen und zu gehorchen habt. Ja, mir zu gehorchen, dem Lichte dieser Welt, Luzifer, damit ich mit eurer Hilfe jenen erneut kreuzigen kann, der hienieden hat regieren wollen: "Zu uns komme Dein Reich"... - Ach, nur das nicht! Nicht bei mir! Bei mir wird er immer mehr gekreuzigt werden, und dies alle Tage, und besser als auf Golgatha. So wird ihm die Lust vergehen, in mein Reich zurückzukehren.
Zu diesem Zweck verlange ich von euch blinden Gehorsam gegenüber der heutigen Behörde der Kirche. Tut ihr das nicht, so werde ich euch verfolgen, euch Freunde des Gekreuzigten!
Die Meinen sind zu allen möglichen Nachforschungen und Widerlegungen berechtigt. Ihr aber habt keine Rechte, nicht einmal im Namen eurer Grundsätze, unter denen der des "heiligen Gehorsam" sich befindet.
Gehorcht - und hier ist der Ungehorsam unverzeihlich-, da meine Autorität euch erklärt, daß Christus wie alle Menschen nur nach dem Bilde Gottes ist und nicht beansprucht hat, Gott gleich zu sein. Sagt ruhig, daß Christus nicht Gott ist. Gehorcht nicht den Übersetzungen der Evangelien und Briefe, die gefälscht worden sind, um euch glauben zu machen, daß "Christus die zweite Person der Dreifaltigkeit" sei. Welch ein Irrtum mit unheilvollen Sorgen! Glücklicherweise greife ich seit 10 Jahren ein, um solche Fälschungen zu verbessern, denn es entgeht mir nichts, ich habe die Augen überall. Gehorchet also diesem Wiedererstehen der Wahrheit, gebilligt durch Paul VI. und seine getreuen Freunde der "hl. Kongregation des göttlichen Kultes". Diese Wahrheit wurde in allen französischsprachigen Kirchen am Palmsonntag, verkündet. Gehorcht, einigen Ungehorsamen zum Trotz, die protestierten und über welche sich meine Freunde lustig gemacht haben, indem sie eine neue Übersetzung vorlegten, die in anderen Worten dasselbe besagte.
Welch ein Triumph! Wenn Christus nicht Gott ist, dann gibt es keine Messe mehr, keine Konsekration, keine Sakramente! Es gibt nicht einmal mehr eine Dreifaltigkeit, nachdem der "Sohn Gottes" verschwunden ist. Er ist also auch nicht für euch gestorben. Am Kreuze hing ein bloßer Mensch. Und jene, die heute glauben, "Messen" beizuwohnen, nehmen an nichts anderem teil als an profanen Versammlungen: das ist es, was ich von ganzem Herzen gewünscht habe, verwundet vom Mythos, den zu entmythologisieren es mir endlich gelungen ist.
"Der Priester handelnd in der Person Christi ..." Oh! "Jesus gegenwärtig unter den hl. Gestalten" - Eine Verirrung, die ich in meinem Reiche nicht mehr dulde. Besucht meine neuen Messen; da besteht keine Gefahr, dieser Verirrung zu begegnen: Messen, die wie bei den Protestanten nur ein Gedächtnis darstellen, und nicht das wirklich erneuerte Kreuzesopfer.
Und welch ein Geniestreich, das "Mysterium Fidei" aus der Konsekration herausgerissen zu haben, um es durch das Volk verkünden zu lassen, durch mein liebes souveränes Volk. Im Namen der strikten Observanz - ihr seht, ich kenne eure Religion, wie ihr bald meine kennen werdet - befehle ich euch, an diesen "brüderlichen Mahlzeiten" teilzunehmen und euch ganz tief vor der heutigen Hierarchie zu verneigen, die dies in meiner demokratischen und kollegialen Kirche verlangt.
Man muß auch Schluß machen mit der "Auferstehung Christi". Weder ein Mohammed, noch ein Buddha, weder Luther noch Marx sind wieder auferstanden. Eben auf jener vorgeblichen Auferstehung beruht eure Religion, sie hat zu viele Zerstörungen in der Geschichte angestellt, "jene Illusion, die sich im Bereich des Geistes vollzieht", wie an Ostern mein braver Pfarrer von Notre-Dame-des-Champs in Paris erklärt hat. Gehorcht ihm, denn er wird gestützt von seinem Oberen, Kardinal Marty; jenem Primas "der ältesten Tochter der Kirche", in dessen Augen "Gott nicht konservativ ist", sondern hundertprozentig revolutionär. Und im übrigen segne ich ihn, den großen Beschützer der Raufbolde von Sacré-Coeur von Montmartre: Erfüllt seine Wünsche! Seid gelehrig, schmiegsam, fügsam, geschmeidig. Paßt euch allem an, was eure Oberen von euch vorlangen, es sind ja die besten, die ihr je gehabt habt, ebenso der größte aller Päpste.
Wenn nicht, dann gebt acht! Ihr werdet von der Kirche gebannt, wie ein Abbé Coache und so viele andere Priester, welche sich erdreisten, Widerstand zu leisten; alle jene "Traditionalisten", welche den Frieden der Kirche stören und Verwirrung in sich säen. Ach, wenn sie mir doch nur einige kleine Konzessionen machen wollten, sich z. B. zum Marxismus bekehren, Homosexuelle trauen, Frauen zum Diakonat zulassen wollten. Ich würde sie alle zu Bischöfen machen.
Aber leider lieben sie die Mutter Gottes. Skandal! Apostasie! Ihre Gegenwart besudelt das Antlitz der Erde, meiner Erde. Sie soll verschwinden! Ihr fragt euch, woher der heutige Kampf gegen den Kult der Jungfrau kommt und warum man sie viermal aus der neuen Messe gesagt hat? ... Seht, denkt ein wenig nach: Wer hat mir ihrem Fiat eurem Gott Zutritt in mein Reich verschafft? Den Zugang in diese Welt, deren Fürst ich in Wirklichkeit bin, wie er ja selber es oft anerkannt hat. Und nun kommt sie und mischt sich in meine Angelegenheiten! Warum darüber staunen, daß die Priester, die mir ergeben sind, auch ihr Ave Maria mißhandeln, und daß andere sich weigern, die Rosenkränze zu segnen, und sie den Händen der Kommunizierenden entreißen. (P. Lelong "L'Aurore", 1. Juni 1972).
Und immer wieder geschieht es wegen Maria, daß ich eine solche Abneigung gegen die Messe des hl. Pius V. empfinde: Er ist es, der den Rosenkranz in Europa verbreitet hat. Er hat mich durch Maria bei Lepanto geschlagen. Paul VI. hatte vollkommen recht, daß er die Messe Pius' V. durch die seinige ersetzt hat. Er hat mir seinen großen Dienst erwiesen. Immer ist es Maria wegen, daß ich mich für die Russen, Polen, Ungarn, Rumänen, Tschechen und andere Fanatiker interessiere, welche sie nicht vergessen haben, und die ich in meinen Umerziehungslagern pflege oder in meinen stärkenden Irrenhäusern ... Weise Einrichtungen, denn man muß wahrhaftig verrückt sein, im Zeitalter meines Lichts an eine "Heilige Jungfrau" zu glauben. Ich werde durch eine dritte Revolution ans Ziel kommen, da jene von 1789 und 1917 nur Etappen auf dem Weg bedeuten, der zur Herstellung der Hölle - pardon - des Paradieses auf Erden führen wird. Aber um dazu zu gelangen, muß ich nicht bloß den Marienkult sondern die Kirche selber mitsamt ihrem Bande zwischen Gott und den Menschen, seiner "realen Gegenwart" zum Verschwinden bringen. Jedes Mal, wenn diese Messe gefeiert wird, vollzieht sich das Werk eurer Erlösung: so viele Seelen werden mir entrissen! So etwas darf nicht andauern!
Man hat vergessen, daß ich es schon versucht habe, und zwar im Verlauf meiner ersten Revolution, indem ich durch einige wenige Bischöfe, die mir gehorchten, einen Neuen Ordo Missae einführte einen Ordo, der dem heutigen gleicht, und unter dem gleichen Vorwande: "ihn verständlich zu gestalten, indem man ihn an die Bedürfnisse der Zeit anpaßt", wie es heute noch Paul VI. erklärt... Aber diese Messe dauerte leider nicht lange... Das genügt also nicht. -
Ich muß übrigens den Glauben in der Wurzel angreifen. Deswegen haben sich meine lieben Bischöfe dranbegeben, ihren Katechismus auf einen kräftigen Kult der Welt und des Menschen zu konzentrieren und die katholischen Dogmen zu verschweigen, insbesondre jene der Erbsünde und der Existenz der Engel. Meine eigene Existenz ist absolut zu leugnen! Gehorchet, denn ich bin im Mittelalter gestorben.
Ich gebe mein Imprimatur zum holländischen Katechismus, die anderen sind bloß grobe Kopien davon; sie übertreiben und eben Anlaß zum Erwachen. Aber sie alle, ob grob oder nicht, sind durch meine Hierarchie approbiert, abgesehen von einigen unmaßgeblichen Bemerkungen des Vatikans, die man gemacht hat, um den Schein zu wahren. Sie müssen den Kindern auferlegt werden. Gehorcht mit geschlossenen Augen!
Ich habe einige Liebschaften hier unten: außer zu meinem Liebling, der Urheber des subtilen holländischen Katechismus, Pater Schillebeeckx, fühle ich eine Schwäche gegenüber Pater Besret de Boquen, ebenso für Henry Fesquet von "Le Monde". Der erste hat zu Rennes erklärt: "Ich sehe weder das Interesse noch die Nützlichkeit einer Vereinigung ein, die sich auf Jesus bezieht und welche man Kirche nennt." Und der zweite unterstützt ein Zurück zum "ganz nackten Glauben", Titel seines letzten Buches: Ein Glaube ohne Kirche und Dogmen. Dies, um mir den Dienst zu erweisen, mir den Weg zur Universalreligion zu ebnen. Welche Hingebung für meine Sache, ich werde ihn mit allen meinen Gnaden überhäufen.
Stets bin ich es, der die Idee eingegeben hat, daß man, um zum "nackten Glauben" zu gelangen, alle Werke der Frömmigkeit ausrotten muß, die der Erbauung der Gläubigen dienen und angetan wären, ihnen in Erinnerung zu rufen, was ich aus den Katechismen entfernt habe.
Also keine Stützen des Glaubens mehr, welche ihn hervorrufen und nähren. Und hier muß ich gestehen, daß man mir weit über meine Hoffnung hinaus gehorcht hat: nicht nur keine Bilder und Statuen mehr, sondern auch keine "Hl. Sakramente" mehr, keine "Kreuzwege" mehr, keine feierlichen Kommunionen, kein Niederknien vor dem "Corpus Christi", keine Fronleichnamsprozessionen mehr.
All diese veraltete Folklore ist entfernt. Ja. ich weiß, es gibt noch einen Abbé Louis Coache, der mir nicht gehorchen will und starrköpfig bei seinen Prozessionen in den Wäldern vorharrte; ich werde ihm solches durch meinen Bischof noch zu fühlen geben. Und die Krönung meiner Anstrengungen besteht darin, daß es mir gelungen ist, die triumphalistischen Altäre durch Küchentische zu ersetzen, an ihnen die Messen, dem Volke zugekehrt, von Gott abgewendet! Ein ausgezeichneter Beginn meiner "Religion des Menschen"!
Endlich, ihr versteht, was ich sagen will: Der Mensch ist nur ein Vorwand, ich bin es, den man anbetet in den umgekehrten Messen. Denn bei diesen Küchentischen handelt es sich nicht mehr um eine göttliche Präsenz, sondern um eine desakralisierte Versammlung mit allem, dessen es bedarf, um den Sinn für das Heilige zu zerstören: Austeilung der Hostien an Stehende in die Hand und, was wünschenswert ist, durch Laien oder selbst durch Mädchen mit nackten Schenkeln, in Körbchen reihenweise weitergegeben, damit man sich nicht wegen einer so geringen Sache belästigen lassen muß.
Endlich, alles für die Laien! Der Priester muß verschwinden! Man ist auf gutem Wege: die Seminarien sind leer. Prächtig, gehorcht vor allem dieser guten Art des Kommunionempfangs, gesegnet durch meine Bischöfe! Kinder stecken sie in die Taschen und verkaufen sie zu guten Preisen, so kann ich mit diesen Hostien meine schönen weißen Messen feiern. Herrlich! Leider nicht ausführbar mit der Messe von Pius V.
Ihr, meine Priester, könnt den Sinn für das Sakrale auch durch die "Liturgie des Wortes" bekämpfen: seid in der Messe geschwätzig, diskutiert, ihr Diskutanten! Seid hundertprozentig intellektuell! Übertrefft meine Sophisten des Altertums! Sobald sie eure Kirchen betreten, müssen sie von eurer Wortklauberei erfaßt werden, damit sie nicht zum Gebete kommen und vergessen, daß sie dem Opfer von Kalvaria beiwohnen wollten.
Gehorcht, sonst müßt ihr es büßen! Ich dulde nur das gesegnete Ja, Ja. Ich habe den Priestern das Streben eingeflößt, das mystische Streben zurückzuweisen, das nicht rational ist. Sie haben mir gehorcht, und ich segne solche Zurückweisung.
Denn wenn des Gebet die Verbindung der Seele mit Gott bedeutet, dann keine Gebete mehr! Das ist irrational! Dafür aber viel von Sozialem, vom Syndicalismus , von Politik und Technik: da ist Vernünftiges dabei!
(Fortsetzung folgt) |