EINE SCHLECHTE VERTEIDIGUNG DER LITURGIE-KONSTITUTION
von H.H. Walter W.E. Dettmann
Kaplan Gottfried Melzer aus Sillian in Osttirol hat einen Versuch gemacht, die Liturgiekonstitution des sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzils zu verteidigen.
Das Vorwort seines Aufsatzes strapaziert nicht nur den Kopf des Lesers, sondern es zeigt in sich selbst, daß es unmöglich ist, die Liturgiekonstitution als eine gute Sache zu rechtfertigen.
Melzer hat davon geträumt, die gesamte Liturgiekonstitution verteidigen zu können, wenn er von allen 130 (einhundertunddreißig!) Artikeln dieser Konstitution nur den einen Artikel 50 mit Ach und Krach günstig auslegen kann. Aber nicht einmal das ist ihm gelungen.
Die Liturgiekonstitution des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils ist und bleibt das Schandmal der katholischen Bischöfe im 20. Jahrhundert.
Kaplan Melzer gehört zu denen, die meinen, um die heutige Kirche zu retten, dürfe man kein einziges Wort gegen die Bischöfe und gegen Paul VI. sagen.
Es ist aber gerade umgekehrt: Man kann nicht laut genug sagen, daß Paul VI. und die Bischöfe das hl. Meßopfer zerstört haben. Die Konzilsbischöfe hatten gemeint, sie könnten das heilige Meßopfer vor den Augen der gesamten ungläubigen Welt bekritteln lassen. Sie hatten gemeint, jeder beliebige Journalist und jeder beliebige Träger irgendeines Professorentitels könnte am heiligen Meßopfer herumnörgeln. Gewisse Konzilsbischöfe hatten die Journalisten sogar aufgefordert, nur noch gegen das frühere heilige Meßopfer zu schreiben.
Es war nicht nur eine unpassende sondern eine frevelhafte Idee der Konzilsbischöfe, die heiligsten und göttlichsten Dinge vor einer ungläubigen und spottenden Welt als erneuerungsbedürftig hinzustellen. Die Konzilsbischöfe mußten wissen, das das journalistische Geschwätz von der Einheit aller Christen nur auf der Grundlage der völligen Zerstörung des Hl. Meßopfere möglich war.
Heute sehen manche Konzilsbischöfe, wie sehr sie sich verfehlt haben, und sie machen klägliche Versuche, ihren angeblichen guten Willen beim sogenannten Konzil und bei der Abfassung der erbärmlichen Liturgiekonstitution glaubhaft zu machen. Aber dazu ist es zu spät.
Der katholischen Kirche kann man heute nicht mehr dadurch nützen, daß man nach der Art des Bischofs Graber in einem so kleinen Blättchen wie der "Bote von Fatima" einen schöngefärbten Aufsatz über "Papst Johannes und sein Konzil" schreibt, sondern der Kirche kann man nur noch dadurch nützen, daß man von den Bischöfen und vor allem von Paul VI. die volle Wiederherstellung des heiligen Meßopfers und die klare Verurteilung der Liturgiekonstitution fordert.
Wenn Kaplan Melzer in Osttirol dies getan hätte, könnte er heute in der Kirche wie ein Andreas Hofer dastehen. So aber hat er eine schlechte Arbeit geleistet. Er hat das einfache gläubige Volk über den Charakter der Liturgiekonstitution des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils getäuscht. Er ist der Frage nach den Hauptschuldigen für die Zerstörung der heiligen Messe ausgewichen.
An und für sich hatte Kaplan Melzer für seine Arbeit einen schönen Titel gewählt: "Die Feier der heiligen Geheimnisse". Aber er hat sein Thema auf eine Seifenblase gegründet. Die Seifenblase, die Herr Melzer aus seinem Röhrchen bläst, ist die Behauptung, das sog. Zweite Vatikanische Konzil habe "bezüglich des bisherigen Meßritus folgenden Beschluß gefaßt:
'Der Aufbau der hl. Messe (Ordo Missae) soll dahingehend untersucht werden (ita recognoscatur), daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang mit größerer Klarheit offen vor Augen liege und so die fromme und tätige Anteilnahme der Gläubigen erleichtert werde'". Die Behauptung von diesem "Beschluß" ist in mehrfacher Hinsicht eine schillernde Seifenblase:
1.) Er täuscht Liebe und Hochschätzung der Konzilsbischöfe gegenüber dem bisherigen Meßritus vor; 2.) er täuscht eine künftige Untersuchung vor, die in Wirklichkeit schon mehr als zwanzig Jahre zuvor stattgefunden hat, 3.) dieser sog. "Beschluß" verdeckt den wahren Geist der Liturgiekonstitution; 4.) dieser sog. "Beschluß" wird von Paul VI. entgegengesetzt zu dem aufgefaßt, was Kpl. Melzer sagt.
Zu jedem dieser vier Punkte ist viel zu sagen. Z.B. hat Prof. J. A. Jungmann wie kaum ein anderer schon mehr als zwanzig Jahre vor dem sogenannten Konzil die einzelnen Teile des Meßopfers "untersucht". Er tat dies mit Wissen der Bischöfe nur zu dem Zweck, um einem kommenden sogenannten Konzil "Material" an die Hand zu geben, welche Teile man ändern könne.
Der "Beschluß" von dem Herr Melzer spricht, ist in Wirklichkeit ein Teil des Artikels 50 der Liturgiekonstitution, der in der amtlichen Übersetzung der deutschen Bischöfe folgendermaßen lautet:
"Der Meß-Ordo soll so überarbeitet werden, daß der eigentliche Sinn der einzelnen Teile und ihr wechselseitiger Zusammenhang deutlicher hervortreten und die fromme und tätige Anteilnahme der Gläubigen erleichtert werde.
Deshalb sollen diese Riten unter treulicher Wahrung ihrer Substanz einfacher werden. Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen. Einiges dagegen, was durch die Ungunst der Zeiten verlorengegangen ist, soll, soweit es angebracht oder nötig erscheint, nach der altehrwürdigen Norm der Väter wiederhergestellt werden.
Kaplan Melzer behauptet., der eigentliche Sinn des Artikels 50 sei dieser: "Die Ordnung der hl. Messe soll wiederum und neu erkannt werden".
Aber hier sagt Herr Melzer zuerst einmal etwas Unnötiges. Denn die eifrigen Gläubigen haben die Ordnung des hl. Meßopfers schon immer bestens gekannt: Sie haben stets gewußt, daß das hl. Opfer aus der Vormesse mit Epistel und Evangelium besteht sowie aus den Hauptteilen Opferung, Wandlung und Kommunion. Wenn man in die Kirche kam und einen Priester am Hochaltar oder an einem Seitenaltar sah, wußte man schon nach wenigen Augenblicken, bei welchem Teil der hl. Messe er sich gerade befand.
Oder meint Herr Melzer, diese Bischöfe hätten beim Artikel 50 angeordnet, daß das Volk jede einzelne Zeremonie des Meßopfers ebenso kennenlernen sollte, wie sie der Priester kennen muß?
Man weiß nicht, was Herr Melzer mit seinen Worten sagen will: "Die vom Hl. Geist in die Feier der hl. Messe hineingelogte geheimnisvoll verborgene Ordnung soll wiederum neu erkannt werden."
Zur Erläuterung dieses Satzes schreibt Herr Melzer: "Diese Ordnung, die in den Frühzeiten der Kirche den Eingeweihten bekannt war, soll heute in neuer Weise offenkundig werden zum Zeugnis für die Richtigkeit und Gottgewolltheit der überlieferten Meßliturgie". Aber wer soll aus solchen Worten klug werden?
Zur Rechtfertigung des angelblichen "Beschlusses" des sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzils behauptet Kaplan Melzer, in die deutsche Übersetzung dieses Dokumentes seien "offensichtlich private Wünsche und Vorstellungen von einer Umänderung der hl. Messe unberechtigterweise miteingeflossen".
Aber er muß doch wissen, daß gerade die Übersetzung, die er meint, von den Bischöfen gutgeheißen wurde. Warum hat sich noch kein einziger Bischof dagegen erhoben, daß der Artikel 50 falsch übersetzt wurde?
Ist das so sehr nach Macht strebende "Bischofskollegium" nicht stark genug, um sich gegen falsche Übersetzungen der Konzilsdokumente zu wehren?
Warum muß ein untergeordneter Geistlicher aus einem abgelegenen Dorf in Osttirol die Liturgiekonstitution verteidigen? Warum tut dies nicht der mächtige Kardinal König in Wien oder sonst ein Bischof?
Kaplan Melzer hat geschrieben: "Es konnte unmöglich im Sinn des Konzils gelegen sein, die vom Heiligen Geist in die hl. Messe hineingelegte Ordnung zu zerstören". Ferner behauptet er: "Jedenfalls kann die jetzige neue Meßliturgie unmöglich vom Konzil beschlossen worden sein, weil sie zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht vorlag." (vgl. die Zeitschrift "DRM" - "Die Rettende Macht", Nr. 10 vom 12. März 1973, Seite 7, Spalte 2 und 3). Der Osttiroler Kaplan tut so, als hätten sämtliche Konzilsbischöfe mit der Liturgiekonstitution nur die heiligste und reinste Absicht gehabt, und erst nachher sei alles gegen den Willen der (mächtigen!) Bischöfe durch unbekannte Leute verdorben worden.
Es ist klar daß diese Darstellung nicht der Wahrheit entspricht. Jeder heutige Geistliche, also auch Kaplan Melzer in Sillian, muß doch wissen, daß alle nach dem sogenannten Konzil eingesetzten "Liturgischen Kommissionen" in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz unter der ständigen Aufsicht sämtlicher Bischöfe gearbeitet haben.
Also haben die Bischöfe die Wandlungsworte geändert; die Bischöfe haben die Kniebeugungen abgeschafft; die Bischöfe haben die Kreuzzeichen des Priesters über das konsekrierte Brot und über den konsekrierten Wein abgeschafft; diese Bischöfe haben die Kommunionbänke aus den Kirchen hinausgeworfene; die Bischöfe haben die Handkommunion eingeführt; die Bischöfe haben die Fronleichnamsprozession an vielen Orten abgeschafft; die Bischöfe haben die häßlichen "Mehrzweckkirchen" bauen lassen; und vor allem hat Paul VI. die Definition der hl. Messe geändert.
Das sogenannte Zweite Vatikanische Konzil ist nur zu dem Zweck veranstaltet worden, um die "vom Hl. Geist in die hl. Messe hineingelegte Ordnung zuzerstören!" Es spielt gar keine Rolle, ob einzelne verträumte oder verschlafene Bischöfe dies gemerkt haben oder nicht.
Der sog. Eucharistische Kongreß in München vom Jahre 1960 mit seinen vielen Änderungen in der Meßfeier war nach den Worten von Johannes XXIII. nur die "Generalprobe" für das kommende Konzil.
Also mußte jeder einzelne Bischof wissen, was auf dem sog. Konzil ausgebrütet wurde. Kein Bischof kann seine Hände in Unschuld waschen, außer jene vier Würdenträger, die bis zum Schluß ihre Zustimmung zu der heuchlerischen Liturgiekonstitution verweigert haben.
Der liturgische Sachverständige des Konzils, Prof. J. A. Jungmann S.J., hat sein Buch über die hl. Messe ("Missarum Sollemnia") schon seit dem Jahre 1939 nur unter dem Gesichtspunkt der radikalen Änderung der hl. Messe geplant und geschrieben. Alle Gebete, über die er schon damals abfällige Bemerkungen machte, sind heute verschwunden. Jungmanns Buch wurde lange vor dem Konzil in die englische, französische und spanische Sprache übersetzt.
Kardinal Ottaviani hat zwar in seiner bekannten "Kritischen Untersuchung des ,Novus Ordo Missae'", geschrieben, daß bei der römischen Bischofssynode vom Oktober 1967 von insgesamt 187 Bischöfen 43 (dreiundvierzig) entschieden gegen die geplante neue Messe waren. Weitere 62 Bischöfe hätten derartige Vorbehalte dagegen geäußert, daß die Zeitungen der Welt von einer "Ablehnung" der vorgeschlagenen Messe durch die Bischofssynode schrieben.
Aber durch diese Tatsachen werden die widerstrebenden Bischöfe keineswegs von ihrer Schuld befreit. Denn sie hatten zuvor die Liturgiekonstitution unterschrieben, und diese Unterschrift betrachtete Paul VI. nach seinen eigenen Worten als Auftrag für die Gestaltung der neuen Messe.
Paul VI. berief sich bei der Einführung der sog. neuen Messe eigens auf den "Auftrag", den ihm das Konzil durch den Wortlaut des Artikels 50 erteilt habe (vgl. die Ansprache bei der Generalaudienz am 19. November 1969, wiedergegeben in der "Einsicht", 1. Jahrg Nr. 1, Seite 10: "Hier spricht der Papst").
Montini fragte damals: "Wieso denn eine solche Abänderung (nämlich der Messe)?" und er antwortete: "Sie ist einer Willensäußerung geschuldet, die das kürzlich gefeierte ökumenische Konzil kundgegeben hat. Das Konzil sagt so: Die rituelle Ordnung der Messe soll revidiert werden, damit das besondere Wesen der einzelnen Teile und ihre gegenseitige Verbindung klarer hervortrete und damit die fromme und aktive Teilnahme der Gläubigen erleichtert werde. Darum sollen die Riten, in ihrem Wesen treu bewahrt, vereinfacht werden. Jene Elemente sollen unterdrückt werden, die im Laufe der Jahrhunderte verdoppelt wurden oder weniger nützlich hinzugekommen sind. Einige Elemente dagegen, die mit der Zeit verloren gingen, sollen wiederhergestellt werden gemäß der Überlieferung der hl. Väter, im Maße, das angemessen oder nötig erscheinen wird. - Die Reform, die vor der Veröffentlichung steht, entspricht darum einem gewichtigen Auftrag der Kirche. Sie ist ein Akt des Gehorsams. ...." -
Hier kommt die Seifenblase des Herrn Melzer zum Platzen: Wenn Paul VI. selber sagt, der Artikel 50 enthalte eine Willensäußerung zur Änderung der heiligen Messe, und wenn er sagt, es sei "ein Akt des Gehorsams gegenüber dem Konzil ("Wer Ohren hat zu hören, der höre!"), wenn er, Paul VI., diesen "Auftrag" ausführe, dann kann doch nicht Herr Melzer einige Jahre später behaupten, der Artikel 50 spreche nicht von einer Änderung der hl. Messe sondern nur von einer besseren Erkenntnis der Meßordnung!
Wenn Paul VI. selbst von einer Änderung der Messe spricht, wird Kaplan Melzer kaum behaupten können, der Artikel 50 sei falsch übersetzt. Er tut es aber doch und schreibt, er persönlich wolle nicht jenen folgen, die die Beschlüsse der Liturgiekonstitution fälschlich ausgelegt haben. Dabei nennt er aber keine Namen. Vielleicht weiß er nur zu gut, daß er in erster Linie den Namen Paul VI. erwähnen müßte.
Auf was für schwachen Füßen steht doch das Treuebekenntnis Kaplan Melzer zu Paul VI. Er schreibt: "Wer ihn ablehnt, lehnt Christus ab, wer ihn verachtet, der stellt zugleich in Abrede, daß Gottes väterliche Vorsehung auch für unsere so schwierigen Zeiten vorgesorgt habe. So soll uns nichts von der Treue zum Papst abhalten!" Dies sind wahrhaftig sehr schwache Worte des Herrn Melzer. Soweit er damit auch uns, die Mitarbeiter der "Einsicht", meint, müssen wir ihn etwas korrigieren:
Nach unserer persönlichen Auffassung hat Paul VI. den katholischen Glauben tatsächlich verraten. Aber wir "verachten" ihn nicht so, wie Herr Melzer schreibt, sondern wir lehnen Paul VI. als Oberhaupt der Kirche ab, ohne daß wir deshalb Christus ablehnen. Wir lehnen Paul VI. in der gleichen Weise ab, wie man früher einen Gegenpapst abgelehnt hat.
Paul VI. lehnt Christus im heiligsten Altarsakrament ab, und wir verteidigen Christus im heiligen Meßopfer. Wir vertrauen noch viel mehr als Kaplan Melzer auf Gottes väterliche Vorsehung, daß sie der Kirche wieder ein zuverlässiges Oberhaupt gibt, falls es überhaupt noch im Willen Gottes ist, daß die Kirche und die Menschheit weiter besteht. Wir machen ein sehr großes Fragezeichen hinter die Behauptung Johannes XXIII., daß in unserer Zeit des Atoms und des Einbruchs in den Weltenraum "die Menschheit ihren neuen Weg von grenzenloser Weite schon begonnen trat": Der Weg von "grenzenloser Weite" kann auch der Weg in das Weltgericht sein. Insofern war Johannes XXIII. ein Prophet . Aber er wollte nachweisbar etwas ganz anderes sagen, nämlich etwas, das im Sinne des Teilhard de Chardin liegt, vgl. Rundschreiben "Pacem in terris" Nr. 153.
Kaplan Melzer möchte uns sogar davon überzeugen, daß in diesem Artikel 50 der Liturgiekonstitution der Heiligen Geist deutlicher als anderswo zu uns gesprochen habe. In Wirklichkeit ist der Artikel 50 eines der größten geistigen Armutszeugnisse von zweitausend Bischöfen. Hat etwa der heilige Papst Pius V. die Meßfeier so gestaltet, daß "der eigentliche Sinn der einzelnen Teile" heute zu wenig deutlich war? Oder hat Papst Pius V. den Aufbau der hl. Messe so gestaltet, daß "der wechselseitige Zusammenhang der Teile" zu wenig deutlich und zu wenig sichtbar war?
Die Konzilbischöfe haben sich benommen wie solche Leute, die dem allmächtigen Gott und Schöpfer vorwerfen möchten, er habe den Aufbau des menschlichen Körpers nicht richtig gestaltet: Der eigentliche Sinn der einzelnen Teile sei zu wenig deutlich und der wechselseitige Zusammenhang der Glieder sei ebenfalls zu wenig erkennbar. Außerdem seien Verdoppelungen und Wiederholungen vorhanden.
Es war dem Herrn Kaplan Melzer entgangen, daß Paul VI. selbst den Artikel 50 ganz anders verstand als er, aber trotzdem hätte er seinem großen Irrtum entgehen können. Wenn er nämlich nur ein klein wenig die vielen anderen Artikel der Liturgiekonstitution studiert hätte, die auf eine Änderung des heiligen Meßopfers zielten, dann hätte er sehen müssen, welchen zerstörerischen Sinn auch der Artikel 50 besitzt.
Im Artikel 21 wird gegen den früheren Meßritus der schlimme Vorwurf erhoben, daß sich möglicherweise etwas "eingeschlichen" habe, "was der inneren Wesensart der Liturgie weniger entspricht".
Im Art. 23 ist die Rede davon, daß bereits verschiedene Erlaubnisse ("Indulte") zur Änderung des Meßritus gegeben wurden. Ferner heißt es hier, es sei Sorge zu tragen, "daß die neuen Formen (d.h. diese neuen Zeremonien) aus den schon bestehenden organisch herauswachsen". - Ist dieser Hinweis auf die bevorstehenden Änderungen etwa auch nur eine falsche Übersetzung?
Noch schlimmer kommt es, wenn es im gleichen Artikel 23 heißt: "Auch soll nach Möglichkeit verhütet werden, daß sich zwischen den Riten benachbarter Gebiete auffallend starke Unterschiede ergeben". - Es wurde also schon während des Konzils damit gerechnet, daß an Stelle des auf der gesamten Erde einheitlichen Meßopfers ganz verschiedene nationale Riten treten werden. Herr Melzer scheint dies nicht beachtet zu haben.
Im Artikel 25 heißt es klar und deutlich: "Die liturgischen Bücher sollen baldigst revidiert werden". Das heißt, daß das Meßbuch, das Brevier und die Ritualien geändert werden sollen! Der Artikel 34 bezieht sich nicht auf den bisher geltenden Meßritus Papst Pius V., sondern dieser Artikel ist offenkundig eine Anordnung für etwas, das an die Stelle des bisherigen Meßritus treten soll. Dieser Artikel lautet: "Die Riten mögen den Glanz edler Einfachheit an sich tragen und knapp, durchschaubar und frei von unnötigen Wiederholungen sein. Sie seien der Fassungskraft der Gläubigcn angepaßt und sollen im allgemeinen nicht vieler Erklärungen bedürfen."
An dieser Stelle ist ganz klar an eine Änderung der bisherigen Zeremonien gedacht. Im Artikel 35 heißt es im Absatz 1: "Bei den heiligen Feiern soll die Schriftlesung reicher, mannigfaltiger und passender ausgestaltet werden." Auch aus dieser Bestimmung ergibt sich, daß die bisher vorgeschriebenen Schriftlesungen des römischen Meßbuches, die an vielen Stellen dogmatischen Charakter haben, geändert werden sollen. Der Absatz 4 des gleichen Artikels 35 verlangt die Einführung der sogenannten "Wortgottesdienste", die es in dieser Form in der römischen Liturgie bisher niemals gegeben hat. Es liegt auf der Hand, daß dies nur auf Kosten des hl. Meßopfers geschehen kann.
Der Artikel 40 spricht davon, daß "an verschiedenen Orten und unter verschiedenen Verhältnissen eine tiefer greifende und deswegen schwierigere Anpassung der Liturgie dringlich ist."
Hat Herr Kaplan Melzer nicht gesehen, daß das sogenannte Konzil hier an eine "tiefer greifende" Änderung des hl. Meßopfers gedacht hat? Er schreibt seelenruhig: "Es konnte unmöglich im Sinne das Konzils gelegen sein, die vom Hl. Geist in die hl. Messe hineingelegte Ordnung zu zerstören".
Noch zahlreiche Kostproben aus den 130 Artikeln der Liturgiekonstitution könnten vorgeführt werden, um die zerstörerische Absicht der Bischöfe zu beweisen. Herr Melzer aber tut so, als sei der Artikel 50 davon nicht berührt worden.
Er strengt sich geradezu ungeheuer an, um diesem Artikel 50 einen anderen Sinn zu geben. Man muß sich diese Anstrengungen einmal gleichsam mit dem Vergrößerungsglas anschauen.
Der Osttirol Kaplan spricht über den Satz: "Was im Lauf der Zeit verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt wurde, soll wegfallen" und sagt, dieser Satz sei als ein ganz besonderer Bedingungssatz aufzufassen: "Wenn etwas verdoppelt oder weniger glücklich eingefügt worden sein sollte, dann soll es wegfallen."
Dieses "Wenn" sei aber ähnlich zu vorstehen wie jenes "Wenn", das der Apostel Paulus dort gebraucht, wo er an die Gemeinde in Korinth schreibt: "Wenn Christus nicht auferstanden ist, ist unsere Predigt vergeblich und auch euer Glaube ist vergeblich" (1. Kor. 15, 14).
Kpl. Melzer behauptet, so wenig der Apostel Paulus bei diesen Worten an der Auferstehung Christi gezweifelt habe, so wenig dürften wir zweifeln, ob irgend etwas beim früheren Meßritus nicht in Ordnung sei.
Der Heilige Geist erwarte von uns, so sagt Herr Melzer, daß wir nach dem Lesen das Artikels 50 "mit demütigem und einsichtsvollem Herzen bekennen: 'Nein, o Herr, Du hast alles gut gemacht, Du hast alles (nämlich an der hl. Messe) wunderbar bewahrt. Groß bist Du und groß sind Deine Werke!'" Wir Verteidiger des alten Meßritus sind selbstverständlich überzeugt, daß beim hl. Meßopfer Papst Pius V. alles in Ordnung ist, und wir werden auch immer den Heiligen Geist für dieses herrliche Werk loben.
Aber Paul VI. hat nicht so gebetet, wie Herr Melzer sich es vorstellte. Paul VI. hatte vom Artikel 50 der Liturgiekonstitution und vom heiligen Meßopfer selbst eine ganz andere Vorstellung.
In der Liturgiekonstitution ist aber auch an so vielen Stellen die Rede von einer Änderung des früheren Meßritus, daß auch ohne das Eingeständnis Paul VI. die Auslegung des Artikels 50 durch Herrn Melzer spielend leicht als eine fromme Träumerei zu entlarven ist.
Es gibt nichts daran zu rütteln, daß die Liturgiekonstitution des sog. Zweiten Vatikanischen Konzils aus lauter Pferdefüßen besteht, und es erscheint wie eine Seifenblase, wenn Herr Melzer ausgerechnet nur den einen Artikel 50 in einem guten Sinne zu deuten sucht.
Herr Melzer sollte nicht nur für die Zeitung "DRM" über "Die Feier der heiligen Geheimnisse" schreiben, sondern er sollte den Mut haben, sich gegen die Zerstörer der heiligen Messe zu erheben.
Kaplan Melzer tut so, als sei in der römisch-katholischen Kirche "offiziell" noch gar nichts gegen die Feier des früheren heiligen Meßopfers unternommen worden. Er tut so, als handle es sich heute nur darum, den Gläubigen die Schönheit der "heiligen Geheimnisse" zu zeigen, damit alles wieder in Ordnung sei. Er schreibt: "Im übrigen soll hier mit aller Klarheit und Deutlichkeit gesagt werden, (was jetzt kommt, steht bei Melzer in Fettdruck!) daß der bisherige tridentinische Ritus der hl. Messe weder abgeschafft noch ein neuer Meßritus offiziell eingeführt worden ist".
Herr Melzer will nicht sehen, daß die Liturgiekonstitution das sogenannten Zweiten Vatikanischen Konzils gerade das ist, was von den Bischöfen und von Paul VI. offiziell gegen die Feier des bisherigen heiligen Meßopfers unternommen wurde. Der Artikel 50 ist gemäß den eigenen Worten Paul VI. der offizielle "Auftrag" zur Minderung des bisherigen Meßritus.
Außerdem muß man sich in der heutigen Zeit, in der die Bischöfe und Paul VI. diese Feier des heiligen Meßopfers trotz der Trauer und trotz der Klage von Millionen Gläubigen abgeschafft haben, und nur noch ganz wenige Geistliche mit großen Schwierigkeiten das alte hl. Opfer feiern, fragen, was Herr Melzer eigentlich will.
In Deutschland und Österreich feiert kein einziger Bischof mehr das heilige Meßopfer wie früher und Kaplan Melzer behauptet, es sei "offiziell" noch nichts gegen den alten Meßritus unternommen worden.
Das ist ungefähr so, wie wenn verheiratete Personen einen Ehebruch begehen und dann sagen, es sei "offiziell" noch nichts gegen den Bestand der früheren Ehe unternommen worden.
Das, was Kaplan Melzer behauptet, ist ungefähr so, wie wenn jemand am ersten Karfreitag nach der Kreuzigung Christi gesagt hätte, es sei von den Hohepriestern "offiziell" noch nichts gegen den Glauben an den Messias unternommen worden.
Kaplan Melzer Aufsatz ist eine schlechte Verteidigung der Liturgiekonstitution. Dieser Aufsatz hat nur den einen Vorteil, daß wir den durch die Liturgiekonstitution angerichteten Schaden noch besser übersehen.
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