DER HL. BONIFATIUS - ZUM FEST AM 5. JUNI von Heinrich Storm
Zu den bedeutendsten Taten des hl. Papstes Gregor des Großen gehört die Missionierung des germanischen Stammes der Angelsachsen, zu der er 596 die ersten Glaubensboten aussandte. Denn das Evangelium fiel bei den vorher als besonders wild und barbarisch geltenden Angelsachsen auf einen solch fruchtbaren Boden, daß diese nicht nur innerhalb weniger Jahrzehnte den christlichen Glauben annahmen, sondern ihn sogar schon bald darauf den noch heidnischen Völkern Germaniens verkündeten. Unter den zahlreichen angelsächsischen Missionaren aber, die den Vorfahren unseres Volkes die Frohe Botschaft gebracht haben, räumen wir nicht zu Unrecht dem hl. Bonifatius einen besonderen Ehrenrang ein.
Wynfreth, wie der ursprüngliche germanische Name des nachmaligen Heiligen lautete, wurde zwischen 672 und 675 im angelsächsischen Königreich Wessex (Westsachsen) geboren. Über sein Elternhaus und seine erste Kindheit haben wir kaum sichere Nachrichten. Schon sehr früh wurde er - ein Zeugnis für den gläubigen Sinn seiner Eltern - als "puer ablatus" (ein Gott dargebrachter Knabe) dem Kloster Exeter übergeben, wo er von nun an seine weitere Erziehung und Ausbildung genoß. Das klösterliche Leben wurde von Wynfreth aber nie als ein ihm von außen angetaner Zwang empfunden, sondern als seine ureigenste Berufung ergriffen, so daß sein erster Biograph Willibald den "gottergebenen Dienst", das "anhaltende, arbeitsvolle Wachen" und den "Fleiß im Lesen des göttlichen Wortes" des jungen Mönches rühmen kann. Vor allem die Lernbegierde Wynfreths scheint außerordentlich gewesen zu sein. Zusammen mit seiner natürlichen Begabung befähigte sie ihn dazu, schon in sehr kurzer Zeit die Stellung eines Lehrers an seinem Kloster einzunehmen. Neben der Leitung der Klosterschule wurde er aber auch mit der verantwortungsvollen Aufgabe betraut, als Legat seine Gemeinschaft bei Bischöfen und Synoden zu vertreten. Welch großes Vertrauen die Mitbrüder in Wynfreth setzten, zeigt sich darin, daß sie ihn 716, ein gutes Jahrzehnt nach seiner Priesterweihe, zu ihrem Abt wählten.
Doch der nunmehr gereifte Mönch und Priester wußte sich von Gott bereits zu einer anderen Aufgabe berufen als der eines Abtes: Er war, wie so viele seiner angelsächsischen Mitbrüder vor und nach ihm, von dem Ideal ergriffen, die geliebte irdische Heimat aus noch größerer Liebe zur himmlischen zu verlassen, um auf dem Festland, bei den noch heidnische Randvölkern des Frankenreiches, das Evangelium zu predigen. Schon Anfang 716 war er zum ersten Mal zu den Friesen gereist, hatte diesen Missionsversuch aber nach einigen Monaten wieder aufgegeben. Im Jahre 718 legte er sein äbtliches Amt nieder und verließ auf immer die Heimat. Bevor er jedoch mit der Missionsarbeit begann, reiste er nach Rom, um am Grabe des Apostelfürsten zu beten und sein Werk von dessen Nachfolger, dem Papst segnen zu lassen. Am 15. Mai 719 wurde Wynfreth von Papst Gregor II. empfangen, der ihn zum Missionar bestellte und ihm, nach dem Heiligen des Vortages, den kirchlichen Namen Bonifatius verlieh: "...wir gebieten, daß du in dem Wort der Gnade Gottes, - bei allen im Irrtum des Unglaubens befangenen Völkern, zu denen du unter Gottes Geleit kommen kannst, den Dienst am Reich Gottes unter Anrufung des Namens Christi unseres Herrn und Gottes, von der Wahrheit angestiftet darstellst und im Geiste der Tugend, Liebe und der Nüchternheit, die Verkündigung beider Testamente bei den unkundigen Geistern in angemessener Weise verbreitest."
Von Rom aus führte Bonifatius sein erster Weg wieder zu den Friesen, wo er unter dem Apostel dieses Volkes, dem hl. Willibrord, zwei Jahre lang diente. Hierauf wandte er sich nach Südosten und begann mit großem Erfolg im Grenzgebiet der Sachsen zu missionieren. Papst Gregor II war über den Bericht, den Bonifatius über seine Arbeit nach Rom schickte, so erfreut, daß er ihn bereits 722 abermals einlud und ihn am 30. November 722 zum Missionsbischof ohne festen Sitz weihte. Nach Germanien heimgekehrt, widmete sich Bonifatius nun in den folgenden Jahren mit hingebungsvollem Eifer jener Aufgabe, die seinem Namen den größten Ruhm eingebracht hat, nämlich der Bekehrung des Stammes der Hessen. Über die Situation, die der Bischof und seine angelsächsischen Helfer dort vorfanden, berichtet uns der Chronist: "...einige opferten heimlich Bäumen und Quellen, andere taten dies ganz offen; einige wiederum betrieben teils offen, teils im Geheimen Seherei und Wahrsagerei, Losdeutung und Zauberwahn, andere wieder befaßten sich mit Amuletten und Zeichendeuterei, und pflegten die verschiedensten Opfergebräuche; andere dagegen, die schon gesünderen Sinnes waren, und allem heidnischen Götzendienst entsagt hatten, taten nichts von alledem."
Um die Heiden von ihrem Aberglauben zu befreien, ihnen die Ohnmacht ihrer Götter klar zu machen und ihre Herzen damit zur Annahme des christlichen Glaubens hinzuneigen, bedurfte es eines besonders eindrucksvollen Zeichens. Was aber konnte da geeigneter sein, als die Zerstörung eines der heidnischen Heiligtümer? So begannen Bonifatius und seine Gefährten an einem Tag des Jahres 723, mitten im Hessenland, in Geismar unweit Fritzlar, vor einer großen Menschenmenge eine dem Donar geweihte gewaltige Eiche zu schlagen. Das Zusammenbrechen dieses Baumes besiegelte für die Zuschauenden gleichseitig das Zusammenbrechen ihrer abergläubischen Vorstelllungen. Der von Bonifatius verkündete Gott hatte damit in ihren Augen seine Macht erwiesen. "Als dies die Heiden gesehen, wurden sie umgewandelt, ließen von ihren Lästern ab, priesen Gott und glaubten an ihn." Vom Holz der gefällten Donareiche aber baute Bonifatius die erste christliche Kirche des Missionslandes, die Peterskirche von Fritzlar.
Die kommenden Jahre sahen den Ausbau der Mission in Hessen, die mit großem Erfolg voranschritt. Bonifatius gründete dort weitere Kirchen und Klöster und gab dem Gebiet eine erste kirchliche Organisation. Daneben dehnte er seinen Wirkungsbereich aber auch nach Thüringen aus, das zwar bereits missioniert war, wo aber den kirchlichen Zuständen sowohl in moralischer als auch in organisatorischer Hinsicht große Mängel anhafteten. Hier wie überall, wo seine ordnende Hand in das noch lose Gefüge der jungen Kirchen eingriff, versuchte er, alles nach den Grundsätzen des kanonischen Rechtes aufzurichten, hatte er doch schon bei seiner Bischofsweihe von Gregor II eine Sammlung kirchlicher Rechtssatzungen ausgehändigt bekommen, mit der Weisung, "daß von jetzt an unverrückbar bei ihm verbleibe die Richtschnur dieser bischöflichen Lehren und Anordnungen, und er das untergebene Volk durch diese Vorbilder unterweise."
Die erzbischöfliche Würde, als deren Zeichen Papst Gregor III. 732 dem inzwischen schon weithin bekannten und angesehenen Bischof das Pallium übersandte, machte Bonifatius zum höchsten geistlichen Würdenträger des Frankenreiches; 5. Jahre später wurde er auf seiner 3. Romreise außerdem zum "päpstlichen Legaten für Germanien" ernannt. Diese Stellung gab ihm nunmehr die Möglichkeit, die Restauration der fränkischen Kirche weit über die Grenzen seines bisherigen Missionsgebietes hinaus auszudehnen. So ordnete er 739 auf Bitten des Herzogs Odilo die bayerische Kirche, indem er sie in die 4 Sprengel Salzburg, Passau, Freising und Regensburg teilte.
Seit dem Tode Karl Matells im Jahre 741 schließlich gewann der Erzbischof auch auf die gesamtfränkischen Verhältnisse Einfluß, wo eine Wiederaufrichtung kirchlicher Zucht und Ordnung dringend not tat: Nach Bonifatius' eigenem Bericht an den Papst hatte dort seit 80 Jahren keine Synode stattgefunden, viele Bischöfe waren Laien und "vererbten" manchmal sogar ihre Würde; auf den Sohn; die Priester aber lebten zu einem großen Teil unwürdig und unenthaltsam. "Auch findet man solche, die zwar sagen, sie seien keine Hurer und Ehebrecher, die aber trunk- und streitsüchtig sind und eifrige Jäger, bewaffnet im Heer kämpfen und eigenhändig Menschenblut vergossen haben von Heiden und Christen." Mit kraftvoller Hand unternahm es Bonifatius, diese wirren Zustände zu ordnen und zu bessern. Auf einer Synode der ostfränkischen Bischöfe im Jahre 742, die als "Concilium Germanicum" in die Geschichte eingegangen ist, wurden erste und entscheidende Reformbestimmungen erlassen, sowie Bonifatius zum Metropoliten der austrasischen (=ostfränkischen) Kirchenprovinz bestellt.
Damit hatte der Erzbischof die Grundlage zu einer Erneuerung der Kirche in den Gebieten, aus denen Deutschland entstehen sollte, sowohl dem Geist als auch der äußeren Gestalt nach gelegt. Ruckschläge und Enttäuschungen blieben ihm aber nicht erspart, vor allem von Seiten derer, die bisher die Kirche Christi zu ihren egoistischen Zwecken mißbraucht hatten, nämlich der verweltlichten Bischöfe und Priester. "Sie begannen gegen ihn zu reden, ihn zu schmähen, so sehr sie konnten und behaupteten, er sei des Bischofsamtes nicht würdig, weil er ein Fremder sei.", berichtet uns wiederum Willibald. Bonifatius selbst schreibt über seine Nöte an seinen angelsächsischen Heimatbischof: "Denn für uns gibt es nach dem Worte des Apostels nicht nur außen Kämpfe und innen Ängste, sondern auch nach innen außer der Angst Kämpfe, vor allem immer wieder durch falsche Priester und Heuchler, die Gott widerstreben, sich selbst ins Verderben stürzen und die Leute durch viele Ärgernisse und mancherlei Irrlehren verführen."
Da der Widerstand der Gegner seinen Einfluß immer mehr schmälerte, widmete sich Bonifatius seit 745 wieder hauptsächlich seinen ehemaligen Missionsgebieten, die er in Diözesen einteilte und deren Durchdringung mit christlichem Geist er vor allem durch die Gründung von Klöstern der benediktinischen Regel förderte. Die liebste seiner Gründungen wurde ihm Fulda, wo er sich häufig aufhielt und das er zu seiner letzten Ruhestätte erwählte: "Hier habe ich mit Zustimmung Eurer Huld mir vorgenommen, den vom Alter matt gewordenen Leib in der Stille sich erholen und nach meinem Tode ruhen zu lassen. Es wohnen nämlich, wie bekannt, die vier Völker, denen wir das Wort Christi durch Gottes Gnade verkündet haben, im Umkreis um diesen Ort, und mit Gottes Hilfe kann ich diesen, solange ich lebe und geistig imstande bin, nützlich sein. Es ist nämlich mein Wunsch, ... in der Verbundenheit mit der römischen Kirche, inmitten der Völker Germaniens zu bleiben...", schreibt er 751 an Papst Zacharias. -
753 brach der greise Erzbischof zu seiner letzten Reise auf, dorthin, wo einst seine Mission begonnen hatte, nach Friesland. Nachdem er dort die Verhältnisse der Utrechter Kirche geordnet hatte, zog er 754 noch einmal, die Frohbotschaft verkündend, durch die friesischen Lande. In der Nähe des Dorfes Dokkum sollte am 5. Juni 754 die Taufe bzw. Firmung einer Anzahl Neubekehrter stattfinden. Doch am Morgen des festgesetzten Tages erschien statt der Taufbewerber eine Rotte raub- und mordlüsternen Heiden, die über den Erzbischof und sein Gefolge herfielen. Dieser rief seinen Gefährten, die sich zur Wehr setzen wollten, in unerschütterter Zuversicht zu: "Lasset ab, Mannen, vom Kampfe, .... denn das wahre Zeugnis der Hl. Schrift lehrt uns, nicht Böses mit Bösem, sondern sogar Böses mit Gutem zu vergelten. Denn schon ist der langersehnte Tag da und unserer Auflösung willig erwartete Zeit steht bevor. Darum seid stark im Herrn und ertraget dankbar, was er uns gnädig schickt. Hoffet auf ihn, denn er wird unsere Seele erlösen." So krönte der Heilige, und mit ihm 50 seiner Gefährten, sein Leben durch die Krone des Martyriums. Sein Leichnam aber wurde bald darauf nach Fulda überführt und dort, seinem Wunsch gemäß, zur letzten Ruhe gebettet.
"Apostel der Deutschen" ist der Ehrentitel, den die Nachwelt dem hl. Bonifatius verliehen hat, und obwohl er weder der einzige noch der erste ist, der den Vorfahren unseres Volkes das Evangelium gepredigt hat, so trägt er diesen Namen doch nicht zu Unrecht: Denn er ist es, durch den die Christianisierung der germanischen Stämme (die Sachsen ausgenommen), im wesentlichen ihren Abschluß und ihre Vollendung erfuhr. Darüber hinaus liegt seine Bedeutung aber auch darin begründet, daß er die schon bestehende abendländische, d.h. vor allem fränkische Kirche in wahrem christlichen Geist erneuerte und ihr eine feste Ordnung, die des kanonischen Rechtes, gab. Dabei versuchte er immer, sich der Unterstützung durch die weltliche Macht zu versichern, wußte er doch, daß die Kirche des Schutzes durch die Fürsten, wie diese der Heiligung durch jene bedurfte. Noch weitaus mehr als daran aber lag ihm an einer engen und lebendigen Verbindung mit den Nachfolgern des hl. Petrus, den Päpsten, als den Garanten der Einheit und der Rechtgläubigkeit der Kirche. So schrieb er einmal an den Erzbischof von Canterbury über die Beschlüsse seiner Reformsynoden: "Wir haben ... den Beschluß gefaßt und das Bekenntnis abgelegt, an der Einheit mit und an der Unterordnung unter die römische Kirche festhalten zu wollen bis zum Ende unseres Lebens, daß wir den hl. Petrus und seinem Stellvertreter untertan und alle Jahre eine Synode abhalten wollen, daß die Metropoliten sich ihre Pallien von jenem Stuhl beschaffen und daß wir in allem, wie es die Kirchensatzungen vorschreiben, den Geboten des hl. Petrus Folge leisten wollen, um zu den ihm anvertrauten Schafen gezählt zu werden."
Indem Bonifatius durch seine Treue zum Apostolischen Stuhl die Vorbindung des Papsttums mit dem fränkischen Reich vorbereitete, gehört er unbestritten zu den großen Wegbereitern der abendländischen Ordnung. Wenn er selbst auch nicht mehr alle Früchte seines Wirkens in seinem irdischen Leben sah, und sich einmal mit einem Hund verglich, "der bellt und sieht, wie Diebe und Räuber das Haus seines Herrn aufbrechen und untergraben und verwüsten, aber, weil er keine Helfer hat, nur knurrend wimmert und jammert", so können wir doch mit seinem heiligen Zeitgenossen, dem Erzbischof Cuthberth von Canterbury, ausrufen, daß "ruhmvoller als Worte die Nachwirkungen seiner Taten" für den Heiligen zeugen. -
"O Gott, Du hast zahlreiche Völker durch den Eifer Deines heiligen Martyrers und Bischofs Bonifatius zur Erkenntnis Deines Namens huldreich berufen; uns, die wir sein Fest feiern, laß uns auch die Macht seines Schutzes erfahren." (Kirchengebet am Festtag des Heiligen)
Literatur:
Briefe des hl. Bonifatius; Willibalds Leben des hl. Bonifatius in "Ausgewählte Quellen zur Deutschen Geschichte des Mittelalters", Band IV, b (Darmstadt 1968). Theodor Schieffer, Winfried/Bonifatius und die christliche Grundlegung Europas (Freiburg 1954). Joseph Bernhart, Bonifatius, (Paderborn 1950).
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